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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 10.05.2006
Aktenzeichen: 8 A 11360/05.OVG
Rechtsgebiete: GG, BImSchG, VwVfG, ZPO


Vorschriften:

GG Art. 12 Abs. 1 Satz 2
GG Art. 12 Abs. 1
GG Art. 12
BImSchG § 26
BImSchG § 28
VwVfG § 65 Abs. 1
VwVfG § 65
ZPO § 41
ZPO § 42
ZPO § 406 Abs. 1 Satz 1
ZPO § 406 Abs. 1
ZPO § 406
Der Umstand allein, dass eine Messstelle im Sinne des § 26 BImSchG Produktionsanlagen betreibt, nimmt ihr noch nicht generell die nötige Unabhängigkeit, bei anderen Anlagebetreibern mit der gebotenen Neutralität Ermittlungen nach §§ 26, 28 BImSchG vorzunehmen.
OBERVERWALTUNGSGERICHT RHEINLAND-PFALZ URTEIL IM NAMEN DES VOLKES

8 A 11360/05.OVG

In dem Verwaltungsrechtsstreit

wegen Immissionsschutzrechts

hier: Bekantgabe als Messstelle

hat der 8. Senat des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz in Koblenz aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 10. Mai 2006, an der teilgenommen haben

Vorsitzender Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Held Richter am Oberverwaltungsgericht Stamm Richter am Oberverwaltungsgericht Utsch ehrenamtlicher Richter Fernmeldeoberamtsrat a.D. Trost ehrenamtliche Richterin Architektin Spies

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 29. Juli 2005 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird zulassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Bekanntgabe als Messstelle nach den §§ 26, 28 Bundesimmissionsschutzgesetz - BImSchG - für die Überprüfung von Anlagen Dritter, mit denen sie weder personal- oder kapitalmäßig oder sonst geschäftlich in einer Weise verflochten ist, die faktisch eine Einflussnahme auf die Messungen mit sich bringen könnte.

Den entsprechenden Antrag lehnte der Beklagte ab, da die Klägerin selbst Produktionsanlagen betreibe und deshalb die Anforderungen an die Unabhängigkeit einer Messstelle im Sinne der Richtlinie des Länderausschusses für Immissionsschutz für die Bekanntgabe von sachverständigen Stellen im Bereich des Immissionsschutzes - LAI-Richtlinie - nicht erfülle.

Der nach Zurückweisung des hiergegen eingelegten Widerspruchs erhobenen Klage gab das Verwaltungsgericht statt. § 26 BImSchG habe berufsregelnden Charakter im Sinne von Art. 12 Grundgesetz - GG -, da von der Bekanntgabe als Messstelle eine zusätzliche Betätigungsmöglichkeit in einem Beruf abhänge. Beschränkungen der Berufsausübung dürften nur durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes erfolgen und müssten aus vernünftigen Erwägungen des Gemeinwohls als zweckmäßig erscheinen. Zwar stelle § 26 BImSchG nicht ausdrücklich bestimmte Anforderungen an die Bekanntgabe als Messstelle. Jedoch folge aus dem Sinn und Zweck der Vorschrift, dass die Bekanntgabe von materiellen Voraussetzungen (Qualifikationen) abhängig gemacht werden könne, die für den Schutz eines wichtigen Gemeinschaftsgutes unerlässlich seien.

Aufgabe der bekannt gegebenen Stelle sei es, die Überwachungstätigkeit der Aufsichtsbehörden von sachverständigen Ermittlungen zu entlasten und zugleich einen hohen Qualitätsstandard der Messungen zu gewährleisten. Zwischen den Beteiligten sei unstreitig, dass die Klägerin die erforderlichen Fachkenntnisse besitze und über eine gerätetechnische Ausstattung nach dem Stand der Technik verfüge. Darüber hinaus müsse die Messstelle auch zuverlässig, unabhängig und neutral sein. An der Zuverlässigkeit fehle es nur, wenn der Messstellenbetreiber nach dem Gesamtbild seines Verhaltens nicht die Gewähr für die ordnungsgemäße Durchführung der Messungen biete. Dafür reiche der bei Dritten bestehende Anschein einer möglichen Beeinflussung des Mess- und Prüfvorgangs durch den Betrieb eigener Produktionsanlagen nicht aus. Für die Sicherstellung der Neutralität der Klägerin genüge die Beschränkung der Bekanntgabe auf Messungen bei Dritten, die mit ihr nicht verflochten seien. Diese Einschränkung sei auch praktikabel, weil der Beklagte dieselben Kriterien nach der LAI-Richtlinie bei der Prüfung der Voraussetzungen für die Bekanntgabe von Messstellen in ständiger Verwaltungspraxis selbst anwende.

Der Beklagte begründet die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung im Wesentlichen damit, dass Messungen nach §§ 26, 28 BImSchG dem Gesundheitsschutz dienten, der dem Staat obliege. Übertrage er diese Aufgabe auf Private, müsse er ihre korrekte und neutrale Erfüllung sicherstellen. Deshalb sei die persönliche und wirtschaftliche Unabhängigkeit der Messstelle zu verlangen. Sie fehle nicht nur, wenn eine tatsächliche Einflussnahme Dritter auf die Messungen erfolge, sondern auch, wenn nur der Anschein einer möglichen Beeinflussung bestehe. Dies sei der Fall, wenn die Messstelle Produktionsanlagen betreibe und damit selbst Messungen nach dem Immissionsschutzrecht unterliege. Deshalb könnten gemäß § 26 BImSchG angeordnete Ermittlungen vor allem bei Nachbarbeschwerden keine Befriedung bewirken.

Die vom Verwaltungsgericht ausgesprochene Einschränkung der Bekanntgabe der Klägerin als Messstelle sei nicht praktikabel. Das Verwaltungsgericht verkenne den Unterschied zwischen der Prüfung von Antragstellern vor ihrer Bekanntgabe einerseits und der Beurteilung von danach erfolgten Messungen andererseits. Außerdem sei unklar, woher die Behörde Angaben über etwaige Verflechtungen zwischen Messstelle und Auftraggebern erhalten könne und wann geschäftliche Verbindungen zur Unverwertbarkeit der Messergebnisse führten. Die Schwierigkeiten bei der Anwendung der Beschränkung der Bekanntgabe der Klägerin als Messstelle würden anhand der vertraglichen Beziehungen zwischen ihr und der in ihrem Gewerbepark geplanten Firmen deutlich.

Der Beklagte beantragt,

unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen vor, dass die Bekanntgabe als Messstelle im Sinne von § 26 BImSchG berufsregelnde Tendenz habe. Sie eröffne die Möglichkeit, im Rahmen der §§ 26, 28 BImSchG Ermittlungsaufträge zu erhalten und biete auch für sonstige Messungen einen Wettbewerbsvorteil. Wegen des Gesetzesvorbehalts in Art. 12 GG dürften nur die unerlässlichen Voraussetzungen für die Bekanntgabe gefordert werden. Hierzu gehöre u.a. die persönliche Unabhängigkeit. Sie werde nicht durch den Betrieb von Produktionsanlagen beeinträchtigt. Vielmehr stehe der Bekanntgabe als Messstelle nur die objektiv festgestellte Unzuverlässigkeit entgegen. Das alleinige Abstellen auf den Anlagenbetrieb zur Begründung der Unzuverlässigkeit sei zudem unverhältnismäßig. Als milderes Mittel seien Einzelfallprüfungen geeignet, Beeinträchtigungen der Neutralität der Messstelle auszuräumen. Solche Prüfungen seien auch nicht unpraktikabel. Andernfalls wären sie nicht in anderen Zusammenhängen in der LAI-Richtlinie vorgesehen.

Der Vertreter des öffentlichen Interesses, der dem Verfahren beigetreten ist, schließt sich der Auffassung des Beklagten an, dass die Klägerin nicht als Messstelle bekannt gegeben werden dürfe. Die Voraussetzungen für die Bekanntgabe könnten durch Auslegung des § 26 BImSchG ermittelt werden. Dabei sei das System der Überwachungen nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz zu berücksichtigen. Zu unterscheiden sei zwischen der Eigenüberwachung nach § 5 BImSchG und der behördlichen Überwachung gemäß § 52 BImSchG. Dazwischen liege § 26 BImSchG, der insbesondere bei Bürgerbeschwerden angewandt werde. Dabei hätten die Messungen privater Stellen eine Befriedungsfunktion, für die die Unabhängigkeit der Messstelle erforderlich sei. Diese liege nicht vor, wenn Dritte Zweifel an der Richtigkeit der Messung haben könnten. Hierfür reiche der Betrieb von Produktionsanlagen durch die Messstelle aus, weil sie hierdurch dem Lager der "verdächtigen" Anlagenbetreiber zugerechnet werde. Die von § 26 BImSchG bewirkte Einschränkung der Berufsausübungsfreiheit sei somit von vernünftigen Erwägungen des Gemeinwohls gerechtfertigt, die auch verhältnismäßig seien.

Die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes ergeben sich aus den zu den Gerichtsakten gereichten Schriftsätzen der Beteiligten und den beigezogenen Verwaltungsvorgängen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung hat keinen Erfolg.

Die vom Verwaltungsgericht ausgesprochene Verpflichtung des Beklagten, die Klägerin als Messstelle gemäß §§ 26, 28 BImSchG für Anlagen Dritter bekannt zu geben, die weder personal- oder kapitalmäßig oder sonst geschäftlich in einer Weise mit ihr verflochten sind, die faktisch eine Einflussnahme auf die Aufgabenwahrnehmung mit sich bringen könnte, ist rechtlich nicht zu beanstanden.

Gemäß § 26 BImSchG kann die zuständige Behörde gegenüber einem Anlagenbetreiber anordnen, die von seiner Anlage ausgehenden Emissionen sowie Immissionen im Einwirkungsbereich der Anlage durch eine von der Behörde bekannt gegebene Stelle ermitteln zu lassen, wenn zu befürchten ist, dass durch die Anlage schädliche Umwelteinwirkungen hervorgerufen werden. Messungen im Sinne von § 26 BImSchG können gemäß § 28 BImSchG nach der Inbetriebnahme oder Änderung einer genehmigungsbedürftigen Anlage erstmals oder nach Ablauf eines Zeitraums von jeweils drei Jahren auch angeordnet werden, wenn kein Verdacht auf von der Anlage ausgehende schädliche Umwelteinwirkungen besteht. Zwar bestimmt § 26 BImSchG nicht ausdrücklich, welche materiellen Voraussetzungen für die Bekanntgabe als Messstelle erfüllt sein müssen. Jedoch kann unter Berücksichtigung des Sinn und Zwecks der Vorschrift sowie der verfassungsrechtlichen Vorgaben durch Auslegung ermittelt werden, welchen Anforderungen eine Messstelle für ihre Bekanntgabe nach § 26 BImSchG genügen muss. Dabei ist der Senat nicht an die LAI-Richtlinie gebunden, da es sich hierbei um eine norminterpretierende Verwaltungsvorschrift handelt, der keine Außenwirkung zukommt (vgl. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 15. Aufl. 2004, § 24 Rn. 9 und 29).

Indem § 26 BImSchG die Möglichkeit, Aufträge für Messungen von Immissionen und Emissionen nach dieser Vorschrift und nach § 28 BImSchG zu erhalten, von einer vorherigen Bekanntgabe und damit einer behördlichen Zulassung als Messstelle abhängig macht, stellt sie eine Berufungsausübungsregelung im Sinne von Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG dar. Die Bekanntgabe muss danach durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes geregelt und darüber hinaus durch vernünftige Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt sein (vgl. BVerfGE 76, 196 [207]).

Da - wie bereits ausgeführt - § 26 BImSchG die Voraussetzungen für die Bekanntgabe als Messstelle nicht ausdrücklich festlegt, sind die durch Auslegung zu ermittelnden Anforderungen an eine solche Stelle auf das zu beschränken, was für die Wahrnehmung der Aufgaben nach §§ 26, 28 BImSchG unerlässlich ist. Nur so wird der Gesetzesvorbehalt des Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG beachtet.

Aufgabe der in Rede stehenden Messstellen ist es einerseits, Ermittlungen anzustellen, wenn im Sinne von § 26 BImSchG zu befürchten ist, dass durch eine Anlage schädliche Umwelteinwirkungen hervorgerufen werden. Andererseits haben sie gemäß § 28 BImSchG auch routinemäßige Messungen durchzuführen. Durch die Messergebnisse soll also entweder ein Verdacht aufgeklärt oder verdachtsunabhängig überprüft werden, ob der Betrieb einer Produktionsanlage den immissionsschutzrechtlichen Vorschriften entspricht. Ergibt die angeordnete Messung einen Verstoß gegen immissionsschutzrechtliche Vorschriften, kann die zuständige Behörde auf die Messergebnisse Anordnungen oder Auflagen (vgl. § 30 Satz 2 Nr. 2 BImSchG) stützen. Führt die Messung hingegen zu der Erkenntnis, dass schädliche Umwelteinwirkungen durch die Anlage nicht zu befürchten sind, ist die Behörde in der Lage, gegenüber den von Immissionen betroffenen Bürgern und der Öffentlichkeit zur Befriedung des Verdachtsfalles auf die unbedenklichen Messergebnisse zu verweisen.

Als Grundlage für behördliches Einschreiten bei einem Verstoß gegen immissionsschutzrechtliche Vorschriften und zur Ausräumung eines Verdachts auf schädliche Umwelteinwirkungen ist eine Messung nur geeignet, wenn ihre Ergebnisse unangreifbar sind. Deshalb fordern der Sinn und Zweck der nach §§ 26, 28 BImSchG angeordneten Messungen, dass die hierfür bekannt gegebenen Stellen nicht nur die nötige Fachkunde und gerätetechnische Ausstattung besitzen, sondern auch zuverlässig sind und über die gebotene Neutralität verfügen, d.h. insbesondere persönlich und wirtschaftlich von ihren Auftraggebern unabhängig sind (vgl. Feldhaus, Bundesimmissionsschutzrecht, Stand 03/06, § 26 Anm. 20; Jarass, BImSchG, 6. Aufl. 2005, § 26 Rn. 28; Hansmann in: Landmann/Romer, Umweltrecht, Stand 12/05, § 26 BImSchG, Rn. 46 f.; Kotulla, in: Kotulla, Bundes-Immissionsschutzgesetz, Stand 6/05, § 26 Rn. 76 f.).

Ob eine Messstelle über die gebotene Unabhängigkeit und Neutralität verfügt, ist aufgrund der konkreten Verhältnisses des Einzelfalls, insbesondere anhand der Beziehungen zwischen dem Betreiber der Anlage (Auftraggeber) und der Messstelle zu beurteilen. So verbietet sich die Beauftragung etwa dann und macht eine dennoch durchgeführte Messung unverwertbar, wenn zwischen dem Anlagenbetreiber und dem Inhaber der Messstelle enge verwandtschaftliche Beziehungen oder geschäftliche Verflechtungen bestehen. Derart im Einzelfall begründete Zweifel an der Unabhängigkeit der Messstelle rechtfertigen jedoch nicht die Annahme, sie sei generell nicht geeignet, die Aufgaben nach §§ 26, 28 BImSchG zu erfüllen und dürfte deshalb nicht gemäß § 26 BImSchG bekannt gegeben werden. Insofern ist zwischen der Tauglichkeit der Messstelle für Ermittlungen im Einzelfall sowie den Voraussetzungen für ihre Bekanntgabe im Allgemeinen und damit ihrer Eignung für Messungen im Sinne der §§ 26,28 BImSchG zu unterscheiden.

Der Umstand allein, dass die Klägerin Produktionsanlagen betreibt und selbst Messungen nach den §§ 26, 28 BImSchG unterliegt, nimmt ihr noch nicht generell die nötige Unabhängigkeit, Ermittlungen nach §§ 26, 28 BImSchG bei anderen - bis hin zu branchenfremden - Anlagenbetreibern mit der gebotenen Neutralität vorzunehmen. Der Gesichtspunkt des Betriebes von Produktionsanlagen ist auf einer abstrakten Ebene angesiedelt und steht nach Auffassung des Beklagten und des Vertreters des öffentlichen Interesses wegen der Gleichartigkeit der Interessen von Anlagenbetreibern und Messstelle regelmäßig einer neutralen Durchführung von Messungen im Sinne von §§ 26, 28 BImschG und damit bereits der Bekanntgabe als Messstelle entgegen. Dem vermag sich der Senat nicht anzuschließen.

Der Betrieb von Produktionsanlagen würde die Bekanntgabe der Klägerin als Messstelle nur dann hindern, wenn objektive Anhaltspunkte für die generelle Unverwertbarkeit ihrer Messungen vorlägen und deshalb der Sinn und Zweck der §§ 26, 28 BImSchG nicht erreicht werden könnte. Dies ist jedoch nicht der Fall. Der Beklagte hat insoweit im Wesentlichen lediglich vorgetragen, bei Dritten, insbesondere wenn sie glaubten, schädlichen Umwelteinwirkungen ausgesetzt zu sein, und in der Öffentlichkeit bestehe der Anschein, der Betreiber von Produktionsanlagen würde Messungen im Sinne von §§ 26, 28 BImSchG nicht mit der nötigen Unbefangenheit vornehmen. Denn er habe dabei immer auch seine eigenen Anlagen im Blick, was zu Interessenskonflikten führe. Diese Auffassung des Beklagten beruht auf Vermutungen, deren Richtigkeit auch in der mündlichen Verhandlung nicht belegt werden konnte.

Der demnach von dem Beklagten und dem Vertreter des öffentlichen Interesses bei Dritten und in der Öffentlichkeit lediglich vermutete Anschein fehlender Unabhängigkeit der Klägerin bei der Wahrnehmung der Aufgaben einer Messstelle stellt keinen vernünftigen Grund des Gemeinwohls im Sinne von Art. 12 GG dar, der ihren generellen Ausschluss von Messungen gemäß §§ 26, 28 BImSchG rechtfertigen könnte. Im Übrigen spricht gegen den Anschein fehlender Neutralität, dass die Klägerin ihr Renommee als zuverlässige Messstelle allein wegen der ihr obliegenden Eigenkontrollen nicht durch zweifelhafte Messungen gefährden wird.

Entgegen der Auffassung des Beklagten wird die Ablehnung der Bekanntgabe der Klägerin als Messstelle auch nicht im Sinne von Art. 12 GG durch den Zweck des effektiven Vollzug des Bundesimmissionsschutzgesetzes und damit von dem Gemeinwohlbelang des Schutz der Bevölkerung vor schädlichen Umwelteinwirkungen gerechtfertigt. Vielmehr wird dieser Gesetzeszweck ebenso wirksam dadurch erreicht, dass die Verwertbarkeit der Messergebnisse im Einzelfall von den konkreten Verflechtungen sowie sonstiger geschäftlicher, z. B. auch etwaiger mietvertraglicher Beziehungen zwischen der Klägerin und dem jeweiligen Auftraggeber abhängt.

Soweit solche Einzelfallprüfungen aufgrund der im verwaltungsgerichtlichen Urteil vorgesehenen Einschränkungen der Bekanntgabe der Klägerin als Messstelle vorzunehmen sind, hat diese Regelung - aus den oben dargestellten Gründen - nur deklaratorischen Charakter. Sie greift lediglich den Rechtsgedanken des § 406 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. §§ 41, 42 der Zivilprozessordnung - ZPO - auf, die gemäß § 65 Abs. 1 Verwaltungsverfahrensgesetz - VwVfG - auf in förmlichen Verwaltungsverfahren tätige Sachverständige anwendbar sind. Danach sind sachverständigen Person, die in einem Näheverhältnis zu einem der Beteiligten stehen, von einer Tätigkeit in dem entsprechenden Verwaltungsverfahren ausgeschlossen. Außerdem können sie wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden. Die Ausschließungs- und Befangenheitsgründe der §§ 41, 42 ZPO sind ihrem Sinn nach auch auf Messstellen im Sinne des § 26 BImSchG anzuwenden, um deren unabhängige Aufgabenwahrnehmung zu gewährleisten. Deshalb muss die Behörde unabhängig von den im verwaltungsgerichtlichen Urteil vorgesehenen Beschränkungen der Bekanntgabe der Klägerin als Messstelle ohnehin in jedem Einzelfall prüfen, ob Verflechtungen zwischen der Klägerin und einem Auftraggeber einer Verwertbarkeit der vorgelegten Messungen entgegenstehen.

Die den genannten gesetzlichen Vorschriften entsprechenden Einschränkungen der Bekanntgabe der Klägerin als Messstelle im angefochtenen Urteil sind auch hinreichend bestimmt. Sie enthalten unbestimmte Rechtsbegriffe, die einer Auslegung zugänglich sind. Da Messungen verhindert werden sollen, wenn aufgrund von Verflechtungen zwischen der Klägerin und einem Auftraggeber bereits die Möglichkeit einer Einflussnahme auf die Aufgabenwahrnehmung besteht, ist mit Blick auf die erwähnten Ausschließungs- und Befangenheitsgründe eine strenge Auslegung geboten, die keine außergewöhnlichen Schwierigkeiten aufwirft.

Schließlich bestehen auch keine Bedenken gegen die Praktikabilität der zunächst von der Klägerin sowie möglichen Auftraggebern vor der Auftragsvergabe zu beachtenden Einschränkungen der Bekanntgabe. Etwaige Verflechtungen sind beiden bekannt. Dies dürfte in aller Regel bereits dazu führen, dass der Klägerin Messaufträge nicht erteilt werden, wenn das Risiko der Unverwertbarkeit der Ergebnisse z. B. wegen geschäftlicher Verbindungen besteht. Dementsprechend werden nur in Einzelfällen Ermittlungen der zuständigen Behörde notwendig sein, um Verflechtungen sowie deren Ausmaß festzustellen. Dass solche Prüfungen gegebenenfalls unter Einbeziehung der Klägerin und des jeweiligen Auftraggebers nicht mit zumutbarem Aufwand möglich sind, ist nicht ersichtlich. Im Übrigen ist der hiermit verbundene zusätzliche Verwaltungsaufwand zur Vermeidung des im generellen Ausschluss der Klägerin von Messungen gemäß § 26, 28 BImSchG liegenden schwerwiegenderen Eingriffs in die Freiheit der Berufsausübung hinzunehmen.

Liegen somit die Voraussetzungen für die Bekanntgabe der Klägerin als Messstelle i.S.d. § 26 BImSchG vor, war der Beklagte zu verpflichten, die Bekanntgabe auszusprechen, da es sich hierbei wegen der berufsregelnden Wirkung des § 26 BImSchG um eine gebundene Entscheidung handelt (vgl. Jarass, a.a.O. § 26 Rn.30; Kotulla, a.a.O., § 26 Rn. 78; a.A.: Feldhaus, a.a.O. § 26 Anm. 24; Hansmann, a.a.O. § 26 Rn. 49).

Nach alledem war die Berufung mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten ergibt sich § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10 ZPO.

Die Revision war zuzulassen, da die Frage, ob der Betrieb von Produktionsanlagen der Bekanntgabe als Messstelle i.S.d. § 26 BImSchG entgegen steht, gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO grundsätzliche Bedeutung hat.

Rechtsmittelbelehrung

Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu.

Beschluss

Der Wert des Streitgegenstandes wird - insoweit unter Abänderung des erstinstanzlichen Streitwertbeschlusses - für beide Instanzen auf 15.000,00 € festgesetzt (§§ 47 Abs. 1 Satz 1, 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Ziff. 54.1 des Streitwertkataloges 2004 für die Verwaltungsgerichtsbarkeit).



Ende der Entscheidung

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