Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Beschluss verkündet am 12.12.2006
Aktenzeichen: 1 L 395/04
Rechtsgebiete: HeilprG, HeilprG-DVO, PsychThG


Vorschriften:

HeilprG § 1 Abs. 1
HeilprG § 2 Abs. 1
HeilprG-DVO § 2 Abs. 1
PsychThG § 2 Abs. 1
PsychThG § 5
PsychThG § 12
Auch nach dem In-Kraft-Treten des Psychotherapeutengesetzes ist die Erteilung einer auf das Gebiet der Psychotherapie beschränkten Heilpraktikererlaubnis zulässig.
OBERVERWALTUNGSGERICHT DES LANDES SACHSEN-ANHALT BESCHLUSS

Aktenz.: 1 L 395/04

Datum: 12.12.2006

Gründe:

Der Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Magdeburg - 3. Kammer - vom 28.09.2004 hat keinen Erfolg.

Die Berufung ist nicht wegen der von der Beklagten geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung i. S. des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung bestehen dann, wenn der Erfolg des Rechtsmittels wahrscheinlicher ist als der Misserfolg. Gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO ist der Zulassungsgrund zudem in der gebotenen Weise darzulegen. Dies erfordert, dass ein tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird. Der Zulassungsantrag hat sich substantiiert inhaltlich mit den Gründen der angegriffenen Entscheidung auseinanderzusetzen und u. a. konkret auszuführen, dass die erhobenen Einwände entscheidungserheblich sind (vgl. OVG LSA, Beschluss vom 22.04.2004 - 3 L 228/02 -). In Anlehnung an diesen Maßstab lassen sich überwiegende Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung nicht feststellen.

Die gegen die erstinstanzliche Entscheidung von der Beklagten erhobenen Einwendungen greifen nicht durch. Das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass es auch nach dem In-Kraft-Treten des Gesetzes über die Berufe des Psychologischen Psychotherapeuten und des Kinder- und Jugendpsychotherapeuten (PsychThG) vom 16.06.1998 (BGBl. I, S. 1311) zulässig ist, eine auf das Gebiet der Psychotherapie beschränkte Heilpraktikererlaubnis zu erteilen (so auch OVG Bremen, Urteil vom 20.12.2005 - 1 A 260/04 -, NordÖR 2006, 171). Zwar sehen das Heilpraktikergesetz und seine Durchführungsverordnungen eine inhaltliche Beschränkung der Heilpraktikererlaubnis nicht vor. Das Bundesverwaltungsgericht hat aber unter ausdrücklicher Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung entschieden, dass eine auf das Gebiet der Psychotherapie beschränkte Heilpraktikererlaubnis zulässig und geboten ist, um die formelle Rechtslage mit der materiellen in Einklang zu bringen (Urteil vom 21.01.1993 - 3 C 34.90 -, BVerwGE 91, 356). Dieser Entscheidung lag die Erwägung zugrunde, dass es eine unverhältnismäßige Einschränkung der Berufsfreiheit darstellt, von jemandem, der nur die Ausübung der Psychotherapie als Heilpraktiker anstrebt, allgemeine heilkundliche Grundkenntnisse einschließlich der Kenntnisse im Bereich der Anatomie, Physiologie, Pathologie und Arzneimittelkunde zu verlangen. Das Bundesverwaltungsgericht hat hervorgehoben, dass weder nach dem Wortlaut noch nach dem Sinn des Heilpraktikergesetzes ein Verbot besteht, eine auf das Gebiet der Psychotherapie beschränkte Heilpraktikererlaubnis zu erteilen. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Zulässigkeit der beschränkten Heilpraktikererlaubnis nicht als Übergangsregelung bis zum In-Kraft-Treten des Psychotherapeutengesetzes zu verstehen. Das Gericht hat vielmehr die Herausbildung der speziellen heilkundlichen Tätigkeit im Bereich der Psychotherapie als Anlass gesehen, die Vorschriften des vorkonstitutionellen Heilpraktikergesetzes an die gegenwärtigen Gegebenheiten anzupassen (BVerwG, Urteil vom 21.01.1993, a. a. O.; vgl. auch OVG Bremen, Urteil vom 20.12.2005, a. a. O.). Das Bundesverwaltungsgericht hat auch nicht - wie die Beklagte behauptet - die Abkehr vom Grundsatz der Unteilbarkeit der Heilpraktikererlaubnis damit gerechtfertigt, dass es "der Gesetzgeber bislang versäumt habe, eine eigenständige Berufszulassungsregelung für den Psychotherapeuten zu schaffen". Hiervon ist in der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 21.01.1993 (a. a. O.) nicht die Rede.

Auch das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 10.02.1983 (- 3 C 21.81 -, BVerwGE 66, 367) stützt die Auffassung der Beklagten nicht. In diesem Urteil hatte das Gericht zwar noch daran festgehalten, dass die Heilpraktikererlaubnis nicht auf ein Spezialgebiet oder einzelne heilkundliche Tätigkeiten beschränkt werden dürfte. Im Übrigen wurde die verfassungskonforme Auslegung des Heilpraktikergesetzes, mit der das Gericht bei einer bestimmten Berufsgruppe, nämlich Diplom-Psychologen mit einer Zusatzausbildung für die Erteilung der Heilpraktikererlaubnis, eine lediglich beschränkte Überprüfung der Kenntnisse für geboten hielt, mit der "pauschalen Regelung" des Heilpraktikergesetzes begründet, "die Art und Umfang der Überprüfung dem Ermessen der Verwaltung überlässt". Das Bundesverwaltungsgericht hat zugleich hervorgehoben, dass das Heilpraktikergesetz "den heutigen Gegebenheiten angepasst werden" müsse. Eine solche Anpassung ist durch das Psychotherapeutengesetz vom 16.06.1998 indes nicht erfolgt. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht angenommen, dass das Psychotherapeutengesetz eine auf die Psychotherapie beschränkte Heilpraktikererlaubnis - weiterhin - nicht ausschließt, weil das Gesetz lediglich neben den Berufen der Ärzte und Heilpraktiker die neuen Heilberufe des Psychologischen Psychotherapeuten und des Kinder- und Jugendpsychotherapeuten geregelt und hierdurch eine eigenverantwortliche Tätigkeit der Angehörigen dieser Berufe geschaffen hat. Dies ergibt sich aus den besonderen beruflichen Anforderungen an Ausbildung und Qualifikation für Psychologische Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendtherapeuten sowie aus der Erteilung einer Approbation als Berechtigung zur Berufsausübung (§ 2 Abs. 1 PsychThG), die derjenigen des Arztberufs vergleichbar ist (vgl. hierzu auch die Gesetzesbegründung, BT-Drucks. 13/8035, S. 14 [Nr. 7]). Der Zugang zu der mindestens dreijährigen Ausbildung (§ 2 Abs. 1 Nr. 2 PsychThG) setzt ein erfolgreich abgeschlossenes Studium der Psychologie (§ 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a PsychThG) bzw. der Pädagogik oder Sozialpädagogik (§ 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 PsychThG) voraus. Die Ausbildung schließt mit einer staatlichen Prüfung ab (§ 5 Abs. 1 PsychThG). Auch das Bundesverfassungsgericht geht von der Schaffung eines neuen Heilberufs, und zwar auf akademischem Niveau aus, der durch die berufs- und sozialversicherungsrechtliche Gleichstellung mit den Ärzten besonders herausgehoben ist (BVerfG, Kammerbeschluss vom 16.03.2000 - 1 BvR 1453/99 -, NJW 2000, 1779). Das Heilpraktikergesetz mit seinen Durchführungsverordnungen ermöglicht hingegen die Ausübung eines Heilberufs gerade ohne vergleichbare Ausbildungsanforderungen und ohne das Bestehen einer formalisierten Prüfung im herkömmlichen Sinne, die eine zu einem bestimmten Zeitpunkt zu erbringende Prüfungsleistung des Bewerbers zur Voraussetzung hat (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 21.01.1993, a. a. O.). Als Anforderung an die Qualifikation regelt § 2 Abs. 1 Buchst. i HeilprG-DVO lediglich, dass die Erteilung der Erlaubnis abzulehnen ist, wenn sich aus einer Überprüfung der Kenntnisse und Fähigkeiten des Antragstellers ergibt, dass die Ausübung der Heilkunde "eine Gefahr für die Volksgesundheit bedeuten würde". Das Psychotherapeutengesetz trifft demnach gerade keine Regelung über die Ausübung von Heilberufen im nicht-akademischen Bereich, also ohne formalisierte Prüfungsanforderungen.

Zutreffend hat das Verwaltungsgericht in diesem Zusammenhang auch die Entstehungsgeschichte als Beleg dafür gesehen, dass das Psychotherapeutengesetz keine umfassende Regelung der beruflichen Tätigkeiten auf dem Gebiet der Psychotherapie treffen, sondern lediglich neue Heilberufe in diesem Bereich schaffen wollte. Soweit in der Gesetzesbegründung davon die Rede ist, dass es angezeigt sei, "nichtärztliche Psychotherapeuten, die heilkundliche Funktionen in der psychotherapeutischen Versorgung eigenverantwortlich wahrnehmen, in das rechtliche Gefüge der Heilberufe einzuordnen" (BT-Drucks. 13/8035, Abschnitt A II Nr. 8 [S. 14]), ist dies kein Hinweis darauf, dass die Berufsausübung im Bereich der nichtärztlichen Psychotherapie allein psychologischen Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendtherapeuten im Sinne des Psychotherapeutengesetzes vorbehalten werden sollte. Denn die Gesetzesbegründung hebt hervor, dass das Heilpraktikergesetz durch das neue Gesetz "erweitert" werden (BT-Drucks. 13/8035, Abschnitt A II Nr. 8 [S. 14] und Nr. 15 [S. 15]) und die Vorschriften des Heilpraktikergesetzes "unberührt" bleiben sollten (Abschnitt A II Nr. 15 [S. 15]). Es wird betont, dass die Zulassung im Wege der Approbation mit "anderen akademischen Heilberufen" vergleichbar sei (Abschnitt A II Nr. 7 [S. 14]) und es sich um "neue Heilberufe" (Abschnitt A II Nr. 11 [S. 14]) handelt. Die in der Gesetzesbegründung beschriebene "Einordnung" betrifft demnach allein die durch das Psychotherapeutengesetz geschaffenen neuen Heilberufe. Für die berufliche Tätigkeit des im Bereich der Psychotherapie tätigen Heilpraktikers bleibt weiterhin das Heilpraktikergesetz maßgeblich. Nirgends kommt eine Absicht des Gesetzgebers zum Ausdruck, die Ausübung des Heilpraktikerberufs im Bereich der Psychotherapie zu beschränken oder gar zu unterbinden.

Gegen die Annahme, dass das Psychotherapeutengesetz die auf den Bereich der Psychotherapie beschränkte Heilpraktikererlaubnis ausschließt, spricht auch das Fehlen von Übergangsregelungen für in diesem Berufsfeld tätige Heilpraktiker in § 12 PsychThG. Denn der Gesetzgeber wäre verpflichtet, eine angemessene Übergangsregelung für diejenigen vorzusehen, welche eine künftig unzulässige Tätigkeit in der Vergangenheit in erlaubter Weise ausübten. § 12 PsychThG regelt jedoch allein den Verbleib solcher Personen in den neu geschaffenen Heilberufen, die eine hohe Qualifikation für die Berufsausübung - insbesondere durch eine bestandene Abschlussprüfung im Studiengang Psychologie an einer Universität oder gleichstehenden Hochschule (vgl. § 12 Abs. 3 bis 5 PsychThG) - besitzen, die bei Heilpraktikern mit einer auf das Gebiet der Psychotherapie beschränkten Erlaubnis nicht gegeben ist (vgl. dazu BVerfG, Kammerbeschluss vom 16.03.2000, a. a. O.). Das spricht dafür, dass der Gesetzgeber die Berufstätigkeit des auf das Gebiet der Psychotherapie beschränkten Heilpraktikers als nicht vom Psychotherapeutengesetz erfasst angesehen hat. So ist auch das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 16.03.2000 (a. a. O.) davon ausgegangen, dass der Gesetzgeber "im Rahmen der Neuordnung durch das Psychotherapeutengesetz das bisherige Berufsfeld der psychotherapeutischen Heilpraktiker nicht geschlossen" hat.

Wie das Verwaltungsgericht weiter zutreffend ausgeführt hat, kann der Zulässigkeit einer auf das Gebiet der Psychotherapie beschränkten Heilpraktikererlaubnis auch nicht das öffentliche Interesse an einem hohen Ausbildungsniveau von Personen, die Heilberufe im Bereich der Psychotherapie ausüben, entgegengehalten werden. Denn das Heilpraktikergesetz lässt die Ausübung von Heilberufen auf nicht-akademischem Niveau ohne Absolvieren eines formalisierten Prüfungsverfahrens im herkömmlichen Sinne und ohne Approbation gerade zu. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht darauf hingewiesen, dass ein Heilpraktiker, der über eine unbeschränkte Erlaubnis verfügt, zur Ausübung seiner heilberuflichen Tätigkeit auch auf psychotherapeutischem Gebiet berechtigt ist, ohne die Voraussetzungen für die Ausübung der Heilberufe nach dem Psychotherapeutengesetz zu erfüllen.

Die Zulassung der Berufung rechtfertigt sich auch nicht aus der von der Beklagten geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache. Die Beklagte hat die grundsätzliche Bedeutung nicht den Erfordernissen gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO entsprechend dargelegt. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sich eine erhebliche Rechts- oder Tatsachenfrage stellt, die bisher in der Rechtsprechung noch nicht geklärt ist und daher im Interesse grundsätzlicher, d. h. über den Einzelfall hinausgehender Klärung durch das Rechtsmittelgericht bedarf. Dementsprechend verlangt das Darlegungsgebot des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO, dass der Rechtsmittelführer eine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage formuliert, ausführt, weshalb diese Frage für den Rechtsstreit entscheidungserheblich und zudem klärungsbedürftig ist, und schließlich darlegt, weshalb der Frage eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (vgl. OVG LSA, Beschluss vom 03.11.2005 - 1 L 413/05 -; BayVGH, Beschluss vom 16.12.2004 - 4 ZB 04.3158 -, BayVBl. 2005, 284). Diesen Anforderungen genügt die Zulassungsbegründungsschrift nicht. Die Beklagte hat bereits eine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage aufgeworfen und "ausformuliert", von der die Entscheidung des Rechtsstreits abhängen soll. Ungeachtet dessen werden auch die Voraussetzungen für die Zulassung des Rechtsmittels in der Antragsschrift nicht - wie es erforderlich gewesen wäre - in der Weise unter Auseinandersetzung mit der einschlägigen Rechtsprechung und Literatur sowie unter Angabe der maßgeblichen tatsächlichen und rechtlichen Überlegungen erläutert und aufgearbeitet, dass das Berufungsgericht hierdurch in die Lage versetzt würde, anhand der Antragsschrift darüber zu befinden, ob die Zulassung des Rechtsmittels wegen grundsätzliche Bedeutung gerechtfertigt ist.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 52 Abs. 1 GKG. Der Senat hat sich an Ziff. 14.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NVwZ 2004, 1327) orientiert.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

Zurück