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Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Beschluss verkündet am 15.06.2004
Aktenzeichen: 1 L 437/02
Rechtsgebiete: KAG LSA, AO, GKG LSA, VwGO


Vorschriften:

KAG LSA § 1 Abs. 1
KAG LSA § 6 Abs. 6 Satz 2
KAG LSA § 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b
AO § 169 Abs. 1 Satz 1
AO § 170 Abs. 1
AO § 171 Abs. 1
AO § 171 Abs. 11 Satz 1
GKG LSA § 7
GKG LSA § 7 Satz 2
GKG LSA § 8 a Abs. 1
GKG LSA § 8 a Abs. 1 Satz 1
GKG LSA § 9 Abs. 1 Satz 1
GKG LSA § 9 Abs. 1 Satz 2
GKG LSA § 9 Abs. 1 Satz 3
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERVERWALTUNGSGERICHT DES LANDES SACHSEN-ANHALT BESCHLUSS

Aktenz.: 1 L 437/02

Datum: 15.06.2004

Gründe:

Der statthafte Antrag auf Zulassung der Berufung ist unbegründet.

1) Die vom Beklagten zur Begründung des Zulassungsantrages vorgebrachten Einwände gegen die erstinstanzliche Entscheidung rechtfertigen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts (vgl. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).

Zu Recht ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass die Anforderung des Beitrages in dem Bescheid des Beklagten vom 23. Juni 2000 rechtswidrig ist, weil die Ansprüche aus dem Beitragsschuldverhältnis bereits durch Verjährung erloschen waren (vgl. §§ 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b KAG LSA, 47 AO). Gemäß §§ 13 Abs. 1 Nr. Buchst. b KAG LSA, 169 Abs. 1 Satz 1 AO ist eine Beitragsfestsetzung nicht mehr zulässig, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist. Die Festsetzungsfrist beginnt gemäß § 170 Abs. 1 AO mit dem Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist.

a) Entgegen der Auffassung des Beklagten ist das Verwaltungsgericht zu Recht davon ausgegangen, dass der Beitrag für die am 08. Dezember 1994 geschaffene Anschlussmöglichkeit gemäß § 6 Abs. 6 Satz 2 KAG LSA mit Inkrafttreten der Abwasserbeseitigungsabgabensatzung vom 31. Juli 1995 am 21. September 1995 entstanden ist. Die vierjährige Festsetzungsfrist lief mithin am 31. Dezember 1999 ab. Ohne Erfolg bleibt der Einwand des Beklagten, die Heilung der fehlerhaften Gründung durch § 8 a Abs. 1 Satz 1 GKG LSA führe nur zu einer auf das Jahr 1993 rückwirkenden Bildung des Beklagten, ohne dass dies zur Wirksamkeit der ursprünglich mangels Verbandskompetenz nichtigen Abgabensatzungen führe. Diese Rechtsauffassung (vgl. auch: VG Dessau, LKV 1998, 322) ist mit der gesetzlichen Regelung nicht vereinbar. Nach § 8 a Abs. 1 Satz 1 GKG LSA gelten infolge von Gründungsfehlern nicht wirksam gebildete Zweckverbände rückwirkend ab dem Tage nach der öffentlichen Bekanntmachung ihres Statuts oder ihrer Verbandssatzung als gebildet, sofern nicht ein späterer Zeitpunkt bestimmt ist. Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 GKG LSA gehen das Recht und die Pflicht der beteiligten Gemeinden, die Aufgaben zu erfüllen und die dazu notwendigen Befugnisse auszuüben, auf den Zweckverband über. Das schließt die Befugnis ein, für die betreffenden Aufgaben Satzungen zu erlassen. Da fehlerhaft gegründete Zweckverbände nach § 8 a Abs. 1 GKG LSA rückwirkend als wirksam gebildet gelten, geht auch die Befugnis zum Erlass von Abgabensatzungen mit der Bildung und somit wegen der Fiktion des § 8 a Abs. 1 Satz 1 GKG LSA rückwirkend auf den Zweckverband über. Dass die Gründungsfiktion die Befugnis zum Erlass von Satzungen nach § 9 Abs. 1 Satz 1 und 2 GKG LSA rückwirkend vermittelt, wird auch aus der Regelung in § 9 Abs. 1 Satz 3 GKG LSA deutlich. Nach dieser Bestimmung, die auf Zweckverbände Anwendung findet, welche vor Inkrafttreten des Gesetzes über die Kommunale Gemeinschaftsarbeit auf der Grundlage der Kommunalverfassung der DDR gegründet worden sind und die gemäß § 7 Satz 2 GKG LSA ab ihrer Gründung als juristische Personen öffentlichen Rechts gebildet gelten, gilt der Übergang von Rechten und Pflichten als von Anfang an eingetreten. Diese Regelung macht Sinn nur, wenn sie bewirken soll, dass der den Satzungen ursprünglich anhaftende Mangel mit der gesetzlichen Regelung geheilt werden soll.

Entgegen der Auffassung des Beklagten führt ein solches Verständnis nicht dazu, dass Beitragsforderungen eines nach 1990 wegen §§ 7, 8 a Abs. 1 Satz 1 GKG LSA als wirksam gegründet geltenden Zweckverbandes, der im Jahr 1992 seine erste Abgabensatzung erlassen hat, mit dem Inkrafttreten des Art. 1 des Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über kommunale Gemeinschaftsarbeit sowie des Kommunalabgabengesetzes vom 06. Oktober 1997 (GVBl. LSA. S. 878) am 09. Oktober 1997 entstünden und zugleich verjährten. Denn in diesen Fällen läuft die Festsetzungsfrist erst sechs Monate nach Inkrafttreten des Gesetzes, also zum 10. April 1998, ab. Gemäß §§ 171 Abs. 1 AO, 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b KAG LSA läuft die Festsetzungsfrist nicht ab, solange die Beitragsfestsetzung wegen höherer Gewalt innerhalb der letzten sechs Monate des Fristablaufs nicht erfolgen kann. Die Voraussetzungen dieser Regelung wären gegeben. Höhere Gewalt ist ein vom Betroffenen nicht beherrschbares, unabwendbaren Ereignis, das die Behörde auch bei Anwendung der äußersten, den Umständen nach zu erwartenden und zumutbaren Sorgfalt hindert, ihren Willen, den Beitrag festzusetzen, zu verwirklichen. Vor Inkrafttreten der §§ 7 Satz 2, 8 a Abs. 1 Satz 1 GKG LSA konnte ein fehlerhaft gegründeter Zweckverband den Beitrag nicht festsetzen, weil die Befugnis, auf der Grundlage des § 1 Abs. 1 KAG LSA Kommunalabgaben zu erheben, wegen des Gründungsfehlers nicht nach § 9 Abs. 1 Satz 1 GKG LSA auf den Zweckverband übergangen, sondern bei den Mitgliedsgemeinden verblieben war. Nach Inkrafttreten des Gesetzes konnte der Zweckverband die Abgaben nicht mehr festsetzen, weil sie - den § 171 Abs. 1 AO hinweggedacht - mit Inkrafttreten der Gesetzes verjährt und untergegangen wären (§ 47 AO). Dagegen könnte nicht eingewendet werden, dem Zweckverband sei der Eintritt der Verjährung zuzurechnen, weil er an den Gründungsfehlern und somit an ein dem Zweckverband zurechenbares Tun oder Unterlassen der Mitgliedsgemeinden anknüpfe. Denn die Anwendung des § 171 Abs. 1 AO hängt nur davon ab, ob die Behörde aus tatsächlichen Gründen gehindert gewesen ist, von der ihr rechtlich möglichen Abgabenfestsetzung Gebrauch zu machen. Fehlt ihr jedoch wegen des Gründungsfehlers die Möglichkeit, die Abgabe festzusetzen oder auch nur eine gültige Abgabensatzung zu erlassen, die Voraussetzung für das Entstehen der Beitragsschuld ist (§ 6 Abs. 6 Satz 2 KAG LSA), fehlt ihr die Rechtsmacht, die Abgabe zu erheben. Führt die gesetzliche Bereinigung des Gründungsmangels zur rückwirkenden Beseitigung des der Abgabensatzung anhaftenden Mangels und damit zur Entstehung der Beitragspflicht (vgl. § 6 Abs. 6 Satz 2 KAG LSA) und wegen §§ 169 Abs. 1 Satz 1, 170 Abs. 1 AO, 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b KAG LSA zugleich - mit dem Inkrafttreten des Gesetzes - zum Eintritt der Festsetzungsverjährung, so war dem Zweckverband aus von ihm nicht zu beherrschenden Gründen die Festsetzung der Abgabe unmöglich. Dass dieses Ergebnis den Wertungen im Gesetz entspricht, lässt auch die Regelung in § 171 Abs. 11 Satz 1 AO erkennen. Danach endet die Frist für die Festsetzung der Abgabe gegen eine geschäftsunfähige oder in der Geschäftsfähigkeit beschränkte Person ohne gesetzlichen Vertreter nicht vor Ablauf von sechs Monaten nach dem Zeitpunkt, in dem die Person unbeschränkt geschäftsfähig wird oder der Mangel der Vertretung aufhört. Zwar ist diese Regelung auf die Fälle ursprünglich fehlerhafter Zweckverbandsgründungen nicht unmittelbar anwendbar, weil hier nicht der Abgabenschuldner, sondern der Gläubiger rechtsgeschäftlich nicht handlungsfähig gewesen ist. Indes lässt sich dieser Bestimmung, ebenso wie dem einschlägigen § 171 Abs. 1 AO, der allgemeine Rechtsgedanke entnehmen, dass der Behörde in den Fällen, in denen sie aus Rechtsgründen nach Entstehung der Abgabepflicht gehindert ist, die Abgabe zu erheben, die Möglichkeit offen bleiben muss, die Festsetzung binnen eines Zeitraums von sechs Monaten nach Wegfall des Hindernisses nachzuholen.

b) Ohne Erfolg wendet der Beklagte ein, die Abwasserbeseitigungsabgabensatzung vom 31. Juli 1995 sei im Übrigen schon deshalb nichtig, weil der Verbandsversammlung bei der Beschlussfassung eine ordnungsgemäße Beitragskalkulation nicht vorgelegen habe. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Senats zum Gebühren- und Beitragsrecht (vgl. u. a. OVG LSA, NVwZ-RR 2001, 471 <475>), an der der Senat auch in Ansehung der daran geäußerten Einwände festgehalten hat (vgl. OVG LSA, Beschl. v. 06.04.2004 - 1 L 433/02 -), dass die Gültigkeit eines in der Satzung bestimmten Abgabensatzes allein davon abhängt, ob dem Aufwandsüberschreitungsverbot im Ergebnis Rechnung getragen wird.

2) Der Sache kommt aus den o. g. Gründen (s. o.: Nr. 1 Buchst. a) auch nicht die ihr vom Beklagten beigemessene grundsätzliche Bedeutung i. S. d. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zu.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf den §§ 13 Abs. 2 GKG. Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

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