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Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Beschluss verkündet am 05.01.2007
Aktenzeichen: 1 M 1/07
Rechtsgebiete: LSA-BG, BGB, BBesG, LSA-KiFöG, VwGO


Vorschriften:

LSA-BG § 79a
BGB § 242
BBesG § 1 Abs. 2
LSA-KiFöG § 3 Abs. 1 Nr. 1
LSA-KiFöG § 17 Abs. 2 S. 1
VwGO § 123
1. Bei der von einem Beamten beantragten Teilzeitbeschäftigung aus familiären Gründen gemäß § 79a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 lit. b) BG LSA handelt es sich um eine gebundene Entscheidung der Behörde; der Beamte hat bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen einen Anspruch auf Bewilligung der Teilzeitbeschäftigung bis zur Hälfte der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit.

2. § 79a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BG LSA sieht weder einen bestimmten Zeitpunkt noch einen gewissen Zeitraum für den vom Beamten in seinem Antrag zu bestimmenden Umfang der Teilzeitbeschäftigung vor.

3. Die Regelung des § 79a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BG LSA knüpft nicht an einen irgendwie gearteten besonderen Betreuungsbedarf der betreuten oder gepflegten Person, sondern setzt einen solchen "Bedarf" voraus, indem § 79a Abs. 1 Satz 1 a. E. BG LSA ausschließlich darauf rekurriert, dass eine Betreuung bzw. Pflege der in § 79a Abs. 1 Satz 1 lit. a) oder b) BG LSA aufgeführten Person tatsächlich erfolgt.

4. Hat der Beamte aufgrund bereits gestellter weiterer Folgeanträge "nahtlos" Teilzeitbeschäftigung aus familiären Gründen beantragt, besteht kein Anlass zu der Annahme einer missbräuchlichen Inanspruchnahme derselben dadurch, dass der Beamte etwa durch sehr kurze Zeiträume der Teilzeitbeschäftigung in einer nicht mehr von § 79a Abs. 1 BG LSA gedeckten Art und Weise Gebrauch zu machen beabsichtigt.

5. Erst wenn der Beamte weitere Folgeanträge dergestalt stellen sollte, dass dadurch kürzere Zeiträume der Vollzeitbeschäftigung entständen, die ihrerseits nur oder jedenfalls weitgehend durch dienstleistungsfreie Zeit (Wochenende, Feiertage, Anträge auf Erholungsurlaub o. ä.) geprägt wären, würde dem Beamten gegebenenfalls zweckwidriges, rechtsmissbräuchliches Verhalten vorgehalten werden können.

6. Dabei ist allerdings zu beachten, dass einem entsprechendem Verhalten gegebenenfalls bereits durch einen etwaigen Verweis auf entgegenstehende zwingende dienstliche Belange, die die gesetzliche Regelung als Beschränkung des Anspruches anführt, begegnet werden könnte, und dass ein rechtsmissbräuchliches Verhalten auch eher in Bezug auf einen beantragten Erholungsurlaub innerhalb einer kurzzeitigen Vollzeitbeschäftigung zu sehen sein könnte. Dies bedarf vorliegend mangels Entscheidungserheblichkeit indes ebenso wenig einer Klärung wie die Frage, ob nach dem auch das öffentliche Recht durchdringenden Grundsatz von Treu und Glauben, der insbesondere im Beamtenrecht - auch dem Besoldungsrecht - Anwendung findet, der Anspruch des Beamten auf Vollzeitbesoldung in Zeiten sehr kurzer Vollzeitbeschäftigung als verwirkt anzusehen ist.


OBERVERWALTUNGSGERICHT DES LANDES SACHSEN-ANHALT BESCHLUSS

Aktenz.: 1 M 1/07

Datum: 05.01.2007

Gründe:

Die zulässige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichtes Dessau - 1. Kammer - vom 22. Dezember 2006, deren Prüfung gemäß § 146 Abs. 4 Satz 1 und 6 VwGO auf die von ihr fristgerecht dargelegten Gründe beschränkt ist, ist in dem aus dem Tenor bezeichneten Umfang begründet und war im Übrigen in der Sache zurückzuweisen.

Das Verwaltungsgericht hat die begehrte einstweilige Anordnung zu Unrecht abgelehnt, soweit die Antragstellerin die Bewilligung von Teilzeitbeschäftigung von 80 v. H. der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit gemäß § 79a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 lit. b) BG LSA für die Zeit vom 8. bis zum 28. Januar 2007 begehrt. Die Antragstellerin hat in diesem Umfang den für den Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO i. V. m. §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO erforderlichen Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund glaubhaft gemacht

Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf das streitige Rechtsverhältnis erlassen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder wenn die Regelung aus anderen Gründen nötig erscheint. Der geltend gemachte Anspruch (Anordnungsanspruch) sowie die Notwendigkeit der vorläufigen Regelung (Anordnungsgrund) sind gemäß § 123 Abs. 3 VwGO in Verbindung mit den §§ 920 Abs. 2, 924 ZPO glaubhaft zu machen. Wird mit einer Regelungsanordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO die Hauptsache ganz oder teilweise vorweggenommen und dadurch in aller Regel ein faktisch endgültiger Zustand geschaffen, kann eine Regelung nur ergehen, wenn der Antragsteller in der Hauptsache zumindest überwiegende Erfolgsaussichten hat und schlechthin unzumutbaren, anders nicht abwendbaren Nachteilen ausgesetzt wäre, wenn er auf den rechtskräftigen Abschluss eines Klageverfahrens verwiesen werden müsste. Überwiegende Aussichten in der Hauptsache bestehen hingegen nur dann, wenn der geltend gemachte Anspruch mit größter Wahrscheinlichkeit begründet ist und aller Voraussicht nach auch im Hauptsacheverfahren bestätigt werden wird (vgl. OVG LSA, Beschluss vom 17. Februar 2005 - Az.: 3 M 454/04 -, Beschluss vom 14. November 2003 - Az.: 3 M 309/03 - und vom 16. Dezember 2004 - Az.: 3 M 384/04).

So liegt der Fall in dem vorbezeichneten Umfange hier. Bei der von der Antragstellerin beantragten Teilzeitbeschäftigung aus familiären Gründen gemäß § 79a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 lit. b) BG LSA handelt es sich um eine gebundene Entscheidung der Behörde; der Beamte hat bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen einen Anspruch auf Bewilligung der Teilzeitbeschäftigung bis zur Hälfte - hier: 80 v. H. - der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit. Sämtliche Voraussetzungen liegen hier nach dem Vorbringen beider Beteiligter vor. Die Antragstellerin hat unter dem 4. Dezember 2006 einen Antrag auf Teilzeitbeschäftigung aus familiären Gründen gestellt und ist im Amt einer Steuerinspektorin eine Beamtin mit Dienstbezügen (§ 1 Abs. 2 BBesG), die mindestens ein Kind unter 18 Jahren - vorliegend zwei minderjährige Kinder - tatsächlich betreut. Schließlich stehen einer Bewilligung der Teilzeitbeschäftigung in beantragtem Umfang auch, wie der Antragsgegner in seinem Schriftsatz vom 5. Januar 2007 ausführt, keine zwingenden dienstlichen Belange (vgl. hierzu: OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 30. Mai 2000 - Az.: 12 B 199/00 -, zitiert nach juris.web) entgegen.

Aus den von der Antragstellerin dargelegten Gründen vermag der beschließende Senat der Auffassung des Verwaltungsgerichtes und des Antragsgegners dahin gehend, der erneute Antrag der Antragstellerin vom 4. Dezember 2006 sei - insbesondere wegen zweckwidriger Inanspruchnahme - rechtsmissbräuchlich, nicht folgen.

§ 79a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BG LSA sieht weder einen bestimmten Zeitpunkt noch einen gewissen Zeitraum für den vom Beamten in seinem Antrag zu bestimmenden Umfang der Teilzeitbeschäftigung vor. Die Regelung knüpft auch nicht an einen irgendwie gearteten besonderen Betreuungsbedarf der betreuten oder gepflegten Person, sondern setzt einen solchen "Bedarf" ipso iure voraus, indem § 79a Abs. 1 Satz 1 a. E. BG LSA ausschließlich darauf rekurriert, dass eine Betreuung bzw. Pflege der in § 79a Abs. 1 Satz 1 lit. a) oder b) BG LSA aufgeführten Person tatsächlich erfolgt. Dies ist vorliegend nach den unbestritten gebliebenen Ausführungen der Antragstellerin der Fall. Beginn und Ende der tatsächlichen Betreuung werden mithin von dem Beamten bestimmt, ohne dass dies durch das Gesetz weitergehend sanktioniert wäre.

Soweit der Antragstellerin vorgehalten wird, sie habe die erneute Teilzeitbeschäftigung zweckwidrig nicht nahtlos anschließend an die bisherige Bewilligung von Teilzeitbeschäftigung lediglich aus Gründen der Erzielung einer ungekürzten Besoldung beantragt, kann ihr dies vorliegend nicht mit Erfolg entgegen gehalten werden. Obwohl nach dem Vorbringen des Antragsgegners nämlich bereits am 30. September 2004 ein Personalgespräch mit der Antragstellerin stattgefunden hat, in welchem sie darauf hingewiesen wurde, dass künftig "Lücken" in Gestalt einer kurzfristigen Vollzeitbeschäftigung nicht mehr geduldet würden, hat der Antragsgegner auch nach eigenen Angaben der Antragstellerin zumindest noch nach der jeweiligen Weihnachtszeit 2004/2005 und 2005/2006 nicht nur erneut Teilzeitbeschäftigung aus familiären Gründen, sondern in der Vollzeitbeschäftigung auch Erholungsurlaub bewilligt. Nicht anders gestaltet sich die gegenwärtige Situation, in welcher die Antragstellerin nach ihrer Vollzeitbeschäftigung von Samstag, 23. Dezember 2006 bis Sonntag, 7. Januar 2007 wiederholt Teilzeitbeschäftigung begehrt.

Der beschließende Senat sieht gegenwärtig, jedenfalls nachdem die Antragstellerin nunmehr aufgrund bereits gestellter weiterer - im Übrigen auch angekündigter - Folgeanträge "nahtlos" für die Zeit vom 8. Januar 2007 bis letztlich wenigstens 31. August 2007 Teilzeitbeschäftigung aus familiären Gründen beantragt hat, auch keine missbräuchliche Inanspruchnahme derselben dadurch, dass die Antragstellerin etwa durch sehr kurze Zeiträume der Teilzeitbeschäftigung in einer nicht mehr von § 79a Abs. 1 BG LSA gedeckten Art und Weise Gebrauch zu machen beabsichtigt. Erst wenn die Antragstellerin nach der jetzigen Ankündigung des Antragsgegners in dem Personalgespräch vom 11. Dezember 2006 mögliche weitere Folgeanträge dergestalt stellen sollte, dass dadurch kürzere Zeiträume der Vollzeitbeschäftigung entständen, die ihrerseits nur oder jedenfalls weitgehend durch dienstleistungsfreie Zeit (Wochenende, Feiertage, Anträge auf Erholungsurlaub o. ä.) geprägt wären, würde der Antragstellerin gegebenenfalls zweckwidriges, rechtsmissbräuchliches Verhalten vorgehalten werden können. Dabei ist allerdings zu beachten, dass einem entsprechendem Verhalten gegebenenfalls bereits durch einen etwaigen Verweis auf entgegenstehende zwingende dienstliche Belange, die die gesetzliche Regelung als Beschränkung des Anspruches anführt, begegnet werden könnte.

Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass ein rechtsmissbräuchliches Verhalten auch eher in Bezug auf einen beantragten Erholungsurlaub innerhalb einer kurzzeitigen Vollzeitbeschäftigung zu sehen sein könnte. Dies bedarf vorliegend mangels Entscheidungserheblichkeit indes ebenso wenig einer Klärung wie die Frage, ob nach dem auch das öffentliche Recht durchdringenden Grundsatz von Treu und Glauben, der insbesondere im Beamtenrecht - auch dem Besoldungsrecht - Anwendung findet (vgl. hierzu: OVG LSA, Urteil vom 28. September 2006 Az.: 1. L 9/06 -, rechtskräftig [m. w. N.]), der Anspruch der Antragstellerin auf Vollzeitbesoldung als verwirkt anzusehen ist.

Nach alledem hätte die Antragstellerin in der Hauptsache in dem tenorierten Umfang überwiegende Erfolgsaussichten.

Der Erlass einer einstweiligen Anordnung in dem tenorierten Umfang war auch erforderlich, um wesentliche Nachteile für die Antragstellerin abzuwenden, da nach den unwidersprochen gebliebenen Darlegungen der Antragstellerin die Betreuung ihrer beiden minderjährigen Kinder im Falle ihrer Vollzeitbeschäftigung ab dem 8. Januar 2007 nicht gewährleistet und die Antragstellerin mit einem Verweis auf das Hauptsacheverfahren schlechthin unzumutbaren, anders nicht abwendbaren Nachteilen ausgesetzt wäre. Insoweit ist ebenfalls der erforderliche Anordnungsgrund glaubhaft gemacht.

Aus dem Vorstehenden folgt indes zugleich, dass es an der Glaubhaftmachung des Anordnungsgrundes über den 28. Januar 2007 hinaus ebenso mangelt wie an der Erforderlichkeit des Erlasses einer zeitlich darüber hinausgehenden einstweiligen Anordnung. Dass die Antragstellerin hiernach schlechthin unzumutbaren, anders nicht abwendbaren Nachteilen ausgesetzt wäre, ist angesichts des Anspruches auf Vollzeitbetreuung der minderjährigen Kinder der Antragstellerin im Umfang von 10 Stunden täglich gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 KiFöG LSA i. V. m. § 17 Abs. 2 Satz 1 KiFöG LSA, der bis zum 28. Januar 2007 durchgesetzt werden könnte, nicht anzunehmen. Gegenteiliges legt die Beschwerde jedenfalls nicht dar. Überdies ist davon auszugehen, dass der Antragsgegner bis zum 28. Januar 2007 unter der etwaigen (erforderlichen) Beteiligung der Personalvertretung nach dem PersVG LSA sowie Beachtung der Rechtsauffassung des beschließenden Senates über die weitergehenden Anträge der Antragstellerin entschieden haben wird.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 155 Abs. 1 Satz 1 und 2 VwGO.

Die Entscheidung über den Streitwert für das Beschwerdeverfahren und von Amts wegen zugleich für den ersten Rechtszug unter Änderung der Streitwertfestsetzung in dem Beschluss des Verwaltungsgerichtes A-Stadt - 1. Kammer - vom 22. Dezember 2006 folgt aus §§ 63 Abs. 3, 40, 47, 53 Abs. 3 Nr. 1 GKG i. V. m. § 52 Abs. 2 GKG (vgl.: OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 30. Mai 2000 - Az.: 12 B 199/00 -, zitiert nach juris.web). Danach ist der Auffangstreitwert anzunehmen, wenn - wie im gegebenen Fall - der bisherige Sach- und Streitstand keine genügenden Anhaltspunkte dafür bietet, den Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Antragstellers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Für eine Reduktion dieses Betrages bestand im Hinblick auf die letztlich begehrte Vorwegnahme der Hauptsache kein Anlass.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 4 GKG i. V. m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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