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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz
Beschluss verkündet am 17.10.2008
Aktenzeichen: 7 B 10830/08.OVG
Rechtsgebiete: AufenthG, GG


Vorschriften:

AufenthG § 5
AufenthG § 5 Abs. 2
AufenthG § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1
AufenthG § 5 Abs. 2 Satz 2
AufenthG § 11
AufenthG § 11 Abs. 1
GG Art. 6
Der mit der Durchführung des Visumverfahrens üblicherweise einhergehende Zeitablauf ist von demjenigen, der Aufenthalt im Bundesgebiet begehrt, regelmäßig hinzunehmen. Wenn die Weiterführung der bereits gelebten Lebensgemeinschaft zwischen dem Ausländer und seinem Kind nur in der Bundesrepublik Deutschland möglich ist, ist eine voraussichtlich über die Länge des normalen Visumverfahrens hinausgehende Trennung aber regelmäßig unzumutbar.
OBERVERWALTUNGSGERICHT RHEINLAND-PFALZ BESCHLUSS

7 B 10830/08.OVG

In dem Verwaltungsrechtsstreit

wegen Aufenthaltserlaubnis (Ghana) hier: vorläufiger Rechtsschutz

hat der 7. Senat des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz in Koblenz aufgrund der Beratung vom 17. Oktober 2008, an der teilgenommen haben

Vorsitzende Richterin am Oberverwaltungsgericht Wünsch Richter am Oberverwaltungsgericht Wolff Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Stahnecker

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ablehnenden Beschluss des Verwaltungsgerichts Mainz vom 18. Juli 2008 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 3.750,00 € festgesetzt.

Gründe:

Die Beschwerde gegen die Ablehnung vorläufigen Rechtsschutzes ist unbegründet.

Das Vorbringen in der Beschwerdebegründung, das der Senat allein berücksichtigen kann (§ 146 Abs. 4 Sätze 1, 3 und 6 VwGO), rechtfertigt keine Abänderung oder Aufhebung der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung.

Das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG schon die Sperrwirkung des § 11 Abs. 1 Sätze 1 und 2 AufenthG entgegensteht, wonach ein Ausländer, der - wie der Antragsteller mit bestandskräftiger Verfügung vom 7. Oktober 2004 - ausgewiesen worden ist, sich nicht im Bundesgebiet aufhalten darf und ihm auch bei Vorliegen der Voraussetzungen eines Anspruchs nach diesem Gesetz kein Aufenthaltstitel erteilt wird. Dies wird vom Antragsteller mit der Beschwerde auch nicht angegriffen.

Zutreffend hat das Verwaltungsgericht ferner angenommen, dass die Verweisung eines Ausländers auf die Einholung des für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis erforderlichen Visums vor der Einreise, wie sie § 6 Abs. 4 i.V.m. § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG vorsieht, mit dem verfassungsrechtlichen Schutz von Ehe und Familie nach Art. 6 GG auch nach der neueren Kammerrechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts grundsätzlich vereinbar ist. Denn das Visumverfahren bietet Gelegenheit, die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen zu überprüfen. Das Aufenthaltsgesetz trägt dabei dem Gebot der Verhältnismäßigkeit Rechnung, indem es unter den Voraussetzungen des § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG im Einzelfall erlaubt, von dem grundsätzlichen Erfordernis einer Einreise mit dem erforderlichen Visum (§ 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG) abzusehen. Der mit der Durchführung des Visumverfahrens üblicherweise einhergehende Zeitablauf ist von demjenigen, der Aufenthalt im Bundesgebiet begehrt, regelmäßig hinzunehmen. Wenn die Weiterführung der bereits gelebten Lebensgemeinschaft zwischen dem Ausländer und seinem Kind nur in der Bundesrepublik Deutschland möglich ist, ist eine voraussichtlich über die Länge des normalen Visumverfahrens hinausgehende Trennung - und damit für einen nicht nur unerheblichen Zeitraum -aber in der Regel unzumutbar (vgl. BVerfG, InfAuslR 2008, 347 m.w.N.).

Das Verwaltungsgericht hat zugunsten des Antragstellers unterstellt, dass zwischen ihm und seinem von einer deutschen Staatsangehörigen am 22. Dezember 2007 geborenen Kind eine schützenswerte Lebensgemeinschaft schon vorliegt. Diese Annahme wird durch die im Beschwerdeverfahren vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen des Antragstellers und der Kindesmutter gestützt.

Das Verwaltungsgericht hat sodann angenommen, besondere Umstände, die eine vorübergehende Trennung des Antragstellers von seinem Kind mit Blick auf Art. 6 GG als unzumutbar erscheinen ließen, lägen nicht vor. Für ein überwiegendes öffentliches Interesse an einer vorläufigen Beendigung des Aufenthalts des Antragstellers im Bundesgebiet spreche insbesondere, dass er nicht nur gegen aufenthaltsrechtliche Bestimmungen verstoßen, sondern auch Straftaten begangen habe, um ein Aufenthaltsrecht zu erreichen bzw. seinen Aufenthalt tatsächlich zu verlängern. Hinzu komme die lange Dauer seines rechtswidrigen Aufenthalts in Deutschland von 2002 bis 2008. Demgegenüber beschränke sich die Dauer des Visumverfahrens als solches auf einen überschaubaren Zeitraum. Eine Trennung von einigen Monaten für das Visumverfahren sei für ein ca. einjähriges Kleinkind nicht unzumutbar. Auch ansonsten sei nicht ersichtlich, was dem Antragsteller die Durchführung eines Visumverfahrens unzumutbar machen würde. Die Betreuung seines Kindes sei durch die Mutter sichergestellt, die derzeit arbeitslos sei.

Hiergegen macht der Antragsteller geltend, das Visumverfahren werde mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als einige Monate dauern.

Er verweist dabei zunächst auf ein Merkblatt der deutschen Botschaft in Accra (Ghana), wonach eine Terminsvergabe zur persönlichen Vorsprache für einen Visumantrag nur mit Wartefristen von bis zu acht Wochen möglich sei und außerdem unter anderem eine Geburtsurkunde und ein Sprachzeugnis zum Nachweis einfacher Deutschkenntnisse vorzulegen seien.

Eine Wartefrist von bis zu acht Wochen zur persönlichen Vorsprache bei der deutschen Botschaft in Ghana rechtfertigt jedoch nicht die Annahme, dass das Visumverfahren nicht innerhalb einiger Monate abgeschlossen werden kann. Hinsichtlich der geforderten Geburtsurkunde hat der Antragsteller nicht dargelegt, weshalb er Schwierigkeiten haben sollte, diese alsbald vorzulegen, zumal er bei der Ausländerbehörde eine Geburtsurkunde in Kopie vorlegen konnte und auch auf seinen Antrag im Mai 2008 ersichtlich mühelos innerhalb von rund einer Woche einen neuen ghanaischen Pass ausgestellt bekam. Ebenso wenig hat er dargelegt, weshalb er Schwierigkeiten haben sollte, das geforderte Sprachzeugnis zum Nachweis einfacher Deutschkenntnisse in absehbarer Zeit vorzulegen. Die gegenteilige Annahme wäre im Übrigen auch fernliegend angesichts dessen, dass der Antragsteller sich seit mehreren Jahren, wenn auch illegal, in Deutschland aufhält und seit rund zwei Jahren eigenen Angaben zufolge mit der deutschen Mutter des gemeinsamen Kindes "ein Paar" ist, sodass er zumindest einfache Grundkenntnisse der deutschen Sprache erworben haben dürfte.

Entgegen der Auffassung des Antragstellers wird auch nicht die Prüfung des § 5 Abs. 4 AufenthV das Verfahren der Visumerteilung verzögern. Denn diese Bestimmung betrifft die Ausstellung eines deutschen Reiseausweises für Ausländer, die keinen Pass oder Passersatz besitzen, und ist hier nicht einschlägig, da der Antragsteller einen ghanaischen Pass besitzt.

Soweit der Antragsteller geltend macht, eine weit mehr als einige Monate dauernde Prüfung durch die deutsche Auslandsvertretung vor Erteilung des Visums sei "angesichts der hiesigen Vorgeschichte" zu erwarten, ist mit diesem pauschalen Vorbringen schon nicht hinreichend dargelegt, aufgrund welcher Umstände der "Vorgeschichte" hier mit einem längerem Zeitraum als der üblichen Dauer des Visumverfahrens zu rechnen sein sollte.

Sollte der Antragsteller wegen seiner wiederholten und langjährigen Täuschung über seine wahre Identität Schwierigkeiten bei der Visumerteilung befürchten, so wäre diese Befürchtung im Übrigen auch insofern unbegründet, als der Antragsteller seine Identität mittlerweile aufgedeckt hat und daher diesbezüglich kein Prüfungsbedarf mehr besteht. Allerdings steht derzeit noch die Sperrwirkung der gegen ihn wegen seiner Straftaten verfügten Ausweisung vom 7. Oktober 2004 nach § 11 Abs. 1 Sätze 1 und 2 AufenthG einer Visumerteilung entgegen. Diese Wirkung wird jedoch auf Antrag in der Regel befristet (vgl. § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG). Der Antragsteller hat mit der Beschwerde nicht dargelegt, dass er auf einen solchen Antrag hin nicht mit einer der Bedeutung der aufenthaltsrechtlichen Schutzwirkungen des Art. 6 GG entsprechenden Frist rechnen könnte. Er hat nicht einmal dargetan, bereits einen Befristungsantrag gestellt zu haben. Es sind der Beschwerdebegründung keine Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, dass die auf seinen Antrag zu setzende Frist über die übliche Dauer des Visumverfahrens von einigen Monaten hinausgehen wird.

Die verwaltungsgerichtliche Entscheidung steht auch mit der vom Antragsteller angeführten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in Einklang, wonach das Bestehen einer aufenthaltsrechtlich schützenswerten Lebensgemeinschaft zwischen einem Ausländer und seinem Kind sich verfassungsrechtlich tragfähig nicht allein mit einem Verweis auf die Möglichkeit der Betreuung im erforderlichen Umfang auch durch die Mutter verneinen lässt; der spezifische Erziehungsbeitrag des Vaters wird durch die Betreuung des Kindes durch die Mutter nicht entbehrlich (vgl. BVerfG, NVwZ 2000, 59). Das Verwaltungsgericht hat nämlich mit seiner Erwägung, dass die Betreuung des Kindes durch die Mutter sichergestellt sei, die derzeit arbeitslos sei, nicht das Bestehen einer schützenswerten Lebensgemeinschaft zwischen dem Antragsteller und seinem Kind in Abrede gestellt, sondern lediglich begründet, dass dem Antragsteller nicht aufgrund besonderer Umstände selbst die vorübergehende Trennung zur Durchführung des Visumverfahrens unzumutbar sei.

Soweit die Kindesmutter in der im Beschwerdeverfahren vorgelegten eidesstattlichen Versicherung erklärt, sie wolle, sobald das Kind ein Jahr alt sei, wieder arbeiten gehen, der Antragsteller solle dann zunächst das Kind tagsüber betreuen, ist damit nicht hinreichend dargelegt, dass das Kind des Antragstellers auf dessen Betreuung wegen der Berufstätigkeit der Mutter vor Abschluss des Visumverfahrens angewiesen sein wird. Nach den insoweit nicht angegriffenen Ausführungen des verwaltungsgerichtlichen Beschlusses ist die Kindesmutter derzeit arbeitslos. Mit der Beschwerdebegründung wird schon nicht dargelegt, dass der Kindesmutter eine Arbeitsstelle zu dem von ihr gewünschten Zeitpunkt überhaupt zur Verfügung steht.

Weshalb das rund einjährige Kind des Antragstellers - wie mit der Beschwerdebegründung geltend gemacht - wegen seiner dunklen Hautfarbe in besonderem Maße des Schutzes durch den ebenfalls dunkelhäutigen Antragsteller vor drohender Ausgrenzung bedürfen sollte, und zwar in einem solchen Maß, dass selbst dessen vorübergehende Abwesenheit zur Einholung des erforderlichen Visums unzumutbar sein sollte, ist schlechterdings nicht nachvollziehbar.

Soweit der Antragsteller geltend macht, es lägen keine spezialpräventiven Gründe für eine Versagung der Aufenthaltserlaubnis vor, mag dies zwar zutreffen. Da aber auch das Verwaltungsgericht hiervon nicht ausgegangen ist, vermag dieser Einwand die Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung nicht zu erschüttern.

Es liegen schließlich auch generalpräventive Gründe dafür vor, den Antragsteller auf die Einholung des erforderlichen Visums zu verweisen. Für ein überwiegendes öffentliches Interesse an einer vorläufigen Beendigung des Aufenthalts des Antragstellers im Bundesgebiet spricht insbesondere, dass er nicht nur gegen aufenthaltsrechtliche Bestimmungen verstoßen hat, sondern auch Straftaten begangen hat, um ein Aufenthaltsrecht zu erreichen (mittelbare Falschbeurkundung, Verschaffen von falschen amtlichen Ausweisen und Missbrauch von Ausweispapieren), worauf das Verwaltungsgericht bereits zutreffend hingewiesen hat. Wegen dieser Straftaten - sowie wegen illegalen Aufenthalts und illegaler Einreise - ist der Antragsteller zweimal rechtskräftig verurteilt worden. Seine Straftaten führten darüber hinaus zu seiner Ausweisung mit Verfügung vom 7. Oktober 2004, die mangels Widerspruchserhebung bestandskräftig geworden ist.

Nach alledem ergeben sich aus der Beschwerdebegründung auch keine durchgreifenden Bedenken gegen die weitere Annahme des Verwaltungsgerichts, dass dem Antragsteller weder eine Ausreise aus rechtlichen Gründen im Hinblick auf die aufenthaltsrechtlichen Schutzwirkungen des Art. 6 GG unmöglich i.S.v. § 25 Abs. 5 AufenthG sei, noch eine Duldung nach § 60a Abs. 2 AufenthG in Betracht komme.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Festsetzung des Wertes des Streitgegenstandes beruht auf §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 1 und 2, 53 Abs. 3 GKG.

Ende der Entscheidung

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