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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 02.09.2009
Aktenzeichen: 8 A 10291/09.OVG
Rechtsgebiete: VwGO, BauGB, BauNVO, LBauO


Vorschriften:

VwGO § 115
BauGB § 31
BauGB § 31 Abs. 1
BauGB § 31 Abs. 2
BauNVO § 8
BauNVO § 8 Abs. 2
BauNVO § 8 Abs. 3
BauNVO § 15
BauNVO § 15 Abs. 1
LBauO § 72
Zur bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit einer Moschee in einem Gewerbegebiet, für das der Bebauungsplan ein Zu- und Ausfahrtverbot zur angrenzenden Wohnstraße festgesetzt hat.
OBERVERWALTUNGSGERICHT RHEINLAND-PFALZ IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

8 A 10291/09.OVG

In dem Verwaltungsrechtsstreit

wegen Baunachbarrechts

hat der 8. Senat des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz in Koblenz aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 2. September 2009, an der teilgenommen haben

Vorsitzender Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Held Richter am Oberverwaltungsgericht Schauß Richterin am Oberverwaltungsgericht Lang ehrenamtliche Richterin Hausfrau Meertens ehrenamtlicher Richter Angestellter Gewehr

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beigeladenen gegen das aufgrund mündlicher Verhandlung vom 15. Juli 2008 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Koblenz wird zurückgewiesen.

Die Beigeladene hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Gegenstand des Verfahrens ist die Rechtmäßigkeit eine Widerspruchsbescheids, mit dem die Beklagte einen dem Kläger erteilten Bauvorbescheid zur Errichtung einer Moschee auf den Widerspruch der Beigeladenen hin aufgehoben hat.

Im Frühjahr 2007 stellte der Kläger eine Bauvoranfrage für den Neubau eines islamischen Gebetshauses auf dem in der Gemarkung H... gelegenen Grundstück Flur 33, Parzelle Nr. 61/2.

Das Flurstück grenzt in nördlicher Richtung an die M...-Straße, im Südwesten an die im privaten Eigentum stehende B...straße und liegt im Geltungsbereich des nach Behebung eines Ausfertigungsmangels 1993 rückwirkend zum 15. Mai 1981 in Kraft getretenen Bebauungsplans Nr. 631 "Gewerbe- und Industriegebiet N..." der Beklagten. Dieser setzt für den an die M...-Straße grenzenden nördlichen Bereich im Anschluss an eine private Grünfläche und eine Schallschutzwand ein Gewerbegebiet mit geschlossener Bauweise fest, das östlich der zur Bebauung vorgesehenen Parzelle aus Bestandsschutzgründen auf einer Länge von ca. 65 m durch ein Mischgebiet unterbrochen wird. In den rückwärtigen, südlich gelegenen Flächen des Bebauungsplans schließt sich ein Industriegebiet an. Zur M...-Straße und zu einem Teil des S... Wegs weist der Bebauungsplan im Bereich des Gewerbegebiets ein Zu- und Ausfahrtverbot aus, von dem lediglich der Bereich des Mischgebiets ausgenommen ist. Innerhalb des festgesetzten Gewerbegebiets befinden sich eine Kirche der Mennoniten, ein Gebetshaus der Zeugen Jehovas sowie ein Seniorenzentrum, die ebenso wie mehrere gewerbliche Bauten tatsächlich über die M...-Straße und den S... Weg erschlossen sind. Der auf der gegenüberliegenden Seite der M...-Straße liegende Bereich ist unbeplant und durch eine Wohnbebauung gekennzeichnet. Auf dieser Straßenseite, ca. 110 m von dem geplanten Moscheegebäude entfernt, ist das Wohnhaus der Beigeladenen gelegen.

Ausweislich der dem Antrag beigefügten "Betriebsbeschreibung" des Klägers soll die Moschee als Platz für die täglichen Gebete der ca. 120 in der Region ansässigen Gemeindemitglieder sowie für gelegentliche sonstige Veranstaltungen dienen und zwei Gebetsräume mit einer Größe von ca. 63 m² Nutzfläche je Raum, zwei Büros für die Verwaltung, einen Multifunktionsraum sowie Technik- und Nassräume enthalten. Außerdem ist beabsichtigt, ein ca. 6,95 m hohes Minarett zu errichten, von dem allerdings kein Gebetsruf erfolgen soll. Die Zufahrt ist zur Matthias-Erzberger-Straße geplant.

Mit Bescheid vom 28. Juni 2007 erteilte die Beklagte dem Kläger hierfür unter Inaussichtstellung einer Ausnahme hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung und einer Befreiung von den Festsetzungen einer geschlossenen Bauweise sowie des Zu- und Ausfahrtverbots den begehrten positiven Bauvorbescheid.

Nach Überlassung einer Kopie des Bauvorbescheids, erhob die Beigeladene Widerspruch und machte im Wesentlichen geltend, dass bei der Inaussichtstellung einer Befreiung ihre nachbarlichen Interessen unberücksichtigt geblieben seien.

Denn die sehr belastete M...-Straße, die in der gesamten Länge als verkehrsberuhigte 30 km/h-Zone ausgewiesen sei, könne kein weiteres Verkehrsaufkommen vertragen. Bereits gegenwärtig sei ein starker Kraftfahrzeugverkehr sowohl wegen des angrenzenden Gewerbegebiets als auch aufgrund der Vielzahl von kirchlichen und sozialen Einrichtungen entlang der Erschließungsstraße festzustellen. Angelegte Parkplätze seien nicht in der Lage, den Parksuchverkehr zu bewältigen mit der Folge, dass Grundstückseinfahrten zugeparkt und starke Lärmimmissionen innerhalb des Wohngebiets - auch wegen der morgendlichen kurzen Gebete vor Sonnenaufgang - auftreten würden. Durch den Bau einer weiteren kirchlichen Anlage werde schließlich die Eigenart des Gebiets soweit verändert, dass eine Einstufung als Gewerbegebiet nicht mehr gerechtfertigt sei, was zugleich dem Gebot der Rücksichtnahme widerspreche.

Mit Widerspruchsbescheid vom 19. Dezember 2007 hob der Stadtrechtsausschuss der Beklagten den erteilten Bauvorbescheid mit der Begründung auf, dass ein Verstoß gegen die nicht funktionslos gewordene Festsetzung eines Zu- und Ausfahrtverbots im Bebauungsplan gegeben sei. Diese Festsetzung solle dem Schutz der Wohnbebauung auf der dem Vorhaben gegenüberliegenden Straßenseite dienen. Der Wille des Satzungsgebers dürfe nicht durch eine Befreiung unterlaufen werden.

Der Kläger hat am 7. Januar 2008 Klage erhoben und unter anderem vorgetragen, das Vorhaben sei seiner Art nach ausnahmsweise im Gewerbegebiet zulässig. Die Festsetzung des Zu- und Ausfahrtverbots habe keinen drittschützenden Charakter, gelte nur für gewerblich genutzte Grundstücke und sei überdies funktionslos geworden. Denn durch die tatsächliche Genehmigungspraxis der Beklagten würden mittlerweile sämtliche Bauvorhaben entlang der südlichen Seite der M...-Straße über diese erschlossen; eine andere Möglichkeit bestehe in tatsächlicher Hinsicht auch nicht.

Das Verwaltungsgericht hat der Klage stattgegeben und den Widerspruchsbescheid aufgehoben. Dem Bauvorhaben stünden keine Nachbarrechte verletzenden Vorschriften entgegen. Auf einen Gebietserhaltungsanspruch könne sich die Beigeladene nicht berufen, weil ihr Grundstück nicht im Bebauungsplangebiet gelegen sei. Das Zu- und Ausfahrtverbot sei nicht drittschützend, soweit es mit kirchlichen Anlagen einhergehende wohngebietsunverträgliche Emissionen von der nördlichen Seite der M...-Straße fernhalten solle. Das Verbot bezwecke lediglich den Schutz der Wohngebäude vor gewerblichen/industriellen Nutzungsfolgen. Eine Befreiung sei auch nicht rücksichtslos. Die Nutzung der Moschee löse - auch unter Berücksichtigung der auf dem Vorhabengrundstück einzurichtenden Stellplätze - keine ins Gewicht fallenden Beeinträchtigungen aus, denn die Moschee werde (auch wegen der Berufstätigkeit der Mitglieder) in der Regel nur zu den Abend- und Freitagsgebeten von mehreren Gläubigen besucht; für die Mehrzahl der Gebete bestehe keine Verpflichtung zum Besuch einer Moschee.

Mit ihrer vom Senat zugelassenen Berufung macht die Beigeladene geltend, die Zulassung eines weiteren kirchlichen Gebäudes neben den bestehenden 3 Anlagen habe das "Umkippen" des Gewerbegebiets zur Folge. Eine Ausnahmeregelung dürfe nicht zu einer Regelzulassung führen. Der Drittschutz des Zu- und Ausfahrtverbots erstrecke sich auf alle zulässigen Nutzungen in dem festgesetzten Gewerbegebiet. Aufgrund der fünfmal am Tag stattfindenden Gebete auch an Sonn- und Feiertagen, die zum Teil in den frühen Morgenstunden stattfänden und mit Zu- und Abfahrten verbunden seien, müsse mit erheblichen zusätzlichen Lärmimmissionen gerechnet werden. Der zu erwartende Nutzungsumfang gehe über das von der Klägerin Geschilderte hinaus. Auch sei der Stellplatzbedarf zu gering veranschlagt worden.

Die Beigeladene beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts abzuändern und die Klage abzuweisen. Die Beklagte stellt keinen Antrag. Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält daran fest, dass die Festsetzung des Zu- und Ausfahrtverbots zur M...-Straße nur für den gewerblichen Verkehr getroffen worden und auch die anderen kirchlichen Einrichtungen über diese Straße erschlossen seien. Jedenfalls sei der Bebauungsplan funktionslos geworden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, die Bebauungsplanurkunde sowie die Verwaltungs- und Widerspruchsakten verwiesen, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidungsfindung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Das Verwaltungsgericht hat im Ergebnis zu Recht auf die Anfechtungsklage des Klägers hin den Widerspruchsbescheid des Stadtrechtsausschusses bei der Beklagten aufgehoben. Der dem Kläger auf der Grundlage von § 72 Satz 1 der Landesbauordnung Rheinland-Pfalz (LBauO) erteilte, auf die Vereinbarkeit mit Bauplanungsrecht beschränkte Bauvorbescheid vom 28. Juni 2007 zur Errichtung einer Moschee ist rechtmäßig. Er verletzt keine die Beigeladene schützenden Vorschriften des Bauplanungsrechts (§§ 115, 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Seine Aufhebung durch den Widerspruchsbescheid ist daher rechtswidrig.

1. Eine Rechtsverletzung der Beigeladenen ergibt sich zunächst nicht daraus, dass der Bauvorscheid die Erteilung einer Ausnahme nach § 31 Abs. 1 des Baugesetzbuchs (BauGB) von der Festsetzung des Bebauungsplans Nr. 631 zur Art der baulichen Nutzung (Gewerbegebiet) in Aussicht stellt und eine Moschee als kirchliche bzw. kulturelle Anlage ausnahmsweise zulässt. Mit ihrem Wohnhaus außerhalb des Bebauungsplangebiets gelegen, hat die Beigeladene keinen Anspruch darauf, vor eventuellen gebietsfremden Nutzungen im angrenzenden Plangebiet - hier einer übermäßigen Genehmigung von im Gewerbegebiet nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 i.V.m. § 1 Abs. 3 Satz 2 der Baunutzungsverordnung (BauNVO) nur ausnahmsweise zulässigen kirchlichen/kulturellen Anlagen - verschont zu bleiben (vgl. BVerwG, Beschluss vom 18.12.2007, BayVBl. 2008, 765, 765). Insoweit kann auf die Ausführungen des Urteils des Verwaltungsgerichts (S. 8 f.) verwiesen werden. Anhaltspunkte dafür, dass mit der Festsetzung des Gewerbegebiets planübergreifende Nachbarschutzrechte begründet werden sollten, lassen sich den Unterlagen zum Planungsverfahren nicht entnehmen.

2. Die mit dem Bauvorbescheid außerdem in Aussicht gestellte Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB von den Festsetzungen des Bebauungsplans zu dem Zu- und Ausfahrtverbot entlang der M...-Straße und des S... Wegs verletzt ebenfalls keine Rechte der Beigeladenen.

Von einer Rechtsverletzung bei einer Befreiung im Sinne des § 31 Abs. 2 BauGB ist zwar regelmäßig dann auszugehen, wenn von einer nachbarschützenden Festsetzung des Bebauungsplans abgewichen werden soll (vgl. entscheidender Senat, Urteil vom 3.11.1999, BauR 2000, 551 und juris, Rn. 25; BVerwG, Urteil vom 10.12.1982, NJW 1983, 1574 und juris, Rn. 15). Das Vorliegen einer mit diesem Schutzniveau versehenen Festsetzung bedarf indes vorliegend keiner abschließenden Entscheidung. Insbesondere kann dahinstehen, ob das Zu- und Ausfahrtverbot (auch) zum Schutz der nördlich des Plangebiets gelegenen Wohnbebauung Eingang in den Bebauungsplan Nr. 631 gefunden hat oder ob es dem Satzungsgeber in erster Linie um eine Neuordnung des Plangebiets nach dem Inkrafttreten des § 50 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (BImSchG) im Jahr 1974 gegangen ist, der eine Wohnbebauung im nördlichen Teil des Plangebiets unmittelbar neben einer Industrienutzung nicht mehr realisierbar hat erscheinen lassen (vgl. S. 2 der Niederschrift über die Bürgerversammlung zum Thema Bebauungsplan Nr. 631 am 2. November 1978; Begründung des Bebauungsplans unter B). Entsprechendes gilt ferner hinsichtlich der (nach den Unterlagen des Bebauungsplanverfahrens anzweifelbaren) Würdigung des Verwaltungsgerichts, die einen nachbarschützenden Charakter des Zu- und Ausfahrtverbots ausschließlich für eine der Wohnbebauung drohende gewerbliche/industrielle Nutzung im Plangebiet, nicht jedoch für nur ausnahmsweise in Gewerbe- und Industriegebieten zulässige Nutzungen annimmt; gegen eine geteilte Auslegung des Willens des Satzungsgebers spricht immerhin nicht nur die Regelungssystematik der §§ 2 bis 9 BauNVO hinsichtlich allgemein und ausnahmsweise zulässigen Nutzungen in Baugebieten, sondern auch die Festsetzung des in Rede stehenden Bebauungsplans selbst, der unter 2.2 ausdrücklich die Geltung von § 8 Abs. 3 BauNVO über die ausnahmsweise in einem Gewerbegebiet erlaubten Nutzungen normiert.

Auf die nachbarschützende Wirkung der Festsetzung des Bebauungsplans zum Zu- und Ausfahrtverbot kommt es jedoch nicht an, weil diese wegen Funktionslosigkeit außer Kraft getreten ist. Die insoweit im Bauvorbescheid in Aussicht gestellte Befreiung geht mithin ins Leere.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Urteil vom 29.4.1977, BVerwGE 54, 5 und juris, Rn. 35 f.; Urteil vom 3.8.1990, BVerwGE 85, 273 und juris, Rn. 16 f.; Urteil vom 28.4.2004, BauR 2004, 1567 und juris, Rn. 15) kann eine bauplanerische Festsetzung funktionslos sein, wenn und soweit die tatsächlichen Verhältnisse, auf die sie sich bezieht, ihre Verwirklichung auf unabsehbare Zeit ausschließen und diese Tatsache so offensichtlich ist, dass ein in ihre Fortgeltung gesetztes Vertrauen keinen Schutz verdient. Dabei kommt es nicht auf die Verhältnisse auf einzelnen Grundstücken an. Entscheidend ist, ob die jeweilige Festsetzung geeignet ist, zur städtebaulichen Ordnung im Sinne des § 1 Abs. 3 BauGB im Bereich des Bebauungsplans einen wirksamen Beitrag zu leisten. Die Planungskonzeption, die einer Festsetzung zugrunde liegt, wird nicht schon dann sinnlos, wenn sie nicht mehr überall im Plangebiet umgesetzt werden kann. Erst wenn die tatsächlichen Verhältnisse vom Planinhalt so massiv und offenkundig abweichen, dass der Bebauungsplan insoweit eine städtebauliche Gestaltungsfunktion unmöglich zu erfüllen vermag, kann eine Funktionslosigkeit angenommen werden. Das setzt voraus, dass die Festsetzung, unabhängig davon, ob sie punktuell noch durchgesetzt werden kann, bei einer Gesamtbetrachtung die Fähigkeit verloren hat, die städtebauliche Entwicklung noch in einer bestimmten Richtung zu steuern.

Die Voraussetzungen für die Annahme einer Funktionslosigkeit sind vorliegend hinsichtlich der Festsetzung des Zu- und Ausfahrtverbots zur M...-Straße und zum S... Weg erfüllt. Sämtliche Anlagen und Betriebe im (mit Ausnahme des Baugrundstücks vollständig bebauten) Gewerbegebiet, die von der Festsetzung betroffen sind, haben auf der Grundlage von erteilten Baugenehmigungen Zu- und Ausfahrten zu den beiden Straßen. Die mit dem Verbot verbundene Funktion, die Straßen von mit dem Gewerbegebiet verbundenem Kraftfahrzeugverkehr freizuhalten, kann auf absehbare Zeit in der Örtlichkeit deshalb ersichtlich nicht mehr realisiert werden. Es besteht daher auch kein schutzwürdiges Vertrauen mehr, dass die Festsetzung noch verwirklicht werden wird. Sie könnte allein noch auf dem Grundstück des Klägers umgesetzt werden; das stünde in handgreiflichem Gegensatz zu der übrigen Erschließung im Gewerbegebiet. Darauf, ob sie noch verwirklicht werden könnte, wenn die großflächigen Anlagen zugunsten von kleinparzelligen Nutzungen aufgegeben würde, kommt es nicht an; maßgeblich sind die aktuell gegebenen Verhältnisse in der Örtlichkeit, für die es auch unerheblich ist, auf welcher Rechtsgrundlage die Baugenehmigungen zur Herstellung der Zu- und Ausfahrten erteilt worden sind. Im Übrigen könnten auch kleiner geschnittene Grundstücke angesichts der Vielzahl der bestehenden Zu-und Ausfahrten weiter (mehr oder weniger vollständig) über die M...-Straße erschlossen werden.

Unerheblich ist der weitere von der Beigeladenen geltend gemachte Umstand, dass drei der dreizehn Zu- und Ausfahrten entlang der von der Festsetzung betroffenen M...-Straße und dem S... Weg schon vor Erlass des Bebauungsplans genehmigt und hergestellt worden sein sollen (die beiden weiteren aus der Zeit vor dem Bebauungsplan stammenden Zufahrten, die die Beigeladene benannt hat, liegen außerhalb des Zu- und Abfahrtsverbots). Denn maßgeblich sind die aktuell bestehenden Verhältnisse vor Ort. Jedoch auch wenn man die bestandsgeschützten Zufahrten außer Acht lässt, kann die Verbotsfestsetzung angesichts der übrigen zahlreichen Zufahrten ihre städtebauliche Funktion erkennbar nicht mehr erfüllen. Sämtliche (Gewerbe)Flächen sind an die M...-Straße angebunden. Ohne Belang ist es dabei auch, dass die Anwesen und Betriebe im Gewerbegebiet über mehrere Zufahrten verfügen. Dies dürfte - angesichts der Nutzung und der Größe der Anlagen/Betriebe - erkennbar ihrem Bedarf entsprechen, vermag aber die Feststellung nicht in Zweifel zu ziehen, mit der Festsetzung könne nicht mehr der beabsichtigte städtebauliche Zweck, den mit den Gewerbegrundstücken einhergehenden Kraftfahrzeugverkehr von den beiden Straßen fernzuhalten, erreicht werden. Erweisen sich die vorstehenden Umstände, die die Beigeladene mit nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung vorgelegtem Schriftsatz vom 2. September 2009 unter Beifügung einer Plankarte erstmals vorgetragen hat, als rechtlich nicht erheblich, bedurfte es insoweit auch nicht der Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung (vgl. § 104 Abs. 3 Satz 2 VwGO).

Jedenfalls wegen der großen Anzahl der genehmigten Zu- und Ausfahrten entlang der beiden Straßen und der ersichtlich nicht zusammenhängenden Bebauung auf den (Gewerbe)Flächen hat auch die weitere Festsetzung des Bebauungsplans über die geschlossene Bauweise zu den beiden Straßen hin ihre städtebauliche Gestaltungsfunktion verloren.

3. Das geplante Vorhaben der Errichtung einer Moschee verletzt auch nicht das Rücksichtnahmegebot nach § 15 Abs. 1 BauNVO. Es gehen von der Nutzung der Moschee insbesondere keine Belästigungen oder Störungen aus, die der Beigeladenen unter Berücksichtigung der Umgebungsverhältnisse unzumutbar wären (vgl. § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO).

Das Rücksichtnahmegebot verlangt eine Abwägung der betroffenen Interessen im Einzelfall. Die Schutzwürdigkeit des von dem Bauvorhaben Betroffenen, die Intensität der Beeinträchtigung, die Interessen des Bauherrn und das, was beiden Seiten billigerweise zumutbar oder unzumutbar ist, sind gegeneinander abzuwägen (vgl. BVerwG, Urteil vom 27.2.1992, BauR 1992, 491 und juris, Rn. 15). Das Vorhaben des Klägers führt hiernach nicht zu unzumutbaren Belästigungen für die Beigeladene.

Zwar muss sich die Beigeladene im Rahmen der Abwägung nicht auf den Grundsatz verweisen lassen, dass nach der gesetzlichen Wertung die in einem Baugebiet allgemein zulässigen kirchlichen und kulturellen Anlagen die mit deren Benutzung üblicherweise verbundenen Beeinträchtigungen, zu denen auch der An- und Abfahrtsverkehr der Besucher zählen, regelmäßig hinzunehmen sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 27.2.1992, a.a.O. und juris, Rn. 19). In einem reinen Wohngebiet (ein solches wird zugunsten des Grundstücks der Beigeladenen unterstellt) und in einem Gewerbegebiet (in dem die Moschee verwirklicht werden soll) sind kirchliche und kulturelle Anlagen nicht allgemein, sondern nur ausnahmsweise zulässig (vgl. §§ 3 Abs. 3 Nr. 2, 8 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO). Das Vorhaben ist mit seinen Außenwirkungen daher im Einzelnen in den Blick zu nehmen.

Die von der geplanten Moschee als kirchlicher bzw. kultureller Anlage ausgehenden Auswirkungen sind danach von der Beigeladenen hinzunehmen.

Denn die mit der Nutzung der Moschee für den Kläger verbundenen Interessen wiegen nicht geringer als die Interessen der Beigeladenen, von einer Verschlechterung der bestehenden Umgebungsverhältnisse für ihr Wohngrundstück verschont zu werden. Dies gilt insbesondere mit Blick auf die von der Beigeladenen in den Mittelpunkt ihres Vorbringens gerückten Belästigungen durch den zu erwartenden, dem Vorhaben zuzurechnenden Kraftfahrzeugverkehr, der über die M...-Straße das Moscheegrundstück anfahren wird. In die Abwägung zugunsten des Klägers miteinzustellen ist nämlich auch die Wertentscheidung des Grundgesetzes hinsichtlich der Gewährleistung der freien Religionsausübung (Art. 4 Abs. 1 und 2 GG), die bei der Anwendung einfachen Rechts - hier des § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO - mitzuberücksichtigen ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 27.2.1992, a.a.O. und juris, Rn. 22; Urteil vom 30.4.1992, a.a.O. und juris, Rn. 11; Beschluss vom 2.9.1996, a.a.O. und juris, Rn. 6; BVerfG, Kammerbeschluss vom 24.10.2006, juris, Rn. 26). Das führt - unter Berücksichtigung der Nutzung des Vorhabens und der Umgebungsverhältnisse, die bereits bisher auf das von der Beigeladenen bewohnte Anwesen einwirken - zu einer Versagung des von der Beigeladenen angestrebten Verbots.

Ausgehend von dem dem Bauvorbescheid zugrundeliegenden Nutzungsumfang der Moschee ist zugunsten der Beigeladenen zweifelsohne zu berücksichtigen, dass das vor Sonnenaufgang beginnende Morgengebet und damit auch ein dadurch verursachter Kraftfahrzeugverkehr in den fünf Sommermonaten (Mai bis September) in die stärkeren Schutz genießende Ruhezeit vor 6.00 Uhr fällt (vgl. § 4 Abs. 1 des Landes-Immissionsschutzgesetz - LImSchG -, ähnlich auch in § 2 Abs. 4 der Sportanlagenlärmschutzverordnung - 18. BImSchV -); vgl. den von der Beigeladenen mit Schriftsatz vom 18.4.2009 vorgelegten Gebetsplan für Mainz: das Morgengebet in den angrenzenden Monaten liegt teilweise kurz vor 6.00 Uhr und kann daher hintangestellt werden). Bei realistischer Prognose sind für die Beigeladene jedoch keine unzumutbaren Lärmbeeinträchtigungen zu erwarten.

Das verständliche Ruhebedürfnis der Beigeladenen wird in seinem Gewicht bereits dadurch gemindert, dass die Moschee von einer mit rund 120 Mitgliedern relativ kleinen Gemeinde mit lediglich regionalem Einzug genutzt werden soll und zu erwarten ist, dass sich in der Regel nur wenige Mitglieder zu dem Morgengebet in der Moschee einfinden werden. Insoweit lässt sich eine verlässliche realistische Prognose hinsichtlich Nutzungsmöglichkeit und -umfang der Moschee durchaus anstellen (vgl. zu diesem Maßstab BVerwG, Urteil vom 27.2.1992, a.a.O. und juris, Rn. 20). Die Moschee verfügt über zwei Gebetsräume mit einer Gesamtgrundfläche von ca. 126 m², ist also schon von der Baulichkeit her nur auf einen überschaubaren Personenkreis ausgelegt. Dieser Vortrag des Klägers erscheint auch plausibel, wenn man berücksichtigt, dass die nächste Moschee der Gemeinschaft im nahen Koblenz gelegen ist, die aufgrund ihrer Größe zudem auf einen überregionalen Mitglieder- und Besucherkreis ausgerichtet ist. Die Zahl der am Morgengebet teilnehmenden Gläubigen dürfte davon ausgehend auch eher gering sein. Es steht realistischerweise zu erwarten, dass am ehesten nur die männlichen Gemeindemitglieder ab 15 Jahren am Morgengebet teilnehmen. In der Gemeinde des Klägers handelt es sich hierbei nur um eine Gruppe von etwa 40 Personen (vgl. Darstellung des Klägers, Bl. 494 der Gerichtsakte), aus der jedoch wegen Berufstätigkeit und sonstigen Verpflichtungen - nach den Angaben des Klägers wie bisher schon - nur wenige Gläubige (derzeit bis zu maximal 10 Personen) zum täglichen Morgengebet in der Moschee erscheinen werden. Auch diese Darstellung des Klägers erweist sich als plausibel (vgl. OVG BerlinBrandenburg, Beschluss vom 30.3.2007, BauR 2008, 647 und juris, Rn. 10). Insoweit ist nämlich ebenfalls von Belang, dass das Morgengebet wie auch die meisten anderen Gebete nach den islamischen Glaubensregeln nicht in der Moschee vollzogen werden müssen; allein das Freitagsgebet ist verpflichtend in der Moschee abzuleisten (vgl. Helmuth von Glasenapp, Die fünf Weltreligionen, 1996, S. 398 f.; Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz, Christen und Muslime in Deutschland, September 2003, S. 124). Von den männlichen Mitgliedern wird auch nicht jeder einzelne mit einem Kraftfahrzeug die Moschee anfahren. Im Übrigen hat der Kläger sich auch in der mündlichen Verhandlung (vgl. aber auch die Schriftsätze vom 13. und 20. Juli 2009) bereit erklärt, auf seine Gemeindemitglieder dahin gehend einzuwirken, dass sie zum Morgengebet ohne Kraftfahrzeug erscheinen werden. Insoweit kann der Vereinsvorsitzende den Gemeindemitgliedern gegenüber zwar keine verbindlichen Vorgaben aussprechen, es besteht indes noch in der Baugenehmigung die Möglichkeit, bei der Feststellung eines doch notwendigen Schutzes vor unzumutbaren Lärmimmissionen durch den Kraftfahrzeugverkehr einzelne Auflagen insoweit vorzunehmen.

Zugunsten des Klägers ist bei der Interessenabwägung ferner zu berücksichtigen, dass das Morgengebet ebenso wie das Freitagsgebet, an dem die Mehrzahl der Gemeindemitglieder teilnimmt (vgl. von dem Kläger vorgelegte Jahresübersicht, Bl. 53 der Bauvorbescheidsakte), unverzichtbare Bestandteile der islamischen Religionsausübung sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 27.2.1992, a.a.O. und juris, Rn. 22). Die insoweit verständlichen Interessen des Klägers müssen vorliegend nicht hinter den konkurrierenden Belangen der Beigeladenen zurücktreten. Denn deren Wohngrundstück ist von der Einfahrt zum Moschee-Grundstück ca. 60 m entfernt und daher von dem An- und Abfahrtverkehr nicht unmittelbar betroffen. Es fehlt auch an hinreichenden Anhaltspunkten für das Auftreten eines von der Beigeladenen ebenfalls befürchteten Such- und Parkverkehrs in der M...-Straße gerade in den Ruhestunden. Ob die bislang vorgesehenen 18 Stellplätze auch für den zu erwartenden Verkehr an Sonn- und Feiertagen zwischen 13.00 und 15.00 Uhr ausreichen, kann hier dahingestellt bleiben. Fragen der Stellplatzpflicht sind nämlich ausdrücklich nicht Gegenstand des in Rede stehenden Bauvorbescheids, sondern im Rahmen der späteren Baugenehmigung zu prüfen. Nicht zuletzt ist schließlich zu sehen, dass das Gebiet entlang der M...-Straße angesichts der umliegenden Gewerbenutzung, der auch mehrgeschossigen Wohnnutzung im Bereich des Grundstücks der Beigeladenen und der anderen kirchlichen Nutzungen in der Umgebung schon grundsätzlich mit umfangreicherem Verkehrsaufkommen (vor)belastet ist. Dies lässt ein höheres Schutzniveau zugunsten der Beigeladenen ausscheiden (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 30.3.2007, a.a.O. und juris, Rn. 11). Möglichem verkehrsordnungswidrigem Fehlverhalten von Besuchern ist außerhalb des Baugenehmigungsverfahrens Rechnung zu tragen.

Angesichts der Umgebungsverhältnisse ergibt sich keine andere Betrachtung mit Blick auf die beiden letzten Gebete des Tages, die der Kläger zusammenlegt und die deshalb vor 21.00 Uhr in der Moschee abgeschlossen sein werden (vgl. Schriftsatz vom 28.5.2009), und die sonstigen Feste und Veranstaltungen in der geplanten Moschee (vgl. Bl. 53 der Bauvorbescheidsakte), die mit einer größeren Personenzahl in der Regel nur in der Zeit zwischen 14.00 und 18.00 Uhr stattfinden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, 3 VwGO.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils hinsichtlich der Kosten ergibt sich aus §§ 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.

Beschluss

Der Wert des Streitgegenstands wird auf 40.000,-- € festgesetzt (§ 52 Abs. 1 GKG).

Ende der Entscheidung

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