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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 01.02.2005
Aktenzeichen: 6 A 11903/04.OVG
Rechtsgebiete: GG, SGB IV, BRAO, StBerG, RAVG


Vorschriften:

GG Art. 20 Abs. 1
SGB IV § 7 Abs. 1. S. 1
SGB IV § 14 Abs. 1
SGB IV § 15 Abs. 1
BRAO § 3 Abs. 3
StBerG § 1 Abs. 1
StBerG § 3 Nr. 1
RAVG § 1 Abs. 2
RAVG § 4 Abs. 3 Nr. 4
RAVG § 20 Abs. 1 Nr. 1
1. Nach der Wertung des Landesgesetzes über die rheinland-pfälzische Rechtsanwaltsversorgung bemessen sich die Pflichtbeiträge zum Rechtsanwaltsversorgungswerk bei einem Rechtsanwalt, der vorwiegend als Geschäftsführer einer Steuerberatungs-GmbH tätig ist, nicht nach der Summe seines Arbeitseinkommens oder -entgeltes, sondern nach seinem anwaltlichen Berufseinkommen.

2. Bei dieser Gesetzeslage überschreitet es die Grenzen der autonomen Rechtsetzungsbefugnis des Rechtsanwaltsversorgungswerkes, wenn dieses die Beitragsbemessungsgrundlage kraft Satzungsrechts auf sämtliche Einkünfte aus juristischer Tätigkeit erstreckt.


OBERVERWALTUNGSGERICHT RHEINLAND-PFALZ IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

6 A 11903/04.OVG

In dem Verwaltungsrechtsstreit

wegen Beitrags zur Rechtsanwaltsversorgung

hat der 6. Senat des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz in Koblenz aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 1. Februar 2005, an der teilgenommen haben

Vorsitzender Richter am Oberverwaltungsgericht Hehner Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Frey Richter im Nebenamt Prof. Dr. Robbers ehrenamtlicher Richter Beamter a. D. Adams ehrenamtlicher Richter Dipl.-Ing. (FH) Becker

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 29. April 2004 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Trier - 6 K 1327/03.TR - wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, wenn nicht der Kläger seinerseits vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Bemessung der Pflichtbeiträge zum Rechtsanwaltsversorgungswerk für die Jahre 2000 und 2001.

Der Kläger ist Rechtsanwalt und seit 1. Oktober 2000 Mitglied im beklagten Versorgungswerk, nachdem er infolge eines mit Wirkung vom 11. September 2000 vollzogenen Kammerwechsels seine Zulassung zur Rechtsanwaltschaft in Rheinland-Pfalz erlangt hatte. Die anwaltliche Tätigkeit übt er vorwiegend nebenberuflich aus, denn der Schwerpunkt seines beruflichen Einsatzes liegt auf der Funktion als Geschäftsführer einer in Saarbrücken ansässigen Steuerberatungs-GmbH. Aus der zuletzt genannten Tätigkeit erzielte der Kläger im Jahre 2000 Bruttoeinkünfte in Höhe von 98.322,60 DM und im Jahre 2001 von 111.393,60 DM. Der Gewinn aus der anwaltlichen Tätigkeit belief sich nach den vorgelegten Einkommenüberschussrechnungen im Jahre 2000 auf 7.856,78 DM und im Jahre 2001 auf 42.701,61 DM.

Auf der Grundlage dieser Feststellungen setzte der Beklagte mit Bescheid vom 4. Februar 2003 die Pflichtbeiträge des Klägers für die Jahre 2000 und 2001 fest. Dabei errechnete er für den Zeitraum vom 1. Oktober bis 31. Dezember 2000 einen monatlichen Beitrag in Höhe von 848,64 € und für die Zeit vom 1. Januar bis 31. Dezember 2001 einen solchen in Höhe von 849,61 €. Zur Erläuterung der Beitragshöhe bezog sich der Bescheid auf die Beitragsbemessungsgrenze, die sich im Jahre 2000 auf 4.397,11 € und im Jahre 2001 auf 4.448,24 € belief sowie auf den Beitragssatz, der im Jahre 2000 19,3 % und im Jahre 2001 19,1 % betrug.

Gegen den Umfang seiner beitragsrechtlichen Heranziehung legte der Kläger wegen der seiner Ansicht nach völlig unverhältnismäßigen Beitragsbelastung eines nebenberuflich tätigen Anwaltes Widerspruch ein, den der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 11. August 2003 im Wesentlichen mit der Begründung zurückwies, dass § 23 Abs. 2 der Satzung des Versorgungswerkes ersichtlich von einer breiten Beitragsbemessungsgrundlage ausgehe.

Mit seiner Klage hat der Kläger daran festgehalten, dass Grundlage der Beitragsbemessung nur das anwaltliche Berufseinkommen sein könne. Die unter Hinweis auf die Satzungsbestimmungen vertretene Gegenmeinung des Beklagten verkenne, dass der Satzungsgeber nur in dem ihm vom Gesetz zugewiesenen Bereich regelungsbefugt sei. Ferner berücksichtige sie nicht, dass die Tätigkeit eines Geschäftsführers einer Steuerberatungsgesellschaft kraft Gesetzes sozialversicherungsfrei sei, sodass der Beklagte sie auch nicht zum Gegenstand einer berufsständischen Versorgungsregelung machen dürfe. Dies verbiete sich auch deshalb, weil die Beitragslast in Anbetracht des Umfanges der bereits anderweitig getroffenen privaten Vorsorgeaufwendungen für ihn erdrosselnde Wirkung entfalte und ein Ausstieg aus der privaten Vorsorge unzumutbar sei.

Der Kläger hat beantragt,

den Bescheid vom 4. Februar 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. August 2003 insoweit aufzuheben, als dort für das Jahr 2000 von einer Bemessungsgrundlage von mehr als 7.856,78 DM (4.017,11 €) und für das Jahr 2001 von mehr als 42.701,61 DM (21.832,99 €) ausgegangen worden ist.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat seinen in den angegriffenen Verwaltungsentscheidungen eingenommenen Rechtsstandpunkt unter Bezugnahme auf obergerichtliche Rechtsprechung verteidigt.

Das Verwaltungsgericht hat mit dem aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 29. April 2004 ergangenen Urteil nach dem Klageantrag erkannt. Der Beitragsbescheid erweise sich insoweit als rechtswidrig, als zur Beitragsbemessung auch Einkünfte aus nicht anwaltlicher Tätigkeit herangezogen worden seien. Zwar sei dem Beklagten darin zu folgen, dass § 23 Abs. 2 der Satzung mit seiner Inbezugnahme der §§ 14, 15 SGB IV von einer breiten Bemessungsgrundlage beherrscht sei, wonach das gesamte Spektrum der aus juristischer Betätigung erzielten Einnahmen beitragsrechtlich erfasst sein sollte. Gleichwohl stelle sich die Beitragsberechnung als fehlerhaft dar. Denn abgesehen davon, dass das beim Kläger praktizierte Veranlagungsverfahren nicht gegenüber allen Kammermitgliedern gleichmäßig durchgehalten werde, fehle dem Satzungsgeber dafür auch die Regelungskompetenz, weil das Rechtsanwaltsversorgungsgesetz mit seinen Zielvorgaben den Autonomiebereich auf die Regelung der aus dem Berufseinkommen gespeisten Versorgung festlege. Die Verbreiterung der Bemessungsgrundlage auf die Einkünfte aus Steuerberatertätigkeit beinhalte einen unzulässigen Übergriff in den Kompetenzbereich eines anderen Berufsstandes und seiner Vertretungsorgane und sei daher von der Satzungsgewalt nicht mehr gedeckt. Ein solches Verständnis vom Regelungsgehalt der Satzung stehe auch mit der Berufsfreiheit nicht in Einklang, in deren Schutzbereich mit der Auferlegung von Geldleistungspflichten eingegriffen werde. Zur Rechtfertigung dieser Maßnahme bedürfe es schwerwiegender Gründe des Gemeinwohls, deren Bestimmung einer rechtssatzförmigen Regelung vorbehalten sei. Allein das Interesse des Beklagten, eine kollektive Vollversorgung des Anwaltsstandes zu gewährleisten, reiche dafür nicht aus.

Gegen diese Entscheidung hat der Beklagte die vom Senat zugelassene Berufung eingelegt. Damit macht er geltend, dass § 23 der Satzung die in § 20 Abs. 1 Nr. 1 RAVG enthaltene Ermächtigung, die Einzelheiten der Beitragsbemessung, -anpassung und -erhebung zu regeln, zutreffend umgesetzt habe. Aus der Formulierung des Satzungsgebers in § 23 Abs. 2 "zum beitragspflichtigen Einkommen zähle auch solches aus anwaltlicher Tätigkeit ebenso wie aus juristischer Schriftsteller-, Vortrags-, Lehrtätigkeit und Ähnliches", werde deutlich, dass als Bemessungsgrundlage die gesamten Einnahmen aus juristischer Tätigkeit dienen sollten. Steuerberatung stelle zweifelsfrei eine juristische Tätigkeit dar. Die daraus erzielten Einnahmen ließen sich von solchen aus anwaltlicher Beratungstätigkeit im Übrigen abrechnungstechnisch nicht trennen. Dies offenbare der vorliegende Fall. Der Kläger sei als Anwalt Geschäftsführer einer Steuerberatungs-GmbH. Für diese Tätigkeit beziehe er ein festes Geschäftsführergehalt. Soweit er im Rahmen dieser Tätigkeit zulässigerweise Rechtsberatung erteile, die er als Steuerberater so nicht erteilen dürfe, werde diese Beratungstätigkeit nicht gesondert vergütet, sondern durch das Geschäftsführergehalt abgegolten. Folge man der Rechtsauffassung des Klägers, führe dies dazu, dass Einkünfte aus rechtsberatender Tätigkeit dem Beitragsaufkommen für das Rechtsanwaltsversorgungswerk entzogen würden.

Der Beklagte beantragt,

unter Abänderung des aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 29. April 2004 ergangenen Urteils des Verwaltungsgerichts Trier - 6 K 1327/03.TR - die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält entgegen, dass Steuerberatung und Rechtsberatung zu unterschiedlichen Berufsbildern gehörten, die sich unabhängig voneinander entwickelt und organisiert hätten. Dementsprechend sei er Mitglied in beiden berufsständischen Kammern. Eine Überordnung der Rechtsberatung über die Steuerberatung gebe es nicht. Seine anwaltlichen Tätigkeiten rechne er aus haftungs- und steuerrechtlichen Gründen getrennt von der Hilfeleistung in Steuersachen ab.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze in der Gerichtsakte verwiesen. 1 Heft Verwaltungs- und Widerspruchsakten des Beklagten lag dem Senat vor und war Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Auf diese Unterlagen wird gleichfalls Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Beklagten ist zulässig, aber nicht begründet.

Das Verwaltungsgericht hat der Teilanfechtungsklage zu Recht stattgegeben, denn der Heranziehungsbescheid des Beklagten vom 4. Februar 2003 in der Gestalt des dazu ergangenen Widerspruchsbescheides vom 12. August 2003 ist insoweit rechtswidrig, als darin zur Berechnung des Pflichtbeitrages des Klägers zum Rechtsanwaltsversorgungswerk von einer Bemessungsgrundlage von mehr als 4.017,11 € für das Jahr 2000 und einer solchen von mehr als 21.832,99 € für das Jahr 2001 ausgegangen worden ist. Die vom Beklagten geforderte Einbeziehung der vom Kläger neben seinem Honorar als Rechtsanwalt im Veranlagungszeitraum erzielten Einkünfte als Geschäftsführer einer Steuerberatungs-GmbH in die Beitragsbemessungsgrundlage findet in dem insoweit einschlägigen Landesrecht keine hinreichende Stütze. Zwar ist dem Beklagten darin zu folgen, dass die Satzung des Versorgungswerkes der rheinland-pfälzischen Rechtsanwaltskammern vom 21. August 1985 (StAnz. 1986 S. 345) in ihrer hier anwendbaren Fassung vom 1. Dezember 1993 durch einen weiten Begriff der beitragsrechtlichen Bemessungsgrundlage geprägt ist (1.), doch wird dieser durch die für das autonome Satzungsrecht maßstabbildenden Vorschriften des Rechtsanwaltsversorgungsgesetzes - RAVG - vom 29. Januar 1985 (GVBl S. 37), zuletzt geändert durch Gesetz vom 16. Dezember 2004 (GVBl S. 481), nicht gedeckt (2.).

1. Der Begriff der Beitragsbemessungsgrundlage, der neben dem Beitragssatz und der Beitragsbemessungsgrenze zu den grundlegenden Bestimmungsfaktoren für die Höhe des Pflichtbeitrages zur berufständischen Alterversorgung gehört, wird in der Satzung des Versorgungswerkes der rheinland-pfälzischen Rechtsanwaltskammern nicht definiert. Das Begriffsverständnis des Satzungsgebers erschließt sich jedoch aus dem Regelungszusammenhang des § 23 Abs. 2 der Satzung. Dort wird in Abs. 2 Satz 1 als gegenständlicher Anknüpfungspunkt der Beitragsbemessung die Summe von Arbeitseinkommen und Arbeitsentgelt bezeichnet, für die nach § 23 Abs. 2 Satz 2 1. Halbs. der Satzung die Begriffsdefinitionen der §§ 14 und 15 SGB IV entsprechend gelten. Zur Grundlage der Beitragsbemessung gehören damit zum einen der nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuerrechts ermittelte Gewinn aus selbständiger Tätigkeit (Arbeitseinkommen, vgl. § 15 Abs. 1 SGB IV) und zum anderen alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung mit nicht selbständiger Arbeit (Arbeitsentgelt, vgl. §§ 14 Abs. 1, 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV).

Bei diesem die Satzung des Versorgungswerkes in ihrer ursprünglichen Fassung vom 21. August 1985 prägenden Begriffsverständnis hatte es jedoch nicht sein Bewenden. Der Satzungsgeber hat in der Folgezeit § 23 Abs. 2 geändert, indem er dessen Satz 2 einen Halbsatz mit folgender Formulierung angefügt hat: "Zum beitragspflichtigen Einkommen zählt auch solches aus anwaltlicher Tätigkeit ebenso wie aus juristischer Schriftsteller-, Vortrags-, Lehrtätigkeit und Ähnlichem." Damit sollte nach den Ausführungen des Vertreters des Beklagten in der mündlichen Verhandlung des Senats die Beitragsbemessungsgrundlage sowohl klargestellt als auch erweitert werden. Sinn der Änderungsbemühung sei es gewesen, in den Begriff des beitragspflichtigen Einkommens nicht nur das anwaltliche Berufseinkommen einfließen zu lassen, das selbstverständlich der primäre Bezugspunkt der Beitragserfassung bleibe, sondern dabei auch Einkünfte aus artverwandter juristischer Tätigkeit zu berücksichtigen, unabhängig davon, ob die Einkünfte aus einer Haupt- oder Nebentätigkeit hervorgegangen sind.

Gemessen an diesen satzungsrechtlichen Vorgaben unterliegt zunächst keinem Zweifel, dass der Kläger, der seit 1. Oktober 2000 Mitglied des Beklagten ist, wegen der von ihm in Bezugszeitraum erzielten Einkünfte aus freier Advokatur Pflichtbeiträge zum Rechtsanwaltsversorgungswerk entrichten muss. Dass der Kläger seine Anwaltstätigkeit vorwiegend nebenberuflich ausübt, steht nach dem oben dargelegten Sinn und Zweck des § 23 Abs. 2 Satz 2 2. Halbs. der Beitragspflicht nicht entgegen. Gegenstand der Beitragsbemessung sollen nach dem unmissverständlich bekundeten Willen des Satzungsgebers auch die Einkünfte sein, die dem Kläger in seiner Eigenschaft als weisungsfreier Geschäftsführer (vgl. dazu BSG, Urteil vom 13. Dezember 1960 - 3 RK 2/56 - NJW 1961, 1134) einer in Saarbrücken ansässigen Steuerberatungs-GmbH zugeflossen sind. Dies rechtfertigt der Beklagte zum einen damit, dass das Geschäftsführergehalt im Wesentlichen die Gegenleistung für eine juristische Dienstleistung darstellt, die mit der Aufgabe des Rechtsanwaltes insoweit vergleichbar ist, als jeweils die Rechtsordnung den Gegenstand der beruflichen Befassung bildet. Hinzu kommt, dass es sich bei der anwaltlichen Tätigkeit und der des Steuerberaters um artverwandte Betätigungsfelder handelt, die in ihrem Kern sich jeweils auf Rechtsberatung beziehen. Dies folgt für das Berufsbild des Rechtsanwaltes aus § 3 Abs. 3 BRAO, wonach der Rechtsanwalt der berufene unabhängige Berater und Vertreter in allen Rechtsangelegenheiten also auch in Steuersachen ist (vgl. BGHZ 63, 3777 [382]; 72, 322 [324]). Im Gegensatz dazu ist der Aufgabenkreis des Steuerberaters zwar enger und auf die in § 1 Abs. 1 und 2 StBerG aufgezählten Beratungsmaterien begrenzt. Soweit der Steuerberater aber nach Maßgabe der §§ 3 Nr. 1, 2 Satz 1 StBerG zur geschäftsmäßigen Hilfe in Steuersachen befugt ist, besorgt er Geschäfte, die sich ihrer Art nach von der rechtsberatenden Tätigkeit des Anwaltes nicht unterscheiden. Die Steuerberatung ist ein Unterfall der allgemeinen Rechtsberatung. Dies kommt nicht zuletzt in der Regelung des § 3 Nr. 1 StBerG zum Ausdruck, wonach Steuerberater und Rechtsanwälte in gleicher Weise zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen befugt sind. Blickt man daher nur auf die Art der wahrgenommenen Tätigkeit, dann steht insoweit, als die steuerberatende und die anwaltliche Aufgabenstellung gegenständlich und strukturell übereinstimmen, im Grundsatz nichts entgegen, die dem Kläger als Geschäftsführer einer Steuerberatungs-GmbH gezahlten Bezüge zugleich als Entgelt für anwaltliche Tätigkeit zu qualifizieren (so OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 7. April 1995 - 3 L 302/93 -). Diese dem Satzungsgeber offenkundig vorschwebende Betrachtungsweise ist freilich nicht zwingend. Die Tätigkeiten des Anwaltes und des Steuerberaters gehören nämlich trotz aller Affinitäten zu eigenständigen historisch gewachsenen Berufsbildern, die jeweils verfassungsrechtlichen Schutz genießen. Einen rechtlichen Vorrang der anwaltlichen Beratungstätigkeit gibt es nicht. Überdies weisen die für Geschäftsbesorgungen der hier in Rede stehenden Art entrichteten Entgelte wegen ihres funktionalen Bezuges zu beiden Berufsbildern Doppelcharakter auf, sodass sie nicht ohne weiteres, jedenfalls nicht ohne gesetzliche Legitimation, in die Beitragsbemessungsgrundlage der Rechtsanwaltsversorgung einbezogen werden dürfen.

2. Um eine solche Zuordnung durch autonomes Satzungsrecht wirksam vornehmen zu können, bedarf der Träger der funktionalen Selbstverwaltung vielmehr der Absicherung im Gesetz. Dies folgt aus dem Demokratie- und dem Rechtsstaatsprinzip, deren Norminhalt gebietet, dass der Gesetzgeber auch dort, wo er Körperschaften und Anstalten bestimmte Aufgaben zur Regelung in Satzungsautonomie überlässt, seiner Regelungsverantwortung gerecht wird (vgl. BVerfGE 44, 125 [142]; 107, 59 [92]; zuletzt Beschluss vom 13. Juli 2004 - 1 BvR 1298/94 - u.a., NJW 2005, 45 bis 49). Dies ist im allgemeinen der Fall, wenn alle für den zu ordnenden Sachbereich wesentlichen Regelungsgegenstände, insbesondere soweit sie mit Grundrechtseingriffen verbunden sind, vom parlamentarischen Gesetzgeber "vorgesteuert" worden sind (vgl. BVerfGE 33, 125 ff.; 76, 171 ff.; 98, 218 [251]). Der Gesetzgeber hat mithin nicht nur festzulegen, welche Aufgaben und Regelungsmaterien zur selbstverantworteten Gestaltung freigegeben werden, sondern auch darüber zu befinden, wie weit die Vorgaben ins Einzelne gehen müssen.

a) Einem solchen Bedürfnis nach parlamentarischer Vorsteuerung unterliegt speziell die satzungsrechtliche Ausformung der Beitragsbemessungsgrundlage im berufsständischen Versorgungsrecht. Sie gehört nämlich neben Beitragssatz und Beitragsbemessungsgrenze zu den wesentlichen Bestimmungsfaktoren der Beitragsberechnung, sodass sich der Gesetzgeber aus den bereits oben erwähnten verfassungsrechtlichen Gründen der Ausgestaltung dieses Rechtsinstituts jedenfalls in den Grundzügen annehmen muss. Dies ist bei der Beitragsbemessungsgrundlage auch deshalb vonnöten, weil sie die Beitragshöhe entscheidend beeinflusst und solche Normierungen wegen ihrer berufsregelnden Tendenz den Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG berühren (vgl. BVerwG, Urteil vom 5. Dezember 2000 - 1 C 11.00 - NJW 2001, 1590 ff. m.w.N. im Anschluss an BVerfGE 99, 202 [211]). Schließlich ist eine Vorsteuerung des parlamentarischen Gesetzgebers hier nicht zuletzt deshalb angezeigt, weil die satzungsrechtlich intendierte Ausweitung der Beitragsbemessungsgrundlage auf Einkünfte aus steuerberatender Tätigkeit den Schutzbereich der Berufsfreiheit gleich mehrfach berührt. Zunächst beeinflusst dieser Schritt die anwaltliche Berufsfreiheit und zwar insofern, als er die Erhöhung des Pflichtbeitrages zum Anwaltsversorgungswerk zur Folge hat. Sodann wirkt er sich in der Weise auf die Berufsfreiheit des Steuerberaters aus, dass er dessen Einkünfte aus Hilfeleistung in Steuersachen einer möglichen berufsständischen Versorgung der Steuerberater entzieht und sie ohne Rücksicht auf den Willen des Betroffenen der Rechtsanwaltsversorgung zuweist.

Dem so begründeten Bedürfnis nach parlamentarischer Vorsteuerung der Satzungsgewalt hat der für das berufsständische Versorgungsrecht regelungszuständige Landesgesetzgeber (vgl. dazu BVerwG, Beschluss vom 16. Februar 1989 -1 B 84.88 -, Buchholz 430.4 Versorgungsrecht Nr. 16; BVerwG, Urteil vom 29. Januar 1991 - 1 C 11.98 -; BVerwGE 87, 324 ff. [326]) mit dem Erlass des Rechtsanwaltsversorgungsgesetzes - RAVG - vom 29. Januar 1985 (GVBl S. 37) Rechnung getragen. Dieses befasst sich ausdrücklich mit der Beitragsbemessungsgrundlage für den Pflichtbeitrag zum Rechtsanwaltsversorgungswerk in den §§ 4 Abs. 3 Nr. 4 und 20 Abs. 1 Nr. 1 RAVG. Hier wird zum einen bestimmt, dass die Bemessung der Beiträge der Vertreterversammlung obliegt; ferner wird die Regelung der Einzelheiten der Beitragsbemessung unter Satzungsvorbehalt gestellt. Aus dieser gesetzlichen Ausgestaltung, insbesondere der Reichweite des Satzungsvorbehaltes, ist im Umkehrschluss zu folgern, dass die Grundzüge der Beitragsbemessung im Gesetz selbst niedergelegt sind. Dies kann mangels eines anderen Regelungsstandortes nur die Vorschrift des § 1 Abs. 2 RAVG sein, die die Aufgabe des Versorgungswerkes in der vom Parlamentsvorbehalt geforderten Weise (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Januar 1991 - 1 C 11.89 - BVerwGE 87, 324 ff.) festlegt. Dessen Zwecksetzung, den Mitgliedern des Versorgungswerkes der Rechtsanwaltskammern und deren Hinterbliebenen Versorgung zu gewähren, lässt sich freilich nicht schon ohne weiteres eines Aussage darüber entnehmen, ob die Pflichtbeiträge zum Rechtsanwaltsversorgungswerk auf der Basis des anwaltlichen Berufseinkommens bzw. -entgeltes oder auf einer verbreiterten, alle Einkünfte aus juristischer Betätigung berücksichtigenden Grundlage bestimmt werden sollen. Zur Beantwortung dieser Frage bedarf es vielmehr einer verfassungskonformen Auslegung von § 1 Abs. 2 RAVG unter Berücksichtigung seines Sinngehaltes und der Entstehungsgeschichte des Gesetzes.

b) Diese Auslegung ergibt, dass der Gesetzgeber des rheinland-pfälzischen Rechtsanwaltsversorgungsgesetzes die Einkünfte der Steuerberater aus ihrer Hilfeleistung in Steuersachen nicht zur normativen Verfügbarkeit des Satzungsgebers des Rechtsanwaltsversorgungswerkes freigegeben hat. Für die gegenteilige Annahme fehlt im Wortlaut des § 1 Abs. 2 RAVG, der Gegenstand und Grenze der Auslegung markiert, jeder Anhaltspunkt. Die grammatikalische Auslegung liefert im Gegenteil beachtliche Indizien dafür, dass das Gesetz den Satzungsgeber nicht dazu ermächtigen wollte, die Beitragsbemessungsgrundlage für die Rechtsanwaltsversorgung über das anwaltliche Berufseinkommen hinaus zu verbreitern. Dafür spricht zunächst, dass der begünstigte Personenkreis der gesetzlichen Regelung auf die Mitglieder des Versorgungswerkes und deren Angehörige eng begrenzt bleibt. Ferner sind in diesem Zusammenhang die diesem Personenkreis zustehenden Leistungen von Bedeutung. Insoweit verspricht das Gesetz im Hinblick auf die in § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 RAVG bezeichneten Risikolagen eine standesgemäße Versorgung, deren wirtschaftlicher Grundstock die Solidarbeiträge bilden, die aus dem aus berufstypischer Betätigung erzielten Einkommen aufgebracht werden (so auch zu dieser Vorschrift BVerwG, Urteil vom 5. Dezember 2000 - 1 C 11.00 - NJW 2001, 1590 [1591]). Abweichungen von diesem gesetzlichen Leitbild einer berufsständischen Versorgung ließen sich im Übrigen auch nicht mit dem Willen des historischen Gesetzgebers in Einklang bringen. Dies kann den im Protokoll über die Plenarsitzung des Landtages vom 24./25. Januar 1985 enthaltenen Ausführungen des Abgeordneten Schnarr entnommen werden, in denen dieser unter Bezugnahme auf die neuere Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts darauf hinweist, dass "an die gesetzgeberische Umgrenzung der Satzungsautonomie der Körperschaft des öffentlichen Rechts strengere Anforderungen gestellt werden müssen, als in früheren Jahren." In Anbetracht dessen unterliegt keinem ernstlichen Zweifel, dass die Zweckbestimmung des § 1 Abs. 2 RAVG eng ausgelegt werden muss. Mit dem Sinn und Zweck der so verstandenen Bestimmung ist es mithin nicht zu vereinbaren, dass Rechtsanwälte, die diesen Beruf nicht als alleinigen ausüben, kraft autonomer Willensbetätigung des Satzungsgebers auch mit den anderen nicht aus der anwaltlichen Tätigkeit erzielten Einnahmen zum Versorgungswerk veranlagt werden.

Gegen dieses die Satzungsautonomie bewusst eng begrenzende Verständnis der gesetzlichen Zweckbestimmung vermag der Beklagte nicht mit Erfolg einzuwenden, dass es zwischen der Tätigkeit des Anwalts und der des Steuerberaters Überschneidungsbereiche gebe, sodass die hier erzielten Einkünfte sowohl dem Berufseinkommen des Anwaltes als auch dem des Steuerberaters zugeordnet werden könnten. Gerade das Bestehen solcher Überschneidungsbereiche unterstreicht die Notwendigkeit einer gesetzlichen Vorsteuerung, da es wegen der doppelten Grundrechtsrelevanz dieses Tatbestandes nicht dem Belieben des Satzungsgebers überlassen bleiben kann, ob er die Einnahmen aus solchen Überschneidungsbereichen als Entgelt für anwaltliche oder steuerberatende Dienstleistung zu bewerten gedenkt. Entgegen der Auffassung des Beklagten wird der Landesgesetzgeber mit dieser Zuordnungsaufgabe auch nicht überfordert. Dies gilt insbesondere, nachdem der Bundesgesetzgeber die früher streitige Frage nach Art und Umfang des Gebührenanspruchs der Rechtsanwälte in der nicht streitigen Steuerberatung (vgl. dazu Schall, BB 1988, 1363 ff.) beantwortet und in § 35 des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes vom 5. Mai 2004 (BGBl I S. 718) klargestellt hat, dass sich das Honorar der Rechtsanwälte insoweit in gleicher Weise wie das der Steuerberater nach der Steuerberatergebührenverordnung bemisst. Im Hinblick darauf sowie unter Berücksichtigung der Tatsache, dass aufgrund des Steuerberaterversorgungsgesetzes vom 22. Dezember 1999 (GVBl S. 462) ein eigenständiges Versorgungswerk dieses Berufszweiges entstanden ist, begründet die hier geforderte gesetzliche Zuordnungsentscheidung keine ernsthafte Gefahr dafür, dass entweder dem Rechtsanwalts- oder dem Steuerberaterversorgungswerk Beiträge entzogen werden könnten. Schließlich gebietet auch nicht das Postulat der kollektiven berufsständischen Vollversorgung (vgl. dazu Groepper, NJW 1999, 3008 [3014}) den normativen Zugriff des Satzungsgebers für das Anwaltsversorgungswerk auf alle Einkunftsquellen der Anwaltschaft aus ihrer juristischen Betätigung. Den Maßstab der Vollversorgung bildet nämlich nicht die Gesamtheit der Einkünfte, die ein aktiver Rechtsanwalt aus seiner juristischen Befähigung zu erzielen vermag, sondern das anwaltliche Berufseinkommen, das nach Art und Umfang an den Bedürfnissen des Anwaltsstandes ausgerichtet ist, von denen zugleich das Versorgungsniveau dieser Berufsgruppe geprägt wird. Als Beleg für die Berechtigung des Satzungsgebers, sich gleichwohl für eine denkbar breite Beitragsbemessungsgrundlage zu entscheiden, kann der Beklagte letztlich auch nicht auf die einschlägige obergerichtliche Rechtsprechung aus anderen Bundesländern verweisen (vgl. dazu VGH Bad.-Württ., Urteil vom 11. September 1990 - 9 S 2995/88 - NJW 1991, 1193 ff.; OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 7. April 1995 - 3 L 302/93 -; a.A. BayVGH, Urteil vom 18. November 1991 - 9 B 89.1788 - NJW 1992, 1524). Dieser Hinweis berücksichtigt nämlich nicht hinreichend, dass das Recht der berufsständischen Versorgung in die Zuständigkeit des Landesgesetzgebers fällt, der von seiner Kompetenz zur Bestimmung der Beitragsbemessungsgrundlage in unterschiedlicher Weise Gebrauch machen darf und hier auch Gebrauch gemacht hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung stützt sich auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. den §§ 708 Nr. 11, 711 Satz 1 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da Gründe der in § 132 Abs. 2 VwGO bezeichneten Art nicht vorliegen.

Beschluss

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Verfahren beider Rechtszüge nach Maßgabe der §§ 52 Abs. 3, 47 Abs. 2, 63 Abs. 3 Satz 1, 72 Nr. 1 GKG n.F. auf 8.377,33 € festgesetzt (= Differenz zwischen dem vom Beklagten geforderten und dem nach der Vorstellung des Klägers geschuldeten Pflichtbeitrag für die Zeit vom 1. Oktober 2000 bis 31. Dezember 2001).

Ende der Entscheidung

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