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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz
Beschluss verkündet am 02.10.2006
Aktenzeichen: 8 B 11048/06.OVG
Rechtsgebiete: BauNVO, BauGB


Vorschriften:

BauNVO § 4
BauNVO § 14
BauNVO § 14 Abs. 1
BauNVO § 14 Abs. 1 S. 1
BauNVO § 14 Abs. 1 S. 2
BauGB § 34
BauGB § 34 Abs. 2
Zur bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit von Hühnerzucht und Geflügelhaltung in einem allgemeinen Wohngebiet.
OBERVERWALTUNGSGERICHT RHEINLAND-PFALZ BESCHLUSS

8 B 11048/06.OVG

In dem Verwaltungsrechtsstreit

wegen Nutzungsuntersagung

hier: aufschiebende Wirkung

hat der 8. Senat des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz in Koblenz aufgrund der Beratung vom 2. Oktober 2006, an der teilgenommen haben

Vorsitzender Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Held Richter am Oberverwaltungsgericht Schauß Richter am Oberverwaltungsgericht Utsch

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 13. Juli 2006 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 2.500 € festgesetzt.

Gründe:

Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg. Die vom Antragsteller dargelegten Beschwerdegründe, auf deren Prüfung der Senat beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigen keine Abänderung des angefochtenen Beschlusses.

Das Verwaltungsgericht hat die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen eine bauaufsichtliche Verfügung des Antragsgegners abgelehnt, mit der dem Antragsteller die Zucht von Hühnern, die Haltung von mehr als 20 Stück Geflügel der Arten Gänse, Enten und Hühner einschließlich höchstens eines Hahnes sowie die Nutzung von je zwei ungenehmigten Hühnerställen und Pferchen zur Hühnerhaltung auf seinem Wohngrundstück unter Anordnung der sofortigen Vollziehung untersagt worden ist. Die beanstandeten Nutzungen seien nicht dem Wohnen untergeordnet und daher in einer Umgebung, die ein faktisches allgemeines Wohngebiet darstelle, gemäß § 14 Abs. 1 Satz 2 BauNVO unzulässig. Gleiches gelte, wenn man die Umgebung als faktisches Mischgebiet einstufe. Hiergegen ist auch unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens nichts zu erinnern.

Ob die Hühnerzucht oder die Haltung von mehr als zwanzig Stück Geflügel mit mehr als einem Hahn, wie sie der Antragsteller in der Vergangenheit mittels der auf seinem Grundstück vorhandenen baulichen Anlagen betrieben hat, in einem Dorf- oder Mischgebiet zulässig wäre, bedarf keiner Entscheidung. Denn die Vorinstanz hat die nähere Umgebung des Grundstücks des Antragstellers nach Maßgabe der in einem Eilverfahren allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung zu Recht als allgemeines Wohngebiet angesehen (1) und die vom Antragsteller bisher praktizierte Tierhaltung dort nach Art und Umfang für unzulässig erachtet (2).

1. Der Hinweis des Antragstellers auf einen in der K.-straße ... angeblich angesiedelten Baubetrieb, ein in der S.-straße ... betriebenes Steinmetzunternehmen und eine Schreinerei in der K.-straße ... begründet keine Zweifel an der erstinstanzlichen Einstufung des Gebietscharakters im Rahmen des § 34 Abs. 2 BauGB.

Hinsichtlich des angeblichen Baubetriebes hat der Antragsgegner substantiiert dargelegt, dass es sich um das Wohnhaus des Betriebsinhabers handelt, der seinen Bauhof an anderer Stelle im Ort hat und allenfalls vorübergehend im Rahmen einer Betriebsverlagerung ins neue Gewerbegebiet einige Baumaschinen bei seinem Wohnhaus gelagert haben könnte. Dies hat indessen keine ändernde Auswirkung auf den Gebietscharakter. Ungeachtet dessen sind nach den bereits in erster Instanz unbestritten gebliebenen Angaben des Antragsgegners weder für einen Baubetrieb noch für den erst seit dem 08. März 2006 angemeldeten Steinmetzbetrieb bisher Baugenehmigungen erteilt worden. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist aber eine vorhandene, nicht genehmigte Bebauung nur dann bei der Beurteilung des Gebietscharakters zu berücksichtigen, wenn sie in einer Weise geduldet wird, die keinen Zweifel daran lässt, dass sich die zuständigen Behörden mit dem Vorhandensein der Bauten abgefunden haben (s. z.B. BRS 60 Nr. 82). Da vorliegend keinerlei Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die beiden vom Antragsteller behaupteten, ungenehmigten Betriebe - sollten sie denn existieren - von der Bauaufsichtsbehörde auf Dauer in der Nachbarschaft der Wohnbebauung geduldet würden, sind sie für die Bestimmung des Gebietscharakters unerheblich.

Die in der K.-straße ... gelegene Schreinerei dürfte nach Maßgabe des vom Antragsteller vorgelegten Ortsplanes (Bl. 74 GA) nicht mehr zur näheren Umgebung seines Grundstücks gehören. Es spricht vieles dafür, dass diese allenfalls aus der zwischen K.-, G.- und S.-straße gelegenen Bebauung besteht.

Der Einwand, sieben Grundstücke weiter sei in der G.-straße bis vor ca. fünf Jahren eine Hühnerfarm durch einen Herrn W. betrieben worden, rechtfertigt nicht die Annahme, es handele sich bei der näheren Umgebung des Grundstücks des Antragstellers um ein Dorf- oder Mischgebiet. Eine bereits seit fünf Jahren (nach Angaben des Antragsgegners sogar seit zwölf Jahren) aufgegebene Nutzung ist regelmäßig nicht mehr geeignet, die Eigenart der näheren Umgebung mit zu prägen (s. dazu im einzelnen BVerwG, BRS 48 Nr. 137).

Durch das gleichzeitige Vorgehen des Antragsgegners gegen zwei weitere, übermäßige Hobbyhühnerhaltungen auf Grundstücken in der Nähe des Grundstücks des Antragstellers findet auch keine diesem nachteilige Änderung des Gebietscharakters statt. Vielmehr wird dieser unter Beachtung des Gleichbehandlungsgrundsatzes gegenüber unverträglichen, nicht bestandsgeschützten Nutzungen verteidigt.

2. Die (vom Antragsteller bisher betriebene) Nutzung baulicher Anlagen zur Zucht von Hühnern bzw. zur Haltung von mehr als zwanzig Stück Geflügel einschließlich mehr als eines Hahns verstößt nach zutreffender Auffassung der Vorinstanz im allgemeinen Wohngebiet gegen Bauplanungsrecht.

Derart genutzte Anlagen sind dort nach § 34 Abs. 2 BauGB, 4 BauNVO als Hauptnutzung unzulässig. Sie sind gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 und 2 BauNVO nur in Gestalt untergeordneter Nebenanlagen für Kleintierhaltung erlaubt, die dem Nutzungszweck der im Baugebiet gelegenen Grundstücke oder des Baugebietes selbst dienen und seiner Eigenart nicht widersprechen. Die Grenze für eine der Wohnnutzung noch zu- und untergeordnete Geflügelhaltung hat der Antragsgegner in der strittigen Verfügung im konkreten Fall vertretbar festgelegt. Seine Auffassung, die Zucht von Hühnern diene nicht mehr dem Wohnen, wird in der verwaltungsrechtlichen Rechtsprechung und Literatur (s. etwa die Nachweise bei VG Düsseldorf, Beschluss vom 14. Juli 2004 - 9 L 1992/04 -, juris Rn 19f.) weithin geteilt. Hinsichtlich der Haltung ist die Grenze der Unterordnung nicht erst dann überschritten, wenn davon eine Gefährdung der Nachbarschaft ausgeht. Vielmehr ist maßgebend, ob die Kleintierhaltung auch im Hinblick auf ihr Ausmaß den Rahmen der für eine Wohnnutzung typischen Freizeitbetätigung nicht sprengt (BVerwG, BRS 55 Nr. 51). Dieses Ausmaß wird nach zutreffender Auffassung der Vorinstanz und des Antragsgegners spätestens dann überschritten, wenn mehr als zwanzig Stück Geflügel der hier in Rede stehenden Arten mit mehr als einem Hahn gehalten werden. Ob in der Vergangenheit auch auf anderen Grundstücken eine größere Anzahl Hühner gehalten worden ist, ist insoweit ohne Belang. Eine solche, über die für eine Wohnnutzung typische Freizeitbeschäftigung hinausgehende Kleintierhaltung wäre ihrerseits unzulässig gewesen und rechtfertigt im Rahmen des § 14 Abs. 1 BauNVO keine Nachahmung. Die Ortsüblichkeit der Kleintierhaltung gewinnt erst Bedeutung bei der Frage, ob eine der Wohnnutzung untergeordnete Haltung gleichwohl der Eigenart des konkreten Baugebietes widerspricht.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren aus §§ 47 Abs. 1, 53 Abs. 3 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG.

Ende der Entscheidung

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