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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 08.06.2004
Aktenzeichen: 7 A 11473/03.OVG
Rechtsgebiete: VO (EWG) Nr. 822/87, VO (EG) 1622/2000, VO (EG) 1493/99, WeinG


Vorschriften:

VO (EWG) Nr. 822/87 Art. 16 Abs. 1 2. Halbsatz
VO (EWG) Nr. 822/87 Art. 16 Abs. 1
VO (EWG) Nr. 822/87 Art. 16
VO (EWG) Nr. 822/87 Art. 66 Abs. 1 3. Spiegelstrich
VO (EWG) Nr. 822/87 Art. 66 Abs. 1
VO (EWG) Nr. 822/87 Art. 66 Abs. 2 1. Spiegelstrich
VO (EWG) Nr. 822/87 Art. 66 Abs. 2
VO (EWG) Nr. 822/87 Art. 66
VO (EG) 1622/2000 Art. 35 Abs. 1
VO (EG) 1622/2000 Art. 35
VO (EG) 1493/99 Anhang IV B. 1. c
VO (EG) 1493/99 Anhang IV B. 2. 1. Spiegelstrich
VO (EG) 1493/99 Anhang IV B.
WeinG § 31 Abs. 1 Nr. 4
WeinG § 31 Abs. 1
WeinG § 31
Die Dauer der vorläufigen Sicherstellung eines Weines im Sinne des § 31 Abs. 1 Nr. 4 WeinG richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls und dem sich hieraus ergebenden Ermittlungsaufwand. Als allgemeine Leitlinie bietet sich ein Rückgriff auf den Rechtsgedanken des § 75 VwGO an, so dass die vorläufige Sicherstellung im Regelfall einen Zeitraum von drei Monaten nicht überschreiten darf.
OBERVERWALTUNGSGERICHT RHEINLAND-PFALZ URTEIL IM NAMEN DES VOLKES

7 A 11473/03.OVG

In dem Verwaltungsrechtsstreit

wegen Weinrechts

hat der 7. Senat des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz in Koblenz aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 8. Juni 2004, an der teilgenommen haben

für Recht erkannt:

Tenor:

Unter teilweiser Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Neustadt/Wstr. vom 22. Mai 2003 - 2 K 2937/02.NW - wird festgestellt, dass der Bescheid vom 24. August 2000 seit dem 24. November 2000 rechtswidrig gewesen ist.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens erster Instanz trägt der Kläger zu 1/10, der Beklagte zu 9/10. Von den Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger 3/5 und der Beklagte 2/5.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte kann die Vollstreckung seitens des Klägers durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, wenn nicht dieser zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger, der Mitinhaber eines Weinbaubetriebes ist, wendet sich gegen die vorläufige Sicherstellung des Weines mit der Bezeichnung 1999er H..., Spätburgunder QbA, in einer Menge von ca. 3.200 l.

Aufgrund der am 15. Februar 2000 stattgefundenen Kontrolle ergab eine Untersuchung des im Tank lagernden Weins (damals 1999er H..., Spätburgunder Auslese) durch das Landesuntersuchungsamt, Institut für Lebensmittelchemie, (ILC) vom 2. März 2000, dass der Wein einen enzymatisch bestimmten Gehalt an Essigsäure von 1,5 g/l enthielt. Dieses Ergebnis eröffnete der Weinkontrolleur dem Kläger am 9. März 2000 und erklärte, der Wein sei weder verschnitt-, verkehrs- noch behandlungsfähig.

Mit Schreiben vom 25. April und 29. Mai 2000 teilte der Kläger dem Beklagten mit, dass ihm eine Bestellung der B... GmbH über 2.600 0,75 l Flaschen des beanstandeten Weines zum Gesamtpreis von 25.636,-- DM vorliege. Der Beklagte übermittelte daraufhin dem Kläger mit Schreiben vom 6. Juni 2000 das Analyseergebnis des ILC in schriftlicher Form und bezeichnete den Wein erneut als nicht verschnitt-, verkehrs- und behandlungsfähig.

Bei einer weiteren Kontrolle am 12. Juli 2000 stellte der Beklagte fest, dass der Kläger ausweislich der hierzu vorgelegten Unterlagen einen Verschnitt des beanstandeten Weines vorgenommen hat. In dem Tank befand sich nach den Feststellungen des Kontrolleurs eine Gesamtmenge von etwa 3.200 l Wein mit der Bezeichnung "1999er H... Spätburgunder QbA". Die von dem Weinkontrolleur entnommene Probe wurde am 14. und 18. Juli 2000 durch drei Weinkontrolleure im ILC verkostet. Dabei wurde übereinstimmend eine deutlich wahrnehmbare flüchtige Säure festgestellt und hieraus der Schluss gezogen, dass der Wein nicht von gesunder und handelsüblicher Beschaffenheit sei. Eine analytische Bestimmung des Verschnitts durch das ILC ergab am 31. Juli 2000 einen enzymatisch bestimmten Gehalt an Essigsäure von 0,8 g/l.

Mit Schreiben vom 7. August 2000 teilte der Kläger dem Beklagten mit, dass er die bei ihm verbliebene Gegenprobe und zusätzlich eine Tankprobe durch das private Institut Dr. M..., F..., habe analysieren lassen. Dieses Institut sei zu einem Essigsäurewert von 1,19 bzw. 1,18 g/l gelangt. Ausweislich der Begutachtung ist das Institut von der Identität der untersuchten Proben ausgegangen und hat festgestellt, dass die Plombe der vorgelegten Gegenprobe unverletzt gewesen sei.

Mit Bescheid vom 24. August 2000 verfügte der Weinkontrolleur unter Anbringung eines Siegels die vorläufige Sicherstellung des im Tank lagernden Erzeugnisses, um zu verhindern, dass der Wein abgefüllt wird. Hiergegen erhob der Kläger mit Schreiben vom 19. Oktober und 21. Dezember 2000 Widerspruch, den er im Wesentlichen damit begründet hat, dass die Analyse des ILC falsch sei, was die Untersuchungen durch das private Labor Dr. M... belegten. Folglich sei der Ausgangswein verkehrsfähig gewesen. Dem stünden nicht die Ergebnisse der Verkostungen durch Weinkontrolleure des ILC entgegen, da diese wegen mangelnder Objektivität nicht anerkannt werden könnten. Im Übrigen hätten andere Fachleute keine flüchtige Säure feststellen können.

Mit Widerspruchsbescheid vom 20. September 2001 wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers gegen die vorläufige Sicherstellung zurück. Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt, dass der sichergestellte Wein wegen sensorisch wahrnehmbarer flüchtiger Säure nicht der handelsüblichen Beschaffenheit entspreche. Außerdem habe ein Verschnitt mit einem nicht verkehrsfähigen Erzeugnis stattgefunden, da der Verschnittpartner "1999er Spätburgunder Auslese", den Grenzwert für flüchtige Säure in Rotweinen von 1,2 g/l überschritten habe. Dies habe gegen Art. 16 Abs. 1, 2. Halbsatz VO (EWG) Nr. 822/87 - jetzt: Art. 35 der VO (EG) Nr. 1622/2000 i.V.m. Art. 66 der VO (EWG) Nr. 822/87 - jetzt Anhang V, B. 1. c und 2., 1. Spiegelstrich VO (EG) Nr. 1493/99) verstoßen.

Die am 25. Oktober 2002 erhobene Klage begründet der Kläger im Wesentlichen damit, dass allein die Ergebnisse der im Institut Dr. M... durchgeführten Analysen des Ursprungsweines zutreffend seien. Dies ergebe sich bereits daraus, dass das Siegel der Gegenprobe ausweislich des Analysenberichts unverletzt gewesen sei. Dementsprechend sei die Untersuchung im ILC fehlerhaft gewesen. Im Übrigen sei es noch möglich, die dritte Flasche der ursprünglich entnommenen Probe zu untersuchen. Die Kostgutachten, die vom 14. bis 18. Juli 2000 von drei Weinkontrolleuren durchgeführt worden seien, sowie das im Klageverfahren durchgeführte Kostgutachten seien nicht korrekt durchgeführt worden. Im Übrigen hätten andere fachkundige Personen, darunter der Chefeinkäufer der B... GmbH, den Wein verkostet und dessen handelsübliche Beschaffenheit bescheinigt. Das vorgelegte Kontrollblatt beseitige schließlich sämtliche Zweifel an der Zusammensetzung des sichergestellten Weines. Nach alle dem sei die vorläufige Sicherstellung von Anfang an rechtswidrig gewesen, da sie im Hinblick auf die abgeschlossene Sachverhaltsaufklärung nicht erforderlich gewesen sei. Jedenfalls sei sie nach Ablauf eines angemessenen Zeitraums rechtswidrig geworden.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht hat der Kläger erklärt, er werde das vorläufig sichergestellte Erzeugnis nicht in Verkehr bringen. Daraufhin hat der Beklagte die Sicherstellungsverfügung vom 24. August 2000 aufgehoben.

Der Kläger hat daraufhin beantragt,

festzustellen, dass die Sicherstellungsverfügung vom 24. August 2000 rechtswidrig gewesen ist.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor, dass die vorläufige Sicherstellung vom 24. August 2000 zu Recht erfolgt sei, da der sichergestellte Wein nicht von handelsüblicher Beschaffenheit sei. Dies ergebe sich aus den Gutachten der drei Verkoster vom 14. und 18. Juli 2000. Die Verkostung sei fachgerecht entsprechend den Zertifizierungsvorgaben des ILC erfolgt. Dass andere Personen eine handelsübliche Beschaffenheit festgestellt haben wollten, sei unerheblich. Maßgeblich seien die amtlichen Gutachten, zumal der Kläger keine schriftliche Stellungnahme der betreffenden Personen vorgelegt habe.

Durch Urteil vom 22. Mai 2003 hat das Verwaltungsgericht festgestellt, dass der Bescheid vom 24. August 2000 seit dem 19. Januar 2001 rechtswidrig gewesen sei. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen.

Rechtsgrundlage der streitgegenständlichen Maßnahme sei § 31 Abs. 1 Nr. 4 WeinG. Die genannte Vorschrift erlaube auch dann die vorläufige Sicherstellung von Erzeugnissen, wenn ohne weiteres davon auszugehen sei, dass diese unter Verletzung einschlägiger weinrechtlicher Vorschriften hergestellt oder in Verkehr gebracht worden seien. So sei es hier.

Nach Art. 66 Abs. 1, 3. Spiegelstrich und Abs. 2, 1. Spiegelstrich VO (EWG) Nr. 822/87 (nunmehr Anhang V B.1.c und 2., 1. Spiegelstrich VO [EG] Nr. 1493/99) dürfe der Gehalt eines Rotweins an flüchtiger Säure je Liter einen Wert von 1,2 g/l sowohl auf der Produktions- als auch auf allen Vermarktungsstufen nicht überschreiten. Ein solcher Wein dürfe weder in Verkehr gebracht noch verarbeitet, insbesondere auch nicht verschnitten werden (Art. 16 Abs. 1, 2. Halbsatz VO (EWG) Nr. 822/87 - jetzt Art. 35 Abs. 1 VO (EG) Nr. 1622/2000). Nach der Untersuchung des ILC vom 02. März 2000 habe der Wein "1999er H..., Spätburgunder Spätlese" einen Essigsäuregehalt aufgewiesen, der enzymatisch bestimmt bei 1,5 g/l gelegen habe. Deshalb sei davon auszugehen, dass der vorläufig sichergestellte Wein das Ergebnis eines Verschnitts sei, der zu einem ganz überwiegenden Teil aus einem Wein bestehe, welcher den erwähnten Grenzwert überschritten habe. Dass bei der vom Kläger in Auftrag gegebenen Analyse der Gegenprobe und einer weiteren Tankprobe durch das Institut Dr. M... eine Einhaltung des Grenzwertes für flüchtige Säure festgestellt worden sei, habe lediglich Anlass für weitere sachverständige Bemühungen um eine verlässliche Feststellung des Säuregehalts des betreffenden Weines gegeben. Eine Untersuchung der beim ILC möglicherweise noch vorhandenen dritten Flasche der am 15. Februar 2000 gezogenen Probe hätte hierüber keine Gewissheit erbringen können, weil nicht auszuschließen sei, dass die Analysen aufgrund einer Verwechslung oder fehlerhaften Beschriftung von Flaschen nicht denselben Wein zum Gegenstand gehabt hätten. Durch den zu Beginn des Monats Juli 2000 vorgenommenen Verschnitt habe der Kläger die einzige Möglichkeit, den Säuregehalt auf der Grundlage einer weiteren Tankprobe verlässlich zu bestimmen, vereitelt. Damit habe sich die Beweislast umgekehrt, so dass auf der Grundlage der vom ILC getroffenen Feststellungen die vorläufige Sicherstellung des Verschnitterzeugnisses habe angeordnet werden dürfen. Hiervon ausgehend komme es nicht mehr auf die Frage an, ob die sensorischen Prüfungen durch die Weinkontrolleure des ILC fehlerhaft gewesen seien.

Allerdings sei die vorläufige Sicherstellung vom 24. August 2000 rechtswidrig geworden, da sie nicht über den 19. Januar 2001 habe aufrechterhalten werden dürfen. Zu diesem Zeitpunkt sei auch unter Berücksichtigung einer der Behörde zustehenden Prüfungs- und Überlegungsfrist eine Entscheidung darüber möglich gewesen, ob das Erzeugnis eingezogen, vernichtet oder freizugeben sei.

Der Kläger hat die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung im Wesentlichen wie folgt begründet: Die vorläufige Sicherstellung sei von Anfang an rechtswidrig gewesen. Das Verwaltungsgericht habe übersehen, dass das Institut Dr. M... nicht nur die versiegelte Konterprobe vom 15. Februar 2000, sondern auch eine vom Kläger eingesandte Fassprobe untersucht habe. Beide seien identisch gewesen. Im Umkehrschluss folge hieraus, dass das ILC einen anderen Wein untersucht habe. Bereits in den noch laufenden Strafverfahren gegen die Familie des Klägers habe sich gezeigt, dass im ILC mit Proben nicht ordentlich umgegangen werde. Deshalb hätte zwingend die dritte Probeflasche vom 15. Februar 2000 von einem unabhängigen Gutachter untersucht werden müssen. Solange dies nicht geschehe, könne von keiner Beweisvereitelung ausgegangen werden. Der sichergestellte Wein sei auch nicht auf sonstige Weise verbotswidrig hergestellt worden oder nicht von handelsüblicher Beschaffenheit gewesen. Die Verkostungen des Herrn K... von der B... GmbH und durch das Institut Dr. M... hätten zu keinen Beanstandungen geführt. Im Übrigen sei ein Verschnitt mit einem Wein, der die Grenzwerte einhalte, zulässig. Schließlich seien die Verkostungen am 14. und 18. Juli 2000 nicht objektiv gewesen, da jedem Kontrolleur bekannt gewesen sei, dass Weine aus dem Betrieb des Klägers zu verkosten gewesen seien. Schließlich könne kein Rückschluss von der Probe, die im November 2002 genommen worden sei, auf den Zustand des Weines im Juli/August 2000 gezogen werden.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des verwaltungsgerichtlichen Urteils festzustellen, dass der Bescheid des Beklagen vom 24. August 2000 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. September 2002 rechtswidrig gewesen war.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung bezieht er sich auf die Ausführungen in dem angefochtenen Widerspruchsbescheid und dem Urteil des Verwaltungsgerichts. Ergänzend trägt er vor, dass die Begutachtungen des Instituts Dr. M... nicht verwertbar seien, da die Fassprobe erst ca. 4 Monate nach der Probenentnahme untersucht worden sei. Innerhalb dieses Zeitraumes seien Veränderungen aufgetreten. Die dritte Probe sei wegen der langen Lagerzeit von 3 1/2 Jahren ebenfalls nicht mehr verwertbar. Außerdem sei die Identität der beiden vom Institut Dr. M... untersuchten Proben zweifelhaft. Hinsichtlich der zuletzt genannten Weine ergebe sich dies aus unterschiedlichen Analysewerten. Im Übrigen sei der Auffassung des Verwaltungsgerichts zur Beweisvereitelung durch den Kläger mit der Folge der Beweislastumkehr zu folgen. Er habe den Verschnitt vorgenommen, bevor er das Analyseergebnis des Instituts Dr. M... dem Beklagten vorgelegt habe. Somit könne von einem guten Glauben nicht ausgegangen werden. Außerdem sei der Verschnitt eines essigstichigen Weins auch dann unzulässig, wenn er Grenzwerte noch nicht überschreite. Schließlich werde bestritten, dass der beanstandete Ausgangswein durch die von dem Kläger angegebenen Herren verkostet worden sei. Angesichts der deutlich wahrnehmbaren Essignote hätte jeder erfahrene Weineinkäufer Abstand von dem Kauf genommen.

Die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes ergeben sich aus den zu den Gerichtsakten gereichten Schriftsätzen der Beteiligten, der Gerichtsakte 2 L 537/01.NW sowie den Verwaltungs- und Widerspruchsakten des Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung hat insoweit Erfolg, als festzustellen ist, dass die vorläufige Sicherstellung des im Tank lagernden Erzeugnisses vom 24. August 2000 ab dem 24. November 2000 rechtswidrig war. Im Übrigen war sie zurückzuweisen.

Die Berufung des Klägers ist darauf gerichtet festzustellen, dass der Bescheid vom 24. August 2000 von Anfang an rechtswidrig gewesen ist. Insoweit ist die Klage als Fortsetzungsfeststellungsklage zulässig, da ein berechtigtes Feststellungsinteresse im Blick auf einen nicht von vornherein aussichtslosen Amtshaftungsprozess angenommen werden kann.

Die Berufung ist jedoch nur teilweise begründet, weil die vorläufige Sicherstellung bis zum 23. November 2000 rechtmäßig gewesen ist.

Die streitgegenständliche Verfügung findet ihre Rechtsgrundlage in § 31 Abs. 1 Nr. 4 des Weingesetzes - WeinG - i.d.F. der Bekanntmachung vom 16. Mai 2001 (BGBl I S. 985). Danach sind die Bediensteten der für die Überwachung zuständigen Behörden einschließlich der Weinkontrolleure befugt, u.a. Erzeugnisse vorläufig sicherzustellen, soweit dies zur Durchführung der Überwachung der Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaft, dieses Gesetzes und der aufgrund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsvorschriften erforderlich ist. Erforderlich in diesem Sinne ist eine Sicherstellung immer dann, wenn Zweifel bestehen, ob das Erzeugnis den einschlägigen Vorschriften entspricht. Das ist der Fall, wenn hinreichende Anhaltspunkte für einen Rechtsverstoß vorliegen und zur insoweit gebotenen Aufklärung weitere Analysen durchgeführt werden müssen, die Einsichtnahmen in Aufzeichnungen oder sonstige Ermittlungen notwendig sind. Dabei muss sich die Erforderlichkeit aus der Überwachung ergeben (vgl. Boch in: Zipfel/Radtke, Lebensmittelrecht, Kommentar, Weingesetz, § 31 Rdnr. 22). Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt, da Zweifel bestehen, ob der sichergestellte Wein entsprechend den Rechtsakten der Europäischen Gemeinschaft hergestellt worden ist.

Gemäß Art. 16 Abs. 1 2. Halbsatz VO (EWG) Nr. 822/87 - jetzt: Art. 35 Abs. 1 VO (EG) Nr. 1622/2000 - ist es untersagt, Weine zu vermischen oder zu verschneiden, wenn einer der Bestandteile nicht Art. 66 Abs. 1, 3. Spiegelstrich und Abs. 2, 1. Spiegelstrich VO (EWG) Nr. 822/27 - jetzt: Anhang IV B. 1.C und 2., 1. Spiegelstrich VO (EG) Nr. 1493/99 - entspricht. Nach den zuletzt genannten Vorschriften darf der Gehalt an flüchtiger Säure je Liter Rotwein einen Wert von 20 Milliäquivalent (= 1,2 g/l) nicht überschreiten. Ob dieser Grenzwert bei dem Verschnitterzeugnis "1999er Spätburgunder Auslese", eingehalten wurde, ist zweifelhaft. Insofern hat zwar das Landesuntersuchungsamt, Institut für Lebensmittelchemie (ILC), bei der Analyse der von diesem Wein am 15. Februar 2000 entnommenen Probe vom 2. März 2000 ein Gehalt von 1,5 g/l Essigsäure festgestellt. Jedoch ist dieses Untersuchungsergebnis, das auf einen Verstoß gegen die genannten Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaft hindeutet, durch die Probenbegutachtungen des Chemischen Labors Dr. M... vom 30. Juni 2000 in Frage gestellt worden. Diese Gutachten haben ergeben, dass der Gehalt an flüchtiger Säure in den untersuchten Weinen 1,19 g/l bzw. 1,18 g/l betrug. Angesichts des nur geringfügig unterschrittenen Grenzwertes der erwähnten Verordnungen der Europäischen Gemeinschaft kann nicht davon ausgegangen werden, dass die von dem Kläger eingeholten Probenbegutachtungen die Analyse des ILC vom 2. März 2000 widerlegt haben. Außerdem behaupten die Beteiligten, die Untersuchungen bezögen sich auf unterschiedliche Weine. Deshalb haben die vom Kläger vorgelegten Begutachtungen das Ergebnis der von dem Beklagten herangezogenen Analyse lediglich in Zweifel gezogen, so dass - wie das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt hat - Anlass bestand, weitere Ermittlungen durchzuführen. Somit kann weder davon ausgegangen werden, dass der sichergestellte Wein mit den zitierten Rechtsakten der Europäischen Gemeinschaft in Einklang steht noch davon, dass dies nicht der Fall ist. Hieraus folgt, dass die Sicherstellung im Sinne des § 31 Abs. 1 Nr. 4 WeinG am 24. August 2000 zu Recht angeordnet worden ist.

Allerdings kann es sich bei der vorläufigen Sicherstellung im Sinne des § 31 Abs. 1 Nr. 4 WeinG - wie es der Gesetzeswortlaut bereits zum Ausdruck bringt - nur um eine zeitlich befristete Maßnahme handeln. Ist nach den Vorschriften des Verwaltungsrechts einschließlich der weinrechtlichen Vorschriften eine Entscheidung darüber möglich, ob das Erzeugnis freigegeben oder verwertet werden kann oder zu vernichten ist, ist kein Raum mehr für eine vorläufige Sicherstellung (vgl. Boch, a.a.O., WeinG, § 31 Rdnr. 23). Dies beruht zum einen auf dem Charakter der vorläufigen Sicherstellung und zum anderen darauf, dass der von einer solchen Maßnahme Betroffene - nicht zuletzt aus berechtigten wirtschaftlichen Gründen - einen Anspruch darauf hat, in angemessener Zeit Gewissheit über das endgültige Schicksal des sichergestellten Weines zu erlangen.

Was die Dauer der vorläufigen Sicherstellung angeht, richtet sich diese nach den Umständen des Einzelfalls und dem sich hieraus ergebenden Ermittlungsaufwand. Als allgemeine Leitlinie für eine zeitliche Befristung der vorläufigen Sicherstellung im Sinne des § 31 Abs. 1 Nr. 4 WeinG bietet sich ein Rückgriff auf den Rechtsgedanken des § 75 VwGO an. Diese Regelung billigt den Behörden für den Abschluss eines Verwaltungsverfahrens im Regelfall eine Bearbeitungszeit von drei Monaten zu. Diese Frist kann im Einzelfall kürzer, aber auch beim Vorliegen zureichender Gründe länger bemessen sein.

Wendet man diese Grundsätze auf den vorliegenden Fall an, so ist dem Beklagten mangels Vorliegens besonderer Umstände ein Zeitraum von drei Monaten für die Prüfung einzuräumen, ob der sichergestellte Wein mit den genannten Vorschriften der Europäischen Gemeinschaft in Einklang steht und was sodann mit dem Erzeugnis zu geschehen hat. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Beklagte unter Zuhilfenahme des ILC die tatsächlichen und rechtlichen Fragen prüfen und beantworten musste, die sich im Hinblick auf die ihm im erst im August 2000 bekannt gegebenen unterschiedlichen Ergebnisse der verschiedenen Probenbegutachtung stellten. Zwar sind diese Fragen insbesondere in tatsächlicher Hinsicht nicht als einfach einzuschätzen, jedoch sind - wie der Ablauf des Verfahrens zeigt - die Aufklärungsmöglichkeiten des Beklagten insgesamt begrenzt gewesen. Hiervon ausgehend liegen keinerlei Anhaltspunkte dafür vor, dass die Maßnahmen, die der Beklagte bis in den Januar 2001 getroffen hatte (vgl. zum einem die Korrespondenz zwischen den Beteiligten und zum anderen zwischen dem Beklagen und dem ILC), nicht auch innerhalb von drei Monaten seit der vorläufigen Sicherstellung hätten durchgeführt werden können. Dies gilt auch für die von dem Kläger angemahnten Untersuchung der im Besitz des ILC befindliche dritten Probe des Ausgangsweins, wobei das ILC in seinem Schreiben vom 13. Oktober 2003 darauf hingewiesen hat, dass diese Probe bereits im August 2000 nicht mehr brauchbar gewesen sei.

Bestanden demnach Zweifel, ob der (vorläufig) sichergestellte Wein entsprechend den genannten Rechtsakten der Europäischen Gemeinschaft hergestellt worden ist, durfte er gemäß § 31 Abs. 1 Nr. 4 WeinG für einen Zeitraum von drei Monaten, d.h. bis zum 23. November 2000 vorläufig sichergestellt werden. Hiervon ausgehend kam es für die Entscheidung des Senats nicht mehr auf die Beantwortung der vom Verwaltungsgericht und von den Beteiligten problematisierten Frage der Beweislastumkehr an.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

Die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten findet ihre Rechtsgrundlage in § 167 Abs. 2 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Die Revision wird nicht zugelassen, weil Gründe der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Art nicht vorliegen. Die vom Verwaltungsgericht als grundsätzlich klärungsbedürftig angesehene Frage ist aufgrund der Umstände des Einzelfalles zu beantworten.

Beschluss

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Verfahren beider Instanzen auf 4.800,00 € (1/2 von 3.200,00 x 3,00 €) festgesetzt (§§ 13 Abs. 1, 14 GKG).



Ende der Entscheidung

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