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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 21.09.2006
Aktenzeichen: 7 C 10539/06.OVG
Rechtsgebiete: POG, GG


Vorschriften:

POG § 2
POG § 2 Abs. 2
POG § 2 Abs. 2 Satz 2
POG § 43
POG § 43 Abs. 1
POG § 45
POG § 45 Abs. 2
GG Art. 3
GG Art. 3 Abs. 1
Eine Gefahrenabwehrverordnung, die den Anleinzwang für Hunde "innerhalb bebauter Ortlagen" vorschreibt, ist inhaltlich hinreichend bestimmt.

Der Anleinzwang außerhalb bebauter Ortslagen bei "nicht einsehbaren Flächen" ist regelmäßig unverhältnismäßig.


OBERVERWALTUNGSGERICHT RHEINLAND-PFALZ IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

7 C 10539/06.OVG

In dem Normenkontrollverfahren

wegen Normenkontrolle (Gefahrenabwehrverordnung)

hat der 7. Senat des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz in Koblenz aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 21. September 2006, an der teilgenommen haben

Vorsitzende Richterin am Oberverwaltungsgericht Wünsch Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Holl Richter am Oberverwaltungsgericht Geis

für Recht erkannt:

Tenor:

§ 3 Abs. 1 Satz 3 der Gefahrenabwehrverordnung zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung auf öffentlichen Straßen und in öffentlichen Anlagen in der Verbandsgemeinde Trier-Land vom 29. November 2005 wird für unwirksam erklärt.

Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.

Von den Kosten des Verfahrens haben der Antragsteller 3/4 und die Antragsgegnerin 1/4 zu tragen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Kostenschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Antragsteller wendet sich im Normenkontrollverfahren gegen den Leinenzwang für Hunde in § 3 Abs. 1 der Gefahrenabwehrverordnung zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung auf öffentlichen Straßen und in öffentlichen Anlagen der Antragsgegnerin vom 29. November 2005 (Gefahrenabwehrverordnung).

§ 3 Abs. 1 der Gefahrenabwehrverordnung hat folgenden Wortlaut:

"§ 3 Umgang mit Hunden

(1) Auf öffentlichen Straßen innerhalb bebauter Ortslagen dürfen Hunde nur angeleint geführt werden. Außerhalb bebauter Ortslagen sind sie umgehend und ohne Aufforderung anzuleinen, wenn sich andere Personen nähern oder sichtbar werden. Der Hund ist auch dann anzuleinen, wenn er sich nicht einsehbaren Flächen nähert."

Der Antragsteller ist Hundehalter, -züchter und Jäger. Seine Hunde trainiert er u.a. in den Gemarkungen der Antragsgegnerin. Er wendet sich gegen die Gültigkeit des § 3 Abs. 1 der Gefahrenabwehrverordnung und macht hierzu im Wesentlichen geltend: Der Erlass einer Gefahrenabwehrverordnung nach § 43 Abs. 1 POG setze eine abstrakte Gefahr voraus. Eine solche sei zu verneinen. Die Antragsgegnerin habe keinerlei statistische Erhebungen zur Gefahr von Hunden im Allgemeinen durchgeführt und zur Grundlage des Verordnungserlasses gemacht. Hinzu komme, dass die Antragsgegnerin die Verordnung nicht selbst erarbeitet habe, sondern einer Weisung der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion gefolgt sei. Jedenfalls verstoße § 3 Abs. 1 der Gefahrenabwehrverordnung in sämtlichen Alternativen gegen das Bestimmtheitsgebot. Das Tatbestandsmerkmal "innerhalb bebauter Ortslagen" sei für den juristischen Laien nicht klar zu fassen. Hierzu bedürfe es der Heranziehung schwieriger baurechtlicher Rechtsprechung. Das könne vom durchschnittlichen Normadressaten nicht verlangt werden. Darüber hinaus sei anerkannt, dass Rechtsnormen ihren räumlichen Geltungsbereich parzellenscharf abgrenzen müssten. Auch hieran fehle es. Allerdings sei eine eindeutig bestimmte Regelung mit Karten und Hundeauslaufplänen möglich, wie das von ihm entwickelte "Trierer Leinenzwang-Modell" zeige. Es werde überdies nicht deutlich, was mit dem Tatbestandsmerkmal "sichtbar werden" in § 3 Abs. 1 Satz 2 der Gefahrenabwehrverordnung erreicht werden solle. Schließlich sei nicht klar, was unter "nicht einsehbaren Flächen" im Sinne des § 3 Abs. 1 Satz 3 der Gefahrenabwehrverordnung zu verstehen sei. Die angegriffene Vorschrift erweise sich ferner deshalb als rechtswidrig, weil Hunde insgesamt dem Leinenzwang unterworfen würden, ohne nach deren Art und Größe zu unterscheiden. Zudem sei zu beanstanden, dass eine nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung zwischen privaten Hunden und Diensthunden bestehe. Letztere seien nämlich bereits von der Leinenpflicht ausgenommen, wenn sich die Hundeführer z.B. als Zoll- oder Polizeihundeführer legitimieren könnten.

Der Antragsteller beantragt,

die Leinenzwangregelung in § 3 Abs. 1 der Gefahrenabwehrverordnung zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung auf öffentlichen Straßen und in öffentlichen Anlagen der Antragsgegnerin vom 29. November 2005 für unwirksam zu erklären.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Sie tritt dem Vorbringen des Antragstellers entgegen. Insbesondere sei die angegriffene Norm so bestimmt gefasst, wie dies nach der Eigenart des hier zu ordnenden Lebenssachverhalts und mit Rücksicht auf den Normzweck möglich sei. Die Formulierung "bebaute Ortslage" sei bewusst gewählt und setze gerade keine Kenntnis bauplanungsrechtlicher Rechtsprechung voraus. Es sei deshalb davon auszugehen, dass für die Hundehalter durch die Regelung in der Gefahrenabwehrverordnung eindeutig sei, was von ihnen verlangt werde. Das von dem Antragsteller vorgestellte "Trierer Leinenzwang-Modell" stelle sich als überzogen dar und verursache unverhältnismäßigen Aufwand. Ein Anspruch auf eine "optimale" Darstellung bestehe nicht.

Die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes ergeben sich aus den Schriftsätzen der Beteiligten, den weiteren zu den Gerichtsakten gereichten Unterlagen und den Normsetzungsvorgängen der Antragsgegnerin. Sie waren sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Der Normenkontrollantrag ist teilweise begründet.

§ 3 Abs. 1 Sätze 1 und 2 der Gefahrenabwehrverordnung zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung auf öffentlichen Straßen und in öffentlichen Anlagen in der Verbandsgemeinde Trier-Land vom 29. November 2005 (Gefahrenabwehrverordnung) sind mit höherrangigem Recht vereinbar. Sie entsprechen insbesondere den Voraussetzungen der Rechtsgrundlage des § 43 Abs. 1 Polizei- und Ordnungsbehördengesetz - POG - und genügen dem Bestimmtheitsgrundsatz; auch sonst lassen sich Verstöße gegen geltendes Recht nicht feststellen (1.). Allerdings ist die Regelung des § 3 Abs. 1 Satz 3 der Gefahrenabwehrverordnung unverhältnismäßig und deshalb unwirksam (2.).

1. § 3 Abs. 1 Sätze 1 und 2 der Gefahrenabwehrverordnung halten der rechtlichen Prüfung stand.

a) Der Leinenzwang für Hunde ist durch die gesetzliche Verordnungsermächtigung gedeckt. Nach § 43 Abs. 1 POG können unter anderem die allgemeinen Ordnungsbehörden zur Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung Gebote und Verbote erlassen, die für eine unbestimmte Zahl von Fällen an eine unbestimmte Anzahl von Personen gerichtet sind (Gefahrenabwehrverordnungen). Solche Gefahrenabwehrverordnungen sind ein anerkanntes und unentbehrliches Instrument der Polizei- und Ordnungsbehörden. Sie ermöglichen ein zeitlich, örtlich und sachlich flexibles Handeln ohne detaillierte Vorentscheidungen des parlamentarischen Gesetzgebers (vgl. Drews/ Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, 9. Auflage 1986, S. 484 f.). Der Begriff der "Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung" hat in Rechtsprechung und Literatur eine hinreichende Präzisierung erfahren. Eine abstrakte Gefahr liegt bei einer Sachlage vor, die nach allgemeiner Lebenserfahrung oder fachlichen Erkenntnissen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit das Eintreten einer konkreten Gefahrenlage möglich erscheinen lässt. Dabei hängt der zu fordernde Wahrscheinlichkeitsgrad von der Bedeutung der gefährdeten Rechtsgüter sowie dem Ausmaß des möglichen Schadens ab. Steht der Schutz des Lebens und der Gesundheit von Menschen in Rede, kann auch die entferntere Möglichkeit eines Schadenseintritts ausreichen (vgl. BVerwG, NJW 1970, 1890 [1892]; OVG RP, NVwZ 2002, 1528). Damit erlaubt die allgemeine polizeirechtliche Verordnungsermächtigung auch Regelungen über die Hundehaltung.

Hiervon hat die Antragsgegnerin rechtsfehlerfrei Gebrauch gemacht. Die nach § 43 Abs. 1 POG erforderliche abstrakte Gefahr folgt bereits aus der allgemeinen Lebenserfahrung. Von Hunden gehen unzweifelhaft Gefahren aus (vgl. auch BVerwG, NVwZ 2003, 95 [97]). Zu deren Verhaltensrepertoire gehören nämlich das Beißen, Hetzen, Reißen, Anspringen, Schnappen, Nachrennen, und Beschnüffeln, das sich bei freilaufenden Hunden spontan und unberechenbar äußert und zu einer Gefährdung unbeteiligter Dritter führen kann, welche die Schwelle der bloßen Lästigkeit überschreitet. Demgemäß bejaht die Rechtsprechung eine abstrakte Gefahrenlage durch das Halten von Hunden (vgl. zur Tiergefahr allgemein: BGHZ, 67, 129 [132]). Sie wird in diesem Sinne auch vom Antragsteller nicht in Frage gestellt. Zusätzlicher statistischer Erhebungen bzw. weiterer fachlicher Erkenntnisse bedurfte die Antragsgegnerin für den Erlass der Vorschrift daher nicht. In diesem Zusammenhang kann der Antragsteller im Übrigen nicht mit Erfolg einwenden, die Antragsgegnerin habe die angegriffene Bestimmung der Gefahrenabwehrverordnung "nicht selbständig erarbeitet". Diese hat erkennbar von ihrem Ermessen zum Erlass der Gefahrenabwehrverordnung Gebrauch gemacht, was nicht zuletzt die von der empfohlenen Formulierung der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion abweichende endgültige Fassung des § 3 der Gefahrenabwehrverordnung belegt.

b) Die Tatbestandsmerkmale der hier zu überprüfenden Sätze 1 und 2 des § 3 Abs. 1 der Gefahrenabwehrverordnung sind hinreichend bestimmt. Der räumliche Geltungsbereich des angeordneten Leinenzwangs ist für die Hundeführer erkennbar. Das in § 45 Abs. 2 POG spezialgesetzlich geregelte allgemeine Gebot der hinreichenden Bestimmtheit einer Norm fordert vom Verordnungsgeber, seine Regelungen so bestimmt zu fassen, wie dies nach der Eigenart des Sachbereichs und mit Rücksicht auf den Normzweck möglich ist. Der Betroffene soll in zumutbarer Weise feststellen können, welches Verhalten verboten oder geboten ist, damit er sein Handeln darauf einrichten kann. Für die Frage, welche Bestimmtheitsanforderungen im Einzelnen erfüllt sein müssen, ist auch die Intensität der von der Regelung ausgehenden oder durch sie zugelassenen Einwirkungen auf die Normadressaten von Belang. Lässt sich der Tatbestand eines Verbots oder Gebots aufgrund der Eigenart des Sachbereichs mit beschreibenden Merkmalen nicht ausreichend kennzeichnen, darf der Normgeber auf unbestimmte Rechtsbegriffe zurückgreifen. In jedem Fall müssen sich aus Wortlaut, Zweck und Zusammenhang der Regelung objektive Kriterien entwickeln lassen, die eine willkürliche Handhabung der Norm durch die für die Vollziehung zuständigen Behörden ausschließen. Mögliche Nachteile einer dennoch verbleibenden Unbestimmtheit können bis zu einem gewissen Grad durch ein rechtsstaatliches Verfahren, insbesondere durch die gerichtliche Kontrolle, ausgeglichen werden (vgl. hierzu nur BVerfGE 59, 104 [114]).

§ 3 Abs. 1 Satz 1 der Gefahrenabwehrverordnung genügt diesen Anforderungen. Das Tatbestandsmerkmal "innerhalb bebauter Ortslagen" lässt sich nach Wortlaut und Zweck der Regelung hinreichend bestimmen. Für den rechtsunkundigen, aber verständigen, durchschnittlichen Hundehalter ist ohne weiteres erkennbar, dass er seinen Hund dort anleinen muss, wo gewöhnlich mit dem Erscheinen von Personen und/oder anderen Tieren zu rechnen ist. Das ist regelmäßig dann der Fall, wenn eine nicht nur vereinzelte Bebauung mit Wohnhäusern oder sonstigen Gebäuden besteht. Insofern ist der Auffassung der Antragsgegnerin ausdrücklich zuzustimmen, wonach "man weiß, dass nach der letzten Bebauung die Ortslage endet und mit der ersten Bebauung die Ortslage beginnt". Gerade mit Blick auf die geringe Eingriffsintensität, die mit dem bloßen Anleinen des Tieres verbunden ist, und dem schützenswerten Interesse Dritter, durch das unberechenbare Verhalten freilaufender Hunde nicht gefährdet zu werden, ist es nicht zu beanstanden, wenn die Antragsgegnerin den gefahrenabwehrrechtlich zu verstehenden Begriff der bebauten Ortslage verwendet. Dieser stimmt gerade nicht mit dem bauplanungsrechtlichen Tatbestandsmerkmal des "innerhalb des im Zusammenhang bebauten Ortsteils" im Sinne des § 34 BauGB überein. Von dem betroffenen Normadressaten wird deshalb keine Kenntnis der Rechtsprechung zur Abgrenzung von Innen- und Außenbereich erwartet. Vielmehr kann das Verhalten ohne weiteres an dem oben beschriebenen Normziel ausgerichtet werden. Das genügt (polizei- und verfassungs-) rechtlichen Anforderungen an eine bestimmte Regelung. Insbesondere war es nicht geboten, den räumlichen Geltungsbereich der Gefahrenabwehrverordnung parzellenscharf abzugrenzen. Anders als beispielsweise in einer Landschaftsschutzverordnung, durch die insbesondere die Bebaubarkeit und damit die wirtschaftliche Ausnutzbarkeit von Grundstücken regelmäßig erheblich eingeschränkt wird, ist die Reichweite des hier zur Prüfung stehenden Gebotstatbestands mit Blick auf die Eigenart des zu regelnden Sachverhalts und die vergleichsweise nur geringe Eingriffsintensität ausreichend beschrieben.

§ 3 Abs. 1 Satz 2 der Gefahrenabwehrverordnung, nach dem außerhalb bebauter Ortslagen Hunde umgehend und ohne Aufforderung anzuleinen sind, wenn sich andere Personen nähern oder sichtbar werden, genügt ebenfalls dem Bestimmtheitsgrundsatz des § 45 Abs. 2 POG. Die Tatbestandsmerkmale "nähern" und "sichtbar werden" gehen für einen verständigen Hundeführer erkennbar davon aus, dass der vom Verordnungsgeber vorgeschriebene Leinenzwang immer dann gelten soll, wenn dritte Personen in einen Bereich gelangen, in dem sich die in dem Verhaltensrepertoire von Hunden äußernde abstrakte Gefahr jederzeit typischerweise verwirklichen kann. Zwar ist die Formulierung des Tatbestandes insoweit durchaus auslegungsfähig und -bedürftig. Unter Berücksichtigung der Rechtsgüter Dritter einerseits und des mit dem Anleinen verbundenen nur geringen Eingriffs in die Freiheitsrechte der Hundeführer andererseits wird sie dem rechtsstaatlichen Gebot hinreichender Bestimmtheit aber gerecht. Das gilt für das Sich-Nähern, also das auf den Hund und seinen Führer Zukommen, wie für das Sichtbar-Werden, also das Wahrnehmen einer (z.B. vorausgehenden) Person durch den Hundeführer, gleichermaßen.

c) Die zur Überprüfung des Senats gestellten Regelungen des § 3 Sätze 1 und 2 sind auch sonst mit höherrangigem Recht, insbesondere dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar.

Eine Differenzierung nach Art und Größe der Hunde ist rechtlich nicht geboten. Der Verordnungsgeber darf ausgehend von der grundsätzlich bestehenden abstrakten Gefahr durch freilaufende Hunde Sachverhalte typisieren. Es ist deshalb nicht zu beanstanden, wenn er in einer abstrakt-generellen Regelung atypische Besonderheiten des einzelnen Falles vernachlässigt (vgl. hierzu auch VGH BW, NVwZ-RR 1990, 16 [17]).

Soweit § 3 Abs. 2 Satz 3 der Gefahrenabwehrverordnung eine Ausnahme vom Leinenzwang des § 3 Abs. 1 der Gefahrenabwehrverordnung für Diensthunde des Bundes, des Landes und der kommunalen Gebietskörperschaften vorsieht, wenn sich die Hundeführer z.B. als Zoll- oder Polizeihundeführer legitimieren können, liegt darin ebenfalls keine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung im Vergleich zu privaten Hunden. Dabei kann dahinstehen, ob die von dem Antragsteller angeregte Formulierung des Ausnahmetatbestandes, die auf eine "bestimmungsgemäße Verwendung" der Diensthunde abstellt, zu bevorzugen wäre. Ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 GG liegt schon deshalb nicht vor, weil es vernünftige und einleuchtende sachliche Gründe für die von der Antragsgegnerin vorgenommene Differenzierung gibt. Für Diensthunde gelten nämlich bereits besondere Dienstvorschriften, die den Einsatz der Hunde beim und außerhalb des bestimmungsgemäßen Gebrauchs regeln (vgl. hierzu auch die Regierungsbegründung zum Landesgesetz über gefährliche Hunde, LT-Drs. 14/3512, S. 15). Zudem stehen die Diensthundeführer in einem besonderen Pflichtenverhältnis zu ihren Dienstherrn und haben von Berufs wegen eine besondere Ausbildung mit Hunden erhalten. Deshalb kann der Normgeber (typisierend) davon ausgehen, dass dieser Personenkreis, an den § 3 Abs. 2 Satz 3 der Gefahrenverordnung ausdrücklich anknüpft, eine besondere Gewähr für den Umgang mit Hunden bietet und die von ihnen ausgehende abstrakte Gefahr in besondere Weise berücksichtigt.

2. § 3 Abs. 1 Satz 3 der Gefahrenabwehrverordnung, der das Anleinen auch dann vorschreibt, wenn sich der Hund außerhalb bebauter Ortslagen "nicht einsehbaren Flächen nähert", ist unwirksam. Die Regelung genügt dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht; sie verstößt gegen das Gebot der Angemessenheit in § 2 Abs. 2 POG. Die Reichweite der Regelung führt - erst recht in Kombination mit den Vorschriften der Sätze 1 und 2 des § 3 der Gefahrenabwehrverordnung - im Ergebnis dazu, dass Hunde auf dem Gebiet der Antragsgegnerin regelmäßig nur angeleint geführt werden dürfen. Das gilt besonders für solche Bereiche, wie die von dem Antragsteller beschriebenen kurvenreichen Waldwege. Die Anleinpflicht bei jeglichen nicht einsehbaren Flächen, wie sie schon langgestreckte Kurven und leichte Bergkuppen oder einmündende andere Waldwege darstellen können, erweist sich als unzumutbar. Der Hund müsste ständig herbeigerufen und angeleint werden, auch wenn auf dem betreffenden Weg erfahrungsgemäß so gut wie keine Spaziergänger oder andere Personen anzutreffen sind. Ein freies Auslaufen der Hunde wäre somit auch außerhalb der bebauten Ortslage nahezu unmöglich. Dem Ziel der Antragsgegnerin, die von nicht angeleinten Hunden ausgehende abstrakte Gefahr wirkungsvoll abzuwehren, kann in diesen Fällen etwa durch eine Anordnung des Leinenzwangs für bestimmte, nach den Erfahrungen vor Ort regelmäßig von Personen benutzte Teile des Verbandsgemeindegebietes außerhalb der bebauten Ortlage hinreichend Rechnung getragen werden. Hierzu können markierte Wanderwege, ausgewiesene Lauf- und Walkingstrecken oder Ortsverbindungsstraßen gehören. Insoweit kann etwa die Darstellung der betroffenen Wegstrecken in einer Karte in Betracht gezogen werden. Hiermit wäre zugleich der Vorteil verbunden, dass Passanten abseits gekennzeichneter Bereiche außerhalb der bebauten Ortslage mit unangeleinten Hunden rechnen müssen und ihr Verhalten entsprechend einrichten können.

3. Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO; diejenige zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision wird nicht zugelassen, da Gründe der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Art nicht vorliegen.

Ende der Entscheidung

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