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Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Beschluss verkündet am 28.11.2006
Aktenzeichen: 1 M 193/06
Rechtsgebiete: VwGO


Vorschriften:

VwGO § 80 Abs. 7
Die nach dem Beschluss des Senats vom 27.07.2005 (1 M 320/05) bestehenden Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit von Vollstreckungsmaßnahmen gegen Veranstalter von Internet-Sportwetten rechtfertigen keine Änderung (§ 80 Abs. 7 VwGO) der ablehnenden Entscheidung über einen Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Grundverfügung, die dem Veranstalter die Wettannahme von Personen, die sich in Sachsen-Anhalt aufhalten, untersagt.
OBERVERWALTUNGSGERICHT DES LANDES SACHSEN-ANHALT BESCHLUSS

Aktenz.: 1 M 193/06

Datum: 28.11.2006

Gründe:

Die zulässige Beschwerde ist begründet. Auf der Grundlage der mit der Beschwerdebegründung vorgebrachten Einwände, auf deren Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, hat die Beschwerde Erfolg. Das Verwaltungsgericht hätte den Antrag des Antragstellers, im Wege einer Abänderung des Beschlusses des Senats vom 18.03.2005 (1 M 89/05) nach § 80 Abs. 7 VwGO die aufschiebende Wirkung seiner Klage gegen die Untersagungsverfügung des Antragsgegners vom 11.10.2004 wiederherzustellen, ablehnen müssen.

Der Antragsteller hat keinen Anspruch auf Änderung des Beschlusses vom 18.03.2005 nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO. Voraussetzungen für die auf Antrag mögliche Abänderung eines nach § 80 Abs. 5 VwGO ergangenen Beschlusses nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO ist es, dass entweder gegenüber dem Ausgangsverfahren veränderte Umstände eingetreten sind oder dass der durch den Beschluss im Ausgangsverfahren beschwerte Beteiligte relevante Umstände ohne Verschulden nicht hat geltend machen können und dass diese Umstände eine andere als die zunächst getroffene Entscheidung rechtfertigen.

Eine Änderung der Sach- oder Rechtslage, die sich zugunsten des Antragstellers auswirken könnte, ist nach dem Beschluss des Senats vom 18.03.2005 nicht eingetreten. Soweit der Antragsteller den Antrag nach § 80 Abs. 7 VwGO darauf stützt, dass es keine Möglichkeit gebe, den Aufenthaltsort des Kunden beim Abschluss des über das Internet abgewickelten Wettgeschäfts sicher festzustellen, handelt es sich um einen Umstand, der bereits bei Erlass des Beschlusses vom 18.03.2005 bestand, und nicht erst danach eingetreten ist. Der Antragsteller war auch nicht ohne Verschulden gehindert, diesen Umstand bereits vor der Entscheidung des Senats vom 18.03.2005 geltend zu machen. Es ist nicht ersichtlich, warum der Antragsteller vor dem 18.03.2005 nicht in der Lage gewesen sein sollte, die mit der Bestimmung des Aufenthaltsortes seiner Kunden verbundenen Schwierigkeiten zu erkennen und im gerichtlichen Verfahren vorzutragen. Denn spätestens nach Bekanntgabe der - unter Anordnung der sofortigen Vollziehung erlassenen - Untersagungsverfügung des Antragsgegners vom 11.10.2004 bestand für den Antragsteller Anlass, sich über die Möglichkeiten zur Umsetzung dieser Verfügung kundig zu machen. Der Antragsteller kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass er sich einer möglichen Entscheidungserheblichkeit dieser Problematik nicht bewusst gewesen ist und deshalb nichts dazu vorgetragen hat. Denn die Frage der Feststellbarkeit des Aufenthaltsorts der Kunden bei Abschluss des Wettgeschäfts war bereits Gegenstand des Ausgangsverfahrens. Das Verwaltungsgericht hat in dem Beschluss vom 17.01.2005 ausgeführt, dass "gerade bei Kontakten über das Internet nicht zuverlässig festgestellt" werden könne, "wo eine bestimmte Person, auch wenn sie mit Sicherheit in Sachsen-Anhalt gemeldet ist, sich im Augenblick des Abschlusses des Wettgeschäfts gerade aufhält" (Hervorhebung im Original).

Der Änderungsantrag nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO kann auch nicht darauf gestützt werden, dass mit dem Beschluss des Senats vom 27.07.2005 (1 M 320/05) eine Klärung in der Rechtsprechung eingetreten wäre, aus der sich die Rechtswidrigkeit der angefochtenen Untersagungsverfügung vom 10.11.2004 ergäbe. Zwar kann auch eine nachträgliche Änderung der Rechtsprechung oder die Klärung einer umstrittenen Rechtsfrage einen Anspruch auf Änderung eines nach § 80 Abs. 5 VwGO ergangenen Beschlusses begründen (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, § 80 Rdnr. 197). Allerdings muss die Änderung für die Beurteilung der Entscheidungsvoraussetzungen nach § 80 Abs. 5 VwGO erheblich sein. Daran fehlt es hier. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts kann nicht angenommen werden, dass der Beschluss des Senats vom 18.03.2005 im Ergebnis anders ausgefallen wäre, wenn die Problematik der (fehlenden) Bestimmbarkeit des Aufenthaltsorts der jeweiligen Wettkunden bereits zum damaligen Zeitpunkt bekannt gewesen wäre. In dem Beschluss vom 27.07.2005 hat der Senat ausgeführt, dass sich die Zwangsgeldfestsetzung und erneute Zwangsgeldandrohung in dem Bescheid vom 07.04.2005 mit überwiegender Wahrscheinlichkeit als rechtswidrig erweisen werde, weil für die streitbefangene Maßnahme kein Anlass bestanden habe. Im Zusammenhang mit Ausführungen zu den Anforderungen an die Bestimmtheit von Zwangsgeldandrohungen hat der Senat "ausdrücklich offen" gelassen, ob insofern Bedenken auch gegen die Bestimmtheit der Grundverfügung vom 11.10.2004 bestehen und zur Rechtmäßigkeit der in dem Bescheid ebenfalls enthaltenen Untersagungsanordnungen keine Stellungnahme abgegeben. Die Ausführungen des Senats zur fehlenden Bestimmtheit hinsichtlich der Zwangsgeldfestsetzung und erneuten Zwangsgeldandrohung in dem Bescheid vom 07.04.2005 lassen schon deshalb keinen Rückschluss auf einen entsprechenden Mangel bei der Untersagungsverfügung zu, weil der nach Auffassung des Senats bestehende Bestimmtheitsmangel darauf beruht, dass der Antragsgegner nicht aufgezeigt habe, "welche weiteren möglichen und zulässigen Schritte zur Umsetzung der Verbotsverfügung" der Antragsteller zu ergreifen habe (Hervorhebung nicht im Original).

Da es, wie die vom Antragsteller selbst getroffenen Maßnahmen belegen, jedenfalls Möglichkeiten zur Umsetzung der Untersagungsverfügung gibt, lässt der Beschluss den Senats vom 27.07.2005 auch nicht auf die fehlende Vollziehbarkeit der Untersagungsverfügung vom 11.10.2004 schließen.

Ebenso wenig folgt aus dem Beschluss, dass die Untersagungsverfügung vom 11.10.2004 gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verstößt. Die Untersagungsverfügung ist schon nicht deshalb zu dem von ihr verfolgten Zweck ungeeignet, weil es Umgehungsmöglichkeiten gibt. Ein Mittel ist dann im Sinne des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes geeignet, wenn mit seiner Hilfe der gewünschte Erfolg gefördert werden kann. Es ist nicht erforderlich, dass der Erfolg in jedem Einzelfall auch tatsächlich erreicht wird oder jedenfalls erreichbar ist; die Möglichkeit der Zweckerreichung genügt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 18.07.2005 - 2 BvF 2/01 -, BVerfGE 113, 167, m. w. N.). Auch wenn sich die Umsetzung der Ordnungsverfügung auf die vom Antragsteller getroffenen Maßnahmen - nämlich den Hinweis auf die Unzulässigkeit von Wettannahmen während des Aufenthalts des Kunden in Sachsen-Anhalt und die Versicherung des Kunden, dass er sich bei der Wettabgabe nicht in Sachsen-Anhalt aufhält - beschränken sollte, hat die Maßnahme für den betroffenen Personenkreis abschreckenden Charakter und ist geeignet, jedenfalls einen Teil dieser Personen von der Wettabgabe abzuhalten.

Soweit der Antragsteller seinen Antrag nach § 80 Abs. 7 VwGO auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in dem Beschluss vom 27.04.2005 - 1 BvR 223/05 - gestützt hat, ist diese Entscheidung auf die Sach- und Rechtslage in Sachsen-Anhalt nicht übertragbar (vgl. Beschluss des Senats vom 08.11.2005 - 1 M 316/05 -) und nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 28.03.2006 - 1 BvR 1054/01 -, in dem es sich umfassend zur Verfassungsmäßigkeit des staatlichen Glücksspielmonopols geäußert hat, nicht einschlägig. Nach der Rechtsprechung des beschließenden Senats ist es nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 28.03.2006 im Übrigen nicht geboten, jedenfalls in der Übergangszeit bis zum 31.12.2007 die Veranstaltung in Sachsen-Anhalt nicht erlaubter Sportwetten zuzulassen (vgl. Beschluss vom 04.05.2006 - 1 M 476/05 -).

Schließlich besteht kein Anlass, den Beschluss des Senats vom 18.03.2005 nach § 80 Abs. 7 Satz 1 VwGO von Amts wegen abzuändern. Selbst wenn man davon ausgeht, dass ein Beschluss nach § 80 Abs. 5 VwGO auch dann geändert werden kann, wenn ein am Verfahren Beteiligter die Änderung mangels veränderter Umstände nicht nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO durchsetzen könnte (so OVG LSA, Beschluss vom 05.11.2003 - 2 M 500/03 -), besteht vorliegend für eine Änderung des Beschlusses vom 18.03.2005 kein Anlass. Denn nach den vorstehenden Ausführungen sieht der Senat keinen Grund für eine von dem Beschluss vom 18.03.2005 abweichende Beurteilung der Sach- und Rechtslage.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Festsetzung des Streitwertes folgt aus den §§ 53 Abs. 3 Nr. 2, 52 Abs. 1, 47 Abs. 1 Satz 1 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

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