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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 05.09.2006
Aktenzeichen: 8 A 10343/06.OVG
Rechtsgebiete: LPlG, ROG, BauG, BauGB, LPflG, VwVfG, VwGO


Vorschriften:

LPlG § 10
LPlG § 10 Abs. 6
LPlG § 10 Abs. 6 S. 1
LPlG § 10 Abs. 6 S. 2
LPlG § 8
LPlG § 8 Abs. 3
LPlG § 8 Abs. 3 S. 2
ROG § 11
ROG § 11 S. 1
ROG § 6
ROG § 6 S. 2
BauG § 1
BauGB § 1 Abs. 4
BauGB § 6
BauGB § 6 Abs. 2
LPflG § 16
LPflG § 16 Abs. 3
VwVfG § 35
VwGO § 42
VwGO § 42 Abs. 1
Die Entscheidung der zuständigen Landesplanungsbehörde über den Antrag einer Gemeinde auf Zulassung einer Abweichung von Zielen der Raumordnung zur Durchführung eines Vorhabens auf dem Gemeindegebiet stellt einen mit der Verpflichtungsklage zu erstreitenden Verwaltungsakt dar.

Das Erfordernis geänderter Tatsachen oder Erkenntnisse als Voraussetzung einer Zielabweichung gemäß § 10 Abs. 6 Satz 1 LPlG steht mit der rahmenrechtlichen Regelung des § 11 Satz 1 ROG in Einklang.

Zur Abweichung von einem im regionalen Raumordnungsplan mit Zielcharakter festgesetzten Ausschlussgebiet für die Windenergie bei nachträglicher Befreiung von den Verboten einer Naturparkverordnung.


OBERVERWALTUNGSGERICHT RHEINLAND-PFALZ IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

8 A 10343/06.OVG

In dem Verwaltungsrechtsstreit

wegen raumordnungsrechtlicher Zielabweichung

hat der 8. Senat des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz in Koblenz aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 5. September 2006, an der teilgenommen haben

Vorsitzender Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Held Richter am Oberverwaltungsgericht Stamm Richter am Oberverwaltungsgericht Utsch ehrenamtlicher Richter Leitender Berater EDV Geertsen ehrenamtlicher Richter Angestellter Gewehr

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das aufgrund mündlicher Verhandlung vom 18. Januar 2006 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Trier wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Verpflichtung des Beklagten zur Zulassung einer Abweichung von Zielen des Regionalen Raumordnungsplanes Trier, Teilfortschreibung Kapitel Energieversorgung/Teilbereich Windenergie (RROP Wind) vom 13. Mai 2004 (Staatsanzeiger S. 717).

Sie beabsichtigt, auf einer ca. 75 ha großen, am Rand der Bundesautobahn A 1in der Kernzone des Naturparks Saar-Hunsrück gelegenen und im RROP Wind als Ausschlussfläche für die Windenergie ausgewiesenen Fläche sieben Windenergieanlagen (Nabenhöhe 100 m, Rotordurchmesser 104 m) zu errichten. Nachdem ihr der Beklagte unter dem 18. August 2004 eine Befreiung von den Verboten der Naturparkverordnung erteilt hatte, beantragte die Klägerin unter dem 01. Dezember 2004 die Zulassung einer raumordnerischen Zielabweichung.

Diesen Antrag lehnte der Beklagte mit Schreiben vom 03. August 2005 mit der Begründung ab, die Voraussetzungen für die Zulassung einer Zielabweichung gemäß § 10 Abs. 6 Landesplanungsgesetz (LPlG) lägen nicht vor. Den hiergegen eingelegten Widerspruch der Klägerin wies der Beklagte als unzulässig zurück, weil die Entscheidung über die Zulassung einer Zielabweichung nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz gegenüber Gemeinden nicht als Verwaltungsakt anzusehen sei.

Die auf Aufhebung des Widerspruchsbescheides und Verpflichtung des Beklagten zur Zulassung der Zielabweichung gerichtete Klage hat das Verwaltungsgericht unter Zulassung der Berufung abgewiesen: Die Klage sei als Verpflichtungsklage zulässig, da die Entscheidung über die Zulassung einer Zielabweichung gegenüber der antragstellenden Gemeinde ein Verwaltungsakt sei. Es bestehe hingegen weder ein Anspruch auf Zulassung noch auf Neubescheidung, weil die Voraussetzungen des § 10 Abs. 6 LPlG nicht vorlägen. Die vom Beklagten erteilte naturschutzrechtliche Befreiung sei keine neue Tatsache oder Erkenntnis. Sie stelle lediglich eine rechtliche Neubewertung unveränderter Tatsachen dar. Die begehrte Abweichung sei auch nicht raumordnerisch sinnvoll, weil die strittige Fläche außer wegen ihrer Lage in der Kernzone eines Naturparks wegen einer Vielzahl anderer, gleichwertiger Kriterien in der raumplanerischen Abwägung fehlerfrei als Tabuzone behandelt worden sei. Zudem berühre eine Zielabweichung zugunsten der Klägerin die bisher in drei Instanzen gerichtlich gebilligten Grundzüge der Planung, da sie eine Einbruchstelle in die ausgewogene Gesamtkonzeption von Vorrang- und Ausschlussflächen darstelle.

Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter: Ihr stehe zumindest ein Anspruch auf Neubescheidung ihres Abweichungsantrages zu. Die Befreiung von den Verboten der Naturparkverordnung stelle entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts sehr wohl eine veränderte Tatsache oder Erkenntnis im Sinne des § 10 Abs. 6 LPlG dar. Ungeachtet dessen gehe dieses landesrechtliche Tatbestandsmerkmal über die bundesrahmenrechtliche Vorgabe des § 11 ROG hinaus und sei deshalb einschränkend auszulegen mit der Folge, dass auch nachträgliche Neubewertungen von Tatsachen ausreichten. Auch verneine das angefochtene Urteil mit fehlerhaften Erwägungen die raumordnerische Vertretbarkeit der Zielabweichung. Belange des Vogel- und Grundwasserschutzes würden durch das Vorhaben nicht berührt. Der Schutz des Landschaftsbildes und Belange der landschaftsgebundenen Erholung könnten angesichts der in der Nähe vorbeiführenden A 1 keine Ausschlusswirkung für Windenergieanlagen entfalten und allenfalls im Rahmen der nachzuholenden Ermessensausübung betreffend die Zulassung der Abweichung Bedeutung erlangen. Die vom Verwaltungsgericht ohne diesbezügliche Ermittlungen unterstellte regionale Bedeutung des Gebiets für die Wald- und Forstwirtschaft bestehe in Wahrheit nicht. Die beantragte Zielabweichung berühre als Einzelfall keine Grundzüge der Planung und verursache auch keine unvertretbare Einbruchstelle in die Plankonzeption, zumal die Möglichkeit der Zielabweichung gesetzlich vorgesehen sei und in den Nachbargemarkungen bereits mehr als zwanzig Windenergieanlagen angesiedelt seien.

Die Klägerin beantragt,

den Beklagten unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils und Aufhebung des Bescheides vom 03. August 2005 und des Widerspruchsbescheides vom 30. August 2005 zu verpflichten, über den Antrag auf Zulassung der Zielabweichung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die Klage für unzulässig, da die Ablehnung einer Zielabweichung gegenüber der antragstellenden Gemeinde keinen Verwaltungsakt darstelle. Im übrigen verteidigt er das angefochtene Urteil.

Die Beigeladene ist der Berufung unter Verzicht auf eine eigene Antragstellung entgegen getreten und vertritt eine im wesentlichen mit der des Beklagten und des Verwaltungsgerichts übereinstimmende Rechtsauffassung. Ergänzend bezweifelt er ein Sachbescheidungsinteresse der Klägerin für einen Antrag auf Zulassung einer Zielabweichung. Der geplante Standort der Windenergieanlagen sei auch im Flächennutzungsplan der Verbandsgemeinde Hermeskeil als Ausschlussfläche für Windenergie dargestellt. Dessen Änderung mit dem Ziel einer Flächenausweisung für Windenergieanlagen sei auch nach Erteilung der naturschutzrechtlichen Befreiung an die Klägerin nicht möglich, da sie keinen von § 38 Abs. 1 Nr. 1a LPflG vorausgesetzten "Einzelfall" beinhalte. Da die Klägerin aber an den Flächennutzungsplan gebunden sei, stehe dieser ohnehin der Verwirklichung des Vorhabens entgegen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die von den Beteiligten zur Gerichtsakte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. Die Verwaltungsakten des Beklagten sowie Aufstellungsunterlagen zum RROP Wind lagen vor und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Auf ihren Inhalt wird ebenfalls verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu recht abgewiesen.

Sie ist entgegen der Auffassung des Beklagten als Verpflichtungsklage zulässig. Die begehrte Abweichungszulassung stellt gegenüber der Klägerin nach zutreffender Auffassung der Vorinstanz einen Verwaltungsakt dar (s. HessVGH, NVwZ-RR 2005, 683, 684; s. auch OVG RhPf, Urteil vom 26. Juni 2003 - 1 C 11713/02.OVG -, S. 9 UA, wo der Zulassung einer Zielabweichung als Verwaltungsakt Tatbestandswirkung zugebilligt wird; Schmitz in Bielenberg/Runkel/Spannowsky: Raumordnungs- und Landesplanungsrecht des Bundes und der Länder, § 11 ROG Rn 114). Denn §§ 10 Abs. 6 Satz 2, 8 Abs. 3 Satz 2 LPlG verleihen der Klägerin als nach § 1 Abs. 4 BauGB an die Ziele der Raumordnung gebundener Trägerin der Bauleitplanung ein diesbezügliches Antragsrecht, das es ihr ermöglicht, sich von dieser ihre Planungshoheit einschränkenden Bindung bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen zu befreien. Der Entscheidung über den Abweichungsantrag einer Gemeinde kommt daher ihren Rechtskreis berührende Außenwirkung zu. Gegenteiliges folgt auch nicht aus dem vom Beklagten zitierten Senatsbeschluss vom 08. Januar 1999 (NVwZ 1999, 935). Dieser besagt nur, dass eine Zielabweichungsgenehmigung, die in einem von einem Bauherrn betriebenen Raumordnungsverfahren erteilt wird (s. dazu den Tatbestand des zugehörigen Urteils in der Hauptsache vom 28. März 2001 - 8 A 11441/00.OVG -), gegenüber umliegenden, nicht durch das Ziel geschützten Gemeinden keinen Verwaltungsaktscharakter hat. Dass dies auch für eine Gemeinde als Antragstellerin des Zielabweichungsverfahrens oder als Belegenheitsgemeinde eines abweichenden Vorhabens gilt, ist der Entscheidung nicht zu entnehmen (irreführend daher Schmitz, aaO.).

Der Senat teilt auch nicht die von der Beigeladenen geäußerten Zweifel am Sachbescheidungsinteresse der Klägerin für den Antrag auf Zulassung einer Zielabweichung. Der Flächennutzungsplan der Verbandsgemeinde Hermeskeil, der nach Angaben der Beigeladenen am fraglichen Standort ebenfalls Windenergienutzungen ausschließt, dürfte kein im Blick auf die Verbote der Naturparkverordnung unabänderliches Hindernis für das mit dem Antrag der Klägerin verfolgte Projekt darstellen. Zwar ist ein Bauleitplan mangels Erforderlichkeit gemäß § 1 Abs. 3 BauGB unwirksam, wenn sein Inhalt in unauflöslichem Widerspruch zu einer Naturschutzverordnung steht (s. für Flächennutzungsplan auch § 6 Abs 2 BauGB); plant er jedoch in eine Befreiungslage hinein (s. BVerwG, NuR 1998, 135) oder ist diese - wie hier - durch die Tatbestandswirkung einer erteilten, projektbezogenen (s. S. 3 der Befreiung vom 18. August 2004) Befreiung vorgegeben, ist die Bauleitplanung wirksam (s. BVerwG, NuR 2004, 661 und vorgehend BayVGH, NuR 2003, 753).

Die Bescheidungsklage ist jedoch unbegründet, da schon die Tatbestandsvoraussetzungen für die Zulassung einer Zielabweichung gemäß § 10 Abs. 6 Satz 1 LPlG nicht vorliegen.

Nach der zitierten Vorschrift kann die Landesplanungsbehörde die Abweichung von einem Ziel des regionalen Raumordnungsplanes zulassen, wenn diese aufgrund veränderter Tatsachen oder Erkenntnisse unter raumordnerischen Gesichtspunkten vertretbar ist und der regionale Raumordnungsplan in seinen Grundzügen nicht berührt wird. Daran fehlt es hier. Es liegen hinsichtlich der von der Klägerin für die Errichtung von Windenergieanlagen vorgesehenen Fläche keine veränderten Tatsachen oder Erkenntnisse im Sinne der Vorschrift vor (I). Überdies würde die begehrte Zielabweichung Grundzüge des RROP Wind berühren (II), sodass ihre raumordnerische Vertretbarkeit dahinstehen kann.

I. Das Erfordernis veränderter Tatsachen oder Erkenntnisse als Voraussetzung für die Zulassung einer Zielabweichung steht entgegen der Auffassung der Klägerin zunächst nicht in Widerspruch zu Bundesrecht. Zwar kann nach § 11 Satz 1 ROG von einem Ziel der Raumordnung in einem besonderen Verfahren abgewichen werden, wenn die Abweichung unter raumordnerischen Gesichtspunkten vertretbar ist und die Grundzüge der Planung nicht berührt werden. Dabei handelt es sich jedoch um Rahmenrecht im Sinne von Art. 75 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 GG, das nach § 6 Satz 2 ROG durch weitergehende und ins Einzelne gehende Vorschriften der Länder ergänzt werden darf, solange diese dem Rahmenrecht nicht widersprechen. Eine solche weitergehende Regelung stellt die Anknüpfung der Zielabweichung an veränderte Tatsachen oder Erkenntnisse in § 10 Abs. 6 LPlG dar (s. Schmitz aaO, Rn 49ff.). Ein Widerspruch zum Rahmenrecht besteht nicht. Nach der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 13/6392, S. 85) dienen die Tatbestandsmerkmale des § 11 Satz 1 ROG der Abgrenzung zwischen Zielabweichungs- und Zieländerungsverfahren. Sie sind daher der landesrechtlichen Einschränkung zugänglich, soweit diese die beabsichtigte Grenzziehung nicht tangiert. Dies ist bei § 10 Abs. 6 LPlG der Fall. Mit dem zusätzlichen Erfordernis veränderter Tatsachen oder Erkenntnisse werden keine Fallkonstellationen dem Zielabweichungsverfahren unterworfen, die an sich dem Zieländerungsverfahren zuzuordnen sind. Vielmehr sichert das Erfordernis die Bindung der Landesplanungsbehörde an die Ziele der Raumordnung und eröffnet ihr bei gleich bleibender Sachlage gerade keinen Beurteilungsspielraum, der dem Zieländerungsverfahren vorbehaltene Abweichungen von der Wertung des Plangebers ermöglicht (in diesem Sinne etwa die Begründung des Regierungsentwurfs zur vergleichbaren Regelung in § 4 Abs. 3 Landesplanungsgesetz Schleswig-Holstein, LT-Drs. 12/1631, S. 18).

Die vom Beklagten erteilte Befreiung von den Verboten der Naturparkverordnung beinhaltet keine Änderung von Tatsachen oder Erkenntnissen im Sinne des § 10 Abs. 6 Satz 1 LPlG. Es kann dahinstehen, ob das Fehlen oder die Erteilung einer naturschutzrechtlichen Befreiung überhaupt begrifflich als Tatsache angesehen werden kann. Denn als veränderte Tatsachen oder Erkenntnisse kommen nach dem Zweck der Vorschrift nur solche in Betracht, die planungserheblich sind. Dies folgt schon aus der nach dem Normtext erforderlichen Kausalität zwischen der Tatsachen- oder Erkenntnisänderung und der Vertretbarkeit unter raumordnerischen Gesichtspunkten. Das Fehlen einer naturschutzrechtlichen Befreiung für ein bestimmtes Projekt auf einer bestimmten, im Plangebiet und im Geltungsbereich einer Naturschutzverordnung liegenden Fläche ist indessen keine für den RROP Wind planungserhebliche Tatsache. Denn regionale Raumordnungsplanung ist nicht grundstücks-, sondern raumbezogene Planung. Die durch den seinerzeitigen § 16 Abs. 3 LPflG legitimierte Entscheidung der Beigeladenen, die im landespflegerischen Planungsbeitrag vom 15. Mai 2002 aufgeführten landespflegerischen Taburäume, zu denen auch das Gebiet der Naturparke gehörte, als Ausschlussgebiet für Windenergie auszuweisen, beruht daher nicht auf einer Abwägung der (materiellen) Schutzwürdigkeit jedes darin belegenen Grundstücks, sondern allein auf dem (formellen) Umfang der naturschutzrechtlichen Gebietsabgrenzung, an der sich vorliegend durch die Befreiung nichts geändert hat.

II. Die Zulassung einer Abweichung von der mit Zielcharakter erfolgten Ausweisung einer Ausschlussfläche am strittigen, ca. 75 ha großen Standort würde zudem die Grundzüge des RROP Wind berühren.

Was die "Grundzüge der Planung" sind, ist gesetzlich nicht definiert. Nach dem Sinn und Zweck der Regelung ist darunter die Planungskonzeption zu verstehen, die die im Einzelnen aufgeführten Ziele trägt und damit den für sie wesentlichen Gehalt bestimmt (BVerwG, UPR 2005, 390 zu § 10 Abs. 1 LPlG LSA unter Hinweis auf NVwZ 1990, 873, 874 zu § 125 Abs. 3 BauGB). Die Grundzüge der Planung sind durch eine Abweichung daher nur dann nicht berührt, wenn diese von minderem Gewicht sind, weil sie nur den - gleichsam formalen - Festsetzungsinhalt treffen, nicht hingegen auch das, was an Planungskonzeption diese Festsetzung trägt und damit den für sie wesentlichen Gehalt bestimmt. Ob eine Abweichung von in diesem Sinne minderem Gewicht ist, beurteilt sich nach dem im Regionalplan zum Ausdruck gekommenen planerischen Wollen. Bezogen auf dieses Wollen darf der Abweichung vom Planinhalt keine derartige Bedeutung zukommen, dass die angestrebte und im Plan zum Ausdruck gebrachte landesplanerische Ordnung in beachtlicher Weise beeinträchtigt wird. Die Abweichung muss -soll sie mit den Grundzügen der Planung vereinbar sein - durch das planerische Wollen gedeckt sein; es muss - mit anderen Worten - angenommen werden können, die Abweichung liege noch im Bereich dessen, was der Planer gewollt hat oder gewollt hätte, wenn er die weitere Entwicklung einschließlich des Grundes für die Abweichung gekannt hätte (BVerwG, NVwZ 1990, 873, 874).

Im vorliegenden Fall hätte der Plangeber des RROP Wind nach Aktenlage auf den Flächen der Klägerin auch dann keine Vorrangfläche für Windenergie ausgewiesen, wenn im Zeitpunkt der Entscheidung über den Plan bereits eine Befreiung von den Verboten der Naturparkverordnung vorgelegen hätte. Denn die Lage des begehrten Windenergiestandortes in der Kernzone des Naturparks war nicht das einzige regionalplanerische Tabukriterium für die Windenergie. Vielmehr hat die Regionalvertretung am 16. Juli 2003 ausweislich Anlage 7 (letztes Blatt) zum Schriftsatz der Beigeladenen vom 31. Juli 2006 das von der Klägerin beantragte Vorranggebiet außer wegen seiner Lage im Naturpark auch deshalb abgelehnt, weil es in einem für den Schutz des Landschaftsbildes bedeutsamen Raum (gem. Landschaftsrahmenplanung), in einem Gebiet für die Wald- und Forstwirtschaft von regionaler Bedeutung (Wälder mit besonderer Nutz-, Schutz- und Erholungsfunktion) und in einem Gebiet für das Landschaftsbild und die landschaftsgebundene Erholung von regionaler Bedeutung (gem. Landschaftsrahmenplanung) liegt. Diese Kriterien sind Bestandteil des von der Regionalvertretung bereits zu Beginn des Fortschreibungsverfahrens beschlossenen (s. Beschluss vom 02. Juli 2002), rechtlich nicht zu beanstandenden (s. OVG RhPf., NuR 2004, 465) und auch nicht nachträglich funktionslos gewordenen Taburaumkonzeptes gewesen. Insbesondere schließt der Hinweis der Klägerin auf die in der Nähe des strittigen Standortes vorbeiführende Autobahn nicht den Geltungsanspruch der landschaftsbild- und erholungsbezogenen Tabukriterien im konkreten Fall aus. Die Vorbelastung einer grundsätzlich schutzwürdigen Landschaft durch einen "zweidimensionalen", lärmemittierenden Verkehrsweg bedeutet nicht, dass ihr weiterer raumordnerischer Schutz vor völlig andersartigen Beeinträchtigungen durch vertikale technische Bauten in der für heutige Windenergieanlagen typischen Höhe versagt bleiben müsste. Zudem hat die Struktur- und Genehmigungsdirektion Nord mit Schreiben vom 27. Oktober 2005 (Anlage 3 zum Schriftsatz der Beigeladenen vom 21. Juli 2006) bestätigt, dass sich auch im Rahmen der neuesten Überarbeitung des Landschaftsbildgutachtens keine Änderung der Bewertungen im Raum Beuren ergeben hat und damit die seinerzeitige Einschätzung der Beigeladenen nach wie vor Aktualität besitzt.

Das demnach weder allgemein noch hinsichtlich des konkreten Standortes zu beanstandende Taburaumkonzept hätte allein wegen einer Befreiung von den Verboten der Naturparkverordnung aller Voraussicht nach keine derart gewichtige, zur Zulassung eines weiteren Windparks mit sieben Großanlagen führende Durchbrechung seitens des Plangebers erfahren. Dies gilt auch deshalb, weil der strittige Anlagenstandort mit ca. 75 ha nahezu dreimal so groß ist wie die Durchschnittsgröße der im RROP Wind ausgewiesenen Vorrangflächen (27 ha; s. Senatsurteil vom 06. Juli 2005 - 8 A 11046/04.OVG -, S. 8 UA) und daher auch in quantitativer Hinsicht das Planungskonzept der Beigeladenen in beachtlicher Weise beeinträchtigen würde.

Der Hinweis der Klägerin auf Windenergiestandorte in benachbarten Gemarkungen (s. Bl. 228 GA) belegt demgegenüber nicht, dass das Taburaumkonzept der Beigeladenen wegen systemwidriger Durchbrechungen in Einzelfällen nicht als Grundzug der Planung im Rechtssinne gelten kann. Zwar liegen die in den Gemarkungen Hinzert-Pöhlert und Reinsfeld ausgewiesenen Vorrangflächen ebenfalls im Naturpark Saar-Hunsrück, jedoch nicht in dessen Kernzone. Da sie bereits im vorhergehenden RROP Wind 1997 als Entwicklungsbereiche ausgewiesen sowie in der Folgezeit durch kommunale Planung gesichert und teilweise auch bebaut worden waren, unterfielen sie nicht dem Tabukonzept des landespflegerischen Planungsbeitrages vom 15. Mai 2002. Dieses lässt die raumplanerische Sicherung bereits genehmigter oder kommunal geplanter Anlagen außerhalb der Kernzonen von Naturparken zu und will insoweit nur neue Standortausweisungen ausschließen. Überdies unterlagen die Standorte in Reinsfeld und Hinzert-Pölert nach unbestrittenen Angaben der Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung bei der Aufstellung des RROP Wind - anders als der Standort Beuren - auch keinen sonstigen Tabukriterien.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht vorliegend nicht der Billigkeit, die Klägerin auch mit den außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu belasten. Denn diese hat sich mangels eigener Antragstellung auch nicht am Kostenrisiko des Rechtsmittels beteiligt.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils hinsichtlich der Kosten beruht auf §§ 167 Abs. 2 VwGO, 708ff. ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da Zulassungsgründe im Sinne des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.

Beschluss

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 5.000 € festgesetzt (§§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 1 GKG).

Ende der Entscheidung

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