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Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Beschluss verkündet am 16.09.2009
Aktenzeichen: 2 L 118/08
Rechtsgebiete: AsylVfG, AufenthG


Vorschriften:

AsylVfG § 30 Abs. 3
AufenthG § 10 Abs. 2
AufenthG § 10 Abs. 3
AufenthG § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
AufenthG § 31 Abs. 1 Nr. 1
AufenthG § 31 Abs. 4 S. 2
1. Zur Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis nach Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft als eigenständiges, vom Zweck des Familiennachzugs unabhängiges Aufenthaltsrecht bei Begründung einer neuen ehelichen Lebensgemeinschaft.

2. § 10 Abs. 3 Satz 3 AufenthG setzt einen strikten, sich unmittelbar aus dem Gesetz ergebenden Rechtsanspruch voraus; ein Anspruch aufgrund einer Ermessensvorschrift genügt auch dann nicht, wenn das Ermessen im Einzelfall "auf Null" reduziert ist

3. Eine "Verlängerung" im Sinne des § 10 Abs. 2 AufenthG ist eine weitere Aufenthaltsgewährung unter Beibehaltung des genehmigten Aufenthaltszwecks. Ob der Aufenthaltszweck in diesem Sinne wechselt, richtet sich danach, ob für einen Aufenthalt zum neuen Aufenthaltszweck andere Voraussetzungen gegeben sind.


Tatbestand:

Der Kläger, ägyptischer Staatsangehöriger, begehrt die Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis.

Er reiste am (...) 2001 mit einem Visum zum Zwecke der Familienzusammenführung mit seiner damaligen deutschen Ehefrau (L. T.) in die Bundesrepublik Deutschland ein. Am 23 08.2001 erteilte ihm die Beklagte eine befristete Aufenthaltserlaubnis, die sie am 06.08.2002 bis zum 22.08.2003 und am 29.07.2003 bis zum 28.07.2004 jeweils nach Abgabe einer Erklärung der Ehegatten, dass die eheliche Lebensgemeinschaft noch bestehe, verlängerte.

Mit rechtskräftigem Strafbefehl vom 12.06.2003 setzte das Amtsgericht Magdeburg wegen eines am 15.04.2003 begangenen Diebstahls von CD's im Wert von insgesamt 200,35 € gegenüber dem Kläger eine Geldstrafe von 10 Tagessätzen fest. Mit Schreiben vom 24.07.2003 teilte die Beklagte dem Kläger mit, sie nehme wegen besonderen Ausweisungsschutzes von einer Ausweisung Abstand und wies darauf hin, dass erneute Rechtsverstöße später aber eine Ausweisung rechtfertigen könnten. Mit einem weiteren rechtskräftigen Strafbefehl vom 27.08.2004 setzte das Amtsgericht Magdeburg wegen einer am 11.05.2004 begangenen vorsätzlichen Körperverletzung gegen den Kläger eine Geldstrafe von 50 Tagessätzen fest.

Auf seinen Antrag vom 16.07.2004 und nach Hinweis des Bevollmächtigten seiner damaligen Ehefrau, dass diese seit dem 10.04.2004 vom Kläger räumlich getrennt lebe, verlängerte die Beklagte mit Bescheid vom 22.07.2004 die Aufenthaltserlaubnis bis zum 10.04.2005. Am 04.04.2005 beantragte der Kläger erneut die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis. Nachdem der Bevollmächtigte seiner damaligen Ehefrau der Beklagten mitteilte, dass diese die räumliche Trennung vom Kläger aufrecht erhalte, einen Scheidungsantrag aber noch nicht wünsche, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 30.01.2006 die begehrte Verlängerung ab. Zur Begründung gab sie an, einer weiteren Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis nach § 31 AufenthG stehe entgegen, dass der Lebensunterhalt des Klägers aufgrund der nur geringen Einkünfte aus den eingegangenen Arbeitsverhältnissen ohne die Inanspruchnahme öffentlicher Mittel nicht gesichert sei und zudem wegen der begangenen Straftaten ein Ausweisungsgrund vorliege. Hiergegen erhob der Kläger am 07.02.2006 Widerspruch, über den bislang - soweit ersichtlich - noch nicht entschieden ist. Mit Bescheid vom 14.03.2006 wies die Beklagte den Kläger wegen der begangenen Straftaten aus der Bundesrepublik Deutschland aus. Hiergegen erhob der Kläger am 20.03.2006 Widerspruch, der ebenfalls nicht beschieden wurde. Die Ehe wurde durch Urteil des Amtsgerichts Magdeburg vom 28.03.2006 rechtskräftig geschieden.

Mit Urteil vom 20.06.2007 verurteilte das Amtsgericht Ahaus den Kläger wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstraße von 9 Monaten, setzte die Strafe aber zur Bewährung aus.

Einen vom Kläger am 04.09.2006 gestellten Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mit Bescheid vom 13.09.2006 als offensichtlich unbegründet ab, stellte fest, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG offensichtlich nicht vorliegen und auch Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG nicht vorliegen.

Am (...) 2006 heiratete der Kläger die deutsche Staatsangehörige A. S.. Am 02.11.2006 beantragte er bei der Beklagten, ihm eine Aufenthaltserlaubnis gemäß § 28 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG zu erteilen.

Am 20.04.2007 hat der Kläger (Untätigkeits-)Klage gegen die Ausweisungsverfügung vom 14.03.2006 erhoben (9 A 75/07 MD) und die Klage mit Schriftsatz vom 07.01.2008 um die Verpflichtung der Beklagten zur Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis erweitert. Das Verwaltungsgericht hat über beide Streitgegenstände am 17.01.2008 mündlich verhandelt. Mit Urteil vom 17.01.2008 hat das Verwaltungsgericht das Verfahren hinsichtlich der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis abgetrennt (9 A 28/08) und die Ausweisungsverfügung aufgehoben.

Zur Begründung der Klage auf Verlängerung bzw. Erteilung der Aufenthaltserlaubnis hat der Kläger vorgetragen, das Vorliegen eines Ausweisungsgrunds schließe die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke der Wahrung der ehelichen Lebensgemeinschaft nicht aus, sondern führe lediglich dazu, dass eine Ermessensentscheidung verlangt werde. Dabei seien die Schutzwirkungen des § 56 AufenthG und des Art. 6 GG zu berücksichtigen und sorgfältig gegen eine zu erwartende konkrete Beeinträchtigung bzw. Gefährdung des öffentlichen Interesses abzuwägen. Eine solche Abwägung habe die Beklagte nicht vorgenommen. Er habe zwar Ausweisungsgründe gesetzt; diese seien aber nicht so schwerwiegend, dass eine konkrete Gefährdungsprognose gestellt werden könne. Auf der anderen Seite sei zu berücksichtigen, dass er bereits seit 2001 im Bundesgebiet lebe und mit seiner jetzigen Ehefrau zusammenlebe.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verpflichten, unter Aufhebung ihres Bescheids vom 30.01.2006 die Aufenthaltserlaubnis zu verlängern.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen

und ihren Bescheid verteidigt.

Mit dem angefochtenen Urteil vom 15.04.2008 hat das Verwaltungsgericht die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheids vom 30.01.2006 verpflichtet, die Aufenthaltserlaubnis zu verlängern. Zur Begründung hat es ausgeführt: Einem Anspruch auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltserlaubnis nach §§ 8 Abs. 1, 31 Abs. 1 und 4 AufenthG stehe das Nichtvorliegen von allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 1 und 2 AufenthG nicht entgegen. Dem Kläger könne nicht entgegengehalten werden, sein Lebensunterhalt sei nicht gesichert, weil er diese Voraussetzung als Ehegatte einer deutschen Staatsangehörigen nicht erfüllen müsse. Aufgrund der vom Kläger verübten Straftaten lägen zwar die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Versagung der Aufenthaltserlaubnis vor. Die Beklagte habe jedoch das ihr nach § 27 Abs. 3 Satz 2 AufenthG eingeräumte Ermessen, von den Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG abzusehen, fehlerhaft ausgeübt, weil sie die in § 56 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG getroffene gesetzgeberische Entscheidung zugunsten eines besonderen Schutzes von Ehegatten, die mit deutschen Staatsangehörigen in familiärer Lebensgemeinschaft leben, nicht beachtet habe. Dem Kläger könne nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts der Aufenthalt ermessensfehlerfrei nur unter ähnlich strengen Voraussetzungen versagt werden, wie sie für die Ausweisung von deutschverheirateten Ausländern aus dem Bundesgebiet vorgesehen seien. Die besonderen Voraussetzungen des § 56 Abs. 1 Sätze 2 und 3 AufenthG seien im konkreten Fall nicht gegeben. Das der Beklagten eingeräumte Ermessen sei auf Null reduziert mit der Folge, dass dem Kläger ein Anspruch auf Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis zustehe.

Die vom Senat zugelassene Berufung hat die Beklagte wie folgt begründet: Der vom Verwaltungsgericht herangezogene § 31 Abs. 1 AufenthG finde im Falle des Bestehens einer neuen ehelichen Lebensgemeinschaft keine Anwendung. Abgesehen davon könne die Aufenthaltserlaubnis nach dieser Vorschrift nach dem ersten Jahr nur verlängert werden, wenn der Lebensunterhalt - anders als hier - gesichert sei. Es bestehe aber auch kein Anspruch auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis nach § 28 AufenthG, weil einem Ausländer, dessen Asylantrag - wie hier - nach § 30 Abs. 3 AsylVfG abgelehnt worden sei, gemäß § 10 Abs. 3 AufentG vor der Ausreise kein Aufenthaltstitel erteilt werden dürfe. Ausnahmen hiervon gälten nur, wenn ein Rechtsanspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels bestehe. Dies sei hier aber wegen des Vorliegens eines Ausweisungsgrundes und der fehlenden Sicherung des Lebensunterhalts nicht der Fall. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus § 10 Abs. 2 AufenthG, weil eine Verlängerung im Sinne dieser Vorschrift nur eine weitere Aufenthaltsverlängerung unter Beibehaltung des genehmigten Aufenthaltszweckes zulasse, nicht jedoch bei Wechsel des Aufenthaltszwecks. Die letzte Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis habe den Zweck verfolgt, dem Kläger ein eigenständiges, vom Zweck des Familiennachzugs unabhängiges Aufenthaltsrecht zu vermitteln. Mit dem nunmehr beabsichtigten Aufenthalt verfolge der Kläger demgegenüber wieder den Zweck, im Bundesgebiet eine eheliche Lebensgemeinschaft zu führen. Im Übrigen sei der Kläger mittlerweile wegen weiterer Straftaten rechtskräftig verurteilt worden, nämlich vom Amtsgericht Magdeburg am 02.10.2007 zu 50 Tagessätzen wegen Diebstahls und vom Amtsgericht Solingen am 20.05.2008 und 23.12.2008 zu 50 bzw. 110 Tagessätzen wegen gemeinschaftlichen Diebstahls. Nach Bildung von Gesamtstrafen sei der Kläger insgesamt zu 170 Tagessätzen und einer Freiheitsstrafe von 9 Monaten auf Bewährung verurteilt worden.

Die Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil und trägt ergänzend vor: Er habe einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG. Diese Aufenthaltserlaubnis solle in der Regel abweichend vom § 5 Abs. 1 Nr. 1 (gesicherter Lebensunterhalts) erteilt werden. Es sei erstaunlich, dass auf der einen Seite das zwischenzeitlich geführte Asylverfahren zu seinem Nachteil berücksichtigt werden und auf der anderen Seite die zwischenzeitlich geschlossene Ehe mit einer deutschen Ehepartnerin keine Berücksichtigung finden solle. Die Gesetzesbegründung zu § 10 AufenthG habe ausschließen wollen, dass hiervon Ehegatten deutscher Staatsangehöriger betroffen seien, so dass diese Regelung keine Anwendung finde. Die Beklagte entferne sich mit ihrer generellen Weigerung, ihm eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, von den verfassungsrechtlichen Maßstäben vollständig. Sie wolle ihn trotz der ehelichen Gemeinschaft dauerhaft aus Deutschland entfernen. Die Beklagte unterlasse einerseits die Ausweisung, versuche aber über den Weg der Verweigerung der Aufenthaltserlaubnis das familiäre Zusammenleben zu erschweren. Es sei unklar, wann eine Aufenthaltserlaubnis nach der Ausreise erteilt werde. Diese Vorgehensweise stelle einen Eingriff in die durch Art. 6 GG und Art. 8 EMRK geschützten Rechte dar.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und die von der Beklagten vorgelegten Behördenvorgänge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

1. Der Senat entscheidet über die Berufung durch Beschluss nach § 130a Satz 1 VwGO, weil er einstimmig zu dem in der Beschlussformel niedergelegten Ergebnis gelangt und bei geklärtem Sachverhalt keine mündliche Verhandlung für erforderlich hält. Die Anhörungsrechte der Beteiligten (§§ 130a Satz 2; 125 Abs. 2 Satz 3 VwGO) sind gewahrt. Im vereinfachten Berufungsverfahren kann auch in Ansehung des Umstands entschieden werden, dass das Urteil ohne (weitere) mündliche Verhandlung ergangen ist, da sich die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung vom 17.01.2008 damit einverstanden erklärt haben (vgl. BVerwG, Urt. v. 22.01.1998 - 2 C 4.97 -, NVwZ 1999, 404). Aus Art. 6 Abs. 1 EMRK, wonach jedermann einen Anspruch darauf hat, dass in Streitigkeiten über seine zivilrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen öffentlich und innerhalb einer angemessenen Frist verhandelt wird, ergibt sich ein Anspruch auf mündliche Verhandlung vor dem Berufungsgericht schon deshalb nicht, weil diese Norm in asyl- und ausländerrechtlichen Verfahren keine Anwendung findet (vgl. EGMR, Urt. V. 05.10.2000 - 39652/98 -, EzAR 939 Nr. 1; BVerwG, Urt. v. 14.03.2002 - 1 C 15/01 -, BVerwGE 116, 123, m. w. Nachw.).

2. Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet.

Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte zu Unrecht gemäß § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO verpflichtet, die vom Kläger begehrte Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis zu erteilen. Die Beklagte hat die Verlängerung zu Recht versagt.

2.1. Ein Anspruch ergibt sich insbesondere nicht aus § 31 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG. Danach wird die Aufenthaltserlaubnis des Ehegatten im Falle der Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft als eigenständiges, vom Zweck des Familiennachzugs unabhängiges Aufenthaltsrecht für ein Jahr verlängert, wenn die eheliche Lebensgemeinschaft seit mindestens zwei Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet bestanden hat und der Ausländer bis dahin im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis, Niederlassungserlaubnis oder Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EG war. Eine diesem Zweck entsprechende Verlängerung hatte die Beklagte dem Kläger nach Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft (spätestens) am 10.04.2004 bereits durch Bescheid vom 22.07.2004 auf der Grundlage des § 19 Abs. 1 Nr. 1 AuslG bis zum 10.04.2005 gewährt. Nach dieser - weitgehend § 31 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG entsprechenden - Vorschrift war die Aufenthaltserlaubnis des Ehegatten im Falle der Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft als eigenständiges, von dem in § 17 Abs. 1 AuslG bezeichneten Aufenthaltszweck unabhängiges Aufenthaltsrecht zu verlängern, wenn die eheliche Lebensgemeinschaft seit mindestens zwei Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet bestanden hatte. Gemäß § 19 Abs. 2 Satz 1 AuslG war in diesen Fällen die Aufenthaltserlaubnis für ein Jahr zu verlängern. Diese Aufenthaltsgenehmigung galt nach Inkrafttreten des AufenthG am 01.01.2005 gemäß § 101 Abs. 2 AufenthG fort als Aufenthaltserlaubnis entsprechend dem ihrer Erteilung zu Grunde liegenden Aufenthaltszweck und Sachverhalt.

2.2. Ein Anspruch auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis lässt sich auch nicht auf § 31 Abs. 4 Satz 2 AufenthG stützen. Es ist bereits zweifelhaft, ob diese Vorschrift im Hinblick darauf, dass nach der Eheschließung des Klägers am 27.10.2006 eine neue eheliche Lebensgemeinschaft mit einem anderen deutschen Ehegatten bestand, hier überhaupt noch zur Anwendung kommen kann. Aber auch wenn dies zu bejahen oder anzunehmen sein sollte, dass der Kläger auch für den Zeitraum vor Beginn der neuen ehelichen Lebensgemeinschaft die - rückwirkende - Verlängerung des aus seiner ersten Ehe mit einer Deutschen abgeleiteten Aufenthaltsrechts begehrt und er hieran im Hinblick auf die Möglichkeit, gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG nach dem (ununterbrochenen) fünfjährigen Besitz einer Aufenthaltserlaubnis eine Niederlassungserlaubnis als unbefristeten Aufenthaltstitel erlangen zu können, ein schützenswertes Interesse haben sollte (vgl. hierzu: BVerwG, Urt. v. 15.07.1997 - 1 C 15.96 -, InfAuslR 1998, 10), käme eine Verlängerung nach § 31 Abs. 4 Satz 2 AufenthG nicht in Betracht. Eine weitere Verlängerung nach dieser Regelung setzt für den Regelfall die Erfüllung der allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen des § 5 einschließlich der Sicherung des Lebensunterhalts voraus (vgl. Hailbronner, Ausländerrecht, Bd. 1, § 31 RdNr. 39, m. w. Nachw.). Daran fehlt es hier.

Nach § 2 Abs. 3 AufenthG ist der Lebensunterhalt eines Ausländers gesichert, wenn er ihn einschließlich ausreichenden Krankenversicherungsschutzes ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel bestreiten kann. Dabei bleiben das Kindergeld, der Kinderzuschlag und das Erziehungsgeld oder Elterngeld sowie öffentliche Mittel außer Betracht, die auf Beitragsleistungen beruhen oder die gewährt werden, um den Aufenthalt im Bundesgebiet zu ermöglichen. Ist der Ausländer in einer gesetzlichen Krankenversicherung krankenversichert, hat er ausreichenden Krankenversicherungsschutz. Bei der Erteilung oder Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug werden Beiträge der Familienangehörigen zum Haushaltseinkommen berücksichtigt. Diese Voraussetzungen erfüllt der Kläger nach den Angaben, die er in der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vom 26.08.2008 im Prozesskostenhilfeverfahren gemacht hat, nicht.

Selbst wenn sich dies mittlerweile geändert haben sollte, wofür keinerlei Anhaltspunkte ersichtlich oder vorgetragen sind, fehlte es jedenfalls an der Voraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG. Danach setzt die Erteilung eines Aufenthaltstitels ferner in der Regel voraus, dass kein Ausweisungsgrund vorliegt. So liegt es im Fall des Klägers aber nicht.

Gemäß § 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG kann ein Ausländer insbesondere ausgewiesen werden, wenn er einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder gerichtliche oder behördliche Entscheidungen oder Verfügungen begangen hat. Diese Vorschrift ist so zu verstehen, dass ein Rechtsverstoß nur dann unbeachtlich ist, wenn er vereinzelt und geringfügig ist, andererseits aber immer dann beachtlich ist, wenn er vereinzelt, aber nicht geringfügig oder geringfügig aber nicht vereinzelt ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 24.09.1996 - 1 C 9.94 -, BVerwGE 102, 63 [66]). Eine vorsätzlich begangene Straftat kann grundsätzlich nicht als geringfügig angesehen werden (vgl. BVerwG, Urt. v. 24.09.1996, a. a. O.). Allerdings kann es auch bei vorsätzlich begangenen Straftaten unter engen Voraussetzungen Ausnahmefälle geben, in denen auch ein vorsätzlich begangener Rechtsverstoß als geringfügig zu bewerten ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 18.11.2004 - 1 C 23.03 -, InfAuslR 2005, 213 [215]). Das kann trotz der gebotenen ordnungsrechtlichen Beurteilung etwa dann der Fall sein, wenn ein strafrechtliches Verfahren wegen Geringfügigkeit eingestellt worden ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 24.09.1996, a. a. O.) oder wenn im Fall einer strafrechtlichen Verurteilung besondere Umstände des Einzelfalls zu der Bewertung führen, dass es sich um einen geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften handelt, etwa wenn es sich offenbar um eine erstmalige strafrechtliche Verfehlung handelt, das Strafmaß gering ist und Anhaltspunkte für eine Wiederholungsgefahr nicht erkennbar sind (vgl. BVerwG, Urt. v. 18.11.2004, a. a. O.) bzw. wenn die Straftat lediglich zu einer Verurteilung bis zu 30 Tagessätzen geführt hat (vgl. Nr. 55.2.2.3.1 der vorläufigen Anwendungshinweise zum AufenthG; Beschl. d. Senats v. 14.02.2007 - 2 M 368/06 -, Juris; BayVGH, Beschl. v. 22.03.2006 - 24 ZB 06.165 -, Juris).

Bei Anlegung dieser Maßstäbe können die oben dargestellten strafrechtlich geahndeten Rechtsverstöße des Klägers nicht (mehr) als vereinzelt und geringfügig bewertet werden. Dass der Kläger damit einen Ausweisungsgrund verwirklicht hat, zieht auch er selbst letztlich nicht in Zweifel.

Es sind auch keine Umstände erkennbar, die eine atypische Situation begründen und so das Absehen von den Regelerteilungsvoraussetzungen des § 5 Abs. 1 Nr. 1 und 2 AufenthG gebieten könnten.

2.3. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i. V. m § 27 Abs. 1 AufenthG.

Nach diesen Regelungen ist dem ausländischen Ehegatten eines Deutschen zur Herstellung und Wahrung der ehelichen Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet zum Schutz von Ehe und Familie gemäß Art. 6 GG die Aufenthaltserlaubnis zu erteilen bzw. zu verlängern, wenn der Deutsche seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet hat. § 28 Abs. 1 Satz 3 AufenthG bestimmt ferner, dass die Aufenthaltserlaubnis in diesen Fällen in der Regel abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG erteilt werden soll; der Lebensunterhalt muss also, soweit nicht eine atypische Situation gegeben ist, nicht gesichert sein. Auch steht im Fall des Ehegattennachzugs das Vorliegen eines Ausweisungsgrunds der Erteilung bzw. Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis nicht entgegen; denn gemäß § 27 Abs. 3 Satz 2 AufenthG kann von § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG abgesehen werden. Wie bei § 17 Abs. 5 AuslG ist damit beim Vorliegen von Ausweisungsgründen eine Ermessensentscheidung zu treffen (BT-Drucks. 15/420, S. 81). Die familiären Bindungen des Ausländers im Bundesgebiet und die Wertentscheidung des Art. 6 GG sind in den Fällen des Familiennachzugs nicht auf der Ebene des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG durch Einordnung als Regel- oder Ausnahmefall, sondern allein im Rahmen der Ermessensausübung nach § 27 Abs. 3 Satz 2 AufenthG zu berücksichtigen (Beschl. d. Senats v. 09.02.2009 - 2 M 276/08 -, Juris; NdsOVG, Urt. v. 27.04.2006 - 5 LC 110/05 -, NVwZ-RR 2007, 62, m. w. Nachw.).

Der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nach diesen Regelungen stehen derzeit aber die Bestimmungen des § 10 Abs. 3 Sätze 1 und 2 AufenthG entgegenstehen. Danach darf einem Ausländer, dessen Asylantrag unanfechtbar nach § 30 Abs. 3 AsylVfG (als offensichtlich unbegründet) abgelehnt worden ist, vor der Ausreise kein Aufenthaltstitel erteilt werden. Insoweit genügt es, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge den Offensichtlichkeitsausspruch in der Begründung des Bescheids auf einen oder mehrere der in § 30 Abs. 3 AsylVfG aufgeführten Tatbestände gestützt hat (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.12.2008 - 1 C 37.07 -, InfAuslR 2009, 224). Das ist vorliegend der Fall. Den vom Kläger am 04.09.2006 gestellten Asylantrag hat das Bundesamt mit Bescheid vom 13.09.2006 als offensichtlich unbegründet abgelehnt und sich auf die Gründe des § 30 Abs. 3 Nr. 1 und 4 AsylVfG gestützt.

Die Regelungen in § 10 Abs. 3 Sätze 1 und 2 AufenthG finden zwar gemäß § 10 Abs. 3 Satz 3 Halbsatz 1 AufenthG im Falle eines Anspruchs auf Erteilung eines Aufenthaltstitels keine Anwendung. § 10 Abs. 3 Satz 3 AufenthG setzt aber einen strikten, sich unmittelbar aus dem Gesetz ergebenden Rechtsanspruch voraus; ein Anspruch aufgrund einer Ermessensvorschrift genügt auch dann nicht, wenn das Ermessen im Einzelfall "auf Null" reduziert ist (BVerwG, Urt. v. 16.12.2008 - 1 C 37.07 -, AuAS 2009, 89; Beschl. d. Senats v. 09.02.2009 - 2 M 276/08 -, Juris, m. w. Nachw.). Einen solchen, sich unmittelbar aus dem Gesetz ergebenden Anspruch hat der Kläger aber nicht, weil - wie bereits ausgeführt - in seiner Person ein Ausweisungsgrund vorliegt, so dass gemäß § 27 Abs. 3 Satz 2 AufenthG über die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nach (pflichtgemäßem) Ermessen zu entscheiden ist.

Zwar kann nach § 10 Abs. 2 AufenthG, der auch auf § 10 Abs. 3 AufenthG anwendbar sein dürfte (vgl. Discher in: GK AufenthG, II - § 10 RdNr. 89), ein nach der Einreise des Ausländers von der Ausländerbehörde erteilter oder verlängerter Aufenthaltstitel ungeachtet des Umstandes verlängert werden, dass der Ausländer einen Asylantrag gestellt hat. Eine "Verlängerung" in diesem Sinne ist jedoch nur eine weitere Aufenthaltsgewährung unter Beibehaltung des genehmigten Aufenthaltszwecks. Ob der Aufenthaltszweck in diesem Sinne wechselt, richtet sich danach, ob für einen Aufenthalt zum neuen Aufenthaltszweck andere Voraussetzungen gegeben sind (Discher, a. a. O., § 10 RdNrn. 96 ff.; vgl. auch OVG NW, Beschl. v. 20.06.2008 - 18 B 1384/07 -, DVBl 2008, 1069). Danach scheidet im Rahmen der Familienzusammenführung eine Verlängerung der Aufenthalterlaubnis aus, wenn die Person wechselt, von der das Aufenthaltsrecht abgeleitet wird (OVG NW, Beschl. v. 20.06.2008, a. a. O.).

Die letzte Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis verfolgte den Zweck, dem Kläger ein eigenständiges, vom Zweck des Familiennachzugs unabhängiges Aufenthaltsrecht nach § 31 Abs. 1 AufenthG zu vermitteln. Mit dem jetzigen Aufenthalt verfolgt der Kläger hingegen den Zweck, im Bundesgebiet eine neue eheliche Lebensgemeinschaft mit einer anderen deutschen Staatsangehörigen zu führen.

Es ist auch mit dem verfassungsrechtlichen Schutz von Ehe und Familie nach Art. 6 Abs. 1 GG vereinbar, den Kläger auf die Einholung eines erforderlichen Visums zu verweisen. Der mit der Durchführung des Visumverfahrens üblicherweise einhergehende Zeitablauf ist regelmäßig hinzunehmen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 04.12.2007 - 2 BvR 2341/06 -, InfAuslR 2008, 239; Beschl. v. 10.05.2008 - 2 BvR 588/08 -, InfAuslR 2008, 347).

Auch Art. 8 EMRK verbietet es nicht, den Kläger auf die vorherige Ausreise zu verweisen. Wie der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) entschieden hat (vgl. Entsch. v. 07.10.2004 - 33743/03 (Dragan) -, NVwZ 2005; Entsch. v. 16.09.2004 - 11103/03 (Ghiban) -, NVwZ 2005, 1046), folgt aus Art. 8 EMRK grundsätzlich noch kein Recht des Ausländers, in ein bestimmtes Land einzureisen und sich dort aufzuhalten; die Vertragsstaaten haben vielmehr nach allgemein anerkannten völkerrechtlichen Grundsätzen das Recht, über die Einreise, den Aufenthalt und die Abschiebung fremder Staatsangehöriger zu entscheiden. War ein Fortbestehen des Familienlebens im Gastland bereits bei dessen Begründung wegen des fremdenrechtlichen Status einer der betroffenen Personen ungewiss und dies den Familienmitgliedern bewusst, kann selbst eine Ausweisung nur in Ausnahmefällen eine Verletzung von Art. 8 MRK bedeuten (EGMR, Urt. v. 31.07.2008 - 265/07 -, InfAuslR 2008, 421). Es bedarf keiner Entscheidung, ob eine dem Kläger abverlangte Rückkehr in sein Heimatland für längere Zeit im Hinblick auf die eheliche Gemeinschaft einen unverhältnismäßigen Eingriff in sein durch Art 8 EMRK geschütztes Recht auf Achtung des Privatlebens begründen würde. Ein nur vorübergehender Abbruch seiner Bindungen in der Bundesrepublik für die Dauer eines Visumverfahrens ist ihm jedenfalls zuzumuten. 3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

4. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 2 GKG.

Ende der Entscheidung

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