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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz
Beschluss verkündet am 18.07.2006
Aktenzeichen: 8 A 10526/06.OVG
Rechtsgebiete: VO (EG) Nr. 817/2004, VO (EWG) Nr. 3887/92


Vorschriften:

VO (EG) Nr. 817/2004 Art. 72
VO (EG) Nr. 817/2004 Art. 72 Abs. 1
VO (EG) Nr. 817/2004 Art. 72 Abs. 1 Satz 1
VO (EWG) Nr. 3887/92 Art. 9
VO (EWG) Nr. 3887/92 Art. 9 Abs. 2
Zum Ausschluss von Fördermaßnahmen für die Landwirtschaft bei Vorliegen falscher Angaben im Antragsformular, insbesondere zur Pflicht förderungsrelevante Veränderungen nachträglich mitzuteilen.
OBERVERWALTUNGSGERICHT RHEINLAND-PFALZ BESCHLUSS

8 A 10526/06.OVG

In dem Verwaltungsrechtsstreit

wegen landwirtschaftliche Subvention (FUL 2000)

hier: Zulassung der Berufung

hat der 8. Senat des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz in Koblenz aufgrund der Beratung vom 18. Juli 2006, an der teilgenommen haben Vorsitzender Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Held Richter am Oberverwaltungsgericht Stamm Richter am Oberverwaltungsgericht Schauß

beschlossen:

Tenor:

Der Antrag des Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen das aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 30. März 2006 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Trier wird abgelehnt.

Der Beklagte hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.

Der Wert des Streitgegenstandes für das Zulassungsverfahren wird auf 6.063,13 € festgesetzt.

Gründe:

Der zulässige Antrag ist nicht begründet. Es bestehen weder die - allein geltend gemachten - ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) noch liegen die rechtlichen Voraussetzungen des von der Darlegung ernstlicher Richtigkeitszweifel regelmäßig mit umfassten (vgl. hierzu den Beschluss des Senats vom 16. September 2003 - 8 A 11169/03.OVG -) Zulassungsgrundes besonderer rechtlicher oder tatsächlicher Schwierigkeiten (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) vor.

1. Mit seiner Klage begehrt der Kläger die Gewährung einer Zuwendung nach dem Förderprogramm Umweltschonende Landbewirtschaftung des Landes Rheinland-Pfalz - FUL 2000 - für das vierte Verpflichtungsjahr 2004. Die Bewilligung war ihm unter Berufung auf Art. 72 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 817/2004 der Kommission mit der Begründung versagt worden, dass er hinsichtlich des im Flächenverzeichnis aufgeführten Flurstücks Nr. ... in Flur ... grob fahrlässig falsche Angaben gemacht habe. Die Vor-Ort-Kontrolle vom 27. Juli 2004 habe er ergeben, dass es sich bei diesem Grundstück nicht um eine Wiese, wie im Flächennachweis vom 13. Mai 2004 aufgeführt, sondern um einen Wildacker handele. Der Antragsteller habe die Pflicht, alle subventionserheblichen Änderungen der Kreisverwaltung mitzuteilen. Hierzu zählten selbstverständlich auch Angaben zur Nutzung von Flächen. Ein grober Sorgfaltspflichtverstoß liege deshalb vor, weil der Antragsteller trotz der Beanstandungen im Jahr 2003 die Nutzung der Fläche wiederum falsch angegeben habe. - Der Kläger trug zur Begründung des dagegen erhobenen Widerspruchs vor, er habe keine falschen Angaben über subventionserhebliche Tatsachen gemacht. Im Jahr 2003 habe er dem Jagdpächter lediglich die Beweidung der Parzelle gestattet. Das bei der Vor-Ort-Kontrolle im Jahr 2003 festgestellte Umbrechen des Grünlandes sei ohne sein Wissen geschehen. Nachdem er daraufhin für das Jahr 2003 von der Förderung ausgeschlossen worden sei, habe er dem Jagdpächter im Herbst 2003 jegliches Betreten der Parzelle untersagt. Im Jahr 2004 habe er nach vorherigem Abmulchen der Fläche und Grubbern eine neue Grasmischung in die Parzelle eingebracht und die Fläche gewalzt. Aufgrund der ihm verbotenen Pflanzschutzmaßnahmen habe dann aber die vorher von dem Jagdpächter eingebrachte Wildackermischung seine Grassameneinsaat überwuchert und erstickt. - Das Verwaltungsgericht hat der Verpflichtungsklage im Wesentlichen stattgegeben und zur Begründung ausgeführt: Dem Kläger könnten bereits falsche Angaben bei Antragstellung nicht vorgeworfen werden. Jedenfalls habe er nicht grob fahrlässig gehandelt, denn die ihm vorgehaltene Fehlerhaftigkeit betreffe lediglich eine Fläche von 5.230 m², die weniger als 1 % der im Flächennachweis angeführten Grünlandflächen ausmache. - Zur Begründung des Zulassungsantrags beruft sich der Beklagte darauf, dass der Kläger in grob fahrlässiger Art und Weise seine Pflicht zur Mitteilung subventionserheblicher Änderungen verletzt habe.

2. Der Senat teilt die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass die Voraussetzungen des Art. 72 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 817/2004 der Kommission vom 29. April 2004 (ABl. Nr. L 231/24) über den Ausschluss von Fördermaßnahmen nicht vorliegen. Da die übrigen Bewilligungsvoraussetzungen für die Förderung zwischen den Beteiligten nicht im Streit sind, bestehen somit keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils.

Nach Art. 72 Abs. 1 Satz 1 Verordnung (EG) Nr. 817/2004 der Kommission wird der Begünstigte für das entsprechende Kalenderjahr von sämtlichen - im betreffenden Kapitel der Verordnung (EG) Nr. 1257/1999 des Rates vorgesehenen - Fördermaßnahmen für den ländlichen Raum ausgeschlossen, wenn falsche Angaben vorliegen, die aufgrund grober Fahrlässigkeit gemacht wurden. Dem Kläger wird nicht vorgehalten, bereits bei Antragstellung im Mai 2004 falsche Angaben gemacht zu haben. Der Beklagte vertritt jedoch die Auffassung, dass die Sanktion des Art. 72 Abs. 1 Satz 1 VO (EG) Nr. 817/2004 auch dann Anwendung finde, wenn sich Angaben im Antragsformular aufgrund einer nachträglichen Entwicklung als falsch erwiesen. Insofern beruft sich der Beklagte auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs.

Es kann letztlich dahingestellt bleiben, ob die vom Europäischen Gerichtshof in der Sache Agrargenossenschaft Pretzsch e.G. zu Art. 9 Abs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 3887/92 der Kommission aufgestellten Grundsätze auf Art. 72 Abs. 1 VO (EG) Nr. 817/2004 übertragbar sind, wozu der Senat allerdings neigt. In dem Urteil vom 28. November 2002 (Slg. I, 1170 ff.) hat der Europäische Gerichtshof - 6. Kammer - entschieden, dass Art. 9 Abs. 2 Unterabs. 3 VO (EWG) Nr. 3887/92 zwecks wirksamer Vermeidung und Ahndung von Unregelmäßigkeiten und Betrugsfällen nicht auf den Fall zu beschränken ist, dass der Betriebsinhaber bei der Beantragung von Beihilfen fehlerhafte oder falsche Angaben gemacht hat, sondern auch dann Anwendung findet, wenn er es unterlassen hat, der zuständigen Behörde förderungsrelevante Veränderungen zu melden (a.a.O., Tenor und Rn. 50). Das Festhalten am ursprünglichen Beihilfeantrag trotz einer späteren Änderung der Umstände, die sich auf die Gewährung der Beihilfen auswirken können, stelle folglich für sich genommen eine Unregelmäßigkeit im Sinne der genannten Vorschrift dar (a.a.O., Rn. 51). Bei der Durchführung der gemäß dem integrierten System gewährten Beihilfen handele es sich um Verfahren, die eine Vielzahl von Anträgen beträfen. Ein wirksamer Schutz der finanziellen Interessen der Gemeinschaft setze in seinem solchen Kontext voraus, dass die Beihilfeempfänger aktiv an der korrekten Durchführung dieser Verfahren mitwirkten und die Verantwortung für die Richtigkeit der ihnen im Rahmen des integrierten Systems ausgezahlten Beträge übernähmen (a.a.O., Rn. 45). Im Rahmen des integrierten Systems obliege es den Betriebsinhabern, Beihilfeanträge nur für Flächen zu stellen, die die erforderlichen Bedingungen für die Gewährung der betreffenden Beihilfen erfüllten, und die zuständigen Behörden über jede nach Antragstellung eintretende Änderung der Sachlage zu informieren (a.a.O., Rn. 52).

Selbst wenn man die Sanktionsregel in Art. 72 Abs. 1 VO (EG) Nr. 817/2004 in diesem weiten Sinne versteht und auch auf das Unterlassen einer nachträglich eingetretenen Änderung subventionserheblicher Angaben erstreckt, scheitert die Anwendung dieser Bestimmung aber daran, dass dem Kläger der dort geforderte erhebliche Verschuldensvorwurf auch nach Auffassung des Senats nicht gemacht werden kann. So hat der Europäische Gerichtshof in der genannten Entscheidung ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es auch bei dem weiten Verständnis des "Vorliegens falscher Angaben" der Beurteilung des jeweils zuständigen (nationalen) Gerichts obliege, die Schwere der begangenen Unregelmäßigkeit und insbesondere die Frage zu bewerten, ob der Antragsteller es absichtlich oder aufgrund grober Fahrlässigkeit unterlasse habe, der zuständigen Behörde förderungsrelevante Veränderungen zu melden (a.a.O., Rn. 55).

In diesem Sinne kann dem Kläger im vorliegenden Fall nicht der Vorwurf gemacht werden, die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt zu haben. Dabei geht der Senat von der Glaubhaftigkeit des Vorbringens des Klägers aus. Es ist nachvollziehbar, dass er im Anschluss an den Ausschluss von der Förderung im Jahr 2003 ein solches Risiko für das Jahr 2004 vermeiden wollte. Von daher erscheint es folgerichtig, dem Jagdpächter jegliches Betreten der Parzelle Nr. ... in Flur ... zu untersagen, die Fläche mit einer Grasmischung einzusäen und zu walzen. Angesichts dessen verhielt sich der Kläger vollkommen korrekt, wenn er die Fläche im Förderantrag vom 13. Mai 2004 als "Wiese" angab. Der Beklagte hat nicht nachwiesen und es ist auch nicht ersichtlich, dass der Kläger vor Bekanntgabe des Ergebnisses der Vor-Ort-Kontrolle vom 27. Juli 2004 den zwischenzeitlich eingetretenen Zustand des Grundstücks kannte. Mangels positiver Kenntnis kann ihm deshalb eine unmittelbare Verletzung von Mitteilungspflichten nicht vorgehalten werden. Insofern unterscheidet sich der vorliegende Fall deutlich von dem der zitierten Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs zugrunde liegenden Sachverhalt, war dort die als stillgelegt angegebene Fläche doch von dem Antragsteller selbst als Weide genutzt worden.

Somit könnte dem Kläger allein eine mittelbare Verletzung seiner Mitteilungspflichten insoweit vorgeworfen werden, als er es unterlassen habe, den Zustand der Parzelle Nr. ... in Flur ... auch nach Antragstellung zu kontrollieren. Für das Bestehen einer solchen Kontrollpflicht besteht allerdings deshalb wenig Raum, weil die Fläche entsprechend dem Förderprogramm Umweltschonende Landbewirtschaftung nur extensiv zu nutzen ist und insbesondere keine Bewirtschaftungspflichten zu bestimmten Zeiten bestehen. Eine besondere Kontrollpflicht im vorliegenden Fall könnte man daher allenfalls aus der Nutzung des Grundstücks im Jahr 2003 und deren Beanstandungen durch den Beklagten herleiten. Insofern ist der Senat allerdings mit dem Verwaltungsgericht der Auffassung, dass die Verletzung dahingehender Pflichten durch den Kläger nicht besonders schwer wiegen. Zum einen hat er im Anschluss an die Beanstandungen im Jahr 2003 die wesentlichen Voraussetzungen für eine Wiesennutzung der Fläche geschaffen. Zum anderen handelt es sich bei dem umstrittenen Grundstück um eine gemessen an dem Umfang des insgesamt im Flächennachweis angeführten Grünlands nur sehr kleine Fläche, so dass nicht von einer besonders schweren Unregelmäßigkeit gesprochen werden kann.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung für das Zulassungsverfahren beruht auf §§ 47 Abs. 1 und Abs. 3, 52 Abs. 3 GKG.

Ende der Entscheidung

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