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Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Beschluss verkündet am 10.12.2003
Aktenzeichen: 2 L 308/02
Rechtsgebiete: LSA-KAG


Vorschriften:

LSA-KAG § 6 V 1
LSA-KAG § 6 V 4
1. Kriterium für die Verteilung des Vorteils sind ausschließlich einerseits der öffentlichen Nutzen der Verkehrsanlage und andererseits der wirtschaftliche Vorteil für die Anlieger der Anlage. Die Abwägung bemisst sich nach der Verkehrsbedeutung der Anlage. Dabei hat die Gemeinde bei der Einordnung einen gesetzgeberischen Gestaltungsspielraum.

2. Die Zuordnung einer Straße zu einem in der Satzung festgelegten Straßentyp durch die Verwaltung ist Anwendung von Ortsrecht und unterliegt insoweit der vollen gerichtlichen Nachprüfung. Maßgeblich ist die Funktion der Straße. Dabei können die maßgeblichen Verkehrsverhältnisse von Belang sein.


OBERVERWALTUNGSGERICHT DES LANDES SACHSEN-ANHALT BESCHLUSS

Aktenz.: 2 L 308/02

Datum: 10.12.2003

Gründe:

Der Beschluss beruht auf § 124a Abs. 4-6 der Verwaltungsgerichtsordnung i. d. F. d. Bek. v. 19.03.1991 (BGBl I 686) - VwGO -, in der Fassung des Gesetzes vom 20.12.2001 (BGBl I 3987), sowie auf § 154 Abs. 2 VwGO <Kosten> und auf § 13 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes i. d. F. d. Bek. v. 15.12.1975 (BGBl I 3047) - GKG -, zuletzt geändert durch Gesetz vom 14.03.2003 (BGBl I 345 [349]), <Streitwert>.

I. Die Berufung ist nicht wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen; denn diese sind nicht hinreichend dargelegt worden (vgl. § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO).

Der Darlegungslast genügt nur, wer den "Grund" benennt, der ausnahmsweise die Zulassung rechtfertigt, und dessen Voraussetzungen "schlüssig" beschreibt. Dazu gehört bei § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, dass belegt wird, es beständen gerade "ernstliche Zweifel an der Richtigkeit" der angefochtenen Entscheidung. Dies verlangt zunächst, dass der Antrag einzelne tatsächliche Feststellungen des Gerichts oder Elemente der rechtlichen Ableitung konkret bezeichnet, die beanstandet werden sollen, sowie zusätzlich, dass aufgezeigt wird, aus welchem Grund die konkrete Passage ernstlichen Zweifeln begegnet. Da § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO außerdem verlangt, dass ernstliche Zweifel an der "Richtigkeit" des Ergebnisses bestehen, muss der Zulassungsantragsteller ferner darlegen, dass das Gericht bei Vermeidung der gerügten Fehler zu einer anderen, für den Rechtsmittelführer positiven Entscheidung gelangt wäre.

Daran fehlt es hier; insbesondere begegnet die Feststellung des Verwaltungsgerichts, bei der abgerechneten Verkehrsanlage "..." handele es sich um eine überwiegend dem Anliegerverkehr dienende Straße im Sinne von § 5 Abs. 2 Nr. 1 der Straßenausbaubeitragssatzung der Beklagten vom 26.10.1998, keinen ernstlichen Zweifeln.

Nach § 6 Abs. 5 Satz 1 des Kommunalabgabengesetzes - KAG-LSA - i. d. F. d. Bek. v. 13.12.1996 (LSA-GVBl., S. 405), zuletzt geändert durch Gesetz vom 19.03.2002 (LSA-GVBl., S. 130 [137 <Nr. 65>]), sind die Beiträge nach den Vorteilen zu bemessen. Nach § 6 Abs. 5 Satz 4 KAG-LSA bleibt bei der Ermittlung des Beitrags ein dem besonderen Vorteil der Allgemeinheit entsprechender Teil des Aufwands außer Ansatz, wenn die Einrichtung erfahrungsgemäß auch von der Allgemeinheit in Anspruch genommen wird. Der beitragsfähige Aufwand ist daher ausschließlich auf die Gemeinde und die betroffenen Grundstückseigentümer aufzuteilen. Einziges Kriterium für die Aufteilung des beitragsfähigen Aufwands auf die Gemeinde und die Eigentümer ist der durch die In-Anspruch-Nahme-Möglichkeit der ausgebauten Anlage der Allgemeinheit wie den Eigentümern gebotene wirtschaftliche Vorteil. Das Verhältnis der durch die In-Anspruch-Nahme-Möglichkeit für die Allgemeinheit und die Grundstückseigentümer gebotenen wirtschaftlichen Vorteile hängt sowohl von der Verkehrsbedeutung der ausgebauten Straße als auch davon ab, welche Teileinrichtung ausgebaut worden ist (Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 6. Aufl., § 34 RdNr. 4, zum Straßenausbaubeitragsrecht allgemein). Die Festsetzung des Gemeindeanteils ist ein Akt gemeindlicher Rechtssetzung. Sie kann deshalb wie jeder andere Gesetzgebungsakt gerichtlich nur darauf überprüft werden, ob die Gemeinde den durch das Kommunalabgabengesetz und das dadurch begründete Vorteilsprinzip der Ausübung ihres ortsgesetzgeberischen Ermessens gesteckten Rahmen überschritten hat (Driehaus, a. a. O., § 34 RdNr. 7).

Auch bei der Zuordnung einer bestimmten Straße zu einem in der Satzung vorgesehenen Straßentyp handelt es sich um eine von der Verwaltung vorzunehmende Anwendung von Ortsrecht, die der vollen gerichtlichen Nachprüfung unterliegt. Grundsätzlich ist für die Beantwortung der Frage, ob eine Straße im konkreten Fall als überwiegend dem Anliegerverkehr oder dem innerörtlichen Verkehr dienend einzustufen ist, abzustellen auf ihre Funktion. Für diese Funktion sind maßgebend die Verkehrsplanung der Gemeinde, der auf entsprechender Planung beruhende Ausbauzustand und die straßenrechtliche Einordnung. Daneben können auch die tatsächlichen Verkehrsverhältnisse von Belang sein (vgl. zuletzt OVG LSA, Beschl. v. 27.05.2003 - 2 M 171/01 -). Eine der Erschließung der angrenzenden Grundstücke dienende Straße, ist eine Anliegerstraße. Als Anliegerverkehr ist derjenige Verkehr anzusehen, der zu den angrenzenden Grundstücken hinführt und von ihnen ausgeht; der Ziel- und Quellverkehr der angrenzenden Grundstücke ist das kennzeichnende Moment für den Anliegerverkehr. Eine Straße im innergemeindlichen Bereich, durch die neben Wohngrundstücken in nicht unerheblichem Maße gewerblich genutzte, auch mit Verwaltungsgebäuden bebaute Grundstücke erschlossen werden, ist eine im Wesentlichen dem innerörtlichen Verkehr dienende Straße, während Straßen im reinen Wohngebiet der gemeindlichen Planungskonzeption nach im Wesentlichen dem Anliegerverkehr zu dienen bestimmt sind (OVG LSA, a. a. O.).

Unter Anwendung dieser Grundsätze ist die Einstufung der Verkehrsanlage "..." als Anliegerstraße nicht zu beanstanden. Die verhältnismäßig geringe Breite der Fahrbahn und der Umstand, dass sie als Einbahnstraße angelegt ist, sowie ihre Lage in einem Wohngebiet sprechen dafür, dass die Straße nicht überwiegend den Durchgangsverkehr oder den innerörtlichen Verkehr, sondern hauptsächlich den Anliegerverkehr aufnehmen soll. Wenn der Kläger vorträgt, dass die Straße auch von Durchgangsverkehr zur Abkürzung genutzt werde, so mag das tatsächlich so sein. Anhaltspunkte dafür, dass dies von der Gemeinde auch so geplant war, bestehen indes nicht.

Das Verwaltungsgericht weicht insoweit auch nicht von dem Beschluss des Senats vom 29.06.2000 - 2 M 48/00 - ab; denn auch dort hat der Senat festgestellt, dass bei der Frage, ob eine Straße als Anliegerstraße einzustufen sei, nicht in erster Linie die tatsächliche Nutzung maßgeblich sei, sondern die der Straße zugewiesene Funktion. Die Ausgestaltung einer Straße - vor allem die Ausbaubreite hinsichtlich Fahrbahn und Gehwegen - sowie ihre Verkehrsbelastung seien dabei beachtliche Indiztatsachen für die Zuordnung einer Straße. Daneben könnten, wenn auch wegen ihres veränderlichen Charakters von untergeordneter Bedeutung, die tatsächlichen Verkehrsverhältnisse mit herangezogen werden. Diese Grundsätze hat das Verwaltungsgericht im Rahmen seiner Entscheidung berücksichtigt und auf den konkreten Fall angewandt.

II. Im Übrigen sind die Voraussetzungen einer "Divergenz" im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO auch nicht dargelegt.

"Abweichung" i. S. des Zulassungsrechts ist begrifflich als eine Kontrolle zu verstehen, ob die angefochtene Entscheidung in einem das Ergebnis tragenden Begründungselement von einer im Instanzenzug vertretenen Auffassung abweicht. Dies setzt einen Vergleich der angefochtenen Entscheidung einerseits mit einer konkreten anderen voraus. Rein formal ist deshalb erforderlich, die Entscheidung im Instanzenzug, von der abgewichen worden sein soll, zu bezeichnen und dabei so eindeutig zu bestimmen, dass sie zweifelsfrei identifiziert werden kann. Dies setzt grundsätzlich die Angabe des entscheidenden Gerichts, des Entscheidungsdatums und des Aktenzeichens oder aber der Fundstelle einer Veröffentlichung voraus (vgl. [für die rechtsähnliche Frage im Revisionszulassungsrecht] BVerwG, Beschl. v. 07.03.1975 - BVerwG VI CB 47.74 -, Buchholz 310 [VwGO] § 132 Nr. 130; Berlit, in: GK-AsylVfG § 78 RdNrn. 623 f.).

Um den für die Frage der "Divergenz" notwendigen Vergleich in der Sache zu ermöglichen, muss ferner dargelegt werden, dass ein vom Verwaltungsgericht gebildeter, tragender abstrakter, aber inhaltlich bestimmter Rechtssatz entweder ausdrücklich gebildet worden ist oder sich doch aus der Entscheidung eindeutig ergibt, dass das Verwaltungsgericht von einem abstrakten, fallübergreifenden Rechtssatz ausgegangen ist und seinen Erwägungen zugrunde gelegt hat (BVerfG, [Kammer-]Beschl. v. 07.11.1994 - 2 BvR 1375/94 -, DVBl. 1995, 36). Der aus der Entscheidung des Verwaltungsgerichts gewonnene, hinreichend bezeichnete Rechtssatz ist sodann einem anderen eindeutig gegenüberzustellen, der aus der konkreten Entscheidung im Instanzenzug zu gewinnen ist (Berlit, a. a. O., RdNr. 617).

Diese Voraussetzungen erfüllt der Zulassungsantrag des Klägers nicht; denn er zeigt nicht auf, mit welchem entscheidungserheblichen Rechtssatz das Verwaltungsgericht von der Rechtsprechung des Senats abweicht. In Wahrheit rügt der Kläger die Würdigung der tatsächlichen Verkehrsverhältnisse durch das Verwaltungsgericht. Eine angeblich unrichtige Anwendung eines in der obergerichtlichen Rechtsprechung entwickelten und vom Tatsachengericht nicht in Frage gestellten Rechtsgrundsatzes auf den Einzelfall stellt indes keine Abweichung i. S. des Zulassungsrechts dar (BVerwG, Beschl. v. 18.12.1990 - BVerwG 5 ER 625.90 -, Buchholz 310 [VwGO] § 132 Nr. 294; Berlit, a. a. O., 179 ff, m. w. Nachw.).

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