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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Beschluss verkündet am 07.11.2003
Aktenzeichen: 2 L 10/03
Rechtsgebiete: LSA-VwVfG, LSA-BauO, GG, BGB


Vorschriften:

LSA-VwVfG § 37 I
LSA-VwVfG § 40
LSA-BauO § 81
GG Art. 3
BGB § 242
1. Der Verwaltungsakt ist bestimmt genug, wenn der von ihm konkret Betroffene auch anhand der ihm bekannten Umstände erkennen kann, was von ihm verlangt wird.

2. Bei Eingriffsverfügungen wegen Baurechtswidrigkeiten ist das Ermessen der Behörde "indentiert".

3. Der Gleichheitssatz wird nicht verletzt, wenn die Behörde jedenfalls gegen solche Bauten ein-schreitet, die ihr bekannt geworden sind; gleichheitswidrig handelt die Behörde selbst dann nicht, wenn sie die Praxis hat, Schwarzbauten bis zu einem bestimmten Zeitpunkt zu dulden.

4. Die Eingriffsbefugnis wird nicht dadurch verwirkt, dass die Behörde nicht von sich aus ihr Gebiet ständig kontrolliert, sondern erst tätig wird, wenn sie auf einen bestimmten Schwarzbau aufmerksam gemacht worden ist.


OBERVERWALTUNGSGERICHT DES LANDES SACHSEN-ANHALT BESCHLUSS

Aktenz.: 2 L 10/03

Datum: 07.11.2003

Gründe:

Der Beschluss beruht auf § 124a Abs. 4-6 der Verwaltungsgerichtsordnung i. d. F. d. Bek. v. 19.03.1991 (BGBl I 686) - VwGO -, in der Fassung des Gesetzes vom 20.12.2001 (BGBl I 3987) - VwGO 02 -, sowie auf § 154 Abs. 2 VwGO <Kosten> und auf § 13 Abs. 1 S. 1, 2 des Gerichtskostengesetzes i. d. F. d. Bek. v. 15.12.1975 (BGBl I 3047) - GKG -, zuletzt geändert durch Gesetz vom 14.03.2003 (BGBl I 345 [349]), <Streitwert>.

1. Die Berufung ist nicht nach § 124 Abs. 1 Nr. 1 VwGO zuzulassen; denn die geltend gemachten "ernstlichen Zweifel" an der angefochtenen Entscheidung bestehen nicht.

1.1. Die Ordnungsverfügung ist entgegen der Auffassung des Antragstellers bestimmt genug i. S. des § 37 Abs. 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes für das Land Sachsen-Anhalt i. d. F. d. Bek. v. 07.01.1999 (LSA-GVBl., S. 3) - VwVfG LSA -, zuletzt geändert durch Gesetz vom 19.03.2002 (LSA-GVBl., S. 130 [135 <Nr. 34>]); denn es kommt nicht auf eine abstrakte grammatikalische Auslegung des Textes, sondern entscheidend darauf an, ob der konkret von der Verfügung Betroffene auch anhand der ihm bekannten Umstände weiß, was gemeint ist (vgl. insoweit: P. und U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Aufl., § 37 RdNr. 11; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 7. Aufl., § 37 RdNrn. 6, 12). Nach Anordnungsbefehl und Verfügungsbegründung soll der Antragsteller die Teile entfernen, die er abweichend von der ihm seinerzeit erteilten Zustimmung gebaut hat.

So verstanden hat die Verfügung auch keinesfalls über das Abbruchgebot hinaus den vom Antragsteller aufgezeigten zusätzlichen Inhalt, die Materialien vom Grundstück zu entfernen.

Unschädlich ist schließlich eine evtl. unkorrekte Bezeichnung der Balkendecke; denn für den Antragsteller ist - unabhängig davon, ob sie "darunter" oder "auf gleicher Höhe" liegt - jedenfalls erkennbar, dass sie entfernt werden muss. Eine Verwechselungsgefahr mit anderen Decken ist nicht ersichtlich.

1.2. Das Verwaltungsgericht ist unter Hinweis auf die Rechtsprechung zutreffend davon ausgegangen, dass bei Eingriffsverfügungen wegen Baurechtswidrigkeiten das Ermessen "intendiert" wird, so dass die Behörde in der Regel ermessengerecht handelt, wenn sie die Beseitigung des baurechtswidrigen Zustands verlangt.

Dem Verwaltungsgericht muss ferner in dessen Ableitung gefolgt werden, dass der Gleichheitssatz nicht verletzt worden ist. Umstände, welche dieses Ergebnis anzweifeln müssten, sind nicht hinreichend dargelegt (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO).

Das Verwaltungsgericht durfte mit Rücksicht auf die bei ihm anhängigen bzw. bereits entschiedenen Verfahren davon ausgehen, dass die Behörde jedenfalls gegen solche Vorhaben einschreitet, deren Baurechtswidrigkeit ihr bekannt wird; dies reicht am Maßstab des Art. 3 des Grundgesetzes aus (vgl. VGH BW, Urt. v. 29.02.1996 - 8 S 3371/95 -, NVwZ-RR 1997, 465). Auf gleichheitswidriges Einschreiten kann sich der Betroffene selbst dann nicht berufen, wenn es Praxis der Behörde ist, Schwarzbauten bis zu einem von ihr bestimmten Zeitpunkt zu dulden (BVerwG, Beschl. v. 13.02.1989 - BVerwG 4 B 16.89 -, JURIS-Nr. WBRE310145403).

Unabhängig davon, was der Behörde während des Ortstermins oder bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung über die Vergleichbarkeit des vom Antragsteller konkret bezeichneten Vorhabens in der Nachbarschaft bekannt gewesen ist, steht das Nicht-Einschreiten bis zum Ende der mündlichen Verhandlung jedenfalls deshalb nicht entgegen, weil die Behörde inzwischen Maßnahmen auch gegen dieses Vorhaben ergriffen hat.

1.3. Der Antragsteller rügt zu Unrecht einen Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Der Senat folgt dem Verwaltungsgericht auch darin, dass die bauplanungsrechtliche Rechtswidrigkeit nicht durch die vom Antragsteller vorgeschlagenen Korrekturen beseitigt wird.

Dies gilt unabhängig davon, welche "Vergleichsverhandlungen" insoweit stattgefunden haben und in wessen Sphäre es fällt, dass dem Verwaltungsgericht nicht rechtzeitig ein Vergleichvorschlag zur Abwendung einer gerichtlichen Entscheidung unterbreitet worden ist.

1.4. Der Antragsteller kann sich schließlich nicht auf den Gesichtspunkt der Verwirkung berufen. Wie bereits oben ausgeführt ist, handelt eine Behörde auch dann rechtmäßig, wenn sie nicht von sich aus das ganze von ihr zu verwaltende Gebiet auf Baurechtswidrigkeiten hin kontrolliert, sondern erst tätig wird, wenn sie durch Dritte aufmerksam gemacht wird.

2. Die Berufung ist nicht nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen, weil keine konkrete, aber generalisierbare, aus Anlass dieses Verfahrens zu beantwortende, aber in ihrer Bedeutung über den Einzelfall hinausreichende Rechtsfrage aufgeworfen worden ist, die um der Einheitlichkeit der Rechtsprechung willen der Klärung bedarf und noch nicht (hinreichend) geklärt worden ist. Die Frage muss so eindeutig bezeichnet sein, dass bereits im Zulassungsverfahren beurteilt werden kann, ob sie in dem anhängigen Rechtsmittelverfahren klärungsbedürftig und -fähig ist (BVerwG, Beschl. v. 14.02.1984 - BVerwG 1 B 10.84 -, Buchholz 402.24 § 10 AuslG Nr. 102 [S. 75]). Insbesondere muss dargelegt werden, dass die Frage, so, wie sie formuliert worden ist, für die Entscheidung des Rechtsstreits entscheidungserheblich (gewesen) ist (vgl. Berlit, in: GK-AsylVfG, § 78 RdNr. 140 [m. w. N.]; OVG LSA, Beschl. v. 18.02.1998 - A 1 S 134/97 -; OVG NW, Beschl. v. 31.05.1995 - 1 A 2214/99.A -; VGH BW, Beschl. v. 10.05.1999 - A 6 S 1784/98 -).

"Grundsätzliche Bedeutung" hat eine Rechtssache nicht schon deshalb, weil sie vorgeblich auf einem Verfahrensmangel beruht.

3. Auch die Ausführungen des Antragstellers zu einem vermeintlichen Verfahrensmangel rechtfertigen die Zulassung nicht. Was der Antragsteller vorträgt, kann allenfalls auf Fehler im Verhalten der Behörde deuten. Dass ein Vergleichsvorschlag das Gericht nicht erreicht hat, ist nach § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO ohne Belang, weil darzulegen wäre, dass das Gericht selbst gegen das für es geltende Verfahren verstoßen hat.

Dass das Urteil ohne erneute mündliche Verhandlung in einem besonders angesetzten Verkündungstermin verkündet worden ist, entsprach der Verfahrensordnung; denn dieser Termin war unabhängig von den sonstigen Abreden der Beteiligten durch Beschluss vom 02.12.2002 festgelegt worden.

Ende der Entscheidung

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