Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz
Beschluss verkündet am 26.09.2008
Aktenzeichen: 8 B 10952/08.OVG
Rechtsgebiete: VwGO, RheinSchUO, RheinSchPV


Vorschriften:

VwGO § 123 Abs. 1 Satz 2
RheinSchUO § 22 a.05 Nr. 2
RheinSchUO § 24.06 Nr. 3
RheinSchPV § 11.01 Nr. 2
1. Die Eintragung im Schiffsattest über die grundsätzliche Tauglichkeit des Schiffs zum Befahren der gesamten Rheinstrecke dispensiert das Schiff nicht von der Einhaltung zusätzlicher schiffahrtspolizeilicher Anforderungen für das Befahren bestimmter Rheinstreckenabschnitte.

2. Die kraft der Übergangsregelungen der Rheinschifffahrtsuntersuchungsordnung - RheinSchUO - fortgeltenden Sondererlaubnisse gelten nur für den Stromabschnitt fort, für den sie erteilt wurden.


OBERVERWALTUNGSGERICHT RHEINLAND-PFALZ BESCHLUSS

7 L 539/08.MZ

In dem Verwaltungsrechtsstreit

wegen Wasserverkehrsrechts

hier: einstweilige Anordnung

hat der 8. Senat des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz in Koblenz aufgrund der Beratung vom 26. September 2008, an der teilgenommen haben

Vorsitzender Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Held Richterin am Oberverwaltungsgericht Lang Richter am Oberverwaltungsgericht Müller-Rentschler

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Mainz vom 29. Juli 2008 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 40.000,-- € festgesetzt.

Gründe:

Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet.

Das Verwaltungsgericht hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu Recht abgelehnt. Das Beschwerdevorbringen des Antragstellers rechtfertigt keine andere Entscheidung.

1. Wie bereits das Verwaltungsgericht geht auch der Senat davon aus, dass das mit dem Antrag zu 2. verfolgte Begehren des Antragstellers, im Wege der einstweiligen Anordnung festzustellen, dass er vorläufig berechtigt ist, den Rhein zwischen Krimpen/Gorinchem und Basel mit seinem Motorschiff "W." zu befahren, als das gegenüber dem Antrag zu 1. weitergehende Begehren vorrangig ist. Das Verwaltungsgericht hat indessen zutreffend entschieden, dass der Antragsteller mit diesem Begehren keinen Erfolg haben kann.

Der Antrag ist zwar gemäß § 123 VwGO statthaft; der Senat folgt der inzwischen herrschenden Auffassung, dass im Wege einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO auch eine vorläufige Feststellung begehrt werden kann (vgl. die Nachweise bei Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl., § 123, Rn. 9, Fußnote 32; a.A. noch OVG RP, Beschluss vom 10. September 1986, NVwZ 1987, S. 145).

Soweit der Antrag auf Feststellung der vorläufigen Berechtigung zum Befahren des Rheins auch zwischen Krimpen/Gorinchem und der deutsch-französischen Grenze bei Lauterbourg gerichtet ist, fehlt dem Antragsteller allerdings bereits das Rechtsschutzinteresse. Denn zwischen den Beteiligten ist die Berechtigung des Antragstellers, diesen Streckenabschnitt mit der MS "W." zu befahren, nicht streitig.

Im Übrigen, soweit es um die vorläufige Berechtigung des Antragstellers zum Befahren des Streckenabschnitts zwischen der deutsch-französischen Grenze (Rheinkilometer 352,07) und Basel mit der MS "W." geht, ist der Antrag mangels eines Anordnungsanspruchs nicht begründet. Bereits aufgrund der im Eilverfahren allein gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage steht außer Zweifel, dass der Antragsteller insoweit nicht die zusätzlichen schifffahrtspolizeilichen Voraussetzungen erfüllt, die für das Befahren des Oberrheins zwischen Mannheim und Basel mit einem mehr als 110 m langen Gütermotorschiff gegeben sein müssen; die Eintragung unter Ziffer 10 des Schiffsattests DU 3621 zur Tauglichkeit des Schiffs zum Befahren der gesamten Rheinstrecke vermag diese nicht zu ersetzen.

a) Zwischen den Beteiligten ist zunächst unstreitig, dass die MS "W." nicht die zusätzlichen Anforderungen erfüllt, die gemäß § 22 a.05 der Rheinschifffahrtsuntersuchungsordnung - RheinSchUO - für Fahrzeuge, ausgenommen Fahrgastschiffe, mit einer Länge von mehr als 110 m gelten, die den Rhein oberhalb von Mannheim befahren wollen. Nach § 22 a.05 Nr. 2 d) i.V.m. Nr. 1 a), 1. Halbsatz RheinSchUO müssen Gütermotorschiffe wie die knapp 135 m lange MS "W." - neben anderen, hier nicht streitigen Anforderungen - insbesondere über einen Mehrschraubenantrieb mit mindestens zwei voneinander unabhängigen Antriebsmaschinen gleicher Leistung verfügen. Wie sich ohne weiteres aus den Ziffern 27 und 29 des Schiffsattests DU-3621 ergibt, verfügt die MS "W." nur über einen Motor zum Hauptschiffsantrieb und einen Hauptpropeller. Zugleich erfüllt sie auch nicht die weitere Voraussetzung nach § 22 a.05 Nr. 2 e) RheinSchUO, wonach das Befahren des Rheins oberhalb Mannheims auch einen Eintrag im Schiffsattests unter der Nr. 52 erfordert, dass das Schiff den besonderen Anforderungen nach § 22 a.05 Nr. 2 Buchstaben a) bis d) genügt. Bei der Rheinschifffahrtsuntersuchungsordnung handelt es sich um ein Regelwerk der aufgrund der Art. 43 ff. der "Revidierten Rheinschifffahrtsakte" vom 17. Oktober 1868 (sog. Mannheimer Akte, vgl. die Bekanntmachung der Neufassung des deutschen Wortlauts in BGBl. II 1969, S. 597 ff.) errichteten "Zentralen Kommission für die Rheinschifffahrt" (ZKR), einer zwischenstaatlichen Einrichtung der Rheinanliegerstaaten, auf die die Bundesrepublik Deutschland gemäß Art. 24 Abs. 1 GG Hoheitsrechte unter anderem in Bezug auf die Wahrung der Sicherheit und Leichtigkeit des Schiffverkehrs auf dem Rhein übertragen hat. Die Bestimmungen der RheinSchUO wurden zuletzt durch Art. 1 der Verordnung zur Einführung der Rheinschifffahrtsuntersuchungsordnung vom 19. Dezember 1994 - RheinSchUEV - (BGBl. II 1994, S. 3822) auf der Bundeswasserstraße Rhein in Kraft gesetzt, das heißt, sie sind in der Bundesrepublik Deutschland auf dem Rhein zwischen der schweizerischen und der niederländischen Grenze (vgl. Ziffer 46 der Anlage 1 zu § 1 Nr. 1 WaStrG) geltendes Recht im Range einer Bundesverordnung. Die Wasser- und Schifffahrtsdirektion Südwest ist als nach Art. 4 Abs. 1 RheinSchUEV i.V.m. § 1.06 RheinSchUO zuständige Behörde zur Durchsetzung der Bestimmungen der RheinSchUO ermächtigt und verpflichtet. Von einem völkervertragswidrigen nationalen Alleingang der Bundesrepublik Deutschland, wie der Antragsteller meint, kann also keine Rede sein.

b) Der Antragsteller kann sich auch nicht auf eine kraft der Übergangsregelungen der RheinSchUO fortgeltende Sondererlaubnis für die MS "W." zum Befahren des Rheins oberhalb von Rheinkilometer 352,07 berufen. Zwar gelten gemäß § 24.06 Nr. 3 RheinSchUO i.V.m. der Tabelle zu § 22 a.05 Nr. 2 RheinSchUO für Fahrzeuge, die eine am 30. September 2001 gültige Sondererlaubnis einer zuständigen Behörde besitzen, die Vorschriften des § 22 a.05 Nr. 2 RheinSchUO auf dem Streckenabschnitt nicht, für den die Sondererlaubnis erteilt worden ist. Dementsprechend bestimmt auch § 11.01 Nr. 2 der Rheinschifffahrtspolizeiverordnung - RheinSchPV -, dass die von den für den jeweiligen Stromabschnitt zwischen Basel und Mannheim zuständigen Behörden erteilten und am 30. September 2001 gültigen Sondererlaubnisse für Fahrzeuge über 110 m bis 135 m Länge mit den darin bezeichneten Auflagen auf dem jeweiligen Stromabschnitt weiterhin gültig bleiben. Indessen besteht für die MS "W." nur die - bis einschließlich 30. September 2001 befristete und daher nach den genannten Vorschriften fortgeltende - Sondererlaubnis vom 11. Juli 2001, die die Wasser- und Schifffahrtsdirektion Südwest den Voreigentümern des Schiffs erteilt hatte; diese Sondererlaubnis wurde aber ausdrücklich nur für den Stromabschnitt zwischen Mannheim (Rheinkilometer 412,350) und der deutsch-französischen Grenze (Rheinkilometer 352,070) erteilt und gilt daher auch nur für diesen Stromabschnitt fort. Für den Stromabschnitt oberhalb der deutsch-französischen Grenze besteht für die MS "W." unstreitig keine am 30. September 2001 gültige Sondererlaubnis, insbesondere keine solche der französischen oder schweizerischen Behörden.

c) Entgegen der Ansicht des Antragstellers kommt der Eintragung in Ziffern 10 und 49 des Schiffsattests DU-3621, wonach die Untersuchungskommission Mainz die MS "W." zuletzt am 17. August 2005 für tauglich zur Fahrt auf dem Rhein zwischen Krimpen/Gorinchem und Basel befunden hat, kein Vorrang in dem Sinne zu, dass dieses Schiff etwa von der Einhaltung der genannten zusätzlichen schifffahrtspolizeilichen Anforderungen für Gütermotorschiffe über 110 m Länge bei Fahrten auf dem Rhein oberhalb Mannheims dispensiert würde.

Wie das Verwaltungsgericht zutreffend entschieden hat, wird mit dem Schiffsattest lediglich die grundsätzliche Tauglichkeit des Schiffs in technischer und personeller Hinsicht zum Befahren des darin bezeichneten "Teils der Rheinschifffahrt" (Art. 22 Abs. 1 der Mannheimer Akte) bescheinigt. Daneben treten jedoch in vielfältiger Weise zusätzliche Anforderungen, die etwa aufgrund besonderer schifffahrtspolizeilicher Bestimmungen für das Befahren bestimmter Rheinstreckenabschnitte gelten. Davon geht bereits Art. 1 Abs. 1 der Mannheimer Akte aus, wonach die Schifffahrt auf dem Rhein von Basel in das offene Meer nur - unter anderem - "unter Beachtung der zur Aufrechterhaltung der allgemeinen Sicherheit erforderlichen polizeilichen Vorschriften" generell - d. h. ohne besondere Erlaubnis - gestattet ist; dementsprechend besteht gemäß Art. 1 Abs. 2 der Mannheimer Akte (nur) "abgesehen von diesen Vorschriften" kein Hindernis für die freie Rheinschifffahrt. Zu den damit angesprochenen schifffahrtspolizeilichen Vorschriften gehören namentlich die von der ZKR erlassenen Bestimmungen der RheinSchUO und der RheinSchPV. Mit den besonderen Anforderungen des § 22 a.05 RheinSchUO soll der Gefahr vorgebeugt werden, dass sich ein über 110 m langes Gütermotorschiff mit Einschraubenantrieb bei Ausfall der einen Maschine auf dem Oberrhein querstellt und die Rheinschifffahrt blockiert und nur mit großem technischen Aufwand wieder freigeschleppt werden kann. Dem Schiffsattest kommt demnach keine umfassende Legitimationswirkung dahingehend zu, dass für das fragliche Schiff keine zusätzlichen schifffahrtspolizeilichen Anforderungen zum Befahren einzelner Stromabschnitte gelten, wenn es unter Ziffer 10 als für das Befahren der gesamten Rheinstrecke für tauglich befunden wurde.

Gerade weil das Schiffsattest mit seiner Eintragung unter Ziffer 10 keine derartig umfassende Legitimationswirkung hat, insbesondere darin nichts über das Vorliegen etwaiger zusätzlicher schifffahrtspolizeilicher Anforderungen für bestimmte Stromabschnitte ausgesagt wird, schreibt § 22 a.05 Ziffer 2 e) RheinSchUO vor, dass bei Gütermotorschiffen über 110 m Länge, die oberhalb von Mannheim fahren wollen, neben dem tatsächlichen Vorhandensein der vorgeschriebenen Zusatzausrüstung auch noch ein Eintrag unter Nr. 52 des Schiffsattests vorhanden sein muss, dass das Schiff diesen besonderen Anforderungen genügt. Damit soll sichergestellt werden, dass etwa bei wasserschutzpolizeilichen Kontrollen eines oberhalb Mannheims angetroffenen Motorschiffs von über 110 m Länge schon aus dem Schiffsattest ohne weiters hervorgeht, ob das Schiff die besonderen Anforderungen zum Befahren dieses Stromabschnitts erfüllt oder nicht. Fehlt - wie bei der MS "W." - ein entsprechender Eintrag unter Ziffer 52, so ist das Schiff trotz der unter Ziffer 10 des Schiffsattests bescheinigten Tauglichkeit für die gesamte Rheinstrecke (und lediglich vorbehaltlich etwaiger fortgeltender Sondererlaubnisse) nicht zum Befahren dieses Rheinstreckenabschnitts berechtigt.

Danach kann auch keineswegs davon gesprochen werden, dass die Forderung nach der Erfüllung zusätzlicher technischer Voraussetzungen zum Befahren des Oberrheins einer (teilweisen) Rücknahme des Schiffsattests gleichkomme, ohne dass die Voraussetzungen für die Rücknahme begünstigender Verwaltungsakte nach § 48 VwVfG erfüllt wären. Die Gültigkeit des Schiffsattests wird durch die sich aus § 22 a.05 Nr. 2 RheinSchUO ergebenden zusätzlichen Anforderungen nicht berührt. Es reicht jedoch als Legitimationsgrundlage zum Befahren bestimmter Rheinstreckenabschnitte allein nicht aus; daneben treten zusätzliche schifffahrtspolizeiliche Anforderungen. Dies mag mit besonderen straßenverkehrsrechtlichen Bestimmungen für einzelne Straßenabschnitte - wie zum Beispiel der Schneekettenpflicht für LKW auf bestimmten Bergstrecken im Winter - verglichen werden, die neben der dem LKW erteilten, grundsätzlich zum Befahren aller öffentlichen Straßen berechtigenden Kfz-Zulassungsbescheinigung gelten und zusätzlich zu beachten sind.

2. Das Verwaltungsgericht hat weiter zutreffend entschieden, dass auch der auf die einstweilige Feststellung, dass die Antragsgegnerin vorläufig verpflichtet ist, die MS "W." weiterhin an der Schleuse Iffezheim zu schleusen, gerichtete Antrag zu 1. ohne Erfolg bleiben muss. Die Schleuse Iffezheim befindet sich rund 18 km oberhalb von Rheinkilometer 352,07. Fehlt dem Antragsteller nach dem oben Gesagten die Berechtigung, den Rhein mit der MS "W." oberhalb der deutschfranzösischen Grenze bei Rheinkilometer 352,07 zu befahren, so kann die Antragsgegnerin auch nicht verpflichtet sein, dieses Schiff an einer oberhalb dieses Punktes gelegenen Schleuse in Berg- oder Talfahrt zu schleusen.

3. Das Verwaltungsgericht hat schließlich ebenfalls zutreffend entschieden, dass der auf die einstweilige Feststellung, dass die MS "W." aufgrund der Angaben im Schiffsattest DU-3621 "technisch geeignet" ist, den Rhein von Krimpen/Gorinchem bis Basel zu befahren, gerichtete Hilfsantrag bereits unzulässig ist. Dem Antragsteller fehlt insoweit das Rechtsschutzinteresse. Er kann mit der begehrten Feststellung sein eigentliches Rechtsschutzziel, den Rhein mit der MS "W." vorläufig auch zwischen Rheinkilometer 352,07 und Basel befahren zu dürfen, nicht erreichen. Nach dem oben Gesagten reicht die bloße Bescheinigung der "technischen Eignung" in Ziffer 10 des Schiffsattests gerade nicht aus, um den Rhein mit diesem Schiff auch oberhalb von Rheinkilometer 352,07 befahren zu dürfen. Vielmehr müssen zusätzlich die besonderen Anforderungen für Gütermotorschiffe über 110 m Länge gemäß § 22 a.05 Nr. 2 RheinSchUO erfüllt sein.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus §§ 47, 52 Abs. 1, 53 Abs. 3 GKG, wobei der Senat - ebenso wie das Verwaltungsgericht - die Angaben des Antragstellers zu einem ihm vorläufig auf nicht unter 80.000,-- € geschätzten Schaden infolge des Schleusenverbots zugrunde gelegt und davon die Hälfte für die Beschwerde im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes in Ansatz gebracht hat.

Ende der Entscheidung

Zurück