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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 23.05.2007
Aktenzeichen: LBGH A 11625/06.OVG
Rechtsgebiete: HeilBG, SGB X, ZPO, BOÄ


Vorschriften:

HeilBG § 20
HeilBG § 44
SGB X § 21
ZPO § 407
BOÄ F: 2002 § 2
BOÄ F: 2002 § 2 Abs. 5
BOÄ F: 2002 § 23
BOÄ F: 2002 § 23 Satz 3
Ein Arzt, der Anfragen des Amtes für Soziale Angelegenheiten in Schwerbehindertenverfahren nicht beantwortet oder angeforderte Befund- und Behandlungsberichte nicht in angemessener Zeit vorlegt, verletzt seine Berufspflichten.
LANDESBERUFSGERICHT FÜR HEILBERUFE BEI DEM OBERVERWALTUNGSGERICHT RHEINLAND-PFALZ IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

LBGH A 11625/06.OVG

In dem berufsgerichtlichen Verfahren

hat das Landesberufsgericht für Heilberufe bei dem Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz in Koblenz aufgrund der Beratung vom 23. Mai 2007, an der teilgenommen haben

Vizepräsident des Oberverwaltungsgerichts Steppling Vorsitzende Richterin am Oberverwaltungsgericht Wünsch Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Falkenstett ehrenamtlicher Beisitzer Internist Dr. Lamprecht ehrenamtlicher Beisitzer Chirurg Dr. von Lukowicz

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Kammermitgliedes gegen das Urteil des Berufsgerichts für Heilberufe beim Verwaltungsgericht Mainz vom 29. November 2006 wird zurückgewiesen.

Das Kammermitglied trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Gründe:

A.

I.

Mit Urteil vom 29. November 2006 hat das Berufsgericht für Heilberufe beim Verwaltungsgericht Mainz gegen das Kammermitglied einen Verweis und eine Geldbuße in Höhe von 5.000,00 € verhängt, weil es seine Berufspflichten gemäß § 20 Heilberufsgesetz i. V. m. §§ 2 Abs. 5 und 23 Satz 3 der Berufsordnung für die Ärztinnen und Ärzte in Rheinland-Pfalz verletzt habe.

Der Arzt beantragt mit seiner Berufung sinngemäß, unter Abänderung des Urteils des Berufsgerichts für Heilberufe ihn vom Vorwurf der Berufspflichtverletzung freizusprechen.

II.

Im Einzelnen hat sich folgender Sachverhalt ergeben:

Das .... geborene Kammermitglied ist Facharzt für Innere Medizin und in einer Einzelpraxis in T.... tätig.

Mit Schreiben vom 17. August 2004 beanstandete das Amt für Soziale Angelegenheiten gegenüber der Bezirksärztekammer Trier, dass das Kammermitglied regelmäßig seiner ihm obliegenden Verpflichtung zur Übersendung von Befund- und Behandlungsberichten in Schwerbehindertenverfahren nicht nachkomme. Da der Arzt die diesbezüglich an ihn gerichteten Rückfragen der Bezirksärztekammer unbeantwortet ließ, verhängte der Antragsteller gegen ihn mit Bescheid vom 10. Januar 2005 wegen Verstoßes gegen § 6 Abs. 2 der Berufsordnung für die Ärztinnen und Ärzte in Rheinland-Pfalz ein Ordnungsgeld in Höhe von 1.000,00 €. Trotz der Gewährung von Ratenzahlungen kam das Kammermitglied seiner Zahlungspflicht nicht nach; ein daraufhin eingeleitetes Vollstreckungsverfahren blieb bislang ohne Erfolg.

Ab Januar 2005 gingen bei der Bezirksärztekammer Trier weitere Beanstandungen des Amtes für Soziale Angelegenheiten ein, in denen dem Kammermitglied erneut vorgehalten wurde, in verschiedenen Schwerbehindertenverfahren die von ihm angeforderten Befund- und Behandlungsberichte nicht vorgelegt zu haben. Auf Grund einer daraufhin von der Bezirksärztekammer zu zwei dieser Fälle am 10. Januar 2005 erbetenen Stellungnahme teilte der Arzt am 17. Februar 2005 mit, dass er die beiden angemahnten Berichte inzwischen dem Amt zugeleitet habe. Zwei nachfolgende Anfragen der Bezirksärztekammer vom 28. Februar und 14. März 2005 bezüglich dreier weiterer Beanstandungen ließ das Kammermitglied unbeantwortet; ebenso kam es der im Zusammenhang mit einer weiteren Beanstandung an ihn gerichteten Einladung vom 29. August 2005 zu einem Gesprächstermin am 11. Mai 2005 nicht nach. Daraufhin bat der Vorstand der Bezirksärztekammer Trier den Antragsteller erneut um die Festsetzung eines Ordnungsgeldes gegen den Arzt.

Nachdem in der Folgezeit weitere Beanstandungen bei der Bezirksärztekammer eingegangen waren, beschloss der Antragsteller in seiner Sitzung vom 14. September 2005, berufsgerichtlich gegen das Kammermitglied vorzugehen. Dabei gab er diesem Gelegenheit, sich zu den gegen ihn erhobenen, inzwischen 12 Schwerbehindertenverfahren betreffenden Vorwürfen zu äußern. Daraufhin ließ der Arzt am 24. November 2005 vortragen, dass er zwischenzeitlich die angeforderten Auskünfte erteilt bzw. die Anfragen beantwortet habe, so dass der Verstoß gegen die ärztliche Berichtspflicht geheilt sei; von daher bitte er um die Einstellung des Verfahrens.

Der Antragsteller hat wegen der nach seiner Auffassung hartnäckigen Verletzung der Pflicht des Arztes zur Bearbeitung von Anfragen in Schwerbehindertenangelegenheiten und zur Erstellung der erbetenen Berichte in angemessener Zeit die Einleitung eines berufsgerichtlichen Verfahrens beantragt.

Der Arzt hat hiergegen eingewandt: Er habe sich im Zeitraum zwischen dem 9. und 24. März 2006 wegen einer Operation (Prostatakarzinom) im Krankenhaus sowie sodann in einer anschließenden Rehabilitationsphase befunden; vorher sei er mit der Feststellung konfrontiert worden, dass er an einem bösartigen Karzinom leide. Er habe sich nach den Rückfragen der Bezirksärztekammer Trier durchaus geäußert und die angeforderten Stellungnahmen abgegeben; künftige Gesuche werde er unverzüglich bearbeiten.

III.

Dieser Sachverhalt steht fest aufgrund der zum Gegenstand der Beratung gemachten Vorgänge der Bezirksärztekammer Trier und des Antragstellers sowie der Einlassungen des Kammermitgliedes selbst.

B.

I.

Das Landesberufsgericht für Heilberufe konnte über die Berufung des Kammermitgliedes gemäß § 86 Abs. 1 Satz 2 des Heilberufsgesetzes vom 20. Oktober 1978 (GVBl. S. 649) - HeilBG - mit seinen nachfolgenden Änderungen zuletzt durch Gesetze vom 14. Juni 2004 (GVBl. S. 332) und 2. März 2006 (GVBl. S. 56) - HeilBG - ohne mündliche Verhandlung entscheiden, nachdem dieses wie auch der Antragsteller sich mit einer derartigen Entscheidung einverstanden erklärt haben.

Das Kammermitglied hat eine schuldhafte Berufspflichtverletzung begangen, die gemäß § 43 Abs. 1 zu ahnden war. Es hat die ihm nach § 20 HeilBG i. V. m. §§ 2 Abs. 5 und 25 Satz 3 der Berufsordnung für die Ärztinnen und Ärzte in Rheinland-Pfalz - BOÄ - in der hier anzuwendenden, am 2. September 2002 in Kraft getretenen Fassung obliegenden Berufspflichten verletzt.

Nach § 20 HeilBG ist ein Arzt verpflichtet, seinen Beruf gewissenhaft auszuüben und dem ihm im Zusammenhang mit diesem Beruf entgegengebrachten Vertrauen zu entsprechen. Dabei gehört es zur gewissenhaften Berufsausübung, dass der Arzt gemäß § 2 Abs. 5 BOÄ sich über die für die Berufausübung geltenden Vorschriften unterrichtet hält, was deren Beachtung einschließt, sowie Gutachten und Zeugnisse, zu deren Ausstellung er verpflichtet ist, gemäß § 25 Satz 3 BOÄ innerhalb einer angemessenen Frist abgibt.

Diesen Verpflichtungen ist das Kammermitglied nicht nachgekommen, indem es die gesetzlichen Vorgaben in § 21 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) in der Fassung der Bekanntmachung vom 18. Januar 2001 (BGBl. I S. 130) mit seinen nachfolgenden Änderungen i.V.m. § 407 ZPO, wonach Ärzte in Schwerbehindertenangelegenheiten die Pflicht zur Erstattung von Sachverständigengutachten trifft, nicht zur Kenntnis genommen bzw. nicht beachtet hat. Stattdessen hat der Arzt die im Zeitraum von August 2004 bis Juli 2005 an ihn gerichteten Anfragen des Amtes für Soziale Angelegenheiten in 12 Schwerbehindertenverfahren trotz jeweils nachfolgender zweifacher Erinnerungen und eines zusätzlichen Vernehmungsersuchens an das Sozialgericht Trier zunächst schlichtweg unbeantwortet gelassen. Ihre Bearbeitung erfolgte erst, nachdem das in Rede stehende Amt diese Säumnisse ab Januar 2005 bei der Bezirksärztekammer beanstandet und diese daraufhin das Kammermitglied um entsprechende Stellungnahme hierzu gebeten hatte, im Februar 2005 in zwei Fällen bzw., nachdem der von der Bezirksärztekammer angerufene Antragsteller die Beantragung des berufsgerichtlichen Verfahrens in Aussicht genommen hatte, im November 2005 in den verbliebenen Fällen. Damit ergaben sich Bearbeitungszeiten von mehreren Monaten bzw. zum Teil sogar von über einem Jahr.

Dass unter diesen Umständen nicht von der Vorlage der vom Arzt erbetenen Befund- und Behandlungsberichte innerhalb der von der Berufsordnung geforderten angemessenen Frist die Rede sein kann, bedarf keiner Vertiefung. Dies gilt umso mehr, als das Kammermitglied selbst weder nach dem Eingang der jeweiligen Anfragen bzw. nachfolgenden Erinnerungen gegenüber dem Amt für Soziale Angelegenheiten noch später aus Anlass der verschiedenen Rückfragen der Bezirksärztekammer irgendwelche Hinderungsgründe für eine zeitnahe Bearbeitung geltend gemacht hatte. Auch sein erstmals im berufsgerichtlichen Verfahren diesbezüglich vorgetragener Krankenhausaufenthalt mit anschließender Rehabilitationsphase im Frühjahr 2006 erweist sich bezogen auf den hier in Rede stehenden Zeitraum ab August 2004 bis Juli 2005 als unbehelflich. Dass der Arzt in dem insoweit maßgeblichen Zeitraum bereits der Konfrontation mit dem Befund eines bei ihm bestehenden bösartigen Karzinoms ausgesetzt war, lässt sich mangels jeglicher Anhaltspunkte für dessen zeitliche Einordnung gleichfalls nicht feststellen, zumal er sich nach der Androhung des berufsgerichtlichen Verfahrens offensichtlich noch im November 2005 in der Lage gesehen hatte, die damals noch offenen zahlreichen Anfragen nunmehr binnen kürzester Zeit abzuarbeiten.

Schließlich hat das Kammermitglied die ihm hiernach vorzuhaltenden Pflichtverstöße auch vorsätzlich begangen. Dies ergibt sich ohne weiteres daraus, dass entsprechende Säumnisse bereits den Ausgangspunkt des vorausgegangenen Ordnungsgeldverfahrens gebildet hatten und ihm demgemäß auch damals schon vorgehalten worden waren, folgt im Übrigen aber ebenso aus den zahlreichen dem vorliegenden berufsgerichtlichen Verfahren vorausgegangenen Erinnerungen des Amtes für soziale Angelegenheiten bzw. wiederholten Rückfragen der Bezirksärztekammer Trier.

II.

Bei den nach § 44 HeilBG zu verhängenden Maßnahmen fällt ins Gewicht, dass der Arzt sich hartnäckig über die für seine Berufsausübung geltenden Vorschriften hinweggesetzt hat und sich um die 12 Anfragen trotz jeweils zweimaliger Erinnerungen zunächst schlichtweg nicht gekümmert hat bzw. selbst angesichts der Rückfragen der Bezirksärztekammer - abgesehen von zwei Fällen - keinen Anlass für deren alsbaldige Bearbeitung gesehen hat. Erschwerend kommt hinzu, dass er sich auch das vorangegangene Ordnungsgeldverfahren trotz eines entsprechenden Hintergrundes insoweit nicht etwa hat als Warnung dienen lassen. Ebenso spricht in diesem Zusammenhang gegen ihn, dass es ihm selbst mit seiner im berufsgerichtlichen Verfahren abgegebenen Zusage, jedenfalls künftig die diesbezüglich an ihn gerichteten Anfragen in angemessener Zeit zu bearbeiten, ersichtlich nicht ernst gemeint ist, nachdem er eine weitere Anfrage vom 7. Dezember 2005 trotz dreier nachfolgender Erinnerungen zuletzt vom 22. März 2006 jedenfalls bis Ende April 2006 noch nicht bearbeitet hatte.

Nach alledem hatte es aus der Sicht des Landesberufsgerichts für Heilberufe nicht nur bei dem gegen das Kammermitglied im erstinstanzlichen Verfahren ausgesprochenen Verweis, sondern ebenso bei der gegen ihn verhängten Geldbuße in der festgesetzten Höhe von 5.000,00 € zu verbleiben, um dem Arzt so nochmals die Pflichtwidrigkeit seines Verhaltens deutlich vor Augen zu führen und ihn dazu anzuhalten, künftig seinen Pflichten zur Vorlage der von ihm in Schwerbehindertenverfahren erbetenen Befund- und Behandlungsberichte in angemessener Frist zu genügen. Anhaltspunkte dafür, dass es mit Blick auf die wirtschaftlichen Verhältnisse des Kammermitgliedes bei einer geringeren Geldbuße zu belassen gewesen wäre, sind nicht ersichtlich, insbesondere werden solche von ihm selbst nicht geltend gemacht.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 94 Abs. 4 Satz 1 HeilBG.

Ende der Entscheidung

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