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Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Beschluss verkündet am 18.03.2005
Aktenzeichen: 1 M 91/05
Rechtsgebiete: LSA, EV


Vorschriften:

LSA § 13
EV Art. 90
EV Art. 19
1. Die Veranstaltung von Sportwetten (hier: Oddset-Wetten) ohne eine behördliche Erlaubnis verstößt gegen § 284 StGB und damit gegen die öffentliche Sicherheit im Sinne des § 13 SOG LSA. Dem staatlichen Glücksspielmonopol stehen dabei weder verfassungs- noch europarechtliche Bedenken gegenüber.

2. Weder eine aufgrund des Gewerbegesetzes der DDR noch eine von Behörden außerhalb des Landes Sachsen-Anhalt erteilte Erlaubnis im Sinne des Glücksspielrechts führt bezogen auf im Land Sachsen-Anhalt veranstaltete Sportwetten zu einer Legalisierungswirkung.


OBERVERWALTUNGSGERICHT DES LANDES SACHSEN-ANHALT BESCHLUSS

Aktenz.: 1 M 91/05

Datum: 18.03.2005

Gründe:

Die zulässige Beschwerde ist begründet. Zu Unrecht hat das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung der Klage vom 27. Oktober 2004 gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 11. Oktober 2004 wiederhergestellt.

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit einer Verfügung, welche der Antragstellerin die Veranstaltung von Sportwetten untersagt.

Ohne Rechts- und Ermessensfehler hat der Antragsgegner der Antragstellerin die Veranstaltung, Vermittlung und Bewerbung von Sportwetten in seinem Zuständigkeitsbereich untersagt, weil es sich hierbei um verbotenes Glücksspiel i. S. von § 284 StGB handelt. Sowohl Verfassungs- als auch Gemeinschaftsrecht stehen dieser Einschätzung nicht entgegen. Die im Rahmen des § 80 Abs. 5 VwGO gebotene Abwägung ergibt, dass das Interesse der Antragstellerin, einstweilen vom Vollzug der Untersagungsverfügung verschont zu bleiben, nachrangig ist.

Zu Recht hat der Antragsgegner die Untersagungsverfügung auch im Hinblick darauf, dass in Sachsen-Anhalt jedenfalls im Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Bescheides für Glücksspiele kein gesetzlicher Zulassungstatbestand existierte, nicht auf § 15 Abs. 2 GewO, sondern auf die ordnungsrechtliche Regelung des § 13 SOG LSA gestützt. Den Verstoß gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung hat der Antragsgegner zutreffend darin gesehen, dass durch die von der Antragstellerin angebotenen Sportwetten der Tatbestand des § 284 Abs. 1 StGB verwirklicht wird.

Bei den von der Antragstellerin veranstalteten Oddset-Wetten (Sportwetten mit festen Gewinnquoten) handelt es sich um Glücksspiele i. S. von § 284 Abs. 1 StGB. Die Glücksspieleigenschaft der von der Antragstellerin veranstalteten Oddset-Wetten kann nach der obergerichtlichen und höchstrichterlichen Rechtsprechung, welche sich der Senat anschließt, nicht ernstlich in Frage gestellt werden (vgl. VGH München U. v. 29.09.2004 - 24 BV 03.3162 -, GewArch 2005, 78; VGH Mannheim, B. v. 12.01.2005 - 6 S 1288/04 -, GewArch 2005, 113). Auch in der Sache kann nach Überzeugung des Senats nicht zweifelhaft sein, dass bei Sportwetten der vorliegenden Art dem Zufallselement zumindest ein Übergewicht zukommt (vgl. BGH, U. v. 28.11.2002 - 4 StR 260/02 -, GewArch 2003, 332). Der Erfolg der Wette hängt auch bei Teilnahme typischerweise sachkundiger Personen entscheidend von einer Vielzahl nicht vorab einschätzbarer Faktoren und somit vom Zufall ab.

Die Antragstellerin veranstaltet das verbotene Glücksspiel auch ohne "behördliche Erlaubnis", wobei § 284 StGB so zu interpretieren ist, dass nur die Erlaubnis der sachlich und örtlich zuständigen Landesbehörde das Veranstalten des Glücksspiels legitimieren kann. Es ist zwar davon auszugehen, dass die am 11. April 1990 vom Rat der Stadt E erteilte Erlaubnis i. S. d. Art. 19 EV wirksam geblieben ist. Allein die fortbestehende Wirksamkeit der Verwaltungsentscheidung nach Art. 19 EV beantwortet jedoch noch nicht die Frage nach deren räumlichen und zeitlichen Geltungsbereich. Die Feststellung, dass eine Verwaltungsentscheidung von Behörden der DDR nach dem Beitritt wegen der Regelung des Art. 19 EV fortgilt, enthält noch keine Aussage darüber, welche Validität ihr in dem Rechtssystem der Bundesrepublik Deutschland seit dem 03. Oktober 1990 zukommt. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes (U. v. 07.03.1995, - VII R 4/94 -, BStBl. II 1995, 421) und des Bundesverwaltungsgerichtes (U. v. 19.03.1998 - 2 C 2/97 -, BVerwGE 106, 253 f.) ist in solchen Fällen - jeweils bezogen auf die Rechtswirklichkeit der Bundesrepublik Deutschland - zu prüfen, wie weit die Tatbestands- und Regelungswirkung nach Art. 19 EV weiterhin wirksamer Verwaltungsentscheidungen reicht. Art. 19 EV begründet für Verwaltungsentscheidungen der ehemaligen Behörden der DDR dabei keinen erhöhten Bestandsschutz derart, dass diese Entscheidungen nur aufgehoben werden dürften, wenn sie mit rechtsstaatlichen Grundsätzen oder mit den Regelungen des Einigungsvertrages unvereinbar wären (vgl. Art. 19 Satz 2 EV). Das folgt schon daraus, dass nach Art. 19 Satz 3 EV die Vorschriften über die Bestandskraft von Verwaltungsakten unberührt bleiben, also Verwaltungsakte auch bei Vorliegen entsprechender normativ im Recht der DDR festgelegter Voraussetzungen aufgehoben werden können. Abgesehen davon können jedoch Verwaltungsakte der ehemaligen Behörden der DDR vorbehaltlich besonderer Bestimmungen des Vertrages auch unwirksam werden, wenn eine andere Rechtsvorschrift dies bestimmt (vgl. Denkschrift zum Einigungsvertrag, BT-Drucksache 11/7760, S. 364; BFH, U. v. 07.03.1995, a. a. O.).

Das Gewerbegesetz der DDR ist mit dem Inkrafttreten des Einigungsvertrages am 03. Oktober 1990 außer Kraft getreten. Die Vertragsparteien haben dabei ausdrücklich nicht von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, dieses Gesetz oder auch nur einzelne Bereiche daraus entweder als partikulares Bundesrecht oder als Landesrecht i. S. des Art. 9 Abs. 1 EV fortgelten zu lassen. Nach einhelliger Auffassung fällt nach der Kompetenzverteilung des Grundgesetzes die Regelung des Glücksspielrechts in die Zuständigkeit der Länder (BVerwG, U. v. 28.03.2001 - 6 C 2/01 -, BVerwGE 114, 92 m. w. N.). Das Land Sachsen-Anhalt hat weder im vormaligen Lotto-Toto-Gesetz noch im nunmehr geltenden Glücksspielgesetz bzw. im Ersten Rechtsbereinigungsgesetz, welches sich mit dem als Landesrecht fortgeltenden Recht der DDR befasst (G. v. 26.06.1996, GVBl. S. 210), Bestimmungen über die Adaption bzw. Transformation der nach dem Gewerbegesetz der DDR erteilten Erlaubnisse in das Landesrecht aufgenommen. Da im Übrigen die neuen Bundesländer nicht die Universalrechtsnachfolger der DDR bzw. deren Bezirke geworden sind, bleibt bereits offen, wer hinsichtlich der nach dem Gewerbegesetz erteilten Erlaubnisse für die Veranstaltung von Sportwetten insofern als Rechtsnachfolger anzusehen ist (vgl. zum Problem der Rechtsnachfolge: Isensee, HStR IX § 202 Rdnr. 94 f.), da diese Erlaubnisse kein unmittelbares Pendant in der Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland seit dem 03. Oktober 1990 gefunden haben.

Sieht ein Landesgesetz die Möglichkeit der Erteilung einer Erlaubnis zum Veranstalten von Glücksspielen vor und wird eine solche Erlaubnis nach Landesrecht erteilt, so ist deren Geltungsbereich stets auf das jeweilige Land beschränkt. Bestimmt sich die räumliche Reichweite der fortgeltenden Verwaltungsentscheidung nach seiner Zuordnung zum jeweiligen Rechtsgebiet, so ergibt sich hieraus zwar nicht die Unwirksamkeit der Erlaubnis, die der Antragstellerin am 11. April 1990 in der DDR erteilt worden ist. Die uneingeschränkte Ausweitung des räumlichen Geltungsbereichs von Erlaubnissen nach dem Gewerbegesetz der DDR auf das gesamte Bundesgebiet würde aber zu einer sachlich nicht gebotenen Privilegierung der Erlaubnis und damit gerade zu einer (dauernden) Rechtsspaltung führen. Wie sich aus Art. 9 EV ergibt, sollte mit dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik Deutschland aber gerade die Rechtseinheit unter Wahrung bzw. Wiederherstellung föderaler Strukturen geschaffen werden. Die Parteien des Einigungsvertrages haben zwar zahlreiche bundesrechtliche Sonderregelungen getroffen und auch den Fortbestand von Regelungen der DDR angeordnet. Hierbei wurde, wenn der angestrebte Gesetzeszweck anderweitig nicht zu verwirklichen war, nicht nur partikulares Bundesrecht im Beitrittsgebiet geschaffen, sondern im Einzelfall auch eine Geltung für das gesamte Bundesgebiet bestimmt (z. B. § 20 a PartG-DDR). Dieses Verständnis liegt auch dem von der Antragstellerin zitierten Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (U. v. 15.10.1997 - 7 C 21/96 -, BVerwGE 105, 255) zugrunde. Das Bundesverwaltungsgericht führt in diesem Urteil ausdrücklich aus, dass die Notwendigkeit der Fortgeltung und der bundesweiten Geltung der Verwaltungsentscheidung des Ministerrates der DDR, die Synagogengemeinde II als Körperschaft anzuerkennen, maßgeblich vor dem historischen Hintergrund zu sehen ist, dass sich die DDR bis Ende 1989 nur in begrenztem Maße zu einer Wiedergutmachung des an der jüdischen Bevölkerung zwischen 1933 und 1945 verübten Unrechtes in der Lage gesehen hatte und der Wiedergutmachungsgedanke vereitelt würde, wenn die Wirksamkeit der Anerkennungsentscheidung am 02. Oktober 1990 geendet hätte. Eine auch nur im Ansatz vergleichbare Sachlage ist für die von Behörden der DDR erteilten Erlaubnisse für die Veranstaltung von Sportwetten nicht erkennbar. Eine Legalisierungswirkung hinsichtlich der Tätigkeit der Antragstellerin im Land Sachsen-Anhalt entfaltet die Erlaubnis vom 11. April 1990 daher jedenfalls nicht.

Auf den Umstand, dass ein Unternehmen, für welches die Antragstellerin nach den vorliegenden Akten ebenfalls Sportwetten vermittelt, möglicherweise eine Konzession nach österreichischem Recht hat, kommt es im Zusammenhang des Tatbestands des § 284 Abs. 1 StGB nicht an, weil dieser allein auf das Fehlen einer wirksamen inländischen Erlaubnis abstellt (vgl. VGH Mannheim, B. v. 12.01.2005, a. a. O.). Insbesondere die Ausführungen des EuGH im Urteil vom 11. September 2003 (C-6/01 "Anomar") setzen gerade die Möglichkeit voraus, dass einzelne Mitgliedstaaten der Europäischen Union in anderen Mitgliedstaaten erteilte Erlaubnisse nicht anerkennen.

Das Verbot des unerlaubten öffentlichen Veranstaltens von Sportwetten verletzt die Antragstellerin auch nicht in ihrem Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG. Grundrechte bzw. Grundfreiheiten nach europäischem Gemeinschaftsrecht können erst dann verletzt sein, wenn die Tatbestandsvoraussetzung "ohne behördliche Erlaubnis" in § 284 Abs. 1 StGB konkret dadurch begründet wird, dass das Landesrecht die Veranstaltung ausdrücklich oder konkludent verbietet oder eine Ermächtigungsgrundlage für eine Konzessionserteilung an nichtstaatliche Unternehmen gar nicht bereitstellt. Dies ist in Sachsen-Anhalt der Fall; sowohl das vorliegend noch maßgebliche Gesetz über das Zahlenlotto und über Sportwetten im Lande Sachsen-Anhalt vom 16. August 1991 (GVBl. S. 206) sowie nunmehr das Glücksspielgesetz des Landes Sachsen-Anhalt vom 22. Dezember 2004 - GlüG LSA - (GVBl. S. 846) lassen als Veranstalter von Glücksspielen ausschließlich nur solche Unternehmen zu, deren sämtliche Anteile im Eigentum des Landes stehen. Mithin ist ohne weiteres § 284 Abs. 1 StGB einschlägig, wenn nichtstaatliche Unternehmen - wie hier die Antragstellerin - ohne behördliche Erlaubnis Glücksspiele veranstalten. Zwar fällt die verbotene Tätigkeit in den Schutzbereich des Grundrechts auf freie Berufswahl; der Eingriff ist jedoch durch hinreichende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt und entspricht dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Durch das öffentliche Glücksspiel drohen der Bevölkerung Gefahren; diese betreffen das Vermögen des einzelnen Spielers und seiner Angehörigen sowie in Fällen des Vermögensverlustes mittelbar die Leistungsfähigkeit der öffentlichen Haushalte sowie bei Spielsucht auch die Gesundheit des Spielers; diese Rechtsgüter sind überragend wichtige Gemeinschaftsgüter, die der einschlägigen Strafgesetzgebung (§§ 284 ff. StGB) zugrunde liegen (BVerwG, U. v. 28.03.2001, a. a. O.). Die Einschätzung des Gesetzgebers, zur Abwehr oder zumindest Reduzierung jener Gefahren ein repressives Verbot zu erlassen, beruht auf seiner Bewertung dieser Gefahren. Der vorgenannte gesetzgeberische Ansatz ist Gegenstand des Entwurfs des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Lotteriegesetzes vom 04. Oktober 2000 (LT-Drs. 3/3653, S. 5). Es heißt dort:

"Glücksspiel ist wegen der erheblichen mit ihm einhergehenden Gefahren, die sich insbesondere aus der Ausnutzung des Spieltriebes ergeben, unerwünscht. Es unterliegt daher einem repressiven Verbot (vgl. §§ 284, 287 StGB) mit Befreiungsvorbehalt. Konzessionsvergabe und Erteilung von lotterierechtlichen Erlaubnissen dienen dem Zweck, das illegale Glücksspiel um Geld einzudämmen. Dabei sollen nur solche und so viele Veranstaltungen zugelassen werden, wie es zur Kanalisierung des Spieltriebes erforderlich ist. Dieser Limitierung dient die Erlaubnisvoraussetzung des hinreichenden öffentlichen Bedürfnisses. Dessen Vorliegen ist zu bejahen, wenn bei Berücksichtigung der sonstigen Spielmöglichkeiten, die der Bevölkerung geboten werden, unter dem Gesichtspunkt der Kanalisierung eines bestehenden Spielbedürfnisses die Zulassung der beantragten Veranstaltung erforderlich erscheint. Die Verwendung des Zweckertrages ist demgegenüber ein selbständiges weiteres Legitimationselement, das den dem Glücksspielrecht inhärenten Grundsatz, wonach Gewinne aus dem staatlicherseits unerwünschten Glücksspiel ausschließlich gemeinnützigen Zwecken zukommen sollen, im Lotterierecht umsetzt."

Eine Änderung der Zielrichtung des Gesetzgebers ist auch den parlamentarischen Beratungen zum aktuellen Glücksspielgesetz vom 22. Dezember 2004 nicht zu entnehmen. Für die einbringende Landesregierung hat Innenminister Jeziorsky bei der ersten Lesung des Gesetzentwurfes zur Begründung ausgeführt (Plenarprotokoll 4/49 v. 11.11.2004, S. 3628 f.):

"Daher wird auch im vorliegenden Entwurf klargestellt, dass für die Veranstaltung von öffentlichen Glücksspielen trotz des vorhandenen Angebots zugelassener Glücksspiele ein hinreichendes öffentliches Bedürfnis bestehen muss und dabei der Zweck der Veranstaltung außer Betracht bleibt ... Mit den von mir genannten Konkretisierungen und Ergänzungen werden die erforderlichen Voraussetzungen insbesondere für die Erteilung einer Veranstaltungs- und Vermittlungserlaubnis entsprechend den Vorgaben des Lotteriestaatsvertrages geregelt, die unter anderem bezwecken, den natürlichen Spieltrieb in geordnete und überwachte Bahnen zu lenken und eine Ausnutzung des Spieltriebs zu privaten oder gewerblichen Gewinnzwecken auszuschließen."

Weiter führte die Abgeordnete Grimm-Benne (SPD) aus:

"Die inhaltliche Ausgestaltung des Gesetzentwurfes folgt - wie übrigens auch schon das Lotteriegesetz und das Lotto-Toto-Gesetz - ordnungsrechtlichen Gesichtspunkten. Eine solche Ausrichtung findet in unserer Fraktion volle Unterstützung. Wir würden uns jedoch wünschen, dass sich die Landesregierung auch auf einem anderen, benachbarten Feld hierzu durchringen könnte. Ich meine die Diskussion um den angestrebten Verkauf der Spielbanken in Magdeburg und Halle. Angesichts der wirtschaftlichen und sozialen Probleme, die in unserem Land infolge der hohen Arbeitslosigkeit bestehen, ist es aus unserer Sicht nicht zu verantworten, wenn der geplante Weg der Privatisierung dazu geeignet ist, die Menschen in stärkerem Maße zum Spielen zu animieren. Die Sucht- und die Schuldnerberatungen haben schon ohne diese liberale Aufforderung zur Sanierung des Landeshaushaltes an unsere Bürgerinnen und Bürger genug zu tun. Auf frisch-freche Werbung um Kundschaft können wir auf diesem Gebiet verzichten."

Wenn sich - wie im vorliegenden Fall - die gesetzgeberische Prärogative hinsichtlich des Gefahrenpotentials als realitätsgerecht darstellt und sich die Zugangssperre für private Veranstalter oder Vermittler auch nicht als unverhältnismäßig erweist, besteht keine verfassungsrechtliche Pflicht, eine die private Veranstaltung oder Vermittlung von Oddset-Wetten ermöglichende Rechtsvorschrift zu erlassen; wenn das Glücksspiel an sich unerwünscht und gefährlich ist, braucht dafür kein zusätzliches Betätigungsfeld eröffnet zu werden (BVerwG, U. v. 28.03.2001, a. a. O. <102>).

Die Aufrechterhaltung des umfassenden staatlichen Erlaubnisvorbehaltes bzw. repressiven Verbotes ist für die Veranstaltung bzw. die Vermittlung von Sportwetten gerechtfertigt. Die staatlich getragenen Unternehmen sollen dabei nicht neben den illegalen Anbietern auftreten und diese durch "interessantere" Angebote von einem "Markt" verdrängen. Ziel der gesetzlichen Regelungen ist vielmehr allein die vollständige Unterbindung nicht zugelassener Anbieter, um so die Schaffung eines "Marktes" für Glücksspiele überhaupt zu verhindern. Das bedeutet auch, dass sich die Ordnungsbehörden bei der Bekämpfung unerlaubter Glücksspielangebote nicht auf die Erwartung beschränken dürfen, dass die staatlichen Unternehmen durch gezieltes Marketing bzw. aufgrund einer steuerlichen Privilegierung (vgl. hierzu: EuGH, U. v. 17.02.2005 - C-453/02 - "Linneweber") nicht erlaubte Wettanbieter vom Markt verdrängen können, sondern vielmehr ordnungspolitisch selbst gehalten sind, gegenüber illegalen Anbietern zu intervenieren (vgl. Tettinger, GewArch 2005, 49 <54>). Dem Staat ist es nicht verwehrt, für sein Wettangebot aktiv zu werben. Dabei muss er sich auch vor dem Hintergrund der zunehmend aggressiven Werbung privater Anbieter (z. B. "F stattet 7.000 deutsche Fußballvereine mit Ausrüstung aus; Trikots und Zubehör mit F-Logo für 11.000 Amateurmannschaften", Meldung v. 07.03.2005, www.derstandard.at) plakativer Werbemethoden bedienen dürfen, um das angestrebte Ziel einer Kanalisierung der Spielleidenschaft erreichen zu können. Von einer "extremen Ausweitung" des staatlichen Spielangebots im Sinne der Erwägungen des Bundesverwaltungsgerichts kann erst dann die Rede sein kann, wenn der Staat Glücksspiele veranstaltet (und für sie wirbt), die in eben den Bereich fallen, den der Gesetzgeber an anderer Stelle als sozialpolitisch und ordnungsrechtlich unerwünscht unter Strafe stellt, wenn das staatliche Veranstalterverhalten also zu der von § 284 Abs. 1 StGB vorausgesetzten grundsätzlichen Unerwünschtheit unbeschränkten Glücksspiels "in unauflösbaren Widerspruch gerät" (vgl. VGH Mannheim, B. v. 12.01.2005, a. a. O.). Solche Anhaltspunkte sind in Sachsen-Anhalt auch angesichts des oben dargestellten Verlaufes der parlamentarischen Beratungen im Landtag zur Verabschiedung des Glücksspielgesetzes nicht erkennbar.

Das in Sachsen-Anhalt geltende Verbot privat veranstalteten öffentlichen Glücksspiels verletzt auch nicht Recht der Europäischen Gemeinschaft. Zwar enthält das Gemeinschaftsrecht ein Verbot der Beeinträchtigung der gewährleisteten Niederlassungs- bzw. Dienstleistungsfreiheit (Art. 43 und 49 des EG-Vertrages - EGV -). Diese Beschränkung der Niederlassungs- bzw. Dienstleistungsfreiheit ist hier jedoch auch bei Berücksichtigung der Urteile des EuGH vom 11. September 2003 (C-6/01 "Anomar"), vom 06. November 2003 (C-243/01 "Gambelli") und vom 13. November 2003 (C-42/02 "Lindman") aus zwingenden Gründen des Allgemeinwohls gerechtfertigt. Im Urteil vom 06. November 2003, welches die Anforderungen an zulässige Beschränkungen der gemeinschaftsrechtlich gewährleisteten Freiheiten weiter präzisiert, hat der EuGH unter Hinweis auf frühere Entscheidungen ausgeführt, dass sittliche, religiöse oder kulturelle Besonderheiten und die sittlich und finanziell schädlichen Folgen für den Einzelnen wie für die Gesellschaft, die mit Spiel und Wetten einhergingen, es rechtfertigen könnten, dass die (nationalen) staatlichen Stellen über ein ausreichendes Ermessen verfügten, um festzulegen, welche Erfordernisse sich aus dem Schutz der Verbraucher und der Sozialordnung ergäben. Beschränkungen der Spieltätigkeiten könnten durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses wie Verbraucherschutz, Verbrechensprävention, Schutz der öffentlichen Sittlichkeit und die Vermeidung von Anreizen für die Bürger zu überhöhten Ausgaben für das Spielen gerechtfertigt sein (U. v. 11.09.2003, a. a. O., Rdnr. 75). Weiter führt der EuGH in dem Urteil vom 06. November 2003 aus, dass derartige Beschränkungen "wirklich" dem Ziel dienen müssten, die Gelegenheit zum Spiel zu vermindern, und dass sie auch geeignet sein müssten, die Verwirklichung dieses Ziels "in dem Sinne zu gewährleisten, dass sie kohärent und systematisch zur Begrenzung der Wetttätigkeiten beitragen". Einnahmen dürften nur eine "erfreuliche Nebenfolge" sein; soweit die Behörden eines Mitgliedstaates die Verbraucher dazu anreizten oder ermunterten, an Lotterien, Glücksspielen oder Wetten teilzunehmen, damit der Staatskasse daraus Einnahmen zuflössen, könnten sie sich nicht auf die öffentliche Sozialordnung berufen, um Beschränkungsmaßnahmen der vorliegenden Art zu rechtfertigen. Die "zwingenden Gründe des Allgemeininteresses", aus denen die Beschränkung von Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit gerechtfertigt sein kann, sind nach der Rechtsprechung des EuGH nicht abschließend definiert, so dass den Mitgliedstaaten ein Gestaltungsspielraum zukommt. Dies schließt grundsätzlich auch die Möglichkeit der Schaffung eines staatlichen Monopols ein. Von dem ihm zustehenden Gestaltungsspielraum hat der deutsche Gesetzgeber Gebrauch gemacht, indem er auf der Ebene des Bundesrechts nicht erlaubtes öffentliches Glücksspiel unter Strafe gestellt hat (§ 284 Abs. 1 StGB) und durch das sachsen-anhaltische Landesrecht unter gleichzeitiger Begründung eines staatlichen Monopols von der Möglichkeit abgesehen hat, nichtstaatlichen Unternehmen Erlaubnisse zur Veranstaltung derartiger Glücksspiele zu erteilen. Die dieser Gesetzeslage zugrunde liegenden Gründe des öffentlichen Wohls hat der EuGH als grundsätzlich mögliche Rechtfertigungsgründe für eine Beschränkung jener Freiheiten anerkannt. Die vorliegend in Rede stehenden Beschränkungen des Spielangebotes dienen dem vom EuGH anerkannten Zweck, die Gelegenheit zum Spiel zu reduzieren (vgl. U. v. 06.11.2003, a. a. O.). Sie sind zur Erreichung dieses Ziels auch geeignet. Dem steht unter dem Aspekt des Gemeinschaftsrechts nicht entgegen, dass in Sachsen-Anhalt ein Monopol für öffentliche Glücksspiele begründet wurde, dass auf dessen Grundlage tatsächlich Einnahmen erzielt werden und dass für derartige Einnahmen auch geworben wird. Dieses Monopol greift im Interesse eines in der Bevölkerung vorhandenen Bedürfnisses nach Möglichkeiten zum Glücksspiel einen vom Gesetzgeber als sozialpolitisch und ordnungsrechtlich vertretbar angesehenen Bereich aus dem breiten Spektrum vorstellbaren Glücksspiels heraus. Damit wird - gemeinschaftsrechtlich grundsätzlich unbedenklich - das Bedürfnis nach Glücksspiel kanalisiert; das Monopol dient der Zurückdrängung von sozialpolitisch und ordnungsrechtlich unerwünschten Glücksspielen. Bei Berücksichtigung dieses Gesamtzusammenhangs kann auch aufgrund der oben dargestellten Erwägungen des Gesetzgebers in Sachsen-Anhalt kein Zweifel bestehen, dass die Erzielung von Einnahmen ungeachtet des staatlichen Monopols und der für dessen Tätigkeit betriebenen Werbung lediglich "erfreuliche Nebenfolge" bleibt und insbesondere nicht der eigentliche Grund der "restriktiven Politik" ist. Den o. g. Gesetzgebungsmaterialien lässt sich gerade vor dem Hintergrund der besonderen sozialen und wirtschaftlichen Situation des Landes Sachsen-Anhalt nicht entnehmen, dass die ordnungspolitische Funktion des repressiven Verbotes von Glücksspielen eine nur untergeordnete Rolle spielen sollte.

Durfte der Antragsgegner danach ohne Rechtsfehler davon ausgehen, dass das Verhalten der Antragstellerin - zumindest objektiv - den Straftatbestand des § 284 Abs. 1 StGB erfüllt, bedurfte es im streitgegenständlichen Bescheid keiner weitergehenden Ausführungen zur Ermessensausübung. Im Hinblick darauf, dass es grundsätzlich im überwiegenden öffentlichen Interesse liegt, die Verwirklichung von Straftatbeständen zu verhindern, genügt der Hinweis, dass die Untersagung der Veranstaltung und Vermittlung von Sportwetten zur Unterbindung der strafbewehrten Tätigkeit erforderlich sei, dass ein milderes Mittel nicht zur Verfügung stehe und dass ein polizeiliches Einschreiten bei pflichtgemäßer Ermessensausübung erforderlich sei. Ist mithin der angefochtene Bescheid aller Voraussicht nach rechtmäßig, ergibt die im Rahmen des § 80 Abs. 5 VwGO gebotene Abwägung, dass das Interesse der Antragstellerin, einstweilen vom Vollzug der Untersagungsverfügung verschont zu bleiben, nachrangig ist. Das besondere, die Belange der Antragstellerin überwiegende Vollzugsinteresse ergibt sich im vorliegenden Falle daraus, dass ein ganz erhebliches öffentliches Interesse daran besteht, dass - auch vorübergehend - strafbare Verhaltensweisen unterbunden werden. Von daher ist auch die Androhung des Zwangsgeldes nicht zu beanstanden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des Streitwertes folgt aus §§ 53 Abs. 3 Nr. 2, 52 Abs. 1 und 2, 47 Abs. 1 Satz 1 GKG. In Anlehnung an den Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (Ziffern 35.1. und 54; NVwZ 2004, 1327) bemisst der Senat das Interesse der Antragstellerin auf 15.000,- €. Dieser Betrag war im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zu halbieren. Die abweichende vorinstanzliche Wertfestsetzung ist gemäß § 63 Abs. 3 Satz 1 GKG von Amts wegen zu ändern. Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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