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Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Beschluss verkündet am 23.11.2004
Aktenzeichen: 1 L 27/03
Rechtsgebiete: KAG LSA


Vorschriften:

KAG LSA § 6 V 1
Bestimmt eine Beitragssatzung zur Ermittlung des nutzungsbezogenen Flächenbeitrages, dass die Zahl der Vollgeschosse nach der durch 3,5 m bzw. 2,3 m geteilten Höhe der baulichen Anlage zu bemessen ist, wenn eine Geschosszahl wegen der Besonderheiten des Bauwerks nicht feststellbar ist, so ist diese Regelung nach ihrem Sinn und Zweck nur dann anzuwenden, wenn bei einem bebauten Grundstück sämtliche Geschosse keine Vollgeschosse i. S. d. § 2 Abs. 4 BauO LSA sind.
OBERVERWALTUNGSGERICHT DES LANDES SACHSEN-ANHALT BESCHLUSS

Aktenz.: 1 L 27/03

Datum: 23.11.2004

Gründe:

Entgegen der Auffassung des Beklagten bestehen an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts ernstliche Zweifel i. S. des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nicht. Denn die Anwendung des § 4 Abs. 4 Satz 2 Nr. 11 Buchst. a BS, wonach bei der Ermittlung des nutzungsbezogenen Beitrages die Zahl der Vollgeschosse für gewerblich oder industriell genutzte Grundstücke nach der durch 3,5 geteilten Höhe der baulichen Anlage zu bemessen ist, wenn eine Geschosszahl wegen der Besonderheiten des Bauwerks nicht feststellbar ist, kommt nicht bereits dann in Betracht, wenn die Feststellung der Anzahl der vorhandenen Vollgeschosse aufwändig ist. Zwar mag der Wortlaut der Regelung eines solche Deutung zulassen, weil sie daran anknüpft, ob die Geschosszahl feststellbar ist. Der Sinn und Zweck der Regelung besteht indes nicht darin, dem Beklagten den Verwaltungsaufwand zu ersparen, der notwendig ist, um im Einzelfall die Anzahl der vorhandenen Vollgeschosse zu ermitteln. § 4 Abs. 4 Satz 2 Nr. 11 BS dient vielmehr als Auffangtatbestand für die Fälle, in denen ein Grundstück bei der Verteilung des Aufwands unberücksichtigt bleiben müsste, weil die Geschosse in dem aufstehenden Gebäude die Mindesthöhe für Vollgeschosse nach § 2 Abs. 4 Satz 1 BauO LSA unterschreiten. Denn ohne den Auffangtatbestand wäre der Beitrag nach dem nutzungsbezogenen Maßstab in § 4 Abs. 1 BS wegen der Multiplikation der um den nach der Vollgeschosszahl zu bemessenden Nutzungsfaktor vervielfachten Grundstücksfläche zu ermitteln und somit für ein bebautes Grundstück, bei dem die Vollgeschosshöhe unterschritten wird, auf 0,- € festzusetzen. Ist Voraussetzung für die Anwendung der Regelung, dass eine Geschosszahl nicht festgestellt werden kann, so bedeutet dies nach dem Zweck der Regelung, dass sich die Anzahl der Geschosse auf Null, also eine Zahl ohne Eigenwert beläuft. Ungeachtet dessen ist zudem ohnehin nicht ersichtlich, warum es im vorliegenden Fall aufwändig sein sollte, die Geschosszahl festzustellen. Denn wenn sich in dem hohen Gebäude keine Zwischendecke befindet, so ist unschwer und ohne weiteres ersichtlich, dass die Anzahl der Vollgeschosse eins beträgt.

Unerheblich ist demgegenüber, ob ein gewerblich oder industriell genutztes Gebäude mit Gebäudehöhe von 7,20 m nur deshalb mit nur einem Vollgeschoss bei der Beitragsbemessung zu Buche schlägt, weil auf den Einbau einer Zwischendecke verzichtet worden ist. Es erscheint im Gegenteil fraglich, ob eine Regelung, die unabhängig von der Anzahl der Vollgeschosse auf die Gebäudehöhe abstellt, noch dem Gebot entspricht, Beiträge nach Vorteilen zu bemessen. Die verbesserten Nutzungsmöglichkeiten, die mit dem Beitrag abgegolten werden sollen, werden nach dem zulässigen Maß der Bebauung bemessen, weil diese einen Anhalt für das wahrscheinliche Maß der Inanspruchnahme der Einrichtung bietet (vgl. OVG LSA, NVwZ-RR 2002, 373 <375>; BVerwG, Urt. v. 01.09.2004 - 9 C 15/03 - zum Erschließungsbeitragsrecht). Der Vollgeschossmaßstab berücksichtigt, dass sich in einem Gebäude mit steigender Anzahl der Vollgeschosse nach gemeingewöhnlichen Umständen eine größere Anzahl von Menschen aufhält. Steigt mithin mit der Anzahl der Vollgeschosse die zu erwartende Abwassermenge, so gilt entsprechendes nicht in gleicher Weise für das Verhältnis zwischen Abwassermenge und Gebäudehöhe. Es gibt keinen allgemeinen Erfahrungssatz des Inhalts, dass hohe Gebäude - wie etwa Lagerhallen - einen höheren Abwasseranfall verursachen.

Entgegen der Auffassung des Beklagten kann aus dem Umstand, dass die Unterschreitung der Mindestgeschosshöhe in der Literatur nur als ein möglicher Beispielsfall für die Anwendung der Auffangregelung genannt wird (vgl. Klausing, in: Driehaus <Hrsg.>, Kommunalabgabenrecht, zu § 8 Rdnr. 1025 a), ebenfalls nicht gefolgert werden, dass abweichend von der Anzahl der Vollgeschosse bei hohen Gebäuden die Gebäudehöhe als Bemessungsgrundlage herangezogen werden dürfte. Denn ein Vollgeschoss liegt nach der Regelung in §§ 4 Abs. 4 Satz 1 , 2 Abs. 4 BauO LSA ungeachtet der Raumhöhe auch dann nicht vor, wenn die Deckenoberfläche nicht im Mittel mehr als 1,60 m über die Geländeoberfläche hinausragt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf den §§ 13 Abs. 2, 14 Abs. 1 Satz 1 GKG a. F. Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

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