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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 30.08.2005
Aktenzeichen: 7 A 11902/04.OVG
Rechtsgebiete: VO EG 1493/1999, GG, WeinG, WeinVO


Vorschriften:

VO EG 1493/1999 Anhang VI Abschnitt J 1 b
VO EG 1493/1999 Anhang VI
VO EG 1607/2000 Art. 8 Abs. 1
VO EG 1607/2000 Art. 8
GG Art. 12 Abs. 1
GG Art. 12
GG Art. 80 Abs. 1 Satz 2
GG Art. 80 Abs. 1
GG Art. 80
WeinG § 19 Abs. 3
WeinG § 19
WeinVO § 21 Abs. 1 Nr. 2
WeinVO § 21 Abs. 1 Nr. 3
WeinVO § 21 Abs. 1
WeinVO § 21
WeinVO § 24 Abs. 1 Nr. 2
WeinVO § 24 Abs. 1 Satz 4 Anlage 9 Abschnitt II Nr. 1
WeinVO § 24 Abs. 1 Satz 4 Anlage 9 Abschnitt II Nr. 2
WeinVO § 24 Abs. 1 Satz 4 Anlage 9 Abschnitt II
WeinVO § 24 Abs. 1 Satz 4 Anlage 9
WeinVO § 24 Abs. 1 Satz 4
WeinVO § 24 Abs. 1
WeinVO § 24
Einem Qualitätswein wird die amtliche Prüfungsnummer zugeteilt, wenn er u.a. bei der Prüfung von Geruch, Geschmack und Harmonie (Sensorische Sinnenprüfung) im Durchschnitt der Beurteilungen aller Prüfer mindestens 1,5 Punkte erreicht hat.
OBERVERWALTUNGSGERICHT RHEINLAND-PFALZ URTEIL IM NAMEN DES VOLKES

7 A 11902/04.OVG

In dem Verwaltungsrechtsstreit

wegen Erteilung einer amtlichen Prüfungsnummer für Wein

hat der 7. Senat des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz in Koblenz aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 30. August 2005, an der teilgenommen haben

Vorsitzender Richter am Oberverwaltungsgericht Hoffmann Richter am Oberverwaltungsgericht Stamm Richterin am Oberverwaltungsgericht Dr. Cloeren ehrenamtlicher Richter Bankkaufmann Kauer ehrenamtliche Richterin Hauswirtschaftsmeisterin Kämmerer

für Recht erkannt:

Tenor:

Unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Mainz vom 15. Juli 2004 - 1 K 367/04.MZ - wird die Klage abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen zu tragen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Feststellung, dass die Verweigerung der amtlichen Prüfungsnummer für 5.100 l abgefüllten Weines mit der Bezeichnung "2003er G............. Spätburgunder, Spätlese, Erzeugerabfüllung" rechtswidrig gewesen ist.

Der entsprechende Antrag wurde mit Bescheid vom 15. März 2004 abgelehnt, da der Wein bei der sensorischen Prüfung von Geruch, Geschmack und Harmonie von den Sachverständigen nicht im Durchschnitt mit der Punktzahl von 1,5 bewertet wurde. Vielmehr wurde lediglich die Qualitätszahl 0,88 erreicht, nachdem zwei Sachverständige dem Wein 0 Punkte und zwei weitere Prüfer 1,5 bzw. 2 Punkte erteilt hatten.

Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 25. März 2004 zurück. In der im Widerspruchsverfahren durchgeführten weiteren sensorischen Prüfung hatten von den fünf Sachverständigen drei 1,5 Punkte und zwei 0 Punkte vergeben. Danach betrug die Qualitätszahl im Durchschnitt 0,90.

Seine am 8. April 2004 erhobene Klage hat der Kläger im Wesentlichen damit begründet, dass er den in Rede stehenden Wein Fachleuten mehrerer Labors, welche in der Verkostung und Beurteilung von Weinen sowie in Prüfungs- und Widerspruchskommissionen erfahren seien, vorgestellt habe. Diese, und insbesondere das Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum (DLR) Rheinhessen-Nahe-Hunsrück hätten den Wein übereinstimmend als fehlerfrei beurteilt. Die von der Beklagten zugrunde gelegte Verwaltungsvorschrift, die die Erreichung einer Durchschnittspunktzahl für die Erteilung der amtlichen Prüfungsnummer verlange, sei rechtswidrig. Nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen stelle es keine Ablehnung dar, wenn die Mehrzahl der Prüfer den Wein akzeptiere. Im Übrigen sei die Beurteilung der Prüfungskommission nur eine Entscheidungshilfe für die Beklagte. Angesichts der Besonderheit des hier zu beurteilenden Jahrgangs hätte sie eine weitere Überprüfung vornehmen müssen.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 15. März 2004 und des Widerspruchsbescheids vom 25. März 2004 zu verpflichten, ihm die amtliche Prüfungsnummer für den Wein "2003er G................... Spätburgunder, Rotwein, Spätlese, Erzeugerabfüllung" zu erteilen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung hat sie im Wesentlichen vorgetragen: Aus dem maßgeblichen Prüfschema in der Anlage 9 zur Weinverordnung gehe hervor, dass der Durchschnitt der Bewertungen der einzelnen Mitglieder der Prüfkommission ermittelt werden müsse. Daher könne die bisher in Rheinland-Pfalz praktizierte Handhabung, nach welcher die Mehrzahl der Prüfer maßgeblich gewesen sei, nicht mehr aufrechterhalten werden. Mit Ausnahme von Sachsen-Anhalt wendeten die sonstigen Weinbau betreibenden Länder ebenfalls die Durchschnittsregelung oder sogar strengere Kriterien an.

Mit Urteil vom 15. Juli 2004 hat das Verwaltungsgericht die Beklagte verpflichtet, dem Kläger die begehrte amtliche Prüfungsnummer zuzuteilen. Dies beruhe darauf, dass der in Rede stehende Wein bei der Sinnenprüfung im Widerspruchsverfahren nach dem mehrheitlichen Urteil von drei Sachverständigen die erforderlichen Mindestwerte erreicht habe. Dem stehe nicht Nr. 4.2.6.2 der Verwaltungsvorschrift zur Durchführung der Qualitätsprüfungen für Wein, Perlwein, Likörwein und Schaumwein und das Verfahren der Herabstufungen vom 28. April 2003 entgegen. Die darin vorgesehene Mittelung erweise sich bereits vom Ansatz her als rechtlich nicht tragfähige Grundlage für die Entscheidung über die Zuteilung der amtlichen Prüfungsnummer für Weine.

Da die Entscheidung über das Vorliegen der typischen Wesensmerkmale bei Weinen einen sehr komplexen und in hohem Maße wertenden Charakter habe, würden mehrere Prüfer mit der Sinnenprüfung betraut. Lägen voneinander abweichende Einzelbeurteilungen vor, ergebe sich das entscheidungstragende "Ergebnis" für die Behörde mangels spezieller normativer Vorgabe aus allgemeinen Grundsätzen. Danach unterliege die Kommission für Sinnenprüfung wie jedes Kollegialorgan dem Mehrheitsprinzip, das zu den fundamentalen Prinzipien der Demokratie gehöre. Mangels ausdrücklicher Bestimmung sei die einfache Stimmenmehrheit maßgeblich.

Die dem Mehrheitsprinzip widersprechende derzeitige Erlasslage lasse sich auch nicht aus dem Prüfungsschema (Abschnitt II der Anlage 9 zur WeinVO) ableiten, da dessen Regelungsgehalt sich ausschließlich auf die horizontale Mittelung der vom jeweiligen Prüfer vergebenen Punkte für die einzelnen sensorischen Prüfmerkmale beziehe. Zur vertikalen Mittelung der Bewertungen aller Kommissionsmitglieder treffe das Prüfungsschema hingegen keine Aussage.

Durch das Mittelungsverfahren würden die Entscheidungen auch nicht auf eine breitere Mehrheit gestützt, was das anhängige Verfahren belege. Schließlich stelle das von der Beklagten praktizierte Verfahren einen Eingriff in den Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG dar, der nicht durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes erfolgt und im Übrigen unverhältnismäßig sei.

Die hiergegen vom Verwaltungsgericht zugelassene und von der Beklagten eingelegte Berufung begründet sie im Wesentlichen wie folgt: Grundlage für die Vergabe der Prüfungsnummern sei das Sachverständigengutachten, an das sie sich in aller Regel gebunden fühle. Etwas anderes gelte lediglich dann, wenn Anhaltspunkte für Fehler innerhalb des Prüfverfahrens bestünden. Dies sei hier nicht der Fall gewesen.

Das durchgeführte Prüfungsverfahren stehe in Einklang mit § 19 Abs. 3 Satz 1 WeinG i.V.m. §§ 21 Abs. 1 Nr. 2, 24 Abs. 1 Satz 4 WeinVO i.V.m. Anlage 9 Abschnitt II. Die hierzu erlassene Verwaltungsvorschrift vom 23. April 2003 sei gesetzeskonform. Bei der Beantwortung der Frage, wie die Ergebniszusammenführung innerhalb der Sachverständigenkommission zu erfolgen habe, stehe dem Land ein Ermessensspielraum zu, der insbesondere nicht durch das Mehrheitsprinzip eingeengt sei. Die Einführung der Durchschnittsbewertung anstelle des Mehrheitsprinzips sei durch Vorgaben in der Verordnung (EG) Nr. 1607/2000 gerechtfertigt. Das Europarecht sehe zwingend die Bildung von Sachverständigenkommissionen vor. Darüber hinaus gehe die Weinverordnung von der Vergabe einer Qualitätszahl von mindestens 1,5 Punkten aus. Dies betreffe nicht nur die horizontale Bewertung der einzelnen Prüfer, sondern auch die vertikale Beurteilung innerhalb der Kommission. Die Bildung einer Durchschnittspunktzahl werde in stärkerem Maße als eine Mehrheitsentscheidung dem Gleichheitssatz und der subjektiven Ergebnisfindung gerecht. Im Übrigen werde die Prüfung durch die Anwendung des Mehrheitsverfahrens auf eine Ja/Nein-Bewertung reduziert, obwohl die Weinverordnung eine Punktebewertung vorsehe.

Dass sie - die Beklagte - nach Durchführung der vom Senat angeordneten Beweisaufnahme die Prüfungsnummer zwischenzeitlich mit Bescheid vom 19. Mai 2005 erteilt habe, führe nicht dazu, dass der von dem Kläger nunmehr gestellte Fortsetzungsfeststellungsantrag Erfolg habe. Zum einen fehle es im Hinblick auf den behaupteten Schadensersatzanspruch an dem erforderlichen Feststellungsinteresse. Zum anderen ergebe sich weder aus der vom DLR O......... durchgeführten Prüfung noch aus dem Ergebnis der Beweisaufnahme, dass der Wein im März 2004 fehlerhaft bewertet worden sei.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

unter Zurückweisung der Berufung festzustellen, dass die Versagung der beantragten Prüfungsnummer für den Wein des Klägers mit der Bezeichnung "2003er G..................... Spätburgunder Spätlese, Erzeugerabfüllung" durch Bescheid des Beklagten vom 15. März 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. März 2004 rechtswidrig war.

Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor: Die Fortsetzungsfeststellungsklage sei zulässig, da ihm eine Schadensersatzanspruch zustehe und im Blick auf zukünftige Prüfverfahren Wiederholungsgefahr drohe. Die Klage sei auch begründet, da die Versagung der Prüfungsnummer rechtswidrig gewesen sei. Dies ergebe sich aus dem Ergebnis der Beweisaufnahme. Die dabei festgestellte Steigerung der Qualitätszahl von 0,88 und 0,9 bei den ursprünglichen Bewertungen auf jetzt 2,71 könne nicht auf positive Veränderungen des Weines innerhalb von 11 Monaten beruhen. Vielmehr sei der Wein bereits im März 2004 fehlerfrei gewesen, was ihm von mehreren Fachleuten bestätigt worden sei. Außerdem folge die Rechtswidrigkeit der Ausgangsbewertung - wie bereits im erstinstanzlichen Verfahren im Einzelnen dargetan - daraus, dass sich die Beklagte an die Beurteilung der Prüfkommission gebunden gefühlt habe und das Verfahren durch die Bildung einer Durchschnittspunktzahl auch im Übrigen verfahrensfehlerhaft gewesen sei.

Der Vertreter des öffentlichen Interesses, der dem Verfahren beigetreten ist, äußert sich im Wesentlichen wie folgt: Soweit die Verwaltungsvorschrift vom 28. April 2003 zur Auslegung der auf § 21 Abs. 1 Nr. 1 und 3 WeinG beruhenden Anlage 9 Abschnitt II der Weinverordnung darauf abstelle, dass die Zuerkennung einer beantragten Qualitätsstufe nur vorgeschlagen werden könne, wenn im Mittel aller Sachverständigen der Kommission die sensorischen Vorbedingungen des Prüfschemas erfüllt seien, sei dies rechtlich nicht zu beanstanden. Dem Demokratieprinzip seien keine konkreten Vorgaben für die Ergebniszusammenführung innerhalb der Sachverständigenkommission zu entnehmen. Das hier in Rede stehende Verfahren stelle sicher, dass die Bewertungen eines jeden Mitglieds der Kommission gleich zählten und gewichtet würden, so dass einzelnen Prüfern, bei denen subjektive Einflüsse nicht generell auszuschließen seien, kein ungleiches Gewicht zukomme.

Die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes ergeben sich aus den zu den Gerichtsakten gereichten Schriftsätzen der Beteiligten sowie aus der Verwaltungs- und Widerspruchsakte der Beklagten.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Beklagten hat Erfolg.

Die Fortsetzungsfeststellungsklage, die nach Erledigung des ursprünglichen Verpflichtungsbegehrens jedenfalls im Hinblick auf die von dem Kläger geltend gemachte Wiederholungsgefahr zulässig ist, ist unbegründet. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Bescheid des Beklagten vom 15. März 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. März 2004, mit dem dem Kläger die Zuteilung einer Prüfungsnummer für den in Rede stehenden Wein verweigert wurde, rechtswidrig war.

Anders als bei der jetzt erledigten Verpflichtungsklage ist maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der ablehnenden Entscheidung nicht der der mündlichen Verhandlung des Senats, sondern der des Erlasses der letzten Verwaltungsentscheidung, d. h. des Widerspruchsbescheides. Dies beruht darauf, dass mit der hier vorliegenden Fortsetzungsfeststellungsklage die Rechtswidrigkeit eines in der Vergangenheit, nämlich im März 2004 erfolgten Ablehnung der Zuteilung einer weinrechtlichen Prüfungsnummer begehrt wird.

Die Ablehnung der Erteilung der begehrten Prüfungsnummer ist formell ordnungsgemäß erfolgt, da das Prüfungsverfahren rechtlich nicht zu beanstanden ist. Rechtsgrundlage für die vom Kläger begehrte amtliche Prüfungsnummer ist § 19 Abs. 3 des Weingesetzes - WeinG - vom 8. Juli 1994 (BGBl I S. 1467) i.d.F. der Bekanntmachung vom 16. Mai 2001 (BGBl I S. 985) i.V.m. § 21 Abs. 1 Nr. 2 der Weinverordnung - WeinVO - vom 9. Mai 1995 (BGBl I S. 630) i.d.F. der Bekanntmachung vom 8. Mai 2002 (BGBl I S. 1583). Danach wird einem Qualitätswein b.A. oder Qualitätswein eine amtliche Prüfungsnummer zugeteilt, wenn er 1. die für dieses Erzeugnis typischen Bewertungsmerkmale aufweist und 2. den Vorschriften der Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaft, des Weingesetzes und der aufgrund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnung entspricht. Gemäß § 21 Abs. 1 Nr. 2 WeinVO wird einem Qualitätswein eine Prüfungsnummer zugeteilt, wenn er in Aussehen, Geruch und Geschmack frei von Fehlern ist. Zur Beurteilung dieser Prüfungsmerkmale sieht § 24 Abs. 1 WeinVO die Durchführung einer Sinnenprüfung vor, die aufgrund des § 24 Abs. 1 Satz 4 WeinVO nach dem in Anlage 9 Abschnitt II angegebenen Schema durchzuführen ist. Danach werden in der Bewertung der Sinnenprüfung zunächst sensorische Vorbedingungen durch eine JA/NEIN-Entscheidung geprüft. Sodann ist für die Prüfung der sensorischen Merkmale Geruch, Geschmack und Harmonie die Vergabe von Punkten anhand einer Skala von 0 bis 5 vorgesehen. Die Mindestpunktzahl für jedes einzelne Prüfmerkmal ist danach 1,5. Die durch 3 geteilte Summe der für Geruch, Geschmack und Harmonie erteilten Punkte ergibt die Qualitätszahl, die für alle Erzeugnisse ebenfalls mindestens 1,5 betragen muss.

Soweit in Ziffer 4.2.6.2 der Verwaltungsvorschrift des Ministeriums für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau vom 28. April 2003 zur Durchführung der Qualitätsprüfung für Wein, Perlwein, Likörwein und Schaumwein und das Verfahren der Herabstufung festgelegt ist, dass die Zuerkennung der betreffenden Qualitätsstufe nur vorgeschlagen werden kann, wenn im Mittel der Urteile aller Sachverständigen der Kommission die sensorischen Vorbedingungen des Prüfschemas erfüllt sind und jedes Prüfmerkmal mit der Mindestpunktzahl bewertet wird, handelt es sich um eine Regelung, die die genannten Vorschriften des Weingesetzes und der Weinverordnung auslegt. Solche norminterpretierenden Verwaltungsvorschriften haben keine Außenwirkung, so dass die Gerichte an sie nicht gebunden sind. Dies bedeutet, dass die Richtigkeit der Auslegung der hier in Rede stehenden Vorschriften des Weingesetzes und der Weinverordnung von den Verwaltungsgerichten unabhängig von der Verwaltungsvorschrift eigenständig zu überprüfen ist.

Die Auslegung der hier anwendbaren Regelungen des Weingesetzes und der Weinverordnung - insbesondere Abschnitt II der Anlage 9 zur Weinverordnung - ergibt, dass das Ergebnis der Prüfung der sensorischen Merkmale von Weinen nach Ziffer 2 des Abschnitts II der Anlage 9 zur Weinverordnung durch die Bildung eines Mittelwerts aus den Bewertungen aller Prüfer (Durchschnittsverfahren) festzustellen ist. Somit ist das Durchschnittsverfahren nicht nur für die Ermittlung der Qualitätszahl der einzelnen Prüfer vorgesehen. Der Senat lässt es offen, ob dies bereits aus dem Wortlaut der Ziffer 2 des Abschnitts II der Anlage 9 zur Weinverordnung folgt. Jedenfalls entspricht dieses Ergebnis der Systematik des Abschnitts II der Anlage 9 der Weinverordnung und nicht zuletzt aufgrund europarechtlicher Vorgaben dem Sinn und Zweck sowie den Besonderheiten der sensorischen Prüfung.

Abschnitt II der Anlage 9 zur Weinverordnung unterscheidet in Nr. 1 zwischen den sensorischen Vorbedingungen und unter Nr. 2 zwischen den sensorischen Prüfmerkmalen und der Qualitätszahl. Während Nr. 1 eine Beurteilung aufgrund einer JA/NEIN-Entscheidung vorsieht, ist bei der Beurteilung der sensorischen Prüfmerkmale eine Punktebewertung innerhalb der Skala von 0 bis 5 vorgesehen. Hätte der Verordnungsgeber die Zusammenführung der Bewertungen mehrerer Prüfer nach dem Mehrheitsprinzip gewollt, wäre es überflüssig gewesen, eine Bewertungsskala zur Verfügung zu stellen. Eine Punktskala hat den Sinn, eine differenzierende Bewertung durch die einzelnen Prüfer zu ermöglichen. Dies wiederum bedingt es, einen Ausgleich für die Vergabe unterschiedlich hoher Punkte vorzusehen. Hierzu eignet sich allein die Bildung einer Durchschnittspunktzahl. Demgegenüber versagt das Mehrheitsprinzip insbesondere dann, wenn sich aufgrund der Unterschiedlichkeit der Punktevergabe eine Mehrheit nicht erzielen lässt. Hieraus folgt, dass der Verordnungsgeber in Ziffer 2 des Abschnitts II der Anlage 9 zur Weinverordnung von einer Punkteskala abgesehen und eine JA/NEIN-Prüfung vorgesehen hätte, wenn er die Anwendung des Mehrheitsprinzips gewollt hätte.

Außerdem entspricht die Ermittlung des Gesamtergebnisses der Sinnenprüfung im Rahmen des Durchschnittsverfahrens dem Sinn und Zweck sowie den Besonderheiten der sensorischen Prüfung. Zweck dieser Prüfung ist es, Prüfmerkmale zu beurteilen, die in besonderer Weise subjektiven Bewertungen zugänglich sind. Um die Auswirkungen subjektiver Empfindungen bei der Prüfung möglichst gering zu halten, sieht Art. 8 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1607/2000 i.V.m. Anhang VI Abschnitt J 1 b der Verordnung (EG) Nr. 1493/1999 vor, dass die Sinnenprüfung durch eine Kommission, d.h. durch mehrere Personen durchgeführt wird. Darüber hinaus wird durch die Zusammenführung der Ergebnisse der einzelnen Sachverständigen und die Ermittlung eines Gesamtergebnisses im Durchschnittsverfahren erreicht, dass alle Bewertungen in das Endergebnis einfließen und nicht einzelne Beurteilungen durch das Abstellen auf eine Mehrheit gänzlich ausgeschlossen werden. Dem kann nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, dass aufgrund des Durchschnittsverfahrens einem oder zwei Prüfern, also einer Minderheit unzulässigerweise eine vorherrschende Stellung zukomme. Hat die Mehrheit der Prüfer einen Wein mit 1,5 Punkten, ein oder zwei Sachverständige das Erzeugnis aber nur mit 0 Punkten bewertet, handelt es sich um einen Wein, der auch nach der Meinung der Mehrheit der Kommission lediglich die Mindestpunktzahl erreicht hat. Einem solchen - "grenzwertigen" - Wein die Prüfungsnummer nicht zuzuteilen, ist rechtlich unbedenklich. Sollte im umgekehrten Fall eine Minderheit außergewöhnlich viele Punkte vergeben haben, wäre ein überproportionaler Einfluss dieser Minderheit dadurch ausgeschlossen, dass von der Beklagten gemäß § 24 Abs. 1 Nr. 2 WeinVO eine nochmalige oder eine weitergehende Sinnenprüfung veranlasst würde. Somit bestehen letztlich aufgrund des sich aus § 24 Abs. 1 Nr. 2 WeinVO ergebenden vorbereitenden Charakter der Sinnenprüfung rechtliche Sicherungen gegen etwaige Nachteile des Durchschnittsverfahrens.

Das Durchschnittsverfahren im Sinne des Abschnitts II der Anlage 9 zur Weinverordnung verstößt auch nicht gegen höherrangiges Recht. Die Auffassung des Verwaltungsgerichts, das Demokratieprinzip erfordere für Kollegialorgane die Geltung des Mehrheitsprinzips, greift bereits vom Ansatz her nicht durch. Das Demokratieprinzip betrifft die Ausübung der Staatsgewalt durch das Volk im Wege von Wahlen und Abstimmungen. Insoweit ist das Mehrheitsprinzip Teil des Demokratieprinzips. Allerdings gilt es grundsätzlich nicht für Verwaltungstätigkeiten, die nach rechtlichen Kriterien ausgeführt werden müssen. Bereits aus diesem Grund war es nicht geboten, das Ergebnis der von einer Kommission durchzuführenden Sinnenprüfung anhand des Mehrheitsprinzips zu ermitteln. Dies gilt umso mehr angesichts des lediglich vorbereitenden Charakters der sensorischen Prüfung.

§ 24 Abs. 1 Satz 4 i.V.m. Abschnitt II Nr. 2 der Anlage 9 WeinVO verstößt auch nicht gegen Art. 12 Abs. 1 GG, soweit das Ergebnis der Sinnenprüfung im Wege der Mittelung der Prüfergebnisse der einzelnen Prüfer festgestellt wird. Die Vorschrift beruht auf einer ausreichenden gesetzlichen Grundlage. Ermächtigungsgrundlage ist § 21 Abs. 1 Nr. 1 und 3 WeinG. Nach dieser Vorschrift wird das Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft ermächtigt, u.a. vorzuschreiben, unter welchen weiteren Voraussetzungen die amtliche Prüfungsnummer zuzuteilen ist; dabei sind insbesondere die Anforderungen an das Erzeugnis oder seine Vorerzeugnisse und die zulässigen Verarbeitungs- und Behandlungsverfahren (Nr. 1) und das Prüfungsverfahren (Nr. 3) zu regeln. Diese gesetzliche Regelung umfasst auch eine hinreichende Ermächtigung zur Einführung des Durchschnittsverfahrens bei der sensorischen Prüfung, da dies Teil des Prüfungsverfahrens ist. Die Ermächtigung in § 21 Abs. 1 Nr. 3 WeinG ist hinreichend bestimmt und genügt auch den Anforderungen an den Parlamentsvorbehalt. Nach Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG muss das ermächtigende Gesetz Inhalt, Zweck und Ausmaß der Ermächtigung bestimmen. Der Gesetzgeber soll im Bereich der Grundrechtsausübung die wesentlichen Entscheidungen selbst treffen und, sofern Einzelregelungen einer Verordnung überlassen bleiben, die Tendenz und das Programm schon soweit umreißen, dass sich der Zweck und der mögliche Inhalt der Verordnung bestimmen lassen. Allerdings müssen sich die gesetzlichen Vorgaben nicht unmittelbar aus dem Wortlaut der Ermächtigungsnorm ergeben; es genügt, dass sie sich mit Hilfe allgemeiner Auslegungsgrundsätze erschließen lassen, insbesondere aus dem Zweck, dem Sinnzusammenhang und der Vorgeschichte des Gesetzes (vgl. BVerfGE 80, 1 [20 f.]). Gemessen an diesen Grundsätzen beruht die Einführung des Durchschnittsverfahrens zur Ermittlung des Ergebnisses der Sinnenprüfung durch den Verordnungsgeber auf einer hinreichenden gesetzlichen Ermächtigung. Insbesondere war der Gesetzgeber nicht selbst verpflichtet, Einzelheiten der Ergebniszusammenführung innerhalb der Prüfungskommission zu regeln. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass das Durchschnittsverfahren zur Ermittlung des Gesamtergebnisses der Bewertung einer Kommission ein sachgerechtes und deshalb nahe liegendes Verfahren darstellt.

Darüber hinaus steht § 24 Abs. 1 Satz 4 i.V.m. Abschnitt II Nr. 2 der Anlage 9 WeinVO auch materiell-rechtlich mit Art. 12 Abs. 1 GG in Einklang. Die Regelung ist als Berufsausübungsregelung durch die Belange der Qualitätssicherung bei Weinen sowie des Verbraucherschutzes gerechtfertigt und auch im Übrigen verhältnismäßig. Dies gilt unabhängig davon, ob im Einzelfall die Ablehnung der Zuteilung einer amtlichen Prüfungsnummer dazu führt, dass der vorgestellte Wein noch nicht einmal als Tafel- oder Landwein verkehrsfähig ist.

Ist das von der Beklagten durchgeführte Prüfungsverfahren im Blick auf die gesetzlichen Grundlagen nicht zu beanstanden, liegen auch sonstige formelle Mängel nicht vor. Insbesondere war die Beklagte nicht gehalten, gemäß § 24 Abs. 1 Nr. 2 WeinVO aufgrund der Ergebnisse der durchgeführten Prüfungen eine nochmalige Bewertung des Weines vornehmen zu lassen. Die von den im Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren tätigen Prüfer vergebenen Punkte bewegen sich zwischen 0 und 2. Bei einer Punkteskala von 0 bis 5 Punkte ist die zwischen 0 und 2 Punkte liegende Spanne nicht so erheblich, dass eine weitere Prüfung geboten gewesen wäre. Vielmehr werden die auf der Subjektivität der Prüfung beruhenden hier ohne weiteres hinzunehmenden Bewertungsunterscheide zwischen einzelnen Prüfern durch die Feststellung des Gesamtergebnisses in Gestalt einer Durchschnittspunktzahl ausgeglichen.

Es kann auch nicht festgestellt werden, dass die im März 2004 verfahrensfehlerfrei durchgeführten Prüfungen des in Rede stehenden Weins im Ergebnis fehlerhaft waren. Dies ergibt sich nicht aus den von dem Kläger veranlassten Prüfungen im Weinlabor K......, im Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum O............. und durch weitere Gutachter. Insoweit ist weder vorgetragen worden noch ersichtlich, dass diese Prüfungen nach den Ziffern 4.2ff der Verwaltungsvorschrift des Ministeriums für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau durchgeführt wurden. Auch das Ergebnis der vom Senat beschlossenen Beweisaufnahme lässt keine Rückschlüsse auf die Fehlerhaftigkeit der Prüfungen vom März 2004 zu. Insofern folgt der Senat nicht dem Vorbringen des Klägers, die Differenz zwischen 0,88/0,90 Punkten bei den ursprünglichen Prüfungen und 2,71 Punkten bei der gerichtlichen Beweisaufnahme 14 Monate später könne nur auf Bewertungsfehlern bei den zuerst vorgenommenen Prüfungen beruhen. Insofern verkennt der Kläger, dass bei - wie im vorliegenden Fall - in nicht geringem Maße subjektiv geprägten Beurteilungen Bewertungsunterschiede nicht verabsolutiert werden können. Deshalb ist die Differenz von 1,8 Punkten bei im Abstand von 14 Monaten durchgeführten Prüfungen bereits nicht so erheblich, dass Rückschlüsse auf die Fehlerhaftigkeit der frühern Prüfungen möglich sind. Außerdem können solche Bewertungsunterschiede in unvermeidbarem und deshalb hinnehmbarem Umfang nicht nur durch die Ergebnisse der Prüfungen im März 2004, sondern auch durch die Bewertungen bei der gerichtlichen Beweisaufnahme verursacht worden sein. Deshalb ließe sich die Fehlerhaftigkeit der streitgegenständlichen Prüfung auch dann nicht feststellen, wenn die o. g. Punktedifferenz als gravierend anzusehen wäre. Angesichts der subjektiven Komponente der Weinprüfungen besteht somit für den Senat kein Anlass, weitere Ermittlungen zur Bedeutung der Bewertungsunterschiede der durchgeführten Prüfungen von Amts wegen anzustellen. Ein Sachverständigengutachten wäre ungeeignet, zu entscheidungserheblichen Feststellungen zu kommen.

Auch zur Klärung der Frage, ob der in Rede stehende Wein des Klägers bei den Prüfungen im März 2004 fehlerfrei gewesen war, ist ein Sachverständigengutachten ungeeignet. Dies beruht darauf, dass sich - was gerichtsbekannt ist - jeder Wein im Laufe der Zeit verändert, so dass der nunmehr vorhandene Wein nicht mehr identisch mit dem im März 2004 geprüften Wein ist. Dies gilt unabhängig davon, in welchem Maße sich der im vorliegenden Fall in Rede stehende Wein verändert hat.

Lässt sich nach alledem die Fehlerfreiheit des Weins des Klägers im März 2004 nicht mehr feststellen, geht dies zu Lasten des Klägers, da er sich zur Begründung der Fortsetzungsfeststellungsklage auf diesen ihm günstigen Umstand beruft. Eine Umkehr der Darlegungs- und Beweislast käme nur in Betracht, wenn die Prüfungen im März 2004 nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden wären. Dass dies nicht der Fall ist, hat der Senat eingehend dargelegt.

Nach alledem war der Berufung der Beklagten stattzugeben und die Fortsetzungsklage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.

Die Revision wird nicht zugelassen, da Gründe der in § 132 Abs. 2 VwGO bezeichneten Art nicht vorliegen.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 28.560,-- € festgesetzt (§§ 52 Abs. 1, 63 Abs. 2 GKG).



Ende der Entscheidung

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