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Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Beschluss verkündet am 26.02.2009
Aktenzeichen: 1 L 59/08
Rechtsgebiete: VwGO


Vorschriften:

VwGO § 88
VwGO § 91
VwGO § 113 Abs. 1 S. 4
VwGO § 124
VwGO § 124a Abs. 4
VwGO § 125
VwGO § 154
VwGO § 162
Zur Zulässigkeit und zu den Rechtsfolgen einer einseitig gebliebenen Erklärung einer in erster Instanz unterlegenen Behörde, die das von ihr betriebene Antragsverfahren auf Zulassung der Berufung in der Hauptsache für erledigt erklärt hat.
Gründe:

Nachdem der rechtsmittelführende Beklagte mit Schriftsatz vom 16. Februar 2009 die Erledigung des Verfahrens auf Zulassung der Berufung gegen das auf die mündliche Verhandlung vom 1. April 2008 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichtes Magdeburg - 5. Kammer - vom 3. April 2008 in der Hauptsache erklärt und der Kläger sich trotz gerichtlicher Aufforderung in der ihm gesetzten Frist hierzu nicht geäußert hat, war das Begehren des Beklagten gemäß § 88 VwGO dahingehend auszulegen, dass er nunmehr die Feststellung begehrt, dass sich der Rechtsstreit in dem Verfahren auf Zulassung der Berufung erledigt hat. In der Regel ist in einer (einseitig gebliebenen) Erledigungserklärung eines Rechtsmittelführers ein entsprechender Erledigungsfeststellungsantrag enthalten (vgl. zur klagenden Partei: BVerwG, Urteil vom 24. Juli 1980 - Az.: 3 C 120.79 -, BVerwGE 60, 328 [330], BayVGH, Urteil vom 3. Juni 1987 - Az.: 4 B 86.00700 -, BayVBl. 1988, 48; Kopp/Schenke, VwGO, 15. Auflage, § 161 Rn. 20 [m. w. N.]).

Gründe für eine Abweichung von dieser Regel bestehen im gegebenen Fall nicht. Insbesondere unterliegt die Antragsänderung ebenso wenig wie eine Klageänderung der Einschränkung des § 91 VwGO (vgl.: BVerwG, Urteil vom 12. April 2001 - Az.: 2 C 16.00 -, NVwZ 2001, 1286). Die Beteiligten eines Rechtsmittelverfahrens können nämlich darüber disponieren, ob sie den Rechtsstreit insgesamt oder - sofern dies möglich ist - nur das Rechtsmittelverfahren für erledigt erklären (vgl.: OVG LSA, Beschluss vom 11. September 2006 - Az.: 1 L 160/06 - [m. w. N.]; HessVGH, Beschluss vom 10. November 2008 - Az.: 3 A 558/08.Z -, zitiert nach juris; OVG Niedersachsen, Beschluss vom 11. Juli 2008 - Az.: 8 LA 19/07 -, zitiert nach juris; BayVGH, Beschluss vom 9. August 2007 - Az.: 2 ZB 05.843 -, zitiert nach juris; OVG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 23. November 1999 - Az.: 2 M 50/99 -, NVwZ 2000, 1317; OVG Sachsen, Beschluss vom 23. Februar 1998 - Az.: 3 S 761/97 -, DÖV 1998, 936; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 7. Januar 1998 - Az.: 7 S 3117/97 -, NVwZ-RR 1998, 371). Während Erledigungserklärungen, die sich - wie hier - allein auf das Rechtsmittelverfahren beziehen, nur zur Beendigung dieses Verfahrens führen und die vorangegangenen erstinstanzlichen Entscheidungen unberührt lassen (vgl.: BVerwG, Beschluss vom 22. April 1994 - Az.: 9 C 456.93 -, BayVBl 1994, 543), führt die Erledigungserklärung bezogen auf den Rechtsstreit insgesamt demgegenüber dazu, dass gemäß § 161 Abs. 1 und 2 VwGO über die Kosten des gesamten Verfahrens einheitlich zu entscheiden ist (OVG LSA, a. a. O.; OVG Schleswig-Holstein, a. a. O.; OVG Niedersachsen, Beschluss vom 27. Oktober 1997 - Az.: 7 M 4238/97 -, NVwZ-RR 1998, 337; HessVGH, Beschluss vom 3. September 1997 - Az.: 4 TZ 2462/97 -, ESVGH 47, 40) sowie die erstinstanzliche Entscheidung wirkungslos und infolge dessen gemäß § 173 VwGO i. V. m. 269 Abs. 3 Satz 1 und Abs. 4 ZPO für unwirksam zu erklären ist (vgl.: BVerwG, Urteil vom 12. April 2001 - Az.: 2 C 16.00 -, NVwZ 2001, 1286 [1288]; OVG LSA, a. a. O. [m. w. N.]).

Die auf die Erledigung des gesamten Rechtsstreites gerichtete vorangegangene Erklärung des Beklagten entfaltet mangels entsprechender übereinstimmender Erklärung seitens des Klägers keine prozessrechtlichen Wirkungen (vgl. insoweit: BVerwG, Beschluss vom 20. Oktober 2008 - Az.: 5 B 86.08 -, zitiert nach juris; Beschluss vom 17. Dezember 1993 - Az.: 3 B 134.92 -, Buchholz 310 § 161 VwGO Nr. 103), so dass der Beklagte zu einer nur auf das Rechtsmittelverfahren beschränkten Erledigungserklärung übergehen konnte.

Als Antragsänderung eigener Art ist der Wechsel vom ursprünglichen Rechtsmittelantrag zum Erledigungsfeststellungsantrag nicht den Einschränkungen der §§ 91, 125, 142 VwGO unterworfen. Ferner unterliegt der Übergang zum Erledigungsfeststellungsantrag keinen anderen Wirksamkeitsvoraussetzungen als sie auch sonst für Prozesshandlungen gelten. Allein aufgrund der einseitigen Erledigungserklärung des dispositionsbefugten Rechtsmittelführers wird der Erledigungsfeststellungsantrag anstelle des ursprünglichen Antrags rechtshängig. Die aufgrund einseitiger Erledigungserklärung zu treffende gerichtliche Entscheidung ist deshalb immer eine solche im Erledigungsfeststellungsrechtsstreit (vgl. hierzu: BVerwG, Beschluss vom 25. April 1989 - Az.: 9 C 61.88 -, BVerwGE 82, 41 [m. w. N.]).

Auf die einseitige Erledigungserklärung des Beklagten war vorliegend die Erledigung des Verfahrens auf Zulassung der Berufung gegen das auf die mündliche Verhandlung vom 1. April 2008 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichtes A-Stadt - 5. Kammer - vom 3. April 2008 festzustellen. Ob die Erledigung durch das Gericht nicht festgestellt werden darf, wenn der ursprüngliche Antrag unzulässig war (vgl. hierzu: BVerwG, Urteil vom 12. April 2001, a. a. O. [m. w. N.]), kann im gegebenen Fall offen bleiben, denn der Antrag des Beklagten nach §§ 124, 124a Abs. 4 VwGO war zulässig; insoweit besteht zwischen den Beteiligten auch kein Streit.

Das Verfahren auf Zulassung der Berufung gegen das auf die mündliche Verhandlung vom 1. April 2008 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichtes Magdeburg - 5. Kammer - vom 3. April 2008 hat sich in der Hauptsache erledigt, weil nach Anhängigkeit des Zulassungsantrages am 29. April 2008 und dessen Begründung am 4. Juni 2008 ein außerprozessuales Ereignis dem Antragsbegehren die Grundlage entzogen hat und der Antrag auf Zulassung der Berufung daher für den Beklagten gegenstandslos geworden ist (vgl. zum Wegfall des Rechtsschutzinteresses für die Zulassung der Berufung: BayVGH, Beschluss vom 8. Oktober 2008 - Az.: 20 ZB 08.2189, zitiert nach juris; OVG LSA, Beschluss vom 10. Juli 2007 - Az.: 4 L 121/07 -, veröffentlicht bei juris). Der Kläger ist nämlich mit Verfügung vom 22. Januar 2008 in den Ruhestand versetzt worden. Diese Verfügung ist während des hier anhängigen Berufungszulassungsverfahrens aufgrund des rechtskräftig gewordenen Urteiles des Verwaltungsgerichtes A-Stadt vom 16. Oktober 2008 (Az.: 5 A 127/08 MD) bestandskräftig geworden, nachdem der beschließende Senat mit Beschluss vom 8. Januar 2009 (Az.: 1 L 162/08) den dagegen gerichteten Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung abgelehnt hatte. Die Frage der dienstlichen Verwendung des Klägers, insbesondere der Rechtmäßigkeit der hier streitbefangenen Versetzungsverfügung des Beklagten, stellt sich vorliegend daher nicht mehr.

Für die Feststellung, ob sich die Hauptsache - im Rechtsmittelverfahren - erledigt hat, ist schließlich rechtlich ohne Bedeutung, ob der Zulassungsantrag ursprünglich begründet war. Der Kläger kann nämlich in dem vorliegenden Verfahren kein berechtigtes Interesse nach den Maßstäben des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO an der gerichtlichen Prüfung (vgl. insoweit: BVerwG, Urteil vom 12. April 2001, a. a. O., S. 1287) geltend machen. Unabhängig davon hat der Kläger ein berechtigtes Interesse im Sinne von § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO weder vorgetragen, noch dargelegt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO (vgl. hierzu: BVerwG, Beschluss vom 25. April 1989 - Az.: 9 C 61.88 -, BVerwGE 82, 41 [m. w. N.]).

Die Entscheidung über die Festsetzung der Höhe des Streitwertes für das Zulassungsverfahren beruht auf §§ 42, 47, 52 Abs. 1 GKG (vgl.: OVG LSA Beschluss vom 3. Dezember 2002 - Az.: 1 O 513/02 -, NVwZ-RR 2003, 247 [m. w. N.]).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 124a Abs. 5 Satz 4, 152 Abs. 1 VwGO sowie § 68 Abs. 1 Satz 5 GKG i. V. m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

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