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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Urteil verkündet am 03.04.2008
Aktenzeichen: 10 L 3/07
Rechtsgebiete: BG LSA, DO LSA


Vorschriften:

BG LSA § 54 S. 2
BG LSA § 77 Abs. 1
DO LSA § 5
Ein Beamter, der sich außerdienstlich in besonderem Maße pflichtwidrig verhält, insbesondere eine strafbare Handlung begeht (hier: Bedrohung gemäß § 241 StGB), kann disziplinarrechtlich zur Verantwortung gezogen und auch mit der disziplinaren Höchstmaßnahme - Entfernung aus dem Beamtenverhältnis - belegt werden.

Eine Einstellung des vorangegangenen Strafverfahrens gemäß § 153 a StGB hat wegen der völlig unterschiedlichen Zielrichtung des Disziplinarverfahrens auf die disziplinarrechtliche Sanktionsfindung keinen Einfluss.


Gründe:

I.

Der Senat legt seiner Entscheidung - ausgehend von den infolge der Beschränkung der Berufung auf die Sanktionsfindung insoweit bindenden tatsächlichen Feststellungen durch das Verwaltungsgericht - folgenden Sachverhalt zugrunde:

Der ledige und kinderlose Beamte ist 35 Jahre alt. Er wurde nach erfolgreicher Ausbildung in der Steuerverwaltung am (...) zum Steuersekretär ernannt und am (...) zum Steuerobersekretär befördert; am (...) erfolgte seine Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit.

Der Beamte wurde zunächst bei dem Finanzamt D. verwendet, jedoch im Jahr (...) an das Finanzamt E. versetzt. Grund hierfür war ein gegen den Beamten seinerzeit geführtes Disziplinarverfahren, in welchem ihm vorgeworfen wurde, sich in den Jahren (...) bis (...) wiederholt unangemessen im Sinne eines Nachstellens gegenüber einer Kollegin, Frau F., und anderen Mitarbeiterinnen aus dem Finanzamt D. verhalten zu haben. In dem Disziplinarverfahren wurde in einer mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Halle am 6. Dezember 2004 (12 A 4/04 HAL) ein Vergleich dahin gehend abgeschlossen, dass das Verfahren bis zum 6. Dezember 2007 ausgesetzt und bei Wohlverhalten in mildester Weise entschieden werden solle, d. h. das Verfahren sollte dann eingestellt werden. Seit dem 13. Dezember 2005 ist dem Beamten die Führung seiner Dienstgeschäfte im Hinblick auf den hier zugrunde liegenden Vorwurf untersagt. Seit dem 1. Juli 2006 wird ein Teil seiner Dienstbezüge einbehalten; er erhält monatlich ca. 1.480,00 € ausbezahlt.

Im Jahr 2005 betrieb der Beamte ein Unternehmen zur Erzeugung von elektrischer Energie mittels Photovoltaikanlage in G-Stadt. (H.). In diesem Zusammenhang richtete er mit Datum vom 12. Dezember 2005 - abgesandt am 13. Dezember 2005 um 7.26 Uhr - folgendes Fax-Schreiben an das Finanzamt D.:

"Verlagerung der Geschäftsleitung zur Steuernummer 119/208/04987

Sehr geehrte Damen und Herren,

hiermit teile ich Ihnen die Verlagerung der Geschäftsleitung meines Unternehmens, der Erzeugung von elektrischer Energie mittels Photovoltaikanlage, von B-Stadt nach G-Stadt., zum 01.12.2005 mit.

Ich beantrage daher, ab dem 01.12.2005 die Abgabe sämtlicher steuerlicher Daten unter der Steuernummer (...) an das Finanzamt I. zur Steuernummer (...). Ab dem Zeitraum Dezember 2005 erfolgt die Abgabe von Voranmeldungen in I..

Sollten die Finanzbehörden Sachsen-Anhalts die Abgabe rechtswidrig verweigern, werden die Kinder von Frau J. und Frau F. missbraucht und umgebracht. Es liegt daher in der Entscheidung der Verwaltung Sachsen-Anhalts, den Tod von fünf Kindern verantworten oder meinem rechtsgültigen Antrag zu entsprechen.

Durch die Steuererstattungen im Jahre 2004 und 2005 habe ich mir von der kriminellen Verwaltung Sachsen-Anhalts sämtliche an Sachsen-Anhalt jemals gezahlte Steuern zur Lohnsteuer, Kraftfahrzeugsteuer usw. zurückgeholt.

Da ab dem Zeitraum Dezember 2005 keine Erstattungen sondern nur noch Steuerzahlungen zu erwarten sind, fehlt für mich persönlich der Grund, die Führung des Unternehmens weiterhin im Bereich der kriminellen Verwaltung Sachsen-Anhalts zu belassen. Es kann nicht von mir erwartet werden, dass ich nach jahrelangem Mobbing die Gehaltszahlungen von kriminellen Bediensteten in Sachsen-Anhalt durch Steuerzahlungen unterstütze.

..."

In der Hauptverhandlung vor dem Verwaltungsgericht hat der Beamte eingeräumt, dass das Fax von ihm stamme. Er sei bei dem Finanzamt D. massiv gemobbt worden; dort sei versucht worden, seine Person zu denunzieren. Bei der Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Halle am 6. Dezember 2004 habe er nichts sagen dürfen. Er sei damals "wie vor den Kopf gestoßen" gewesen. Es seien Lügen aufgestellt worden. Er habe sich sehr über den Vergleich geärgert. "An dem Tag " (ein Jahr später) sei er ausgerastet. Mit dem Fax habe er eine Aufhebung des Vergleichs bei dem Verwaltungsgericht Halle erreichen wollen. Er habe schon vorher versucht, den Vergleich aus der Welt zu schaffen und an das Gericht geschrieben. Ihm sei geantwortet worden, der Vergleich sei bindend. Er habe sich dann nicht mehr anders zu helfen gewusst, als das Fax abzuschicken. Den Kindern habe er nichts antun wollen. Er habe auch nicht damit gerechnet, dass man ihn rausschmeiße. Er sehe ein, dass seine Tat falsch gewesen sei.

Das Verwaltungsgericht hat seinem Urteil ein aufgrund Beschlusses vom 23. April 2007 eingeholtes Gutachten des Direktors der Klinik Psychiatrie und Psychotherapie der Universität (...) Prof. Dr. K. zur Frage der Schuldfähigkeit des Beamten am 12./13. Dezember 2005 zugrunde gelegt und den Gutachter in der Hauptverhandlung persönlich angehört. In seinem schriftlichen Gutachten vom 12. Juni 2007 ist der Gutachter zu der Feststellung gelangt, dass bei dem Beamten eine "kombinierte Persönlichkeitsstörung" vorliege. Diese bestehe aus zwei spezifischen Persönlichkeitsstörungen, zum einen einer paranoiden Persönlichkeitsstörung, zum anderen einer schizoiden Persönlichkeitsstörung. Zusammenfassend hat der Gutachter indes festgestellt, es sei keine Beeinträchtigung von Einsichts- und Steuerungsfähigkeit des Beamten in dem hier fraglichen Zeitpunkt erkennbar. Auf das Sachverständigengutachten sowie die Ausführungen des Gutachters im Termin vor dem Verwaltungsgericht wird ergänzend Bezug genommen.

Das Verwaltungsgericht hat in seinem Urteil auch berücksichtigt, dass sich der Beamte mit Fax vom 14. Dezember 2005 bzw. vom 19. Dezember 2005 bei seiner vorgesetzten Dienstbehörde für sein Verhalten entschuldigt hat. Auf die Schreiben wird Bezug genommen.

In disziplinarrechtlicher Hinsicht hat das Verwaltungsgericht festgestellt, dass der Beamte ein außerdienstliches Dienstvergehen i. S. von § 77 Abs. 1 Satz 2 BG LSA begangen hat. Allerdings habe seine Tat einen sehr starken Bezug zu seinen dienstlichen Pflichten als Steuerbeamter in der Finanzverwaltung des Landes Sachsen-Anhalt. Im Übrigen hätten die Drohungen gegen Frau F. und Frau J. ihre Ursache in der früheren dienstlichen Zusammenarbeit bei dem Finanzamt D. Das Verhalten des Beamten sei im besonderen Maße geeignet, das Vertrauen in einer für sein Amt und das Ansehen des Beamtentums bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen. In den Augen der Öffentlichkeit sei es nicht hinnehmbar, wenn ein Finanzbeamter in einem Schreiben an eine Finanzbehörde den Missbrauch und die Ermordung von Kindern in Aussicht stelle, wenn einem Antrag in einer Steuerangelegenheit nicht entsprochen werde. Zudem habe der Beamte ein schwergehendes Dienstvergehen dadurch begangen, dass er die Finanzverwaltung von Sachsen-Anhalt als kriminelle Verwaltung und die Mitarbeiter als kriminelle Bedienstete beschimpft habe.

Zwar stimme die Disziplinarkammer grundsätzlich der Auffassung der Einleitungsbehörde zu, dass für einen kaltblütig handelnden Beamten, der zum Zwecke der Durchsetzung privater Steuerangelegenheiten mit Missbrauch und Tod von Kindern drohe, die Entfernung aus dem Dienst angezeigt sei, denn in aller Regel sei in den Augen der Öffentlichkeit ein Beamter, der derartige Erklärungen abgebe, nicht tragbar. Gleichwohl sei die Kammer davon überzeugt, dass die Versetzung des Beamten in ein Amt mit geringerem Endgrundgehalt die notwendige, angemessene und ausreichende Maßnahme darstelle. Zur Begründung hat die Disziplinarkammer folgendes ausgeführt:

Der Beamte habe nicht in krimineller, selbstsüchtiger Absicht gehandelt. Zudem sei seine Drohung ersichtlich nicht ernst gemeint gewesen. Auch sei die Drohung mit Absenden des Faxes erkennbar wirkungslos gewesen, weil durch das Finanzamt D. alles unternommen wurde, um mit Hilfe der Sicherheitsbehörden und der Eltern die betreffenden Kinder zu schützen. Insofern habe das Gericht keine Zweifel daran, dass der Beamte Gewalttaten gegen die Kinder weder ernsthaft plante noch hätte ausführen können. Zu berücksichtigen sei auch, dass das gegen den Beamten geführte Strafverfahren vor dem Amtsgericht D. gemäß § 153 a Abs. 2 StPO wegen geringer Schuld gegen Zahlung einer Geldbuße eingestellt worden sei. Kernpunkt des Verfahrens sei die schwerwiegende Persönlichkeitsstörung des Beamten, wie sie vom Sachverständigen überzeugend dargestellt worden sei. Diese führe zwar nicht zu verminderter oder ausgeschlossener Schuldfähigkeit i. S. der §§ 20, 21 StGB, jedoch zu einer entscheidenden Begünstigung des Fehlverhaltens des Beamten. Die Disziplinarkammer habe den Eindruck gewonnen, dass der Beamte vom Wesen her nicht zu Aggressionen neige. Er sei eher introvertiert und gutmütig, könne allerdings insbesondere mit empfundener Ungerechtigkeit nicht rational umgehen. Dieser veranlagungsbedingte Fehler sei ihm aber im Disziplinarverfahren nicht verschärfend anzulasten. Es erscheine der Kammer daher als unverhältnismäßig, die Existenzgrundlage des Beamten mit einer Entfernung aus dem Dienst zu zerstören. Vielmehr sei bei Zusammenschau aller Elemente ein Restvertrauen in den Beamten gegeben.

II.

Gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts hat die Einleitungsbehörde fristgerecht Berufung eingelegt, welche sich ausdrücklich lediglich gegen die vom Verwaltungsgericht verhängte Disziplinarmaßnahme richtet. Die Einleitungsbehörde hält ausschließlich die Entfernung des Beamten aus dem Dienst für die gebotene Disziplinarmaßnahme. Zur Begründung führt die Berufungsschrift - zusammenfassend - folgendes aus:

Der Beamte sei - auch unter Berücksichtigung der in der Hauptverhandlung erfolgten Erwägungen und gewonnenen Erkenntnisse - für den öffentlichen Dienst nicht mehr tragbar. Er habe das in ihn gesetzte Vertrauen in erheblichem Maße enttäuscht. Es sei für einen ungestörten Ablauf des Dienstbetriebes und eine gedeihliche Zusammenarbeit unverzichtbar, dass sowohl die Verwaltung als auch Kollegen darauf vertrauen könnten, dass ein Beamter nicht Bedienstete mit dem Tod ihrer Kinder bedroht und auch nicht die Verwaltung als "kriminell" bezeichnet. Ein solches Verhalten führe zu einer nachhaltigen Ansehensschädigung oder gar zu einem völligen Ansehensverlust; das Vertrauen, welches der Dienstherr in die Zuverlässigkeit und moralische Integrität seiner Bediensteten setze, werde von Grund auf erschüttert und zerstört.

Nicht zutreffend sei auch die Wertung des Verwaltungsgerichts, die Drohung sei von vornherein gerade wegen ihrer Extremität erkennbar wirkungslos und harmlos gewesen. Vielmehr scheine es lebensfremd, der Drohung von vornherein jeden Eindruck der Ernstlichkeit abzusprechen. Auch hätten die von der Bedrohung Betroffenen die Situation nicht von vornherein bagatellisieren oder verharmlosen können. Im Übrigen verlasse eine Drohung der hier vorliegenden Art endgültig den Bereich jeglichen einzufordernden würdevollen Verhaltens. Ein achtungs- und taktvolles Verhalten gegenüber Mitarbeitern sei auch bei Meinungsverschiedenheiten oder Spannungen stets zu fordern. Eine Todesdrohung verletzte elementarste und einfachste Regeln des mitmenschlichen Zusammenlebens und stehe vollständig jenseits des dienstlich noch tragbaren Verhaltens. Schließlich sei auch das Vorliegen einer Affekthandlung zu verneinen, schon deswegen, weil mehrere "Arbeitsschritte" erforderlich gewesen seien, um die Drohung auf den Weg zu bringen. Im Übrigen habe der Tat durchaus eine kühle Berechnung bei der Tatmotivation zugrunde gelegen, denn der Beamte habe damit erreichen wollen, dass in den früheren Disziplinarfall "wieder Bewegung" gelange. Er habe seinen Standpunkt unter Missachtung der persönlichen Anliegen, Sorgen und Nöte der Kolleginnen rücksichtslos und geradezu zu fanatisch durchsetzen wollen. Der angemessenen Sanktionierung mit der Entfernung aus dem Dienst stehe auch nicht entgegen, dass das gegen den Beamten gerichtete Strafverfahren eingestellt worden sei. Im Disziplinarrecht seien andere Kriterien tragend, nämlich die Aufrechterhaltung der dienstlichen Ordnung und die Prüfung der Tragbarkeit des Beamten im Dienst. Schließlich sei zu berücksichtigen, dass der Beamte niemals professionelle Hilfe aufgesucht und auch keinerlei Ratschläge akzeptiert und beherzigt habe. Er habe auch die ihm seinerzeit durch das Verwaltungsgericht Halle gebaute "goldene Brücke" nicht genutzt. Es sei daher - worauf der Sachverständige ausdrücklich hingewiesen habe - nicht auszuschließen, dass mit Rücksicht auf die Persönlichkeitsstörung des Beamten auch in Zukunft ähnliche Probleme auftreten könnten. Dies zeige eindrucksvoll die Untragbarkeit des Beamten für den weiteren Verbleib im Dienst.

Die Einleitungsbehörde beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Magdeburg - Disziplinarkammer - vom 18. September 2007 gegen den Beamten die Entfernung aus dem Dienst auszusprechen,

hilfsweise,

ihn in das Amt eines Steuersekretärs zu versetzen und zusätzlich eine Gehaltskürzung von mindestens 30 % auszusprechen.

Der Beamte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er tritt dem Begehren der Einleitungsbehörde entgegen und hält die vom Verwaltungsgericht getroffene Disziplinarmaßnahme für angemessen. Er habe nicht selbstsüchtig gehandelt. Die Drohung sei weder ernst gemeint gewesen, noch habe sie objektiv eine Gefahr begründet, denn eine tatsächliche Gefährdung sei mit ihr nicht verbunden gewesen. Er habe sich mehrfach ärztlich untersuchen lassen; auch habe er seine dienstliche Tätigkeit in Halle ohne Probleme absolviert. Im Übrigen sei die Disziplinarverfügung, welche Gegenstand des Disziplinarverfahrens vor dem Verwaltungsgericht Halle (12 A 4/04 HAL) gewesen sei, durch den dortigen Verfahrensfortgang gegenstandslos geworden. Letztlich sei noch zu berücksichtigen, dass er bereits "wegen des Verhaltens der contra-B. eingestellten Beschäftigten" vom Finanzamt D. zum Finanzamt E. versetzt worden sei. In der Hauptverhandlung vor dem Senat hat der Beamte nochmals betont, ihm sei es damals lediglich um "Gerechtigkeit" gegangen, nämlich darum, den mit dem Vergleich eingetretenen "Rechtsstillstand" zu beseitigen. Er habe sich insbesondere darüber geärgert, dass er nicht die Gelegenheit erhalten habe, die Bediensteten, die über ihn unwahre Gerüchte verbreitet hätten, einem Kreuzverhör zu unterziehen. Er habe keine kriminelle Handlung begangen; seine Darlegungen in dem Fax seien nicht ernst gemeint gewesen.

III.

Wegen der Beschränkung der Berufung auf die Disziplinarmaßnahme ist der Senat an die Tat- und Schuldfeststellungen sowie die disziplinarische Würdigung der Disziplinarkammer gebunden. Er hat lediglich über die angemessene Disziplinarmaßnahme zu befinden (vgl. BVerwG, Urteil v. 26.8.1997 - 1 D 68.96 - juris).

Die - maßnahmebeschränkte - Berufung ist begründet. Denn das Verwaltungsgericht hätte gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 5 der - hier gemäß § 81 Abs. 4 DG LSA noch anwendbaren - DO LSA den Beamten aus dem Dienst entfernen müssen. Dies ergibt sich aus folgendem:

Der Beamte hat mit seinem - von der Disziplinarkammer bindend als Dienstvergehen i. S. von § 77 Abs. 1 Satz 2 BG LSA gewürdigten - Verhalten derart massiv gegen die ihm obliegende Verpflichtung zu einem achtungs- und vertrauenswürdigen Verhalten auch außerhalb des Dienstes (§ 54 Satz 2 BG LSA) verstoßen, dass ein Restvertrauen sowohl seines Dienstherrn als auch der Öffentlichkeit nicht mehr gegeben ist. Bereits die Bezeichnung der - eigenen - Finanzverwaltung als kriminell und diejenige der dortigen Bediensteten als "kriminelle Bedienstete" zeigt eine nicht zu rechtfertigende, maßlose Herabwürdigung des gesamten öffentlichen Dienstes und seiner Bediensteten, welche bereits für sich genommen ganz erhebliche Zweifel an der Vertretbarkeit eines Verbleibens im Beamtenverhältnis zum Land Sachsen-Anhalt aufkommen lässt. Dies mag letztlich dahinstehen, denn jedenfalls die Ausführungen des Beamten in seinem Fax-Schreiben vom 12. Dezember 2005 an das Finanzamt D. sind geeignet, den vollständigen Wegfall des Vertrauens sowohl des Dienstherrn als auch der Öffentlichkeit in den Beamten zu rechtfertigen:

Mit Recht weist die Einleitungsbehörde darauf hin, dass eine Todesdrohung - dazu noch eine gegenüber fünf Kindern - elementarste und einfachste Regeln des mitmenschlichen Zusammenlebens verletzt und damit vollständig jenseits des auch dienstlich noch tragbaren Verhaltens steht. Der Disziplinarsenat vermag sich auch nicht der Erwägung des Verwaltungsgerichts dahin gehend anzuschließen, der Beamte habe nicht in krimineller, selbstsüchtiger Absicht gehandelt und seine Drohungen seien ersichtlich nicht ernst gemeint gewesen. Es ist bereits nicht nachzuvollziehen, weshalb eine Morddrohung gegenüber fünf Menschen - ein strafbares Verhalten i. S. von § 241 StGB - nicht in "krimineller Absicht" erfolgt sein könnte; auch vermag der Senat sich nicht zu erklären, dass das Verhalten des Beamten nicht etwa "selbstsüchtig" gewesen sein sollte. Vielmehr ging es dem Beamten - insofern ausdrücklich selbstsüchtig - mit seinem Fax darum, einen ihn - vermeintlich - belastenden Vergleich, welchen er vor dem Verwaltungsgericht Halle geschlossen hatte, "aus der Welt zu schaffen". Das darin liegende Verhalten lässt ein subjektives Verständnis von "Gerechtigkeit" erkennen, welches ebenso unangebracht ist wie der Versuch, durch Drohungen gegenüber Unbeteiligten gerichtliche Entscheidungen "auszuhebeln". Dass die Morddrohung "ersichtlich" nicht ernst gemeint gewesen könnte, ergibt sich zudem auch nicht aus dem Schreiben selbst; dieses ist in einer sehr klaren, keineswegs wirren Diktion, vielmehr in der - nüchternen - Form eines Geschäftsbriefes verfasst, wobei die Morddrohung gegen die Kinder von Frau J. und Frau F. ausdrücklich im Fettdruck hervorgehoben worden ist. Ein solches Schreiben musste bei dem Adressaten, zumindest aber bei den in Bezug genommenen Personen von vornherein den Eindruck der Ernsthaftigkeit erwecken. Dies zeigen sehr eindrucksvoll die von den Zeuginnen J. und F. im Rahmen der Vorermittlungen abgegebenen Aussagen; beide Zeuginnen nahmen die Morddrohungen gegenüber ihren Kindern ausgesprochen ernst. Davon, dass seine Drohungen von Dritten, insbesondere den betroffenen Beamtinnen, ernst genommen würden, ging im Übrigen der Beamte ausweislich seines "Entschuldigungsschreibens" vom 19. Dezember 2005 selbst aus ("... habe ich ... die Familien Schulz und F. (ehem. Kolleginnen) in berechtigte Aufregung gebracht."). Die im Übrigen vom Verwaltungsgericht angestellte Erwägung, die per Fax ausgesprochene Drohung sei schon deswegen wirkungslos gewesen, weil mit dem Eingreifen der Sicherheitsbehörden habe gerechnet werden können, vermag die Ernsthaftigkeit einer derartigen Drohung nicht von vornherein infrage zu stellen.

Der Senat vermag sich auch nicht der Auffassung des Verwaltungsgerichts dahin gehend anzuschließen, dass die von dem Gutachter Prof. Dr. K. festgestellte Persönlichkeitsstörung des Beamten zu einem Absehen von der schwersten Disziplinarmaßnahme führen müsse. Zwar sieht der Senat durchaus, dass bei dem Beamten eine "kombinierte Persönlichkeitsstörung" besteht. Allerdings hat der Sachverständige in seinem Gutachten (dort Seite 54/55) ausdrücklich festgestellt, dass die dem Beamten attestierten Persönlichkeitsstörungen per se nicht in der Lage sind, die Einsichtsfähigkeit eines Menschen für das Unrecht seiner Tat aufzuheben oder erheblich zu beeinträchtigen. Die Explorationen ergaben danach keinen Hinweis dafür, dass bei dem Beamten zum Tatzeitpunkt die Steuerungsfähigkeit erheblich beeinträchtigt gewesen sein könnte. Er habe sich vielmehr nach dem Intentionalitätsprinzip planmäßig und zielgerichtet verhalten. Mit einer außergewöhnlichen, Besorgnis oder sogar Angst erregenden Handlung habe er "Bewegung in die Sache" bringen wollen, nämlich in die nach seiner Meinung stagnierende Angelegenheit des Vergleichs vor dem Verwaltungsgericht Halle. Er habe gesteuert, gedacht, geplant und gehandelt. Insofern sei keine Beeinträchtigung von Einsichts- und Steuerungsfähigkeit erkennbar.

Danach vermag der Senat bereits aufgrund der Ausführungen des Gutachters nicht davon auszugehen, dass der Beamte etwa nicht in der Lage war, das Verbotswidrige seines Tuns zu erkennen. Vielmehr ist nochmals zu betonen, dass der Beamte - schon nach seiner eigenen Einlassung - rücksichtslos und zielgerichtet gehandelt hat, nämlich um "Bewegung" in ein früheres Disziplinarverfahren zu bringen, mithin sein Fax-Schreiben ganz bewusst als - wenn auch letztlich erfolgloses - Drohmittel eingesetzt hat.

Dabei musste dem Beamten noch aus der Hauptverhandlung vor dem Verwaltungsgericht Halle am 6. Dezember 2004, insbesondere aber aus dem Beschluss des Gerichts von selben Tage deutlich in Erinnerung geblieben sein, dass er wegen "weiterer Belästigungen im privaten Bereich" disziplinarrechtlich zur Verantwortung gezogen werden könne. Insofern stand der Beamte - für ihn auch erkennbar - unter einer besonderen Wohlverhaltenspflicht, die er massiv verletzt hat.

Der Senat vermag auch keine Milderungsgründe zu erkennen, welche es rechtfertigen könnten, hier ausnahmsweise von der Entfernung des Beamten aus dem Dienst absehen zu können. Insbesondere sind keine Anhaltspunkte für die Annahme einer psychischen Ausnahmesituation gegeben. Soweit sich der Beamte dahin gehend eingelassen hat, er habe in der Nacht vom 12. auf den 13. Dezember 2005 wegen einer akuten Nierenerkrankung seines Vaters nicht schlafen können, vermag ihn dieser Umstand bereits deswegen nicht zu entlasten, weil das Fax erst um 7.26 Uhr am folgenden Morgen abgesandt worden ist. Zwischenzeitlich hatte der Beamte - wie er selbst einräumt - das von ihm erstellte Schreiben ausgedruckt und unterzeichnet und erst dann per Fax zum Absenden gebracht. Vor jedem dieser "Arbeitsschritte" hatte der Beamte daher Gelegenheit, inne zu halten und sich der Ungeheuerlichkeit seiner Drohungen bewusst zu werden, anstatt - wie geschehen - eine eindeutige Überlegtheit und Zielgerichtetheit seines Vorgehens zum Ausdruck zu bringen.

Der disziplinarrechtlichen Würdigung steht schließlich auch nicht der Umstand entgegen, dass das Verhalten des Beamten strafrechtlich nicht zu einer Verurteilung geführt hat, sondern das Strafvergehen mit einer Einstellung des Verfahrens gemäß § 153 a Abs. 2 StPO erledigt worden ist. Mit Recht bemerkt die Einleitungsbehörde dazu, dass die Zielrichtung des beamtenrechtlichen Disziplinarverfahrens eine andere ist als diejenige des Strafverfahrens. Die Tatbestände des Disziplinarverfahrens sind grundsätzlich unabhängig von Straftatbeständen und von strafrechtlichen Kriterien; zwar wird das Gewicht des Dienstvergehens auch von der strafrechtlichen Qualität der Verfehlung mitbestimmt, indes dient das Disziplinarrecht nicht der Vergeltung und der Sühne bestimmter Pflichtenverstöße, sondern die verschiedenen Disziplinarmaßnahmen dienen entweder zur Pflichtenmahnung der Beamten oder aber zur Auflösung des Beamtenverhältnisses (vgl. dazu Köhler/Ratz, BDG, 3. Aufl., Rdnr. 73). Unabhängig davon ist zu bemerken, dass die Voraussetzungen des § 14 DO LSA - Verbot einer zusätzlichen Ahndung - hier ersichtlich nicht gegeben sind.

Danach bleibt festzustellen, dass der Beamte durch sein zielgerichtetes, eigennütziges und menschenverachtendes Verhalten selbst die Ursache dafür gesetzt hat, dass - trotz ordentlicher dienstlicher Leistungen - ein Restvertrauen des Dienstherrn und der Öffentlichkeit in die Integrität seiner künftigen dienstlichen und außerdienstlichen Lebensführung nicht mehr besteht, weshalb es dem Dienstherrn nicht zumutbar ist, den Beamten weiter im Dienst zu belassen. Der Senat hat keinen Anlass zu der Annahme, dass es künftig nicht mehr zu derart massivem Fehlverhalten kommen wird; vielmehr hat der Sachverständige dazu ausdrücklich ausgeführt, es fehle dem Beamten an der Introspektionsfähigkeit, also der Fähigkeit, in sich zu kehren, eigene Schuld zu erkennen und Eigenverantwortlichkeit zu übernehmen. Dass der Beamte trotz des Wechsels an eine andere Dienststelle nicht davon abgelassen hat, weiter gegen vermeintlich gegen ihn gerichtete Bedienstete an seiner früheren Dienststelle vorzugehen, zeigt eindrucksvoll dieses Defizit. Der Beamte muss zur Kenntnis nehmen, dass er selbst die Grundlage für ein gedeihliches Miteinander zu legen hat, anstatt zu fordern, dass der Dienstherr bzw. die Allgemeinheit verpflichtet ist, ihm eine Umgebung zu verschaffen, in welcher man ihm "vorurteilsfrei" begegnet. Gerade der Umstand, dass er immer noch der Auffassung ist, es gebe "als contra-B." eingeordnete Beschäftigte, lässt erkennen, dass er nicht ansatzweise willens ist, zu dem unbedingt erforderlichen gedeihlichen Miteinander zurückzufinden. Es muss daher dabei bleiben, dass der Beamte mit seinem massiven Fehlverhalten das Vertrauen des Dienstherrn und der Öffentlichkeit dermaßen nachhaltig beeinträchtigt hat, dass eine Fortsetzung des Dienstverhältnisses nicht zumutbar ist.

Die Kosten- und Auslagenentscheidung beruht auf §§ 101 Abs. 2, 102 Abs. 3 Satz 3 DO LSA. Der Senat hat keine Veranlassung gesehen, die Kosten bzw. Auslagen dem Land aufzuerlegen; vielmehr erscheint es als billig, dass der Beamte, welcher bisher über regelmäßige - wenn auch gekürzte - Dienstbezüge verfügt, diese Ausgaben selbst trägt.

Ende der Entscheidung

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