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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz
Beschluss verkündet am 02.10.2008
Aktenzeichen: 6 E 10833/08.OVG
Rechtsgebiete: VwGO, RVG


Vorschriften:

VwGO § 162
VwGO § 164
RVG § 2 Abs. 2
RVG-VV Teil 3 Vorbem 3 Abs. 4
Im gerichtlichen Kostenfestsetzungsverfahren nach § 164 VwGO ist die für das vorangegangene Widerspruchsverfahren gemäß Nr. 2300 des Vergütungsverzeichnisses zum RVG entstandene Geschäftsgebühr nach Maßgabe der Vorbemerkung 3 Abs. 4 zu Teil 3 des Vergütungsverzeichnisses zum RVG anteilig auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens anzurechnen.
OBERVERWALTUNGSGERICHT RHEINLAND-PFALZ BESCHLUSS

6 E 10833/08.OVG

In dem Verwaltungsrechtsstreit

wegen Lotterierechts

hier: Kostenfestsetzung

hat der 6. Senat des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz in Koblenz aufgrund der Beratung vom 2. Oktober 2008, an der teilgenommen haben

Vorsitzender Richter am Oberverwaltungsgericht Zimmer Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Frey Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Beuscher

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 9. Juli 2008 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Gründe:

Die Beschwerde der Beklagten ist unbegründet. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 15. April 2008 abgeändert und die im Vorverfahren entstandene Geschäftsgebühr mit einem Gebührensatz von 0,65 auf die Verfahrensgebühr angerechnet, die mit dem Kostenfestsetzungsantrag der Beklagten vom 10. April 2008 für die Tätigkeit ihres Prozessbevollmächtigten geltend gemacht wurde. Diese Anrechnung beruht auf der Vorbemerkung 3 Abs. 4 zu Teil 3 des Vergütungsverzeichnisses (Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes - RVG -) und entspricht der Rechtsprechung des Senats, der in seinem Beschluss vom 28. Januar 2008 (6 E 11203/07.OVG, DVBl 2008, 470, juris, ESOVGRP) hierzu ausgeführt hat:

"Nach Satz 1 der vorbezeichneten Vorschrift wird in Fällen, in denen wegen desselben Gegenstandes eine Geschäftsgebühr nach den Nummern 2300 bis 2303 entsteht, diese Gebühr zur Hälfte, jedoch höchstens mit einem Gebührensatz von 0,75, auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens angerechnet. Nach dem eindeutigen, einer weiteren Auslegung weder bedürftigen noch zugänglichen Wortlaut dieser Bestimmung ist die anteilige Anrechnung der Geschäftsgebühr zwingend vorgeschrieben. Dieser offensichtliche Regelungsinhalt entspricht auch dem klaren, in der Entstehungsgeschichte dieser Norm zum Ausdruck kommenden Willen des Gesetzgebers, wie er insbesondere in der Begründung zum diesbezüglichen Gesetzentwurf aller damaligen Fraktionen des Bundestags, dem "Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts" vom 11. November 2003 (BT-Drucks. 15/1971), seinen Niederschlag findet. Danach sollte mit der Regelung des Satzes 1 der VV Teil 3 Vorb. 3 Abs. 4 u.a. ein Missstand beseitigt werden, der nach Auffassung des Gesetzgebers darin bestand, dass nach der bis dahin geltenden Bestimmung des § 118 Abs. 2 Satz 1 der Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung - BRAGO - nur die Geschäftsgebühr "für eine Tätigkeit außerhalb eines gerichtlichen oder behördlichen Verfahrens", nicht dagegen eine solche für ein behördliches, insbesondere ein vorangegangenes Widerspruchsverfahren auf die Gebühren im anschließenden gerichtlichen Verfahren angerechnet werden. Diesen Rechtszustand wollte der Gesetzgeber bewusst verändern."

In der Begründung des Gesetzentwurfes (BT-Drucks. 15/1971) heißt es "zu Teil 3" ausdrücklich:

"Eine Anrechnung ist zunächst aus systematischen Gründen erforderlich. Nach der Definition in Abs. 2 der Vorbemerkung erhält der Rechtsanwalt die gerichtliche Verfahrensgebühr für das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information. Der Umfang dieser anwaltlichen Tätigkeit wird entscheidend davon beeinflusst, ob der Rechtsanwalt durch eine vorgerichtliche Tätigkeit bereits mit der Angelegenheit befasst war. Eine Gleichbehandlung des Rechtsanwalts, der unmittelbar einen Prozessauftrag erhält, mit dem Rechtsanwalt, der zunächst außergerichtlich tätig war, ist nicht zu rechtfertigen.

Die Anrechnung ist aber auch erforderlich, um eine außergerichtliche Erledigung zu fördern. Es muss der Eindruck vermieden werden, der Rechtsanwalt habe ein gebührenrechtliches Interesse an einem gerichtlichen Verfahren. Dieses Interesse kollidiert zwangsläufig mit dem Bestreben einer aufwandbezogenen Vergütung. Diesen unterschiedlichen Interessen wird die vorgeschlagene Anrechnungsregel gerecht."

Danach ging es dem Gesetzgeber zwar nicht um eine Entlastung des unterlegenen Prozessbeteiligten, sondern vielmehr um eine sachgerechte Begrenzung des Vergütungsanspruchs des Rechtsanwalts gegenüber seinem Mandanten (vgl. OVG N-W, 7 E 410/06, NJW 2006, 1991; NdsOVG, 10 OA 73/07, juris). Daraus lässt sich aber nicht schließen, Vorbemerkung 3 Abs. 4 zu Teil 3 des Vergütungsverzeichnisses sei im Kostenfestsetzungsverfahren nicht anwendbar (vgl. NdsOVG, 10 OA 143/07, NdsRpfl 2008, 290, juris; BayVGH, VGH München, 19 C 06.268, NJW 2006, 1990, juris). Denn der unterlegene Prozessbeteiligte ist nach § 162 Abs. 1 VwGO nur zur Erstattung der notwendigen Aufwendungen verpflichtet, also zur Übernahme der nach § 162 Abs. 2 Satz 1 VwGO erstattungsfähigen Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts, die dem obsiegenden Beteiligten tatsächlich entstanden sind und von ihm zu tragen wären, wenn er deren Erstattung nicht beanspruchen könnte.

Kann aber der Prozessbevollmächtigte von seinem Mandanten, dem obsiegenden Beteiligten, aufgrund der erwähnten Anrechnungsregelung im Innenverhältnis nur eine gekürzte Verfahrensgebühr verlangen, weil wegen desselben Gegenstandes zugleich eine Geschäftsgebühr entstanden ist, wird der Erstattungsanspruch dieses Beteiligten gegenüber dem Kostentragungspflichtigen (evtl. neben weiteren Gebühren und Auslagen) auf die gekürzte Verfahrensgebühr beschränkt. Davon unabhängig ist die Frage, ob der obsiegende Beteiligte zusätzlich die im Vorverfahren angefallene Geschäftsgebühr erstattet verlangen kann. Das hängt gemäß § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO davon ab, ob das Gericht die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig erklärt. Fehlt es an dieser Voraussetzung, muss der obsiegende Beteiligte die Vorverfahrenskosten selbst tragen. In diesem Fall kann aber - anders als mit der Beschwerde vorgetragen - nicht davon gesprochen werden, diese Vorverfahrenskosten seien "im Sinne der Anrechnungsvorschrift" nicht entstanden. Deren Entstehen hängt keineswegs von ihrer Erstattungsfähigkeit ab.

Die dadurch eintretende Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die im gerichtlichen Verfahren entstehende Verfahrensgebühr begünstigt allerdings den Kostentragungspflichtigen, der sonst eine ungekürzte Verfahrensgebühr hätte übernehmen müssen. Diese Folge mag zwar nicht im Vordergrund der vom Gesetzgeber mit der Neuregelung verfolgten Ziele gestanden haben; sie ergibt sich aber zwingend aus den erwähnten Bestimmungen. Der obsiegende Beteiligte wird auch nicht - wie es in der Beschwerdebegründung heißt - doppelt schlechter gestellt. Dass der Kostentragungspflichtige durch die Anrechnung einen Vorteil hat, belastet den obsiegenden Beteiligten nicht. Dieser erhält die Verfahrensgebühr in dem (gekürzten) Umfang erstattet, in dem er sie sonst zu tragen hätte. Den obsiegenden Beteiligten trifft lediglich die kostenmäßige Konsequenz aus seiner vom Gericht nicht als notwendig anerkannten Entscheidung, einen Bevollmächtigten im Vorverfahren hinzuziehen.

Wie das Verwaltungsgericht in dem angefochtenen Beschluss zutreffend ausgeführt hat, würde die mit der Beschwerde vertretene Auffassung darüber hinaus zu einem mit den gesetzlichen Vergütungsbestimmungen unvereinbaren Ergebnis führen. Würde nämlich im Kostenfestsetzungsverfahren eine Kürzung der Verfahrensgebühr nicht erfolgen, könnte der Prozessbevollmächtigte im Innenverhältnis zu seinem Mandanten, dem obsiegenden Beteiligten, nach wie vor auch eine volle Geschäftsgebühr verlangen, also zusammen mit der Erstattung einer vollen Verfahrensgebühr durch den Kostentragungspflichtigen eine höhere Vergütung erhalten, als sie ihm zusteht.

Soweit mit der Beschwerde geltend gemacht wird, der vom Verwaltungsgericht im Tenor seines Beschlusses festgesetzte Kostenerstattungsbetrag sei nicht nachvollziehbar, fehlt es an einer Begründung dieser Rüge. Sie kann ohne eine Darlegung, inwiefern die verwaltungsgerichtliche Entscheidung in diesem Zusammenhang beanstandet wird, keinen Erfolg haben.

Nach alledem ist die Beschwerde mit der sich aus § 154 Abs. 2 VwGO ergebenden Kostenfolge zurückzuweisen. Die Festsetzung des Werts des Beschwerdegegenstands erübrigt sich, weil nach Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses (Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG) eine Festgebühr anfällt.

Ende der Entscheidung

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