Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Beschluss verkündet am 28.06.2007
Aktenzeichen: 1 M 100/07
Rechtsgebiete: LuftSiG, VwGO


Vorschriften:

LuftSiG § 7
VwGO § 123 Abs. 1
Vorsätzliche Straftaten von einigem Gewicht stellen die luftverkehrsrechtliche Zuverlässigkeit im Sinne des § 7 LuftSiG in besonderem Maß in Frage.

Ein spezifisch luftverkehrsrechtlicher Bezug der Straftat ist für deren indizielle Aussagekraft über die Zuverlässigkeit des Betroffenen nicht notwendig.


Gründe:

Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die begehrte einstweilige Anordnung, den Antragsgegner zu verpflichten, dem Antragsteller bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in dem Verfahren 2 A 156/06 DE die Zuverlässigkeit im Sinne des § 7 LuftSiG zu bescheiden, im Ergebnis zu Recht abgelehnt.

Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf das streitige Rechtsverhältnis erlassen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder wenn die Regelung aus anderen Gründen nötig erscheint. Der geltend gemachte Anspruch (Anordnungsanspruch) sowie die Notwendigkeit der vorläufigen Regelung (Anordnungsgrund) sind gemäß § 123 Abs. 3 VwGO in Verbindung mit den §§ 920 Abs. 2, 924 ZPO glaubhaft zu machen. Wird mit einer Regelungsanordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO - wie mit der hier begehrten Bescheinigung der Zuverlässigkeit im Sinne des § 7 LuftSiG - die Hauptsache ganz oder teilweise vorweggenommen und dadurch in aller Regel ein faktisch endgültiger Zustand geschaffen, kann eine Regelung nur ergehen, wenn der Antragsteller in der Hauptsache zumindest überwiegende Erfolgsaussichten hat und schlechthin unzumutbaren, anders nicht abwendbaren Nachteilen ausgesetzt wäre, wenn er auf den rechtskräftigen Abschluss eines Klageverfahrens verwiesen werden müsste (vgl. OVG LSA, Beschluss vom 22. Januar 2007 - 1 M 258/06 -, m. w. N.).

Es kann dahin stehen, ob das Verwaltungsgericht zutreffend bereits das Vorliegen eines Anordnungsgrundes verneint hat. Denn es fehlt jedenfalls an der Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs. Der Antragsteller hat nicht glaubhaft gemacht hat, dass er mit überwiegender Wahrscheinlichkeit in der Hauptsache obsiegen wird.

Rechtsgrundlage der begehrten Feststellung der Zuverlässigkeit des Antragstellers ist § 7 Abs. 1 Nr. 1 des Luftsicherheitsgesetzes vom 11. Januar 2005 (BGBl. I, S. 78), zul. geändert durch Gesetz vom 5. Januar 2007 (BGBl. I, S. 2) - LuftSiG -, wonach zum Schutz vor Angriffen auf die Sicherheit des Luftverkehrs die Luftsicherheitsbehörde die Zuverlässigkeit von Personen zu überprüfen hat, denen zur Ausübung einer beruflichen Tätigkeit nicht nur gelegentlich Zugang zu nicht allgemein zugänglichen Bereichen des Flugplatzgeländes eines Verkehrsflughafens im Sinne des § 8 LuftSiG gewährt werden soll. Für die vom Antragsteller angestrebte Tätigkeit bei der G-Firma im Bodendienst auf dem Flughafen F ist ein Flughafenausweis erforderlich, der ihm nur ausgestellt wird, wenn die Luftsicherheitsbehörde zuvor seine Zuverlässigkeit nach § 7 LuftSiG festgestellt und entschieden hat, dass ihm Zugang zu den sicherheitsrelevanten Bereichen des Flughafens gewährt wird (vgl. hierzu OVG Nordrh.-Westf., Beschluss vom 21. Januar 2004 - 20 B 2628/03 -; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 13. Juni 2002 - 8 S 1194/02 -, zitiert jeweils nach juris). Zuverlässig im Sinne von § 7 LuftSiG ist nur, wer die Gewähr dafür bietet, die ihm obliegenden Pflichten zum Schutz vor Angriffen auf die Sicherheit des Luftverkehrs, insbesondere vor Flugzeugentführungen, Sabotageakten und terroristischen Anschlägen jederzeit in vollem Umfang zu erfüllen (BVerwG, Urteil vom 11. November 2004 - 3 C 8.04 -, juris). Angesichts des gerade beim Luftverkehr hohen Gefährdungspotentials und der Hochrangigkeit der zu schützenden Rechtsgüter ist die Zuverlässigkeit bereits dann zu verneinen, wenn an ihr auch nur geringe Zweifel bestehen (BVerwG, a. a. O.). Bezugspunkt für die Überprüfung der Zuverlässigkeit muss sein, ob Grund für die Annahme besteht, beim Überprüften sei aktuell oder künftig ein Verstoß gerade gegen die Anforderungen zur Wahrung der Sicherheit des Luftverkehrs zu befürchten (BVerwG, a. a. O.). Straftaten des Betroffenen geben Anlass, die luftverkehrsrechtliche Zuverlässigkeit in Frage zu stellen und im Rahmen der gebotenen Gesamtwürdigung des Einzelfalls festzustellen, ob sich hieraus Benken ergeben, der Betroffene könne aus eigenem Antrieb oder aufgrund fremder Manipulation die Sicherheit des Luftverkehrs beeinträchtigen. Dabei ist das Gewicht der Straftaten und ihre indizielle Aussagekraft ebenso in den Blick zu nehmen wie den Betroffenen entlastende oder möglicherweise sogar in ein gutes Licht stellende Vorgänge (BVerwG, a. a. O.).

Hiervon ausgehend hat der Antragsteller einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht. Die rechtskräftige Verurteilung des Antragstellers wegen gewerbsmäßigen gemeinschaftlichen Betruges in vier Fällen durch das LG H-Stadt vom 22. Januar 2002 zu einer Freiheitsstrafe von 11 Monaten begründet - jedenfalls durch den bisherigen Vortrag des Antragstellers gegenwärtig nicht ausgeräumte - Bedenken an seiner Zuverlässigkeit. Denn vorsätzliche Straftaten von einigem Gewicht stellen - ungeachtet des Umstandes, dass eine normative Regelvermutung, wie sie in der zwischenzeitlich aufgehobenen Vorschrift des § 5 Abs. 2 Nr. 1 LuftVZÜV enthalten war (vgl. zu deren Unwirksamkeit mangels ausreichender gesetzlicher Ermächtigung BVerwG, Urteil vom 11. November 2004 - 3 C 8.04 -, juris), nicht besteht - die Zuverlässigkeit des Betroffenen in besonderem Maß in Frage. Ein spezifisch luftverkehrsrechtlicher Bezug der Straftat ist dabei für deren indizielle Aussagekraft über die Zuverlässigkeit des Betroffenen nicht notwendig (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. Dezember 1990 - 7 C 20/90 -; BayVGH, Beschluss vom 12. Juli 2005 - 20 CS 05.2005 -, jeweils zitiert nach juris). Hier kommt in den vom Antragsteller begangenen vorsätzlichen Betrugsstraftaten eine Neigung zum Ausdruck, sich zur Durchsetzung eigener - finanzieller - Interessen über strafgesetzlich besonders geschützte Rechtsgüter hinwegzusetzen, und damit ein charakterlicher Mangel, der befürchten lässt, dass der Antragsteller nicht jederzeit die Gewähr dafür bietet, die Rechtsordnung und damit auch die zur Luftsicherheit erlassenen Vorschriften zu beachten. Auch wenn die Vollstreckung der Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt wurde, handelt es sich bei den Taten - wie sich schon am Strafmaß zeigt - um solche von nicht unerheblichem Gewicht. Weiter war der Vermögensschaden, den der Antragsteller verursacht hat, beträchtlich. Soweit der Antragsteller bei den betrügerischen Immobiliengeschäften selbst zu einem erheblichem Teil Opfer gewesen sein und er die Wohnungskäufe nicht aus eigenem Antrieb vorgenommen haben will, mag dies möglicherweise zeigen, dass die Betrugsstraftaten nicht Ausdruck besonderer krimineller Energie des Antragstellers gewesen sind. In ihnen tritt aber jedenfalls eine erhebliche Beeinflussbarkeit und Verführbarkeit des Antragstellers zu Tage. Zu der Einlassung des Antragstellers, er habe sich damals aufgrund seiner familiären, beruflichen und finanziellen Situation Belastungen ausgesetzt gesehen und unter diesem Druck gehandelt, ist zu bemerken, dass für die Zuverlässigkeit eines im sicherheitsrelevanten Bereich des Flughafens Beschäftigten zu erwarten ist, dass er auch in Konflikt- oder Stresssituationen Gewähr dafür bietet, sich stets an die Rechtsordnung zu halten. Die gegenteilige indizielle Wirkung der Straftaten wird auch nicht dadurch ausgeräumt, dass der Antragsteller sich zu deren Begründung auch auf seine Unerfahrenheit in Immobiliengeschäften beruft. Die fraglichen, der Verurteilung zugrunde liegenden Wohnungskäufe hat der Antragsteller vielmehr getätigt, obwohl er nach den vorangegangen Geschäften "ein dummes Gefühl" hatte und kund getan hatte, dass er sich "keine krummen Dinger" mehr leisten könne; damit hat er nach den Feststellungen des LG H-Stadt vorsätzlich gehandelt, als er sich - zur Verbesserung seiner finanziellen Situation - gleichwohl auf die Geschäfte eingelassen hat. Es zeigt einen gefährlichen Charaktermangel, sich leichtgläubig und wiederholt zu Handlungen überreden zu lassen, deren Strafbarkeit ersichtlich ist. Wenn die Betrugsstraftaten des Antragstellers hiernach auch nicht den Schluss auf ein zielgerichtetes strafbares Verhalten im Zusammenhang mit der Sicherheit des Luftverkehrs im engeren Sinn zulassen, begründen sie aber die Befürchtung, dass er nicht über die charakterliche Festigkeit verfügt, auch in Krisensituationen, gerade bei einem In-Aussicht-Stellen von Vorteilen oder der Androhung von Nachteilen durch Dritte, Stand zu halten und die luftverkehrsrechtlichen Anforderungen uneingeschränkt zu wahren.

Diese sich aus den Straftaten ableitende Befürchtung lässt sich auch bei Würdigung der sonstigen Umstände jedenfalls gegenwärtig nicht mit der erforderlichen Sicherheit ausräumen. Zwar ist einzuräumen, dass der Antragsteller nach 1999 nicht mehr strafrechtlich in Erscheinung getreten ist. Auch die Bewährungsprognose in dem Strafurteil war positiv; die Bestellung eines Bewährungshelfers wurde vorzeitig aufgehoben. Der Antragsteller lebt in einer stabilen Partnerschaft, die eine weitere Bewährung stützt. Nicht verkannt werden soll auch der Umstand, dass die militärischen Sicherheitsüberprüfungen des Antragstellers bei der Bundeswehr positiv ausfielen und er von seinem Dienstvorgesetzten in Kenntnis der Betrugsstraftaten unter dem 24. November 2003 als verantwortungsbewusster Offizier beurteilt worden ist, der seine Aufgaben "verlässlich und gewissenhaft" meistere. Für die Frage der luftsicherheitsrechtlichen Zuverlässigkeit, die nach den spezifischen und dem Gesetzeszweck entsprechend strengen Anforderungen des § 7 LuftSiG zu beurteilen ist, kann die dienstliche Bewährung des Antragstellers allerdings nur eine begrenzte Aussagekraft haben. Auch liegt die Verurteilung gemessen an der geltenden 10-jährigen Tilgungsfrist (§ 46 Abs. 1 Nr. 2 b BZRG) noch nicht so lange zurück, dass die aus der Straftat begründeten Zweifel durch die positive Entwicklung des Antragstellers gegenwärtig schon als ausgeräumt angesehen werden können. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Antragsteller noch mit erheblichen Schulden aus den Betrugsstraftaten belastet ist und damit in einer - wie seinerzeit - schwierigen finanziellen Situation steht, die ihn anfällig machen könnte für Versuchungen oder Manipulationen, die ihm eine Verbesserung in dieser Hinsicht versprechen (vgl. auch VG Frankfurt, Urteil vom 6. Juli 2006 - 12 E 3035/05 -, juris). Insofern ist nicht ohne Belang, dass der Antragsteller sein eigenes Fehlverhalten zu relativieren sucht, indem er sich eine bloße Opferrolle zuschreibt. Denn zu erwarten ist eine selbstkritische, bewusste Auseinandersetzung mit diesen Verfehlungen. Mag der Antragsteller im Rahmen des noch anhängigen Hauptsacheverfahrens Gelegenheit nehmen, seine luftverkehrsrechtliche Zuverlässigkeit weiter darzutun, etwa aufzuzeigen, dass er sich nicht nur - was selbstverständlich zu erwarten ist - bewährt, sondern darüber hinaus an der Wiedergutmachung des durch die Betrugstaten entstandenen Schadens - etwa durch überobligationsmäßigen Schuldenabbau auch nach der Verurteilung - gearbeitet hat. Soweit der Antragsteller in diesem Eilverfahren schließlich verfassungsrechtliche Bedenken gegen das LuftSiG geltend macht, muss deren Klärung dem Hauptsacheverfahren vorbehalten blieben, zumal nicht ersichtlich ist, dass der Antragsteller die begehrte Bescheinigung nach der alten im Fall der Annahme der Verfassungswidrigkeit wieder zugrunde zu legende Rechtslage beanspruchen könnte.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus §§ 53 Abs. 3 Nr. 1, 52 Abs. 2, 47 Abs. 1 Satz 1 GKG. Die begehrte Zuverlässigkeitsbescheinigung, mit der der Antragsteller die zur Aufnahme einer beruflichen Tätigkeit erforderliche Zutrittsberechtigung zum Flughafen F erreichen will, bewertet der Senat mit dem Auffangwert. Von einer Reduzierung des Betrages für das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes hat der Senat im Hinblick auf die mit der begehrten einstweiligen Anordnung verbundene weitgehende Vorwegnahme der Hauptsache abgesehen.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 GKG i. V. m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

Zurück