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Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Urteil verkündet am 13.10.2005
Aktenzeichen: 1 L 40/05
Rechtsgebiete: VwGO


Vorschriften:

VwGO § 92 II
Die fiktive Klagerücknahme nach § 92 Abs. 2 Satz 1 VwGO setzt voraus, dass im Zeitpunkt des Erlasses der Betreibensaufforderung bestimmte, sachlich begründete Anhaltspunkte für den Wegfall des Rechtsschutzinteresses eines Klägers bestanden haben. Stets muss sich aus dem fallbezogenen Verhalten des jeweiligen Klägers, z.B. aus der Verletzung prozessualer Mitwirkungspflichten, der Schluss auf den Wegfall des Rechtsschutzinteresses ableiten lassen. Es kann zur Beurteilung des Interesses an einer weiteren Rechtsverfolgung ggf. auf eine unterlassene Klagebegründung zurückgegriffen werden. Im Unterschied zu den Streitigkeiten nach dem Asylverfahrensgesetz, bei denen häufig schon zweifelhaft ist, ob sich ein Kläger überhaupt noch im Bundesgebiet aufhält, oder bei Streitigkeiten mit geringwertigen Streitgegenständen, lässt im Bereich der beamtenrechtlichen Regressverfahren eine fehlende Klagebegründung wegen der in einem Haftungsbescheid notwendigerweise zu treffenden Feststellungen nur ausnahmsweise auf ein zwischenzeitlich entfallenes Rechtsschutzinteresse des jeweiligen Klägers schließen. Das Schadensersatzverlangen eines Dienstherrn gegenüber einem Beamten nach § 78 Abs. 1 BG LSA hat nicht nur eine Zahlungsaufforderung zum Gegenstand, sondern ist stets mit dem Vorwurf der zumindest grob fahrlässigen Verletzung von beamtenrechtlichen Pflichten verbunden.
OBERVERWALTUNGSGERICHT DES LANDES SACHSEN-ANHALT URTEIL

Aktenz.: 1 L 40/05

Datum: 13.10.2005

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über den Eintritt der Rücknahmefiktion des § 92 Abs. 2 Satz 1 VwGO.

Mit Bescheid vom 1. September 2003 wurde die Klägerin von der Rechtsvorgängerin der Beklagten (Verwaltungsgemeinschaft C) auf Zahlung von Schadensersatz nach § 78 BG LSA in Höhe von 6.110,47 € in Anspruch genommen. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Rechtsvorgängerin der Beklagten mit Bescheid vom 23. Oktober 2003 zurück.

Hiergegen erhob die Klägerin unter dem 24. Oktober 2003 Klage vor dem Verwaltungsgericht Halle (Az.: 1 A 221/03, später 3 A 160/03 HAL). In dem Klageschriftsatz beantragte die Klägerin, den Bescheid vom 1. September 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Oktober 2003 aufzuheben. Weiter hieß es in dem Schriftsatz, dass die Begründung der Klage einem weiteren Schriftsatz vorbehalten bleibe. Zur Vorbereitung der Klagebegründung werde Einsicht in die Verwaltungsakte beantragt und um Übersendung derselben gebeten. Unter dem 18. November 2003 legte die Rechtsvorgängerin der Beklagten eine Verfahrensakte vor. In einem begleitenden Schreiben führte sie aus, dass wegen einer Erkrankung des Leiters des gemeinsamen Verwaltungsamtes derzeit nicht auf alle Akten zugegriffen werden könne. Nach Dienstantritt des Leiters werde ggf. noch eine Nachsendung von Akten erfolgen. Am 17. Dezember 2003 wurde die vorgelegte Verfahrensakte für eine Woche zur Einsicht an den Prozessbevollmächtigten der Klägerin übersandt und um Abgabe einer Klagebegründung binnen eines Monats gebeten. Mit richterlicher Verfügung vom 17. Februar 2004 wurde die Klägerin nochmals um Vorlage einer Klagebegründung nunmehr binnen drei Wochen gebeten. Auf die Anforderungen des Gerichts erfolgte jeweils keine Reaktion. Mit richterlicher Verfügung vom 17. März 2004 wurde die Klägerin unter Hinweis auf § 92 Abs. 2 Satz 1 VwGO a. F. aufgefordert, das Verfahren binnen drei Monaten nach Zustellung der Aufforderung weiter zu betreiben. Es wurde insbesondere gebeten, die Klage näher zu begründen und die angefochtenen Bescheide vorzulegen. Diese Verfügung wurde der Klägerin am 23. März 2004 zugestellt. Mit Fax-Schreiben vom 24. Juni 2004 beantragte die Klägerin, die Frist zur Klagebegründung um zwei Wochen zu verlängern. Am 30. Juni 2004 stellte das Verwaltungsgericht durch Beschluss fest, dass die Klage als zurückgenommen gilt und daher das Verfahren einzustellen war.

Am 21. August 2004 beantragte die Klägerin, das Verfahren fortzusetzen. Der Beschluss vom 30. Juni 2004 habe das Verfahren nicht wirksam beendet, da er aufgrund einer nicht berechtigten Betreibensaufforderung ergangen sei. Die Klägerin habe einen konkreten Klageantrag gestellt. Der Widerspruch gegen den angefochtenen Bescheid sei ausführlich begründet worden. Das Klageziel und das Rechtschutzinteresse sei für das Gericht von Anfang an erkennbar gewesen. Ebenso sei unstreitig, dass die Beweislast für die grobe Fahrlässigkeit i. S. d. § 78 BG LSA nicht bei der Klägerin liege. Die Klägerin habe auch aus prozessualen Gründen im Klageverfahren nichts Neues mehr vortragen müssen. Es sei purer Formalismus zu verlangen, dass ein Schriftsatz eingereicht werde, in dem lediglich Bezug genommen werde auf die Begründung des Widerspruchs, um erkennen zu geben, dass das Verfahren weiter betrieben werde.

Die Klägerin hat beantragt,

festzustellen, dass die im Verfahren 3 A 160/03 HAL erhobene Klage nicht als zurückgenommen gilt und das Verfahren 3 A 160/03 HAL fortzusetzen.

Die Rechtsvorgängerin der Beklagten hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, dass das Gericht zutreffend vom Eintritt der Rücknahmefiktion ausgegangen sei.

Mit Zwischenurteil vom 9. September 2004 hat das Verwaltungsgericht Halle (nunmehr Az.: 3 A 225/04 HAL) festgestellt, dass die von der Klägerin in dem Verfahren 3 A 160/03 HAL erhobene Klage als zurückgenommen gilt. Die Voraussetzungen des § 92 Abs. 2 Satz 1 VwGO seien gegeben. Die Aufforderung, das Verfahren zu betreiben sei nicht unmotiviert erfolgt, sondern sei durchaus veranlasst gewesen. Die Klägerin sei mehrfachen richterlichen Aufforderungen, die gemäß § 82 Abs. 1 Satz 3 VwGO vorgesehene und von der Klägerin auch angekündigte Klagebegründung abzugeben, nicht nachgekommen.

Mit der dagegen vom Senat zugelassenen Berufung trägt die Klägerin vor, dass die Klage nicht wegen Nichtbetreibens des Verfahrens gemäß § 92 Abs. 2 VwGO als zurückgenommen gelte. Eine Klagebegründung sei entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts für eine wirksame Klageerhebung nicht zwingend vorgeschrieben. Die Klägerin habe in der Klageschrift einen umfassenden Aufhebungsantrag gestellt. Damit habe sie zu erkennen gegeben, dass sie mit der Entscheidung der Beklagten nicht einverstanden sei. Aus der Verwaltungsakte seien die Einwendungen der Klägerin ersichtlich gewesen. Die Klägerin sei aus prozessualen Gründen auch nicht zu weiterem Vortrag verpflichtet gewesen, da die Beweislast für den Schadensersatzanspruch dem Grunde und der Höhe nach bei der Beklagten liege.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgericht Halle - 3. Kammer - vom 9. September 2004 aufzuheben und den Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht zurückzuverweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zu verwerfen,

hilfsweise den Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht zurückzuverweisen.

Die Beklagte vertritt die Auffassung, dass die Fiktion der Klagerücknahme eingetreten sei. Im Übrigen sei bereits die Klage unzulässig, da die Klägerin trotz Aufforderung durch das Verwaltungsgericht die angefochtenen Bescheide im gerichtlichen Verfahren nicht vorgelegt habe. Ferner sei die Klagebefugnis der Klägerin zweifelhaft, da sich die ursprüngliche Verwaltungsgemeinschaft C mit Wirkung zum 1. Januar 2005 aufgelöst und erst zum 18. August 2005 sich die neue C. gebildet habe. Es sei zweifelhaft, ob die Klägerin überhaupt Beamtin der neugebildeten Verwaltungsgemeinschaft geworden sei. Im Übrigen sei die Berufung unzulässig, da die Klägerin keine ausreichende Berufungsbegründung vorgelegt habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zunächst zulässig. Entgegen der Auffassung der Beklagten hat die Klägerin eine ordnungsgemäße Berufungsbegründung vorgelegt. Nach § 124 a Abs. 3 Satz 4 VwGO muss die Berufungsbegründung einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Dem Antragserfordernis und dem Formerfordernis einer gesonderten Berufungsbegründung wird auch dann entsprochen, wenn in dem einzureichenden Schriftsatz hinreichend deutlich zum Ausdruck kommt, dass, in welchem Umfang und weshalb der Berufungsführer die zugelassene Berufung durchführen will (vgl. BVerwG, B. v. 03.03.2005 - 5 B 58/04 - juris; B. v. 16.12.2004 - 1 B 59/04 - juris; U. v. 08.03.2004 - 4 C 6/03 - NVwZ-RR 2004, 541). Selbst eine bloße Bezugnahme auf das bereits im Antrag auf Zulassung der Berufung enthaltene Begehren und die dort genannten Gründe kann ausreichend sein, wenn sich der Berufungsantrag und die Berufungsbegründung aus dem Gesamtzusammenhang (Urteil erster Instanz, Antrag auf Zulassung der Berufung und der Begründung des Senates im Zulassungsbeschluss) für das Gericht und die anderen Verfahrensbeteiligten hinreichend deutlich ergeben. Gegenstand des Berufungsverfahrens ist allein das Zwischenurteil des Verwaltungsgerichts, welches lediglich die Frage des Vorliegens der Voraussetzungen der Rücknahmefiktion des § 92 Abs. 2 Satz 1 VwGO zum Gegenstand hat. Zu dieser Rechtsfrage hat sich die Klägerin in ihrer Berufungsbegründung hinreichend geäußert und auch einen sachgemäßen Antrag gestellt; auf die Frage, ob die angefochtenen Bescheide rechtmäßig sind, kommt es im vorliegenden Verfahren daher nicht an.

Der Klagebefugnis der Klägerin steht auch nicht entgegen, dass sie im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung im Berufungsverfahren möglicherweise nicht mehr Beamtin der ursprünglich bestehenden Verwaltungsgemeinschaft C bzw. deren Rechtsnachfolgerin ist, da es für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage auf den Zeitpunkt der letzten behördlichen Entscheidung ankommt.

Die Berufung ist auch begründet. Sie führt zur Zurückverweisung der Sache an das Verwaltungsgericht (§ 130 Abs. 2 Nr. 2 VwGO).

Die Klage gilt nicht i. S. d. § 92 Abs. 2 Satz 1 VwGO als zurückgenommen.

Die fiktive Klagerücknahme nach § 92 Abs. 2 Satz 1 VwGO setzt voraus, dass im Zeitpunkt des Erlasses der Betreibensaufforderung bestimmte, sachlich begründete Anhaltspunkte für einen Wegfall des Rechtsschutzinteresses der Klägerin bestanden haben. Dieses in der Rechtsprechung zu den entsprechenden asylverfahrensrechtlichen Regelungen entwickelte, ungeschriebene Tatbestandsmerkmal gilt auch für die dem Asylverfahrensrecht nachgebildete und durch das Sechste VwGO-Änderungsgesetz in das allgemeine Verwaltungsprozessrecht eingeführte Vorschrift des § 92 Abs. 2 Satz 1 VwGO. Stets muss sich aus dem fallbezogenen Verhalten des jeweiligen Klägers, z. B. aus der Verletzung prozessualer Mitwirkungspflichten, der Schluss auf den Wegfall des Rechtsschutzinteresses, also auf ein Desinteresse des jeweiligen Klägers an der weiteren Verfolgung seines Begehrens ableiten lassen. § 92 Abs. 2 Satz 1 VwGO ist kein Hilfsmittel zur "bequemen Erledigung lästiger Verfahren" oder zur vorsorglichen Sanktionierung prozessleitender Verfügungen (vgl. BVerwG, B. v. 07.07.2005 - 10 BN 1/05 - juris; B. v. 18.09.2002 - 1 B 103.02 - BayVBl. 2003, 310; B. v. 12.04.2001 - 8 B 2.01 - NVwZ 2001, 918; B. v. 05.07.2000 - 8 B 119/00 - NVwZ 2000, 1297).

Das Verwaltungsgericht ist im vorliegenden Fall zu Unrecht von derartigen konkreten Anhaltspunkten für den Wegfall des Rechtsschutzinteresses ausgegangen. Es kann zur Beurteilung des Interesses an einer weiteren Rechtsverfolgung zwar unter Umständen auf eine unterlassene Klagebegründung zurückgegriffen werden. Im Unterschied zu den Streitigkeiten nach dem Asylverfahrensgesetz, bei denen häufig schon zweifelhaft ist, ob sich ein Kläger überhaupt noch im Bundesgebiet aufhält, oder bei Streitigkeiten mit geringwertigen Streitgegenständen, wie dies häufig im Gebührenrecht der Fall ist, lässt im Bereich der beamtenrechtlichen Regressverfahren eine fehlende Klagebegründung wegen der in einem Haftungsbescheid notwendigerweise zu treffenden Feststellungen nur ausnahmsweise auf ein zwischenzeitlich entfallenes Rechtsschutzinteresse des jeweiligen Klägers schließen. Das Schadensersatzverlangen eines Dienstherrn gegenüber einem Beamten nach § 78 Abs. 1 BG LSA hat nämlich nicht nur eine Zahlungsaufforderung zum Gegenstand, sondern ist stets mit dem Vorwurf der zumindest grob fahrlässigen Verletzung von beamtenrechtlichen Pflichten verbunden. Bestätigt sich dieser Vorwurf in einem gerichtlichen Verfahren, kann dies, z. B. im Hinblick auf eine dienstliche Beurteilung oder die Einleitung von Disziplinarmaßnahmen, für den Beamten über das konkrete Ersatzbegehren hinaus eine erhebliche Bedeutung für sein berufliches Fortkommen haben. Angesichts eines - bezogen auf das statusrechtliche Amt der Klägerin - vergleichsweise hohen Rückforderungsbetrages von über 6.000,- € und des im Widerspruchsbescheid vom 23. Oktober 2003 erhobenen Vorwurfes, dass das aus Sicht der Beklagten schadensbegründende Verhalten der Klägerin "an der Schwelle zum Vorsatz" liege, ist nicht ersichtlich, dass gerade auch angesichts der Ausführungen der Klägerin in der Widerspruchsbegründung vom 3. September 2003 abweichend vom Regelfall Anhaltspunkte für einen Wegfall des Rechtsschutzinteresses im Zeitpunkt der Betreibensaufforderung gegeben sind. Die Verwaltungsgerichtsordnung sieht im Übrigen eine Klagebegründung (anders als eine Berufungsbegründung nach § 124 a Abs. 3 Satz 4 VwGO) nicht zwingend vor. Insofern hätte die Klägerin der Aufforderung des Verwaltungsgerichts zur Klagebegründung auch ohne weiteres allein durch den Hinweis auf ihr Vorbringen im Verwaltungsverfahren genüge tun können.

Ferner hat die Rechtsvorgängerin der Beklagten in ihrem Begleitschreiben zur Aktenübersendung vom 14. November 2003 ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die an das Gericht übersandten Verwaltungsakten noch nicht vollständig seien. Die Klägerin hat die Vorlage einer Klagebegründung von der Einsichtnahme in die Verfahrensakte abhängig gemacht. Diese Ankündigung kann im Hinblick auf den durch die Akteneinsicht verwirklichten Anspruch auf rechtliches Gehör nur so verstanden werden, dass die Klägerin die Übersendung der vollständigen Verwaltungsakte (einschließlich der für das Verfahren maßgeblichen Steuerakten) begehrt hat und erst aufgrund der Einsichtnahme in die komplette Verfahrensakte eine Klagebegründung abgeben wollte. Die Rechtsvorgängerin der Beklagten hat vor der an die Klägerin gerichteten Betreibensaufforderung vom 17. März 2004 aber weder unaufgefordert die Akten vervollständigt noch ist eine entsprechende Aufforderung des Verwaltungsgerichtes an sie gerichtet worden.

Eine andere Beurteilung wäre allenfalls dann vorzunehmen, wenn das Gericht konkrete Auflagen zum weiteren Sachvortrag verfügt hätte, die Klägerin z. B. aufgefordert hätte, zu bestimmten Tatsachen Stellung zu nehmen oder näher bezeichnete Unterlagen vorzulegen. Die Klägerin ist im Rahmen der Betreibensaufforderung vom 17. März 2004 lediglich auch gebeten worden, die angefochtenen Bescheide vorzulegen. § 82 Abs. 1 Satz 3 2. Hs. VwGO enthält hinsichtlich der Beifügung der angefochtenen Verfügung und des Widerspruchsbescheides - anders als die in § 82 Abs. 1 Sätze 1 und 2 VwGO genannten Voraussetzungen für den notwendigen Inhalt einer Klage - nur eine Sollvorschrift, deren Verletzung grundsätzlich unschädlich ist. Durch die Vorlage der angefochtenen Bescheide soll das Gericht - sofern sich dieser nicht zweifelsfrei aus der Klageschrift ergibt - lediglich den Streitgegenstand bestimmen können, um ggf. notwendige prozessleitende Verfügungen an die Verfahrensbeteiligten richten zu können. Erst dann, wenn das Gericht nach angemessenen Bemühungen zur Klärung - z. B. nach Beiziehung der Verfahrensakte - auch im Termin der mündlichen Verhandlung nicht ermitteln kann, welche Bescheide Gegenstand des Verfahrens sind, kann eine Klage wegen unterbliebener Vorlage der angefochtenen Bescheide als unzulässig abgewiesen werden (vgl. Aulehner in Sodan/Ziekow, VwGO, § 82 Rn. 56 m. w. N.). Das von der Beklagten zur Begründung ihrer abweichenden Auffassung zitierte Urteil des Oberverwaltungsgerichts Münster vom 30. August 1990 (- 1 A 2327/87 - NVwZ-RR 1991, 331) befasst sich lediglich mit der Fallgestaltung, dass ein nicht hinreichend bestimmter Klageantrag i. S. d. § 82 Abs. 1 Satz 1 VwGO (Muss-Vorschrift) auch nach Aufforderung durch das Gericht nicht bis zum Schluss der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung ausreichend präzisiert wird; mit der Verletzung der bloßen Sollvorschrift des § 82 Abs. 1 Satz 3 2. Hs. VwGO setzt sich die Entscheidung nicht auseinander.

Nach alledem konnte das Verwaltungsgericht am 17. März 2004 bei Erlass der Betreibensaufforderung nicht annehmen, die Klägerin sei offenbar an der weiteren Verfolgung ihres Begehrens, nämlich der Abwehr der ihr auferlegten Leistungspflicht nicht mehr interessiert und ihr Rechtsschutzinteresse sei deshalb vermutlich entfallen.

Das Verwaltungsgericht hat wegen der zu Unrecht angenommenen Wirksamkeit der Klagerücknahme in der Sache nicht entschieden. Von daher hält der Senat, nachdem ein entsprechender Antrag durch die Klägerin gestellt worden ist, eine Zurückverweisung gemäß § 130 Abs. 2 Nr. 2 VwGO für sachdienlich.

Die Kostenentscheidung bleibt der Endentscheidung des Verwaltungsgerichts vorbehalten.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 132 Abs. 2 VwGO) liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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