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Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Beschluss verkündet am 02.05.2006
Aktenzeichen: 2 L 39/04
Rechtsgebiete: GG, DenkmSchG LSA


Vorschriften:

GG Art. 14
DenkmSchG LSA § 10
DenkmSchG LSA § 19
1. § 19 Abs. 4 DenkmSchG LSA muss im Zusammenhang mit § 10 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 3 - 5 DenkmSchG gesehen werden.

2. Nach § 10 Abs. 2 Nr. 3 DenkmSchG LSA ist ein Eingriff in ein Kulturdenkmal zu genehmigen, wenn die unveränderte Erhaltung des Kulturdenkmals den Verpflichteten unzumutbar belastet. Dies ist der Fall, wenn für ein geschütztes Baudenkmal die ursprüngliche Nutzung in Folge geänderter Verhältnisse hinfällig wird und eine andere Verwendung, auf die der Eigentümer in zumutbarer Weise verwiesen werden könnte, sich nicht verwirklichen lässt.

3. Hält die Behörde die Erhaltung des Denkmals im öffentlichen Interesse gleichwohl für geboten, kann für den Eigentümer ein Anspruch auf Entschädigung nach § 19 Abs. 4 DenkmSchG LSA bestehen.

4. Hält der Eigentümer die Versagung einer Abbruchgenehmigung für wirtschaftlich unzumutbar, so muss er die Genehmigung im Verwaltungsrechtsweg erstreiten. Gründe der wirtschaftlichen Unzumutbarkeit können nicht isoliert im Entschädigungsverfahren geltend gemacht werden.


OBERVERWALTUNGSGERICHT DES LANDES SACHSEN-ANHALT BESCHLUSS

Aktenz.: 2 L 39/04

Datum: 02.05.2006

Gründe:

Der Beschluss beruht auf § 124a Abs. 4-6 der Verwaltungsgerichtsordnung i. d. F. der Novellierung v. 20.12.2001 (BGBl I 3987) - VwGO -, diese in der jeweils gültigen Fassung, sowie auf § 154 Abs. 2 VwGO <Kosten> und auf § 13 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes i. d.F.d. Bek. v. 15.12.1975 (BGBl I 345 (349)), <Streiwert>.

Der Kläger begehrt von dem Beklagten die Gewährung einer denkmalschutzrechtlichen Entschädigung nach § 19 Abs. 4 DenkmSchG LSA.

Er ist seit Anfang 1994 Eigentümer des Grundstücks M. 28 in B-Stadt. Dieses Grundstück ist im wesentlichen mit einem zum Marktplatz hin gelegenen Haupthaus und daran anschließenden Seitenhäusern bebaut. Das Haupthaus und das nachfolgende erste Seitenhaus stehen unter Denkmalschutz.

Am 13.04.1994 beantragte der Kläger beim Landkreis Jerichower Land den Abbruch der Gebäude M. 28, da er die Errichtung eines Neubaus beabsichtigte. Mit Bescheid vom 09.02.1999 versagte der Landkreis den Abriss. Dagegen betrieb der Kläger erfolglos das Widerspruchsverfahren. Mit Datum vom 07.11.2001 erhob der Kläger Klage vor dem Verwaltungsgericht Magdeburg (- 4 A 56/00 -). Mit Vergleich vom 03.07.2001 einigten sich die Beteiligten dahingehend, dass der Abriss des Haupthauses gestattet werde. Der Kläger verpflichtete sich, das erste Seitenhaus in Absprache mit dem Landesamt für Denkmalpflege, dem Beklagten und dem Landkreis zu erhalten.

Zuvor hatte der Kläger mit Schreiben vom 03.03.2000 beim Beklagten eine Entschädigungsleistung beantragt, weil die Ablehnung des Abbruchantrags bzw. die Versagung der Baugenehmigung für die Errichtung eines neuen Wohn- und Geschäftshauses bei ihm zu einem nicht unerheblichen wirtschaftlichen Schaden geführt habe. Die Unterschutzstellung des Gebäudes stelle eine unverhältnismäßige Belastung dar und habe einen über den Rahmen der Sozialbindung des Eigentums hinausgehende enteignende Wirkung. Mit Bescheid vom 14.03.2001 lehnte der Beklagte den Antrag auf Entschädigung ab, da die Voraussetzungen für einen Entschädigungsanspruch mangels Vorliegen eines Sonderopfers und wegen der nicht glaubhaft gemachten wirtschaftlichen Unzumutbarkeit nicht gegeben seien. Dagegen betrieb der Kläger erfolglos das Widerspruchsverfahren. Am 07.11.2001 erhob der Kläger dagegen Klage. Mit Urteil vom 10.12.2003 wies das Verwaltungsgericht die Klage mit folgender Begründung ab:.

Ein Entschädigungsanspruch nach § 19 Abs. 4 DenkmSchG LSA setze voraus, dass der Vollzug dieses Gesetzes im Einzelfall eine über den Rahmen der Sozialbindung des Eigentums hinausgehende enteignende Wirkung habe. Diese Voraussetzungen lägen nicht vor. Ein Vollzug im Sinne der genannten Vorschrift ergebe sich nicht schon aus der Eintragung der klägerischen Gebäude in das Denkmalverzeichnis nach § 18 Abs. 1 DenkmSchG LSA. Diese Eintragung sei lediglich nachrichtlich und deklaratorischer Art. Sie stelle daher keine Vollzugsmaßnahme dar. Auch die Versagung der vom Kläger beantragten Abrissgenehmigung durch Bescheid des Landkreises vom 09.12.1999 stelle keinen entschädigungspflichtigen Vollzug des Gesetzes mit enteignender Wirkung dar. Ein Anspruch auf Entschädigung gemäß § 19 Abs. 4 DenkmSchG LSA wäre nur dann gegeben, wenn der Kläger durch die zuvor genannten Bescheide verpflichtet wäre, die denkmalgeschützten Gebäude zu erhalten, obwohl ihn die unveränderte Erhaltung unzumutbar belaste und er die wirtschaftliche Zumutbarkeit glaubhaft gemacht hätte. Diese Voraussetzungen seien nicht erfüllt. Durch die genannten Bescheide sei dem Kläger der Abriss der auf dem Grundstück Markt 28 befindlichen Gebäuden gerade mit der Begründung versagt worden, dass die Einhaltung des Denkmalschutzgesetzes den Erhalt der Gebäude erfordere und die Voraussetzungen des § 10 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 4 und 5 DenkmSchG LSA, unter denen eine Zerstörung des Denkmals zu genehmigen sei, nicht vorlägen, da die wirtschaftliche Unzumutbarkeit von ihm nicht glaubhaft nachgewiesen worden sei. Dagegen sei die Versagung nicht darauf gestützt worden, dass trotz wirtschaftlicher Unzumutbarkeit die überragende Bedeutung des Denkmals der Genehmigung des Abrisses entgegenstehe. Beide Bescheide seien Gegenstand des Verfahrens 4 A 56/00 MD gewesen. Durch den in diesem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht geschlossenen Vergleich habe sich der Kläger verpflichtet, das erste Seitenhaus zu erhalten. Dagegen hätten sich die beteiligten Verwaltungsbehörden mit einem Abriss des Vorderhauses einverstanden erklärt. Der Vergleich enthalte keine Festlegung dahingehend, dass sich der Kläger trotz glaubhaft gemachter wirtschaftlicher Unzumutbarkeit zum Erhalt des Seitenhauses verpflichte. Durch den Vergleich seien im Verfahren 4 A 56/00 MD die streitgegenständlichen Bescheide nicht aufgehoben worden, sie seien vielmehr mit ihrem übrigen, im Vergleich nicht entgegenstehenden Inhalt, bestandskräftig geworden. Somit stehe bestandskräftig fest, dass die Versagung der Erteilung der Abrissgenehmigung durch die zuständige Behörde aufgrund fehlender Glaubhaftmachung der wirtschaftlichen Unzumutbarkeit für das zu erhaltende Seitenhaus insgesamt und für das Vorderhaus hinsichtlich der Zeit bis zum Abschluss des gerichtlichen Vergleichs mit Recht untersagt worden sei.

Der gegen das Urteil rechtzeitig gestellte Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.

Der Senat konnte die Berufung nicht zulassen, da der geltend gemachte Zulassungsgrund (§ 124a Abs. 1 S.4 VwGO), nämlich ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), nicht vorliegt.

Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts gibt keinen Anlass zu Beanstandungen oder gar zu ernstlichen Zweifeln an seiner Richtigkeit. Die Zulassungsschrift vermag das verwaltungsgerichtliche Urteil nicht zu erschüttern.

Mit Recht hat das Verwaltungsgericht entschieden, dass dem Kläger ein Entschädigungsanspruch nach § 19 Abs. 4 S. 1 DenkmSchG LSA nicht zusteht.

Nach § 19 Abs. 4 S. 1 DenkmSchG LSA hat das Land, soweit der Vollzug des Denkmalschutzgesetzes im Einzelfall eine über den Rahmen der Sozialbindung des Eigentums (Artikel 14 Abs. 2 GG) hinausgehende enteignende Wirkung hat, eine angemessene Entschädigung in Geld zu gewähren.

§ 19 Abs. 4 DenkmSchG LSA muss im Zusammenhang mit § 10 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 3 - 5 DenkmSchG LSA gesehen werden. Nach § 10 Abs. 2 Nr. 3 DenkmSchG LSA ist ein Eingriff in ein Kulturdenkmal zu genehmigen, wenn die unveränderte Erhaltung des Kulturdenkmals den Verpflichteten unzumutbar belastet. Dies ist der Fall, wenn für ein geschütztes Baudenkmal die ursprüngliche Nutzung in Folge geänderter Verhältnisse hinfällig wird und eine andere Verwendung, auf die der Eigentümer in zumutbarer Weise verwiesen werden könnte, sich nicht verwirklichen lässt. Kann der Eigentümer von einem Baudenkmal keinen vernünftigen Gebrauch machen und es auch nicht veräußern, so wird dessen Privatnützigkeit nahezu vollständig beseitigt. Nimmt man die gesetzliche Erhaltungspflicht hinzu, so wird aus dem Recht eine Last, die der Eigentümer im öffentlichen Interesse allein zu tragen hat, ohne dafür die Vorteile einer privaten Nutzung genießen zu können. Die Versagung einer Beseitigungsgenehmigung ist dann nicht mehr zumutbar (vgl. BVerfG, Beschl. v. 02.03.1991 - 1 BvL 7/91 - BVerfGE 100, 226 ff. zum Denkmalschutzrecht Rheinland-Pfalz).

Inhalts- und Schrankenbestimmungen, die für sich genommen unzumutbar wären, aber vom Gesetzgeber mit Ausgleichsmaßnahmen verbunden sind, können ausnahmsweise mit Art.14 Abs. 1 GG in Einklang stehen. Es ist dem Gesetzgeber grundsätzlich nicht verwehrt, eigentumsbeschränkende Maßnahmen, die er im öffentlichen Interesse für geboten hält, auch in Härtefällen durchzusetzen, wenn er durch kompensatorische Vorkehrungen unverhältnismäßige oder gleichheitswidrige Überlastungen des Eigentümers vermeidet und schutzwürdigem Vertrauen angemessen Rechnung trägt. Durch einen solchen Ausgleich kann in bestimmten Fallgruppen die verfassungsrechtliche Zulässigkeit einer sonst unverhältnismäßigen Inhalts- und Schrankenbestimmung im Sinne von Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG herbeigeführt werden. Eine solche Regelung stellt § 19 Abs. 4 S. 1 DenkmSchG LSA dar.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts begründet das Haftungsinstitut des enteigungsgleichen Eingriffs in seinem Anwendungsbereich eine Haftung für Staatsunrecht, es ist daher mit der Möglichkeit des verwaltungsgerichtlichen Primärrechtsschutzes in eine sinnvolle Abstimmung zu bringen. Der Geschädigte ist gehalten zu prüfen, ob der durch Verwaltungsakt erfolgte Eingriff in sein Eigentum rechtmäßig ist oder nicht. Bestehen begründete Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts oder des sonstigen Eingriffs oder hätte eine Prüfung solche Zweifel ergeben, so muss der Betroffene in der Regel die zulässigen verwaltungsgerichtlichen Rechtsbehelfe ergreifen, um den Schaden abzuwenden. Ein Entschädigungsanspruch wegen enteignungsgleichen Eingriffs ist regelmäßig für diejenigen Nachteile ausgeschlossen, die durch die verwaltungsprozessuale Anfechtung hätten vermieden werden können, wenn eine zumutbare Anfechtung des Verwaltungsakts unterlassen worden ist (BVerfG, Beschl. v. 06.09.2005 - 1 BvR 1161/03 - nach juris).

Der Betroffene hat kein freies Wahlrecht zwischen dem primären Rechtsschutz durch Geltendmachung verwaltungsgerichtlicher Rechtsbehelfe und der sekundären Geltendmachung von Entschädigungsansprüchen. Dem entspricht der Vorrang des Primärrechtsschutzes vor der Geltendmachung von Entschädigungsansprüchen.

Das Bundesverfassungsgericht versteht Art. 14 Abs. 1 GG als Bestandsgarantie. Es hat mit der Entscheidung vom 02.03.1991 deutlich gemacht, dass der Eigentümer, der einen ihn in seinem Grundrecht aus Art. 14 Abs.1 S. 1 GG beeinträchtigenden Verwaltungsakt für unverhältnismäßig hält, ihn im Verwaltungsrechtweg anfechten muss. Lässt er ihn bestandskräftig werden, so kann er eine Entschädigung auch als Ausgleich im Rahmen von Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG nicht mehr einfordern. Der Betroffene muss sich daher entscheiden, ob er den die Eigentumsbeschränkung aktualisierenden Eingriffsakt hinnehmen oder anfechten will (BVerfG, Beschl. v. 02.03.1991, a. a. O.).

Zutreffend ist das Verwaltungsgericht daher davon ausgegangen, dass der Kläger eine solche Inanspruchnahme primären verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes unterlassen hat, indem er sich nicht gegen die verweigerte Abbruchgenehmigung zur Wehr gesetzt hat, sondern das Verfahren durch Vergleich beendet hat. Es ist ihm nunmehr nicht mehr möglich, Versäumtes nachzuholen und die Voraussetzungen für einen enteignungsgleichen Eingriff in einem isolierten Entschädigungsverfahren geltend zu machen.

Diesem Ergebnis kann der Kläger auch nicht mit Recht entgegenhalten, das Verwaltungsgericht habe dem Kläger zu verstehen gegeben, "dass er den gesamten Prozess verlieren werde, wenn er sich auf einen entsprechenden Vergleich nicht einlasse."

Dem auch schon im verwaltungsgerichtlichen Verfahren anwaltlich vertretenen Kläger war es - falls das Gericht sich tatsächlich so, wie behauptet, eingelassen hat - zumutbar, den Vergleichsvorschlag des Verwaltungsgerichts, der ihm immerhin den Abriss des Hauptgebäudes ermöglicht hat, abzulehnen und die Frage, ob die Voraussetzungen des § 10 Abs. 2 Nr. 3 DenkmSchG LSA in seinem Fall vorliegen oder nicht, streitig - ggfs. im Rechtsmittelverfahren - entscheiden zu lassen.

Auf die weitere Begründung des Zulassungsantrags kommt es daher nicht an.

Ende der Entscheidung

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