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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz
Beschluss verkündet am 29.04.2003
Aktenzeichen: 6 B 10703/03.OVG
Rechtsgebiete: GG, SchfG, LVwVG


Vorschriften:

GG Art. 13 Abs. 2
GG Art. 13 Abs. 7
GG Art. 103 Abs. 1
SchfG § 1 Abs. 1
SchfG § 1 Abs. 3 S. 2
SchfG § 1 Abs. 3 S. 3
LVwVG § 9 Abs. 2
1. Vor einer gerichtlichen Entscheidung über eine vom Vollstreckungsgläubiger beantragte richterliche Durchsuchungsanordnung, mit der die gesetzliche Pflicht des Hauseigentümers, die kehr- und überprüfungspflichtigen Anlagen regelmäßig durch den Bezirksschornsteinfegermeister reinigen und überprüfen zu lassen, zwangsweise durchgesetzt werden soll, ist grundsätzlich eine vorherige Anhörung des Hauseigentümers als Vollstreckungsschuldner geboten.

2. Verweigert der Hauseigentümer die gemäß § 1 SchfG vorgeschriebene fristgerechte Überprüfung und Reinigung der Heizungsanlage durch den Bezirksschornsteinfegermeister, so kann sich die zuständige Verwaltungsbehörde zur zwangsweisen Durchsetzung dieser Maßnahmen gegebenenfalls auch durch die (zuvor angedrohte) Anwendung unmittelbaren Zwangs, namentlich durch die Einwirkung auf Personen oder Sachen mittels körperlicher Gewalt, Zutritt zu den betreffenden Räumen verschaffen. Einer vorherigen richterlichen Durchsuchungsanordnung bedarf es hierzu in der Regel nicht.


OBERVERWALTUNGSGERICHT RHEINLAND-PFALZ BESCHLUSS

6 B 10703/03.OVG

In dem Verwaltungsrechtsstreit

wegen Schornsteinfegerrechts

hier: richterliche Durchsuchungserlaubnis

hat der 6. Senat des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz in Koblenz aufgrund der Beratung vom 29. April 2003, an der teilgenommen haben

Vorsitzender Richter am Oberverwaltungsgericht Hehner Richter am Oberverwaltungsgericht Stamm Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Beuscher

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Vollstreckungsgläubigers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 2. April 2003 - 7 N 733/03.NW - wird zurückgewiesen.

Der Vollstreckungsgläubiger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 1.000,-- € festgesetzt.

Gründe:

Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

Zunächst ist festzustellen, dass der Senat ungeachtet der Erfolgsaussichten der Beschwerde vor seiner Entscheidung - anders als das Verwaltungsgericht - eine Anhörung des Vollstreckungsschuldners für unbedenklich und damit für geboten gehalten hat. Zwar ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. B. v . 16.06.1981 - 1 BvR 1094/80 -, NJW 1981, 2111 = DÖV 1981, 795) das Absehen von der Anhörung des Vollstreckungsschuldners vor Erlass der Durchsuchungsanordnung auch unter dem Gesichtspunkt des Art. 103 Abs. 1 GG dann nicht zu beanstanden, wenn andernfalls der Vollstreckungserfolg gefährdet ist. Diese Voraussetzung ist vorliegend indessen nicht erfüllt.

Anders als bei einer Durchsuchung, die in der Regel das Ziel verfolgt, den Vollstreckungsschuldner selbst (wie z.B. bei der geplanten Abschiebung eines abgelehnten Asylbewerbers ,vgl. dazu den Leitsatzbeschluss des 12.Senats des erkennenden Gerichts vom 07.08.2002 - 12 E 11195/02 -) oder aber bestimmte Gegenstände (Geld, pfändbare Sachen u.a.) ausfindig zu machen, und bei der deshalb die vorherige Anhörung des Vollstreckungsschuldners von diesem dazu missbraucht werden könnte, sich dem Zugriff durch Flucht zu entziehen bzw. die Gegenstände zu verstecken oder gar zu vernichten, besteht eine solche ernsthafte, d.h. nahe liegende Gefahr bei der beabsichtigten zwangsweisen Durchführung der gesetzlich vorgeschriebenen Schornsteinfegerarbeiten nicht. Denn die zu überprüfende Heizungsanlage ist fest installiert und befindet sich wohl, wie in aller Regel, im Keller oder jedenfalls in einem unschwer zu ermittelnden Raum des Wohngebäudes. Ein irgendwie geartetes Verstecken oder ein Verbringen der Heizungsanlage an einen schwer zugänglichen Ort ist also auch bei vorheriger Kenntnis des Hauseigentümers von der bevorstehenden Vollstreckungsmaßnahme nicht zu erwarten. Auch für zu befürchtende sonstige aggressive oder gar gewalttätige Handlungen des Herrn J.... gegen in seine Wohnung eindringende Vollstreckungsbeamte, die ein Absehen von einer vorherigen Anhörung ausnahmsweise rechtfertigen könnten, fehlen hier ausreichende Anhaltspunkte.

In der Sache stimmt der Senat mit dem Verwaltungsgericht darin überein, dass der Erlass der begehrten richterlichen Durchsuchungsanordnung für die Durchführung der beabsichtigten Vollstreckungsmaßnahmen nicht erforderlich ist . Die Beantwortung dieser entscheidungserheblichen Frage hängt maßgeblich davon ab, ob es sich bei dem beabsichtigten Eindringen der vom Vollstreckungsgläubiger beauftragten Personen in den geschützten Wohnbereich des Vollstreckungsschuldners um eine Durchsuchung gemäß § 9 Abs. 2 des Landesverwaltungsvollstreckungsgesetzes - LVwVG - i.V.m. Art. 13 Abs. 2 des Grundgesetzes - GG - oder um einen sonstigen "Eingriff" in den geschützten Wohnbereich im Sinne der hier allein in Betracht kommenden 3. Alternative des Art. 13 Abs. 7 GG, also um einen Eingriff zur Verhütung dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung handelt. Letzteres ist hier der Fall.

Dies folgt aus den grundlegenden Unterschieden zwischen einer "Durchsuchung" und einem sonstigen (zwangsweisen) "Betreten" der Wohnung. Denn es geht bei den beabsichtigten Zwangsmaßnahmen (Kehrung und Überprüfung der Heizungsanlage des Vollstreckungsschuldners) gerade nicht um ein "ziel- und zweckgerichtetes Suchen" staatlicher Amtsträger in einer Wohnung, um dort planmäßig etwas aufzuspüren, was der Inhaber einer Wohnung von sich aus nicht offen legen oder herausgeben will (vgl. Papier in Maunz-Dürig, Kommentar zum GG, Rdnr. 23 zu Art. 13, unter Hinweis auf die Rechtsprechung insbesondere des BVerfG). Hier steht vielmehr das Recht auf Betreten vor allem des Heizungsraums zwecks zwangsweiser Reinigung und Überprüfung der kehr- und überprüfungspflichtigen Anlagen im Vordergrund; ein Durchsuchen der Wohnung im eigentlichen Sinn ist dazu gemeinhin nicht erforderlich, so dass es eines richterlichen Durchsuchungsbeschlusses nicht bedarf (so auch VG Gießen, B.v. 23.11.1999, NVwZ-RR 2000, 495, unter Bezugnahme auf HessVGH, B.v. 26.10.1990, NVwZ-RR 1991, 526).

Dieses Ergebnis findet seinen Niederschlag auch in der zugrunde liegenden Regelung des Satzes 2 des § 1 Abs. 3 des Schornsteinfegergesetzes - SchfG - i.V.m. Satz 3 dieser Vorschrift. Denn diese Bestimmungen stellen die erforderliche gesetzliche Grundlage im Sinne des Art. 13 Abs. 7 GG für die zwangsweise Durchsetzung einer verweigerten Kehrung oder Überprüfung der Anlagen aufgrund eines vollziehbaren Verwaltungsakts dar. Auch der Gesetzgeber ging also erkennbar davon aus, dass es sich bei diesen Zwangsmaßnahmen um einen sonstigen Eingriff in das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung und nicht um eine nur aufgrund einer zusätzlichen richterlichen Anordnung zulässige Wohnungsdurchsuchung handelt.

Dies schließt es indessen im Einzelfall nicht aus, dass sich der Vollstreckungsgläubiger, sollte der Standort der zu kontrollierenden Heizungsanlage ausnahmsweise nicht ohne weiteres zugänglich sein , auch durch unmittelbaren Zwang, also durch Einwirkung auf Personen oder Sachen durch körperliche Gewalt, Zutritt zu den in Betracht kommenden Räumen verschaffen können muss. Dazu ist auch der Beschwerdeführer aufgrund seiner Verfügung vom 26. Februar 2003, mit der er zu Recht den zwangsweisen Zutritt im Wege unmittelbaren Zwangs angedroht hatte, berechtigt.

Allerdings legt der Senat großen Wert auf die Feststellung, dass dem Vollstreckungsschuldner, Herrn J...., dringend anzuraten ist, dem zuständigen Bezirksschornsteinfegermeister und seinen Mitarbeitern zur Durchführung der Kehr- und Überprüfungsarbeiten endlich ungehinderten Zutritt zu seiner Wohnung zu gewähren. Dazu ist er aus guten Gründen gesetzlich verpflichtet.

Die Beschwerde war nach alledem mit der sich aus § 154 Abs. 2 VwGO ergebenden Kostenfolge zurückzuweisen.

Die Festsetzung des Wertes des Beschwerdegegenstandes beruht auf §§ 13 Abs. 1 Satz 1, 14 Abs. 1 GKG.

Ende der Entscheidung

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