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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 27.11.2007
Aktenzeichen: VGH O 27/07
Rechtsgebiete: GG, LV


Vorschriften:

GG Art. 21
GG Art. 21 Abs. 2
GG Art. 21 Abs. 2 Satz 2
LV Art. 130
LV Art. 130 Abs. 1
LV Art. 130 Abs. 1 Satz 2
1. Die rheinland-pfälzische Landesverfassung ist vom Prinzip der wehrhaften Demokratie geprägt. Dementsprechend verpflichtet sie insbesondere die zur Staatsleitung berufenen Verfassungsorgane, zum Schutz der Verfassung aktiv für die freiheitliche demokratische Grundordnung einzutreten.

2. In Wahrnehmung dieses Schutzauftrages ist der Minister des Innern und für Sport auch befugt, an der öffentlichen Auseinandersetzung darüber teilzunehmen, ob Ziele und Verhalten einer Partei oder deren Mitglieder mit der verfassungsmäßigen Ordnung vereinbar sind. Er darf dabei die Öffentlichkeit über seine Erkenntnisse unterrichten und damit auch Bewertungen verbinden sowie Handlungsmöglichkeiten aufzeigen. Der in Art. 21 GG und der Landesverfassung umschriebene Status der politischen Parteien steht dem nicht entgegen.

3. Die Verfassung verlangt allerdings, dass die Teilnahme staatlicher Stellen an der öffentlichen Auseinandersetzung das Recht politischer Parteien auf Chancengleichheit wahrt. Informationen müssen auf tatsächlichen Grundlagen beruhen, Bewertungen einer Partei als extremistisch oder verfassungsfeindlich dürfen nicht willkürlich oder sachfremd sein.

4. Die vom Minister des Innern und für Sport im Mai 2007 herausgegebene Broschüre "Maßnahmen gegen Rechtsextremismus: Ein Handlungsleitfaden für kommunale Entscheidungsträger" steht mit den vorgenannten Grundsätzen in Einklang.


VERFASSUNGSGERICHTSHOF RHEINLAND-PFALZ IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

VGH A 22/07 VGH O 27/07

Verkündet am 27.11.2007

In den Verfahren

betreffend die Organklage sowie den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands - NPD -, Landesverband Rheinland-Pfalz, vertreten durch den Geschäftsführenden Landesvorstand,

gegen den Minister des Innern und für Sport, Schillerplatz 3-5, 55116 Mainz,

wegen Einflussnahme auf die kommunalen Gebietskörperschaften zu Lasten der NPD

hat der Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz in Koblenz aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 27. November 2007, an der teilgenommen haben

Präsident des Verfassungsgerichtshofs Prof. Dr. Meyer Präsident des Oberlandesgerichts Dury Präsident des Oberlandesgerichts Bartz Vizepräsident des Oberverwaltungsgerichts Steppling Universitätsprofessor Dr. Dr. Merten Kreisverwaltungsdirektorin Kleinmann Präsidentin des Verwaltungsgerichts Dr. Freimund-Holler Bürgermeister Dr. Saftig Historikerin Meier-Hussing,

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Organklage der Antragstellerin wird zurückgewiesen.

Damit erledigt sich zugleich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.

A.

Die Antragstellerin erstrebt, in einem Organstreitverfahren gemäß Art. 130 Abs. 1 Satz 2 der Verfassung für Rheinland-Pfalz - LV - dem Antragsgegner aufzugeben, die von ihm unter dem Titel "Kommunen gegen Rechtsextremismus" herausgegebene Broschüre nicht weiter zu verbreiten, verbreitete Exemplare einzuziehen und zu vernichten, jedenfalls aber solche Textpassagen zu streichen, die konkret auf die Antragstellerin Bezug nehmen. Die behaupteten Ansprüche sollen durch den Erlass einer einstweiligen Anordnung gesichert werden.

I.

Im Mai 2007 erschien die erste Auflage der Broschüre mit dem Untertitel "Maßnahmen gegen Rechtsextremismus: Ein Handlungsleitfaden für kommunale Entscheidungsträger". Die Schrift gliedert sich in drei Teile, in denen Maßnahmen der Landesregierung (I.) und Handlungsmöglichkeiten auf kommunaler Ebene bei der Bekämpfung des Rechtsextremismus (II.) sowie ein Ausblick (III.) aufgezeigt werden. Teil II. beschreibt vier Fallbeispiele (Versuch des Kaufs einer Immobilie, Demonstrationen, Anwerbung von Jugendlichen durch Musik - "Schulhof-CDs" -, Umgang mit Wortmeldungen von Rechtsextremisten in Veranstaltungen) unter teilweiser ausdrücklicher Nennung der Antragstellerin. Sie wird auch im abschließenden Ausblick erwähnt. Sonstige Parteien werden in der Broschüre nicht namentlich bezeichnet.

II.

Die Antragstellerin rügt, der Antragsgegner habe durch seine Einflussnahme auf die Kommunen des Landes mit dem Ziel, sie zu einem Handeln gegen Rechtsextremisten anzuhalten, gegen Art. 21 des Grundgesetzes - GG - verstoßen, dessen Gewährleistungen auch durch die Landesverfassung verbürgt seien. Mit dem Leitfaden werde versucht, ihre politische Arbeit gezielt zu stören, da nur sie, nicht aber andere Parteien als Objekt empfohlener Maßnahmen genannt werde. Zu einem solchen gezielten Vorgehen sei der Antragsgegner nicht berechtigt. Er leiste letztlich Parteiarbeit zu Gunsten der SPD unter Verwendung von Steuermitteln. Das aus Art. 21 GG folgende Gleichbehandlungsgebot werde so verletzt. Insbesondere sei der in dem Leitfaden erhobene Vorwurf nicht gerechtfertigt, sie habe Scheingeschäfte im Immobilienbereich getätigt.

III.

1. Der Antragsgegner hält den Antrag für unzulässig, jedenfalls für unbegründet.

Es sei zweifelhaft, ob die Antragstellerin über die als "andere Beteiligte" in einem Organstreitverfahren gemäß Art. 130 Abs. 1 Satz 2 LV erforderliche Antragsbefugnis verfüge. Prinzipiell könne sie sich auf eine Verletzung des ihr durch Art. 21 GG als einen ungeschriebenen Bestandteil des Landesverfassungsrechts gewährleisteten Status berufen. Die danach dem Bundesverfassungsgericht vorbehaltene Entscheidung über die Verfassungswidrigkeit einer Partei schließe ein administratives Einschreiten gegen den Bestand einer politischen Partei trotz ihrer feindlichen Einstellung gegenüber der freiheitlichen demokratischen Grundordnung aus. Der von der Antragstellerin gerügten Maßnahme fehle es an der in diesem Sinne erforderlichen unmittelbaren Rechtserheblichkeit. Die Broschüre, die nur mögliche Handlungsoptionen der Kommunen in der Auseinandersetzung mit dem politischen Rechtsextremismus aufzeige, erfülle lediglich eine Informations-, Beratungs- und Aufklärungsfunktion. Rechtliche Auswirkungen besäßen erst konkrete Maßnahmen der Kommunen, die sie in eigener Verantwortung treffen müssten. Hiergegen stehe der Antragstellerin der Rechtsweg offen.

Darüber hinaus sei der Inhalt der Broschüre sachlich nicht zu beanstanden. Der Schutz der Verfassung stelle nach Grundgesetz und Landesverfassung eine Aufgabe aller Staatsorgane dar. Dabei dürften Verfassungsorgane - statt auf ein Verbotsverfahren hinzuwirken - zunächst versuchen, eine Partei, die sie für verfassungswidrig hielten, durch eine mit Argumenten geführte politische Auseinandersetzung in die Schranken zu verweisen. Ein Kernelement dieser Auseinandersetzung bilde die Aufklärung der Bevölkerung über extremistische Bestrebungen. Mit dem Leitfaden komme man daher einer Informationsverpflichtung nach. Die Broschüre stelle keine falschen Behauptungen auf und setze sich sachlich mit dem Vorgehen von Rechtsextremisten auseinander. In ihr mitgeteilte Handlungsempfehlungen bedeuteten keineswegs Anweisungen an kommunale Gebietskörperschaften.

2. Der Landtag Rheinland-Pfalz erachtet den Antrag für offensichtlich unbegründet. Die mehrfache Erwähnung der Antragstellerin in der Broschüre "Kommunen gegen Rechtsextremismus" stelle keine Maßnahme dar, die mit dem Entscheidungsmonopol des Bundesverfassungsgerichts nach Art. 21 Abs. 2 Satz 2 GG über die Verfassungswidrigkeit einer Partei unvereinbar wäre. Auch ohne eine solche Feststellung könne die Überzeugung vertreten werden, eine Partei verfolge verfassungsfeindliche Ziele. So müssten etwa auch die Aufnahme in den jährlichen Verfassungsschutzbericht und die damit verbundenen faktischen Nachteile für eine Partei hingenommen werden. Nichts anderes könne für die mehrfache Erwähnung der Antragstellerin in der fraglichen Broschüre gelten. Die in ihr enthaltenen Bewertungen seien deutlich weniger schwerwiegend als die in dem aktuellen rheinland-pfälzischen Verfassungsschutzbericht 2006 getroffenen Feststellungen. Der Inhalt der Broschüre stelle auch keine offene oder versteckte Werbung zu Gunsten der Regierungspartei dar. Vielmehr komme der Minister des Innern und für Sport seiner verfassungsrechtlichen Aufgabe nach, verfassungsfeindlichen Bestrebungen politischer Parteien entgegenzutreten.

B.

Es bestehen bereits Bedenken gegen die Zulässigkeit der Organklage. Die Klage ist aber jedenfalls unbegründet.

I.

1. Die Antragstellerin kann als politische Partei die behauptete Verletzung ihres verfassungsrechtlichen Status durch ein Verfassungsorgan im Wege des Organstreits gemäß Art. 130 Abs. 1 LV geltend machen. Zwar erwähnt der durch Gesetz vom 8. März 2000 (GVBl. S. 65) neu gefasste Art. 130 Abs. 1 LV die Antragsberechtigung politischer Parteien nicht mehr ausdrücklich. Sie sind jedoch als durch die Landesverfassung mit eigenen Rechten ausgestattete "andere Beteiligte" im Sinne des Art. 130 Abs. 1 Satz 2 LV befugt, ein Organstreitverfahren einzuleiten. Art. 21 GG, der die politischen Parteien als verfassungsrechtlich notwendige Instrumente für die politische Willensbildung des Volkes anerkennt und ihnen einen verfassungsrechtlichen Status zuweist, gilt nicht nur für den Bereich des Bundes, sondern unmittelbar auch für die Länder. Der den politischen Parteien durch Art. 21 GG verliehene verfassungsrechtliche Status kommt ihnen daher auch in der Verfassungsordnung der Länder zu (BVerfGE 66, 107, [114 m.w.N.]). Es handelt sich insoweit um einen ungeschriebenen Bestandteil der Landesverfassung (Jutzi, in: Grimm/Caesar, Verfassung für Rheinland-Pfalz, Einleitung C Rn. 28). Diese Sichtweise entspricht dem erklärten Willen des verfassungsändernden Landesgesetzgebers, wonach durch eine dem Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG entsprechende Formulierung die Parteien insoweit antragsbefugt bleiben sollten, als sie durch gesetzgeberische oder exekutive Akte in ihrem verfassungsmäßigen Status betroffen seien (Begründung des Gesetzentwurfs zur Verfassungsänderung, LT-Drucks. 13/5066, S. 15; Bericht der Enquete-Kommission "Verfassungsreform", LT-Drucks. 12/5555, S. 89; Bier, in: Grimm/Caesar, a.a.O., Art. 130 Rn. 30).

2. Der Antrag einer politischen Partei im Organstreit ist gemäß Art. 130 Abs. 1 Satz 2 LV allerdings nur zulässig, soweit sie geltend macht, durch eine Maßnahme oder ein Unterlassen des Antragsgegners in eigenen verfassungsmäßigen Rechten verletzt zu sein. Die zur Nachprüfung gestellte Maßnahme muss daher rechtserheblich sein oder sich zumindest zu einem die Rechtsstellung der Antragstellerin beeinträchtigenden, rechtserheblichen Verhalten verdichten können; die Verletzung oder Gefährdung der Rechte und Pflichten muss sich aus dem Sachvortrag als mögliche Rechtsfolge ergeben (BVerfGE 13, 123 [125]; 57, 1 [5]). Es bestehen nachhaltige Zweifel, ob die Antragstellerin in diesem Sinne eine Verletzung oder Gefährdung ihr zustehender Rechte dargetan hat.

a) Nach Art. 21 Abs. 2 Satz 2 GG kann nur das Bundesverfassungsgericht in dem dafür vorgesehenen Verfahren (§§ 43 ff. BVerfGG) die verbindliche Feststellung treffen, eine Partei sei verfassungswidrig. Das Entscheidungsmonopol des Gerichts schließt ein administratives Einschreiten gegen den Bestand einer politischen Partei schlechthin aus, mag sie sich gegenüber der freiheitlichen demokratischen Grundordnung noch so feindlich verhalten. Bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts kann deshalb niemand die Verfassungswidrigkeit einer Partei rechtlich geltend machen. Weder Verfassungsorgane des Bundes noch der Länder haben die verfassungsrechtliche Möglichkeit, von sich aus die Antragstellerin an der Ausübung der in Art. 21 GG umschriebenen Rechte oder Pflichten zu hindern. Denn an der Bestands- und Schutzgarantie ("Parteienprivileg") des Grundgesetzes und der Landesverfassung hat auch die Antragstellerin vollen Anteil. Gegen sie, ihre Funktionäre, Mitglieder und Anhänger dürfen wegen ihrer mit erlaubten Mitteln durchgeführten parteioffiziellen Tätigkeiten keine rechtlichen Sanktionen angedroht oder verhängt werden (BVerfGE 40, 287 [291]; 57, 1 [6]).

b) Es ist fraglich, ob die Antragstellerin eine Gefährdung oder gar eine Verletzung ihrer verfassungsrechtlich gewährleisteten Bestands- und Schutzgarantie hinreichend substantiiert dargelegt hat. Die von ihr beanstandete Broschüre enthält, soweit Handeln der Antragstellerin als Beispiel rechtsextremer Aktivitäten genannt wird, überwiegend wertende Feststellungen, an die keine rechtliche Auswirkungen geknüpft sind. Zudem behauptet die Antragstellerin selbst nicht, in der Broschüre mitgeteilte tatsächliche Abläufe seien unzutreffend wiedergegeben worden. Unter diesen Umständen könnte es an ihrer unmittelbaren rechtlichen Betroffenheit fehlen. Sie kann sich nämlich weiterhin - wie jede andere Partei - auf die verfassungsrechtlich verbürgten Prinzipien der Gründungs- und Betätigungsfreiheit berufen und die in § 1 Abs. 2 des Parteiengesetzes - ParteiG - umschriebenen Tätigkeiten von Rechts wegen ungehindert ausüben. Ihr Recht und die faktische Möglichkeit, sich zur Wahl zu stellen, bleiben unangetastet. Ihr ist auch unbenommen, sich öffentlich gegen die von ihr für falsch gehaltenen Beurteilungen seitens der Antragsgegnerin zur Wehr zu setzen und sich dem Bürger so darzustellen, wie es ihrem Selbstverständnis entspricht. Ungeschmälert bleiben ferner ihr Anspruch auf Gleichbehandlung gemäß § 5 ParteiG, wenn ein Träger öffentlicher Gewalt den Parteien Einrichtungen zur Verfügung stellt oder andere öffentliche Leistungen gewährt, sowie ihr Anspruch auf Erstattung der Wahlkampfkosten. Ihre Anhänger, Mitglieder und Funktionäre sind nicht gehindert, mit erlaubten Mitteln für die Ziele der Partei zu werben, an Wahlen teilzunehmen und bei entsprechendem Wahlerfolg ein Abgeordnetenmandat einzunehmen. Bei Beeinträchtigungen dieser Rechte steht der Partei oder ihren Mitgliedern der Rechtsweg offen (BVerfGE 57, 1 [6 f.]; vgl. auch OVG RP, AS 28, 46). Soweit im Übrigen aus der genannten Broschüre für die Antragstellerin faktische Nachteile entstehen, ist sie dagegen nicht durch Art. 21 GG geschützt (BVerfGE 39, 334 [360]; 40, 287 [293]).

Letztlich kann die Frage, ob unter diesen Umständen gleichwohl eine Antragsbefugnis der Antragstellerin gegeben ist, dahingestellt bleiben; ihr Antrag ist nämlich jedenfalls unbegründet.

II.

1. Das Land Rheinland-Pfalz versteht sich als wehrhafte Demokratie. Die Landesverfassung selbst gibt in der Überschrift ihres VII. Abschnitts den Schutz der Verfassung als Aufgabe vor, die allen staatlichen Organen obliegt. Darüber hinaus trifft die Landesverfassung Vorkehrungen gegen ihre Bedrohung und institutionalisiert besondere Verfahren zur Abwehr von Angriffen auf die verfassungsmäßige Ordnung (z.B. Art. 20, Art. 77 Abs. 2, Art. 112, Art. 126 Abs. 1, Art. 129 Abs. 2, Art. 130, Art. 130 a, Art. 131 Abs. 1, Art. 132). Aus dieser Grundentscheidung der Landesverfassung für eine wehrhafte Demokratie folgt der insbesondere allen Verfassungsorganen erteilte Auftrag, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu wahren und aktiv für sie einzutreten (vgl. BVerfGE 39, 334 [349]; 40, 287 [292]; 57, 1 [8]).

In Wahrnehmung dieses Schutzauftrages ist der Minister des Innern und für Sport auch befugt, an der öffentlichen Auseinandersetzung darüber teilzunehmen, ob Ziele und Verhalten einer Partei oder deren Mitglieder mit der verfassungsmäßigen Ordnung vereinbar sind. Dabei darf er sich auf seine verfassungsunmittelbare Aufgabe der Staatsleitung stützen, ohne dass es einer zusätzlichen gesetzlichen Ermächtigung bedarf. Diese Aufgabe, bei der es um die politische Führung, die verantwortliche Leitung des Ganzen der Politik geht und die sich die hierzu vorrangig berufene Landesregierung mit anderen Verfassungsorganen teilt, wird nicht allein mit den Mitteln der Gesetzgebung und der richtungweisenden Einwirkung auf den Gesetzesvollzug wahrgenommen, sondern auch durch die Verbreitung von Informationen an die Öffentlichkeit (vgl. BVerfGE 105, 252 [268]; 105, 279 [301]). In diesem Zusammenhang dürfen die zuständigen Verfassungsorgane grundsätzlich das tatsächliche Verhalten von Gruppen oder deren Mitgliedern wertend als extremistisch und verfassungsfeindlich beurteilen (vgl. BVerfGE 113, 63 [78]). Ebenso sind sie befugt, im Anschluss an solche Wertungen Handlungsmöglichkeiten - etwa für die Kommunen - aufzuzeigen.

Bei der Festlegung der Kompetenzen und Informationsbefugnisse, die dem Antragsgegner bei der Erfüllung seiner Aufgaben der Staatsleitung und des Schutzes der Landesverfassung eröffnet sind, ist auch zu berücksichtigen, dass die Landesregierung gemäß § 43 Abs. 2 BVerfGG beim Bundesverfassungsgericht einen Antrag nach Art. 21 Abs. 2 GG auf Entscheidung, ob eine Partei verfassungswidrig ist, nur gegen eine Partei stellen kann, deren Organisation sich auf das Gebiet ihres Landes beschränkt. Die Landesregierung als Ganzes wie auch der Minister des Innern und für Sport als selbständiges Verfassungsorgan (vgl. VerfGH RP, AS 26, 4 [8]) sind daher von vornherein gezwungen, die Auseinandersetzung mit der von ihnen für rechtsextremistisch und verfassungsfeindlich gehaltenen Antragstellerin im politischen Feld zu führen. Hierfür ist eine Unterrichtung der Öffentlichkeit unerlässlich, wie sie gemäß § 7 Abs. 2 des Landesverfassungsschutzgesetzes - LVerfSchG - ohnehin dem fachlich zuständigen Minister hinsichtlich der ihm gemäß § 5 LVerfSchG übertragenen Beobachtungsaufgaben obliegt.

Die Verfassung verlangt allerdings, dass die Teilnahme staatlicher Stellen an der öffentlichen Auseinandersetzung das Recht politischer Parteien auf Chancengleichheit wahrt. Informationen müssen auf tatsächlichen Grundlagen beruhen, Bewertungen einer Partei als extremistisch und verfassungsfeindlich dürfen nicht willkürlich sein. Danach wäre es unzulässig, eine vom Bundesverfassungsgericht nicht verbotene politische Partei in der Öffentlichkeit nachhaltig verfassungswidriger Zielsetzung und Betätigung zu verdächtigen, wenn diese Maßnahme bei verständiger Würdigung der die Landesverfassung beherrschenden Gedanken nicht mehr verständlich wäre und sich daher der Schluss aufdrängte, dass sie auf sachfremden Erwägungen beruhte (vgl. BVerfGE 40, 287 [293]; 57, 1 [7]). Dies ist hier indessen nicht der Fall.

2.a) Der Leitfaden "Kommunen gegen Rechtsextremismus" ist neben einer Darstellung bereits von der Landesregierung ergriffener Maßnahmen in erster Linie darauf angelegt, den Kommunen generell Handlungsmöglichkeiten gegen Rechtsextremisten auf kommunaler Ebene aufzuzeigen. Eine ausschließliche Ausrichtung auf die Antragstellerin lässt sich nicht feststellen. Allerdings wird sie als einzige konkret benannte Organisation mehrfach im zweiten Teil der Broschüre erwähnt, in dem vier Fallbeispiele rechtsextremer Aktivitäten beschrieben sind. Den Schwerpunkt bildet dabei das Auftreten der Antragstellerin auf dem Immobilienmarkt. So wird der Vorwurf erhoben, sie habe Scheingeschäfte angestrebt, die dazu dienen sollten, finanziell an der Ausübung eines Vorkaufsrechts durch die betroffene Gemeinde zu partizipieren. In weiteren Kapiteln wird die Absicht der Antragstellerin verdeutlicht, Jugendliche für ihre politischen Ziele durch den Einsatz einer "Schulhof-CD" als Werbemittel zu gewinnen. Schließlich wird die der Antragstellerin zugeschriebene so genannte "Wortergreifungsstrategie" geschildert. Damit ist das offensive Auftreten von Rechtsextremisten in öffentlichen Veranstaltungen gemeint, die mit Wortmeldungen und Redebeiträgen ihre eigene politische Auffassung in Veranstaltungen Dritter publik machen wollen.

b) Soweit in diesen Zusammenhängen in der Broschüre tatsächliche Abläufe beschrieben werden, sind sie sachlich zutreffend. Dies wird auch von der Antragstellerin nicht in Abrede gestellt. Gegen negative Werturteile ("Scheingeschäft"), welche die Landesregierung in Wahrnehmung ihrer verfassungsrechtlichen Schutzpflichten trifft, bietet Art. 21 GG grundsätzlich keinen Schutz. Hieran sind keinerlei rechtliche Auswirkungen geknüpft. Faktische Nachteile, die daraus für eine Partei entstehen können, sind hinzunehmen (BVerfGE 40, 287 [293]; 57, 1 [6]).

Auch beruht die Benennung der Antragsgegnerin im Zusammenhang mit rechtsextremistischen Aktivitäten auf hinreichenden tatsächlichen Anhaltspunkten. Nach der im Landesverfassungsschutzbericht 2006 des Ministeriums des Innern und für Sport wiedergegebenen Einschätzung handelt es sich bei der NPD um "eine unverhohlen nationalistische Partei, die im rechtsextremistischen Spektrum zu den aggressivsten Organisationen" zähle (S. 30). Dieser Bewertung entspricht die Feststellung im Verfassungsschutzbericht 2006 des Bundesministeriums des Innern, die NPD halte "unverändert an ihrer offenen, aggressiv-kämpferischen Feindschaft gegenüber der freiheitlichen demokratischen Grundordnung fest" (S. 67). Darüber hinaus schildert der Landesverfassungsschutzbericht 2006, Ausgangspunkt der Propaganda sei oftmals die Gemeinde- und Kreisebene. Die NPD versuche "durch regionale Verankerung den Einzug in weitere Parlamente vorzubereiten" und setze "dabei auf lokale Akzeptanz" (S. 35). Die wiedergegebenen Passagen der beiden Verfassungsschutzberichte, gegen die die Antragstellerin gerichtlich nicht vorgegangen ist, rechtfertigen die Erwähnung der Antragstellerin in der fraglichen Broschüre als Beispiel für rechtsextremistische Aktivitäten. Gerade die Einschätzung, die Antragstellerin strebe auf der Grundlage ihrer extremistischen Ausrichtung eine regionale Verankerung an, trägt die Absicht des Antragsgegners, sich speziell an die Kommunen des Landes mit einer solchen Informationsschrift zu wenden. Ihnen werden entgegen der Auffassung der Antragstellerin auch keinerlei Handlungsanweisungen erteilt. Vielmehr bleibt es ihrer autonomen Entscheidung vorbehalten, ob sie in ihrem Zuständigkeitsbereich konkrete Maßnahmen ergreifen, gegen die im Einzelfall um fachgerichtlichen Rechtsschutz nachgesucht werden kann. Des Weiteren sind die in der Broschüre genannten Beispiele für das Auftreten der Antragstellerin auf dem Immobilienmarkt gleichfalls im Landesverfassungsschutzbericht 2006 wiedergegeben (S. 39). Entsprechendes gilt hinsichtlich der so genannten "Schulhof-CD" (S. 40). Schließlich beschreibt auch der Verfassungsschutzbericht 2006 des Bundesministeriums des Innern die sog. "Wortergreifungsstrategie" der NPD, die ebenfalls als Fallbeispiel im Rahmen des Handlungsleitfadens erörtert wird.

Unter diesen Umständen sind keine Ansatzpunkte dafür ersichtlich, die in der Broschüre enthaltenen Werturteile als willkürlich zu qualifizieren, zumal die als Grundlage der Bewertung aufgeführten Tatsachen nicht bestritten werden. Die Broschüre bietet darüber hinaus weder Hinweise noch Anreize zu einem rechtswidrigen Handeln gegenüber der Antragstellerin. Soweit ein solches Verhalten im Einzelfall vorkommen sollte, kann fachgerichtlicher Rechtsschutz in Anspruch genommen werden. Die Gesamtdarstellung ist im Übrigen in Ausdrucksweise und Form sachlich gehalten. Insbesondere ist mit ihr keine Werbung zu Gunsten der die Landesregierung tragenden Partei verbunden.

C.

Mit der Zurückweisung der Organklage erledigt sich zugleich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.

D.

Das Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof ist kostenfrei (§ 21 Abs. 1 VerfGHG). Gründe dafür, die volle oder teilweise Erstattung der Auslagen gemäß § 21 a Abs. 3 VerfGHG anzuordnen, liegen wechselseitig nicht vor.

Ende der Entscheidung

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