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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz
Beschluss verkündet am 27.04.2006
Aktenzeichen: 8 A 10095/06.OVG
Rechtsgebiete: VO (EG) Nr. 2419/2001, VO (EG, EURATOM) Nr. 2988/95, VO (EG) Nr. 817/2004


Vorschriften:

VO (EG) Nr. 2419/2001 Art. 32 Abs. 1 S. 2
VO (EG) Nr. 2419/2001 Art. 32 Abs. 1
VO (EG) Nr. 2419/2001 Art. 32
VO (EG, EURATOM) Nr. 2988/95 Art. 2 Abs. 1 S. 2
VO (EG, EURATOM) Nr. 2988/95 Art. 2 Abs. 1
VO (EG, EURATOM) Nr. 2988/95 Art. 2
VO (EG, EURATOM) Nr. 2988/95 Art. 4 Abs. 1
VO (EG, EURATOM) Nr. 2988/95 Art. 4
VO (EG) Nr. 817/2004 Art. 70 S. 1
VO (EG) Nr. 817/2004 Art. 70
1. Im Recht der landwirtschaftlichen Subvention gebietet grundsätzlich jeder Verstoß gegen die Förderbestimmungen den Entzug der Beihilfe; dies gilt auch und gerade für Verstöße gegen Genehmigungsvorbehalte.

2. In Ausnahmefällen kann sich die Sanktionierung des Regelverstoßes jedoch als unverhältnismäßig erweisen.


OBERVERWALTUNGSGERICHT RHEINLAND-PFALZ BESCHLUSS

8 A 10095/06.OVG

In dem Verwaltungsrechtsstreit

wegen landwirtschaftlicher Subvention

hier: Zulassung der Berufung

hat der 8. Senat des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz in Koblenz aufgrund der Beratung vom 27. April 2006, an der teilgenommen haben

Vorsitzender Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Held Richter am Oberverwaltungsgericht Schauß Richter am Verwaltungsgericht Bender

beschlossen:

Tenor:

Der Antrag des Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen das aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 15. Dezember 2005 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Trier wird abgelehnt.

Der Beklagte hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.

Der Wert des Streitgegenstandes für das Zulassungsverfahren wird auf 9.737,98 € festgesetzt.

Gründe:

Der Antrag hat keinen Erfolg. Er ist jedenfalls unbegründet, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe nach § 124 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob dem Beklagten wegen der versäumten Frist zur Begründung des Zulassungsantrages (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 60 VwGO zu gewähren ist.

Die Klägerin betreibt landwirtschaftlichen Ackerbau und nimmt aufgrund eines Bescheides des Beklagten an dem Förderprogramm Umweltschonende Landbewirtschaftung - FUL 2000 - nach der Verwaltungsvorschrift des Ministeriums für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau sowie des Ministeriums für Umwelt und Forsten vom 30. November 2001 (MinBl. S. 508) - im Folgenden FUL-VV genannt - teil, nachdem sie sich verpflichtet hat, bestimmte Ackerflächen als ökologische Ausgleichsflächen nach den Grundsätzen des Landes Rheinland-Pfalz für den ökologischen Ackerbau zu bewirtschaften. Nachdem sie ohne Genehmigung solche ökologische Ausgleichsflächen gemulcht hatte, wurde ihr die jährliche Zuwendung für das zweite Verpflichtungsjahr verweigert. Das Verwaltungsgericht hat den Beklagten verpflichtet, die Zuwendung zu gewähren, weil aus Gründen der Verhältnismäßigkeit die Nichteinholung der Genehmigung für die nach Prüfung des fachkundigen Dienstleistungszentrums Ländlicher Raum - DLR - genehmigungsfähige Mulchmaßnahme als rein formaler Verstoß eine Verweigerung der dem Grunde nach schon bewilligten Förderung nicht rechtfertigen könne.

1. Auch unter Berücksichtigung der von dem Beklagten hiergegen erhobenen Einwände ist bereits im Zulassungsverfahren hinreichend sicher erkennbar, dass das angefochtene Urteil in einem Berufungsverfahren nicht abgeändert werden könnte. Daher ist weder seine Richtigkeit ernstlich zweifelhaft (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), noch liegen die rechtlichen Voraussetzungen des von der Darlegung ernstlicher Richtigkeitszweifel regelmäßig mit umfassten (s. Senatsbeschluss vom 16. September 2003 - 8 A 11169/03.OVG -) Zulassungsgrundes besonderer rechtlicher oder tatsächlicher Schwierigkeiten (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) vor.

Die Klägerin hat nach dem Grundbescheid des Beklagten vom 7. August 2002 in Verbindung mit den Vorschriften der FUL-VV einen Anspruch auf Gewährung einer Zuwendung für das zweite Verpflichtungsjahr vom 15. August 2003 bis 14. August 2004. Der Förderanspruch ist auch nach Auffassung des Senats nicht durch Art. 32 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung (EG) Nr. 2419/2001 vom 11. Dezember 2001 (ABl. L 327/11) ausgeschlossen. Diese Vorschrift findet über Nr. 7.6.4 der FUL-VV in Verbindung mit Art. 70 der Verordnung (EG) Nr. 817/2004 vom 29. April 2004 (ABl. L 231/24) Anwendung, wenn bei der Bewirtschaftung der nach der FUL-VV geförderten Flächen gegen die Grundsätze des Landes Rheinland-Pfalz für den umweltschonenden Ackerbau, die nach Auflage Nr. 3 des Grundbescheids auch für die Klägerin gelten, verstoßen wird. Nr. 7.6.4 verweist insoweit dynamisch auf Art. 48 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1750/1999, der zunächst von Art. 62 der Verordnung (EG) Nr. 445/2002 ersetzt wurde. Nach Aufhebung dieser Verordnung gilt nunmehr der Art. 70 der VO (EG) Nr. 817/2004.

Nachdem die Klägerin ohne die nach Nr. 3.7.2 der Grundsätze des Landes Rheinland-Pfalz für den umweltschonenden Ackerbau erforderliche Genehmigung des Beklagten über 60 % der als ökologische Ausgleichsflächen in das Förderprogramm eingebrachten Flächen gemulcht hat, liegen die Voraussetzungen für den vollständigen Entzug der Beihilfe nach Art. 32 Abs. 1 Satz 2 VO (EG) Nr. 2149/2001 in Verbindung mit Nr. 7.6.2 der FUL-VV zwar grundsätzlich vor; auch ist dem Beklagten insoweit ein Ermessensspielraum bei seiner Entscheidung nicht eingeräumt.

Der Senat teilt jedoch die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass im vorliegenden Fall eine solche Sanktion des klägerischen Fehlverhaltens ausnahmsweise deshalb nicht gerechtfertigt ist, weil sie sich als unverhältnismäßig erweist. Verhältnismäßigkeitserwägungen sind auch bei gebundenen Entscheidungen über den Entzug von letztlich auch aus Mitteln der europäischen Gemeinschaft finanzierten Beihilfen anzustellen, also auch bei Förderleistungen nach dem FUL-Programm, das seine Grundlage auch in der Verordnung (EG) Nr. 1257/1999 vom 17. Mai 1999 findet (vgl. 1.3. der FUL-VV). Das ergibt sich aus den gemeinschaftsrechtlichen Rahmenvorgaben für die Behandlung von Unregelmäßigkeiten bei der Gewährung und Verwendung von Beihilfen, wie sie aus der Verordnung (EG, EURATOM) Nr. 2988/95 über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften vom 18.Dezember 1995 (ABl. Nr. L 312/1) folgen (vgl. hierzu: BVerwG, Urteil vom 19. Dezember 2004 - 3 C 37.03 -, Rdn. 43, juris). Die Kürzung oder vollständige Entziehung einer solchen Förderung wie der Zuwendung für das zweite Verpflichtungsjahr nach dem FUL-Programm ist eine verwaltungsrechtliche Sanktion i.S.v. Art. 2 Abs. 1 dieser Verordnung (EuGH, Urteil vom 1. Juli 2004 - C-295/02 - Begründungssatz 50; NVwZ 2004,1343). Nach dieser Vorschrift ist eine solche Sanktion aber nur vorzusehen, soweit sie erforderlich ist, um die ordnungsgemäße Anwendung des Gemeinschaftsrechts sicherzustellen. Nach Art. 2 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung (EG, EURATOM) Nr. 2988/95 muss die Sanktion zwar wirksam und abschreckend sein, um einen angemessenen Schutz der finanziellen Interessen der Gemeinschaften zu gewährleisten. Hieraus folgt, dass zwar im Grundsatz jede Unregelmäßigkeit den Entzug des bereits erlangten Vorteils zur Folge hat (vgl. Art. 4 Abs. 1 der Verordnung). Dies gilt auch und gerade für Verstöße gegen formelle Vorschriften, insbesondere gegen Genehmigungsvorbehalte. Indes kann es Fallgestaltungen geben, bei denen der Regelverstoß von so geringem Gewicht ist, dass sich der Entzug der Beihilfe als unverhältnismäßig schwere Rechtsfolge erweist und deshalb ausnahmsweise nicht gerechtfertigt ist. So liegt der Fall hier.

Klarstellend weist der Senat darauf hin, dass die Sanktionswürdigkeit des Verstoßes gegen einen Genehmigungsvorbehalt grundsätzlich nicht allein durch die Berufung auf die materielle Genehmigungsfähigkeit der förderungsfähigen Maßnahme in Frage gestellt werden kann. Denn das Subventionsrecht ist auf klare und handhabbare Regeln angewiesen, deren Nichtbeachtung auch Konsequenzen nach sich ziehen muss. Das gilt insbesondere für die Einhaltung formeller Genehmigungsvorbehalte, die ihren Zweck darin haben, bereits vor der Durchführung einer förderungsrelevanten Maßnahme die inhaltliche Vereinbarkeit mit dem Förderzweck und damit die förderungsgerechte Mittelverwendung sicherzustellen. Hierdurch soll die Entscheidungsfreiheit der Bewilligungsbehörde gewahrt werden. Würde demgegenüber eine Prüfung von Genehmigungsvoraussetzungen erst in ein späteres Widerrufs- oder Sanktionsverfahren verlagert, so wäre der vom Genehmigungsvorbehalt verfolgte Zweck bereits ernsthaft gefährdet, was beachtliche Zweifel aufwirft, ob dies dem Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften gerecht wird.

Der vorliegende Fall unterscheidet sich jedoch wegen der konkreten Ausgestaltung des Verfahrens zur Erteilung der Ausnahmegenehmigung nach Nr. 3.7.2 - Spiegelstrich 8 - der Grundsätze für den umweltschonenden Ackerbau durch den Beklagten maßgeblich von anderen Fällen der Nichtbeachtung von Genehmigungsvorbehalten. Denn der Beklagte hat hier als Bewilligungsbehörde die fachliche Kompetenz zur Beurteilung der Genehmigungsvoraussetzungen vollständig an eine andere fachkundige Behörde, nämlich das DLR Eifel, delegiert. Da der Beklagte das DLR Eifel ausdrücklich als zuständig für die fachliche Bewertung bezeichnet (vgl. Schriftsatz vom 3.August 2005, Bl. 58 der GA), werden dessen Empfehlungen von der Bewilligungsbehörde nicht mehr inhaltlich überprüft, sondern lediglich in eine nach außen rechtsverbindliche Entscheidung über den Genehmigungsantrag umgesetzt. Die Genehmigung selbst stellt sich dann nur noch als ein rechtswirksamer Vollzugsakt der vom DLR Eifel vorgenommenen Prüfung dar. Mithin war die inhaltliche Prüfung der Genehmigungsvoraussetzungen von der hierzu nach der Verfahrensgestaltung des Beklagten fachlich berufenen Stelle, d.h. nicht nur von irgendeinem fachkundigen Dritten, bereits vor der umstrittenen Maßnahme mit dem Ergebnis abgeschlossen, dass es dem Sinn und Zweck der Grundsätze des ökologischen Ackerbaus entspreche, die genannten Flächen außerhalb des regelmäßig vorgesehenen Zeitraums zu mulchen. Dass sich die Klägerin auf die Einholung des Votums des DLR Eifel beschränkte und es unterließ, die Bewilligungsbehörde einzuschalten, erweist sich unter diesen besonderen Voraussetzungen der Verfahrensgestaltung als ein Regelverstoß von deutlich geringerem Gewicht. Insofern sind auch die Erfahrungen der Klägerin aus dem Jahr 2003 mit zu berücksichtigen.

Bereits 2003 hatte sie sich an den Beklagten wegen des hohen Distelbefalls auf den geförderten Flächen gewandt und war an das DLR Eifel als zur Prüfung berufenen Stelle verwiesen worden. Aufgrund dieser Erfahrung und nicht, um den Genehmigungsvorbehalt zu umgehen, ließ die Klägerin dann im Jahr 2004 die inhaltlichen Voraussetzungen für die angestrebte Maßnahme bei der ihr vom Beklagten benannten Stelle fachlich klären. Der formale Rechtsfehler, dann nicht mehr die rechtverbindliche Genehmigung beim Beklagten einzuholen, erscheint auch angesichts dessen so gering, dass weder das hier verfolgte Ziel eines geförderten, ökologischen Ackerbaus noch die zur Erzielung einer abschreckenden Wirkung gebotenen Strenge bei der Handhabung von Sanktionsvorschriften im Subventionsrecht (vgl. Art. 2 Abs. 1 VO [EG, EURATOM] Nr. 2988/95) den Entzug der bereits dem Grunde nach bewilligten Förderung rechtfertigen können. Der Klägerin ist daher auch die jährliche Zuwendung für den betreffenden Förderzeitraum zu bewilligen.

2. Der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO liegt ebenfalls nicht vor. Die vom Beklagten als klärungsbedürftig bezeichnete Frage, ob schon eine materielle Genehmigungsfähigkeit die Sanktionierung eines formellen Rechtsverstoßes im Subventionsrecht verdrängen kann, stellt sich hier nicht. Wie oben dargelegt, folgt die für die Entscheidung maßgebliche Unverhältnismäßigkeit des streitgegenständlichen Entzugs der Förderung gerade nicht aus der bloßen materiellen Genehmigungsfähigkeit der förderungsrelevanten Maßnahme, sondern allein aus den in der Gestaltung des Genehmigungsverfahrens begründeten Besonderheiten dieses Einzelfalls.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Der Streitwertfest wird für das Zulassungsverfahren nach §§ 47 Abs. 1 und 3, 53 Abs. 3 GKG in Höhe des von den Parteien angegebenen Förderbetrags festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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