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Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Urteil verkündet am 14.10.2004
Aktenzeichen: 2 L 454/00
Rechtsgebiete: VwGO, LSA-DenkmSchG


Vorschriften:

VwGO § 43
LSA-DenkmSchG § 2 Abs. 1
LSA-DenkmSchG § 9
LSA-DenkmSchG § 10 Abs. 4
LSA-DenkmSchG § 18 Abs. 1 Satz 2
1. Im Denkmalschutzrecht ist die (negative) Feststellungsklage zulässig, wenn ein Objekt (nur nachrichtlich) in das Denkmalverzeichnis eingetragen ist.

2. Die Eigenschaft als Kulturdenkmal setzt neben der Denkmalfähigkeit auch die Denkmalwürdigkeit voraus. Letztere liegt vor, wenn ein öffentliches Interesse besteht, das die Erhaltung rechtfertigt.

3. Geschichtlich bedeutsam ist ein Denkmal, wenn ein Bauwerk historische Ereignisse oder Entwicklungen anschaulich macht.

Für eine städtebauliche Bedeutung reicht nicht aus, dass das Denkmal das Erscheinungsbild der Stadt lediglich mitprägt.

Der Schutzgrund der künstlerischen Bedeutung erfordert ein gesteigertes Maß an ästhetischer oder gestalterischer Qualität.

4. Die Denkmalfähigkeit entfällt, sobald das Objekt entweder rettungslos abgängig ist oder nach seiner Wiederherstellung nur noch eine Kopie des Originals wäre.

5. Die Denkmalwürdigkeit verlangt, dass die besondere Bedeutung des Denkmals durch bestimmte Fakten erwiesen, in das Bewusstsein der Bevölkerung eingegangen oder mindestens nach dem Wissens- und Erkenntnisstand sachverständiger Betrachter anerkannt ist.

6. Für die Anerkennung als Denkmal spielt die Frage der Zumutbarkeit eines Erhaltungsaufwands keine Rolle.


OBERVERWALTUNGSGERICHT DES LANDES SACHSEN-ANHALT URTEIL

Aktenz.: 2 L 454/00

Datum: 14.10.2004

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Denkmaleigenschaft des Denkmalbereichs "E-Siedlung" in der Stadt B..

Die Kläger sind Eigentümer des Eckgrundstücks ..., das im Nordwesten an den P-Platz und im Nordosten an die S-Straße angrenzt. Im rückwärtigen Grundstücksbereich stehen eine eingeschossige Doppelhaushälfte mit ausgebautem Dachgeschoss und eine Garage. Das Grundstück liegt innerhalb der zusammenhängend bebauten Ortslage von B., und zwar innerhalb der sog. E-Siedlung, die im Rahmen eines Wohnungsbauprogramms für die Beschäftigten der damaligen Chemischen Fabrik E. ab 1920 unter der Leitung des Architekten S. planmäßig angelegt worden ist. Der erste bis 1924 abgeschlossene Bauabschnitt ist mit symmetrisch-axialem Grundriss auf das nordöstlich anschließende ehemalige Kraftwerk Süd ausgerichtet. Die dort stehenden ein- bis dreigeschossigen Wohnbauten sind - überwiegend als Reihenhäuser - um den im Südwesten gelegenen P-Platz, die Querachse der S-Straße und die nordöstlich anschließende E-Straße sowie den O-Platz gruppiert. Auf den straßenabgewandten Grundstücksteilen befinden sich jeweils 300-400 m² große Hausgärten. Auf dem P-Platz steht ein freistehendes Gebäude mit vorgelagertem Arkadengang und Dachreiter, in dem ursprünglich die Volksschule untergebracht war. Das zur Zeit nicht genutzte Gebäude befindet sich in einem schlechten baulichen Zustand.

Das Doppelhaus P-Platz 1/2 besitzt ein Krüppelwalmdach und ein seitliches Zwerchhaus mit rundem Dach. Die Kläger haben die ihnen gehörende Doppelhaushälfte nach dem Erwerb des Grundstücks im Jahre 1994 grundlegend saniert. Das Gebäude hat u. a. einen hellen Außenputz, eine Dacheindeckung aus Tonziegeln in Pfannenform und Kunststofffenster ohne Gliederung erhalten; die Haushälfte P-Platz 2 ist mit einem bräunlichen Klinker verkleidet.

Nachdem der Beigeladene die Bauten der E-Siedlung, darunter auch die klägerische Doppelhaushälfte, im Jahre 1998 als Denkmalbereich in das Denkmalverzeichnis des Landes Sachsen-Anhalt eingetragen hatte, teilte der Beklagte dies dem Kläger zu 1. mit Schreiben vom 05.05.1998 unter folgender "Kurzbegründung der Denkmaleigenschaft" mit:

"...Siedlung mit klar erkennbarem Gartenstadtcharakter... gegenüberliegende, aber aufeinander bezogene Häuserfronten bilden hofartige, begrünte Plätze... durchgehend ein- bis zweigeschossige, streng symmetrisch gestaltete Putzbauten mit verschieden geformten Dächern, Gaupen und Schrägen (beliebtes Stilmittel S.s); zwischen die Hauseingänge gesetzte Rundbögen mit Wegen zu kleinen Wirtschaftsgebäuden und den Gärten, Gebäudekubatur sowie einige Fenster- und -läden aus der Erbauungszeit erhalten, dazugehörig die Gärten und Vorgärten, sowie die Zäune und das Gehwegpflaster."

Am 02.06.1999 haben die Kläger bei dem Verwaltungsgericht Dessau gegen die Feststellung der Denkmaleigenschaft Klage erhoben und zur Begründung vorgetragen, die Einstufung ihres Wohnhauses als Kulturdenkmal sei rechtsfehlerhaft; denn das Gebäude sei weder denkmalfähig noch denkmalwürdig. Die von der Beigeladenen aufgeführten Merkmale reichten nicht aus, um eine bau- und kunstgeschichtliche Bedeutung zu begründen; denn die genannten Merkmale seien keine typischen Stilelemente einer spezifischen Bauepoche. Sie seien vielmehr ein Bemühen des damaligen Architekten, eine aus einem allgemein gleichen, einheitlichen Baustil entstehende Siedlung durch gewisse Akzentuierung und Farbgestaltung gefälliger zu gestalten und zu gliedern, um so die in ihren Grundrissen und Dimensionen sehr ähnlichen Häuser einer äußerlichen Unterscheidung zu unterziehen. Dabei handele es sich weder um wissenschaftlich hochrangige bautechnische Details, noch vermöchten sie besondere kunsthandwerkliche Fähigkeiten zu dokumentieren. Auch die sonstige kunstgeschichtliche Bedeutung des Objektes sei nicht erkennbar, zumal sich die "Gartenstadtbewegung" nicht durchgesetzt und die Siedlungsstruktur kaum Nachahmungen gefunden habe. Eine geschichtliche Bedeutung sei ebenfalls nicht zu erkennen, da das Werk des Architekten keine richtungsgebenden Impulse vermittelt habe. Auch künstlerische Gründe lägen nicht vor, da ihr Wohnhaus weder Symbolgehalt noch exemplarischen Charakter für eine bestimmte Stilrichtung oder für das Werk des Künstlers habe. Schließlich rechtfertigten auch städtebauliche Gründe nicht die Einstufung des Wohnhauses als Kulturdenkmal, da die Siedlungsstruktur keine charakteristische Stadtentwicklung aufweise, sondern nur aufgrund der örtlichen Gegebenheiten entstanden sei. Darüber hinaus sei das Wohngebäude auch nicht denkmalfähig, weil ein öffentliches Interesse an der Erhaltung und Schutzwürdigkeit dieses Gebäudes nicht gegeben sei, da die Erhaltenswürdigkeit weder in das Bewusstsein der Bevölkerung noch eines breiten Kreises von Sachverständigen eingegangen sei. Insoweit sei auch zu berücksichtigen, dass das Gebäude denkmalpflegerisch aufgrund der zahlreichen Eingriffe in die Bausubstanz und äußere Gestaltung sowie wegen bestimmter Stilmischungen von unbedeutender Art sei, insbesondere die in der städtischen Förderrichtlinie für den unter Denkmalschutz stehenden Bereich der Kraftwerkssiedlung vom 03.11.1999 als erhaltenswert benannten Gestaltungselemente gebe es nicht mehr. Schließlich sei zu beachten, dass erhebliche Erneuerungsmaßnahmen notwendig seien, um den Gesamteindruck der Siedlung wiederherzustellen oder zumindest in gewissen Abänderungen erhalten zu können. Der Aufbau der typischen Siedlungsstruktur bedeute die Herstellung einer Kopie des Originals, die keine denkmalschutzrechtlichen Auswirkungen entfalten könne. Ferner sei bei der zu treffenden Entscheidung über die Denkmalwürdigkeit und -fähigkeit die in § 10 Abs. 4 des Denkmalschutzgesetzes enthaltene Begrenzung der Erhaltungspflicht des Eigentümers zu berücksichtigen. Eine Wiederherstellung der Siedlung würde nur mit unverhältnismäßigem Aufwand zu erreichen sein.

Die Kläger haben beantragt,

festzustellen, dass ihr Wohnhaus, ..., nicht zu einem Denkmalbereich gehört.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat ausgeführt, Gegenstand des Denkmalschutzes sei nicht das Objekt der Kläger als solches, sondern der Denkmalbereich E-Siedlung. Dabei müsse nicht jedes einzelne zum Denkmalbereich gehörende Bauwerk den Anforderungen an ein Kulturdenkmal genügen. Entscheidend sei allein der Ensemblecharakter oder der Grundriss oder das Gesamtbild. Die Frage der Unzumutbarkeit der Erhaltung des Objekts sei für die Definition des Kulturdenkmals nicht relevant.

Der Beigeladene hat keinen Sachantrag gestellt.

Mit Urteil vom 1. November 2000 (A 1 K 85/99 DE) hat das Verwaltungsgericht Dessau die Klage im Wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, das Wohnhaus der Kläger stelle zusammen mit weiteren Bauten und Anlagen der sog. E-Siedlung ein Kulturdenkmal im Sinne des Denkmalschutzgesetzes in der Erscheinungsform des Denkmalbereichs im Sinne von § 2 Abs. 2 Nr. 2 DenkmSchG LSA dar, ohne dass es auf die (Einzel-)Denkmaleigenschaft der Doppelhaushälfte selbst ankomme. Die Bauten in der E-Siedlung, zumindest aber der erste Bauabschnitt mit der Bebauung am P-Platz, der E-Straße und dem O-Platz, bildeten als Stadtviertel eine deutlich von der weiteren Umgebung abgegrenzte funktionale Einheit. Sie seien aufgrund eines einheitlichen Plankonzepts in einem Zuge mit einer sehr speziellen Zweckbestimmung - zur Beschaffung von Wohnraum für die Beschäftigten eines großen Chemiewerks - errichtet worden. Das einheitliche Konzept spiegele sich in der axialen Ausrichtung der Straßen und Plätze auf die Werksanlagen sowie der nahezu symmetrischen Anordnung, der Kubatur und der Gestaltung der Außenhaut der sich jeweils gegenüberliegenden Baukörper wider. Dabei ließen die zum Teil noch vorhandenen Details der Fassaden ein einheitliches und zugleich individuelles Gestaltungsprinzip erkennen. Diese Bebauung sei als Stadtviertel zu qualifizieren, weil sie eine größere Zahl von Gebäuden aufweise und sich durch ihr besonderes Erscheinungsbild von den übrigen städtischen Quartieren von B. absetze. Der so gekennzeichnete Bereich stelle ein Kulturdenkmal dar, da der in der Zeit von 1920 bis 1924 errichtete erste Bauabschnitt der E-Siedlung in B. ein gegenständliches Zeugnis menschlichen Lebens aus vergangener Zeit sei, dem eine besondere städtebauliche Bedeutung zukomme, weil er ein anschauliches Beispiel für die Erweiterung des Stadtkerns von B. im Zuge der Industrialisierung biete. Der städtebauliche Dokumentationswert des ersten Bauabschnitts sei von besonderer Bedeutung, weil sich hier zum einen die baulichen und gestalterischen Merkmale, durch die sich Werkssiedlungen aus dem ersten Viertel des vergangenen Jahrhunderts auszeichneten, nahezu vollständig wiederfänden; insbesondere der typische axiale Grundriss und die Symmetrie sowie die Kubatur der sich gegenüberliegenden Gebäude seien unbeeinträchtigt geblieben. Zum anderen hebe der erste Bauabschnitt der E-Siedlung sich in unverwechselbarer Weise von anderen Werkssiedlungen ab, die in den ersten Jahrzehnten des vergangenen Jahrhunderts errichtet worden seien. Ob die Besonderheiten des Denkmalbereichs in das Bewusstsein der Bevölkerung eingegangen seien, sei für die Bewertung der Denkmaleigenschaft nicht wesentlich. Ebenso wenig könne es darauf ankommen, ob die Erhaltungswürdigkeit der E-Siedlung in das Bewusstsein eines breiten Kreises von Sachverständigen eingedrungen sei. Auch sei die Unzumutbarkeit einer Erhaltung für die Beurteilung des Denkmalcharakters nicht relevant. Die nach alledem zu bejahende Eigenschaft der Siedlung als Denkmalbereich erfasse auch das Wohnhaus der Kläger, da es innerhalb der Siedlung liege.

Auf den Antrag der Kläger hat der Senat die Berufung durch Beschluss vom 14.01. 2004 zugelassen. Zur Begründung ihrer Berufung tragen die Kläger vor, die Denkmalwürdigkeit des streitgegenständlichen Denkmalbereichs sei weder in das Bewusstsein der Bevölkerung noch eines breiten Kreises von Sachverständigen eingedrungen. Auch die von dem Beigeladenen vorgelegten Unterlagen belegten dies nicht; insbesondere seien weder die Fachbehörden der Stadt B. dazu berufen, die Erhaltungswürdigkeit von Denkmälern einzuschätzen, noch sei aus der Dokumentation eines Kunstobjektes "Bogen Nr. 4b" auf die Denkmalfähigkeit der gesamten Siedlung zu schließen. Das Gutachten von Blume und Pietsch beinhalte nur die Entwicklung der Kraftwerkssiedlung, ohne jedoch die besondere Erhaltungswürdigkeit der E-Siedlung hervorzuheben. Gleiches gelte für die Expertise von Kegler. Im Übrigen komme der E-Siedlung keine städtebauliche Bedeutung zu, da der zu früheren Zeiten vorhandene, für diese Siedlung prägende Kontext von Großindustrieanlagen und neuer Gestaltung von Arbeiterwohnkultur, vollständig verloren gegangen sei. Auch der durch die enge Verknüpfung von Industrie und Wohnkomplexen besonders aussagekräftige Zusammenhang zwischen der Entwicklung der Erweiterung des Stadtkerns von B. im Wege der Industrialisierung sei aufgrund der massiven Veränderungen des Umfeldes und der mangelnden Signifikanz des einzig erhaltenen Objektes der ehemaligen Industrieanlagen untergegangen. Die baulichen und gestalterischen Merkmale der Werkssiedlung, die nur noch rudimentär vorhanden seien, könnten weder als Stilelemente einer spezifischen Bauepoche angesehen werden, noch seien sie einer hervorragenden Perfektion geschuldet. Ein öffentliches Interesse an der Erhaltung sei mithin nicht erkennbar.

Die Kläger beantragen,

das angefochtene Urteil zu ändern und

festzustellen, dass ihr Wohnhaus, ..., nicht zu einem Denkmalbereich gehöre.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er führt aus, das Allgemeininteresse an der Erhaltung der E-Siedlung ergebe sich aus dem Umstand, dass die Erhaltungswürdigkeit des Denkmalbereichs in das Bewusstsein eines breiten Kreises von Sachverständigen eingedrungen sei. Auch die in der neueren Zeit vorgenommenen Umbauten und teilweise durchgeführten Modernisierungsarbeiten vermöchten den Gesamteindruck des Denkmalbereichs nicht zu beeinträchtigten, zumal der typische axiale Grundriss und die Symmetrie der sich gegenüberliegenden Gebäude nach wie vor erkennbar seien.

Der Beigeladene stellt keinen Antrag, hat aber zum Denkmalwert der ... Kraftwerkssiedlung unter dem Aspekt des öffentlichen Interesses Stellung genommen; insoweit wird auf die Stellungnahme vom 10.03.2004 verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und den beigezogenen Verwaltungsvorgang des Beklagten Bezug genommen. Die Unterlagen sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidungsfindung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen; denn die Kläger haben keinen Anspruch auf die Feststellung, dass ihr Wohnhaus, ..., nicht zu einem Denkmalbereich gehört.

I. Die Klage ist zulässig; insbesondere hat das Verwaltungsgericht zu Recht eine auf die Nichtanerkennung als Denkmal gerichtete Feststellungsklage (§ 43 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung i. d. F. d. Bek. v. 19.03.1991 [BGBl I 686] - VwGO -, zuletzt geändert durch Gesetz 24.06.2004 [BGBl I 1359 (1381)], als zulässig angesehen (vgl. schon OVG LSA, Urt. v. 06.07.1995 - 1 L 5/94 -); denn anders als in den Bundesländern mit einem konstitutiven Eintragungssystem (z. B. Nordrhein-Westfalen), wo die Eintragung in das Denkmalverzeichnis einen (auch) belastenden Verwaltungsakt darstellt, der mit der Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1 VwGO) angefochten werden kann, kommt der (lediglich) nachrichtlichen Eintragung eines Denkmals nach § 18 Abs. 1 Satz 1 des Denkmalschutzgesetzes des Landes Sachsen-Anhalt - DenkmSchG LSA - vom 21.10.1991 (LSA-GVBl., 1991, 368, ber. 1992, 310), zuletzt geändert durch Gesetz vom 26.03.2004 (LSA-GVBl., S. 234 [235]), keine Verwaltungsaktsqualität zu, so dass der betroffene Eigentümer Rechtsschutz nur durch eine negative Feststellungsklage erlangen kann. Die Kläger haben auch ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung. Dies gilt bereits deshalb, weil das Denkmalschutzrecht in § 9 DenkmSchG LSA eine Erhaltungspflicht normiert, die ein schutzwürdiges Interesse an einer gerichtlichen Klärung der von dem Beklagten bzw. Beigeladenen behaupteten Denkmaleigenschaft des streitgegenständlichen Denkmalbereichs "E-Siedlung", in dem das klägerische Wohnhaus liegt, begründet.

II. Die Feststellungsklage ist jedoch unbegründet; denn ebenso wie das Verwaltungsgericht geht der Senat in Übereinstimmung mit der Auffassung des Beklagten und den Stellungnahmen des Beigeladenen davon aus, dass es sich bei dem Denkmalbereich "E-Siedlung" um ein Kulturdenkmal im Sinne des § 2 Abs. 1 DenkmSchG LSA handelt.

Kulturdenkmale sind hiernach gegenständliche Zeugnisse menschlichen Lebens aus vergangener Zeit, die im öffentlichen Interesse zu erhalten sind (§ 2 Abs. 1 Satz 1 DenkmSchG LSA). Ein öffentliches Interesse in diesem Sinne besteht immer dann, wenn diese Zeugnisse von besonderer geschichtlicher, kulturell-künstlerischer, wissenschaftlicher, kultischer, technisch-wissenschaftlicher oder städtebaulicher Bedeutung sind (§ 2 Abs. 1 Satz 2 DenkmSchG LSA). Die Eigenschaft einer Sache als Kulturdenkmal setzt mithin ihre Denkmalfähigkeit und Denkmalwürdigkeit voraus, Merkmale also, die entgegen der Auffassung des Beklagten keine Besonderheiten des baden-württembergischen Denkmalschutzrechts darstellen, sondern auch für das sachsen-anhaltische Denkmalschutzrecht gelten, da das Denkmalschutzgesetz des Landes Sachsen-Anhalt - wie die übrigen Landesgesetze auch - ein öffentliches Erhaltungsinteresse normiert (so schon OVG LSA, Urt. v. 06.07.1995, a. a. O.). Denkmalfähig ist eine Sache, wenn einer der in § 2 Abs. 1 Satz 2 DenkmSchG LSA genannten Schutzgründe für ihre Erhaltung spricht; denkmalwürdig ist sie, wenn ein öffentliches Interesse besteht, das die auf einem gesetzlichen Schutzgrund beruhende Erhaltung der Sache rechtfertigt (OVG LSA, Urt. v. 06.07.1995, a. a. O.; VGH BW, Urt. v. 29.06.1992 - 1 S 2245/90 -, VBlBW 1993, 109).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hat das Verwaltungsgericht im Ergebnis zutreffend festgestellt, dass der Denkmalbereich "E-Siedlung" denkmalfähig und denkmalwürdig ist. Dabei hat es zu Recht nicht geprüft, ob die Doppelhaushälfte der Kläger ein (Einzel-)Denkmal darstellt, sondern den gesamten Denkmalbereich "E-Siedlung" zur Grundlage seiner gerichtlichen Prüfung gemacht; denn ausgehend von der Mitteilung des Beklagten über die Eintragung in das Verzeichnis der Kulturdenkmale - Teil I - Baudenkmale vom 05.05.1998 und der darin enthaltenen Kurzbegründung der Denkmaleigenschaft ist Gegenstand der Eintragung in das Denkmalverzeichnis (§ 18 DenkmSchG LSA) "die E-Siedlung" als Denkmalbereich im Sinne des § 2 Abs. 2 Nr. 2 DenkmSchG LSA und nicht nur das Wohnhaus der Kläger. Im Übrigen erfüllt die "E-Siedlung" auch die Voraussetzungen des Denkmalbereichs im Sinne des § 2 Abs. 2 Nr. 2 DenkmSchG LSA; denn die E-Siedlung besteht aus einer Mehrheit baulicher Anlagen im Sinne des auch für das Denkmalschutzgesetz maßgeblichen bauordnungsrechtlichen Gebäudebegriffs des § 2 Abs. 2 der Bauordnung des Landes Sachsen-Anhalt - BauO LSA - vom 09.02.2001 [LSA-GVBl., S. 50], zuletzt geändert durch Gesetz vom 16.07.2003 [LSA-GVBl., S. 158, 161 <Art. 5>]), die als Stadtteil oder Stadtviertel, jedenfalls aber als bauliche Gesamtanlage des Architekten S. zu qualifizieren ist.

Der Beklagte hat diese Mehrheit baulicher Anlagen in der E-Siedlung zu Recht gemäß § 18 DenkmSchG LSA in das Denkmalverzeichnis eingetragen; denn ihre Erhaltung liegt wegen ihrer Bedeutung für die Stadt- und die Stadtentwicklungsgeschichte ... (1.), nicht hingegen wegen ihrer städtebaulichen oder kulturell-künstlerischen Bedeutung (2.), im öffentlichen Interesse (3.).

1. Die geschichtliche Bedeutungskategorie des Denkmalschutzgesetzes ist erfüllt, wenn ein Bauwerk historische Ereignisse oder Entwicklungen anschaulich macht (NdsOVG, Urt. v. 04.06.1982 - 6 A 57/80 -, NVwZ 1983, 231; SächsOVG, Urt. v. 12.06.1997 - 1 S 344/95 -, BRS 59 Nr. 232; VGH BW, Urt. v. 10.05.1988 - 1 S 1949/87 -, DVBl. 1988, 1219 [1221]; OVG Berlin, Urt. v. 07.04.1993 - 2 B 36.90 -, BRS 55 Nr. 137). Mithin ist die geschichtliche Bedeutung dadurch gekennzeichnet, dass durch das Schutzobjekt (heimat-)geschichtliche Entwicklungen deutlich gemacht werden ("Aussagewert"), dass ihm als Wirkungsstätte namhafter Personen oder als Schauplatz historischer Ereignisse ein bestimmter "Erinnerungswert" beizumessen ist oder dass es einen im Bewusstsein der Bevölkerung vorhandenen Bezug zu bestimmten politischen, kulturellen oder sozialen Verhältnissen seiner Zeit herstellt ("Assoziationswert"). Dabei ist die geschichtliche Bedeutung nicht auf übergeordnete oder besonders bedeutsame Entwicklungen oder Verhältnisse beschränkt. Sie umfasst vielmehr auch Gegenstände des Denkmalschutzes, die nur für einzelne Wissenschaftsdisziplinen (z. B. Kirchengeschichte, Baugeschichte, Kunstgeschichte) oder für die Regionalgeschichte, Heimatgeschichte oder Stadtgeschichte von Bedeutung sind. Entscheidend ist letztlich der dokumentarische und exemplarische Charakter des Schutzobjektes als eines Zeugnisses der Vergangenheit (VGH BW, Urt. v. 29.06.1992, a. a. O.).

Der Beklagte und der Beigeladene haben zur Überzeugung des Senats dargelegt, dass die E-Siedlung für die Stadt- und Architekturgeschichte ... und deren Entwicklung Bedeutung zukommt. Diese ergibt sich aus den beigezogenen historischen Karten und Lichtbildern, den Ausführungen des Beklagten in dem Mitteilungsschreiben an die Kläger vom 05.05.1998 und der ergänzenden Stellungnahme des Beigeladenen im Berufungsverfahren vom 10.03.2004. Danach veranschaulicht die Siedlung zum einen die räumliche Erweiterung über den eigentlichen Stadtkern ... hinaus und zum anderen als Zeitzeugin der Industrialisierung den Wandel der Wohnkultur in einem industriell geprägten Siedlungsraum Anfang des letzten Jahrhunderts. Im Einzelnen stellt sich die historische Situation des streitgegenständlichen Denkmalbereichs wie folgt dar (vgl. im Einzelnen: Beitrag der im Dessauer Bauhaus tätigen Wissenschaftler Torsten Blume und Heidi Pietzsch in den Bitterfelder Heimatblättern 1995 [Heft XVIII, S. 113 - 120]; Unterlagen zur Fotoausstellung im Kreismuseum B. vom 17.04.-12.05.1996; Dr. Holger Schmidt, Büro für Siedlungserneuerung, Mai 1999; Dr. Harald Kegler, Expertise zum Erhalt des Denkmalstatus der E-Siedlung in B. vom 13.03.2004):

Als sich die Chemische Fabrik ... E. aus Frankfurt 1894 in B. ansiedelte, errichtete das Unternehmen zunächst nur vier einfache Arbeiter-Doppelwohnhäuser, mit der Folge, dass für die Arbeiter, die durch das industrielle Wachstum angezogen und angeworben wurden, ausreichend Wohnungen fehlten. Erst 1919 verabschiedete die Werksleitung ein Wohnungsbauprogramm, das auf den Kleinwohnungsbau in Siedlungen orientierte. Die Chemische Fabrik ... E. beteiligte sich nicht nur am Wohnungsbau der Stadt B., sondern begann ein eigenes Siedlungsprojekt - die sog. E-Siedlung (auch "K-Siedlung", "Kolonie E.", "Siedlung E-Süd" oder "Wohnsiedlung Werk-Süd" genannt). Die E-Siedlung, die versteckt im Südwesten von B., am Kreuz zweier Bundesstraßen, und durch Industriegelände und Eisenbahnanlagen von der Stadt getrennt liegt, wurde zwischen 1920 und 1924 errichtet. Entwurf, Planung und Gestaltung des Hauptteils der Kraftwerkssiedlung oblag dem damaligen leitenden Architekten der Bauabteilung der Chemischen Fabrik ... E., S.. Ihr axialer Grundriss orientiert sich auf das Gelände des ehemaligen Kraftwerks Süd, von dem heute nur noch die Turbinenhalle mit der T-Straße vorhanden ist; entlang der Hauptachse sind der O-Platz und der P-Platz angeordnet. Die Häuserfronten auf beiden Seiten der Hauptachse sind symmetrisch gestaltet. Im Gegensatz zu vielen anderen Werkssiedlungen besteht die E-Siedlung in B. nahezu ausschließlich aus Mehrfamilienhäusern, in denen vier bis sechs Wohneinheiten pro Haus untergebracht waren. Zu jeder Wohnung gehörten zwei bis vier Zimmer, eine Wohnküche mit Speisekammer und als Wirtschaftsräume hinter dem Haus Waschküche und Stall. Nur im Bereich der S-Straße waren Reihenhäuser und Doppelhäuser sowie Beamtenhäuser für leitende Angestellte und Beamte des Unternehmens errichtet worden.

Besondere Bedeutung erlangte die E-Siedlung durch ihren Gartenstadtcharakter, der vor allem durch die beiden großen Plätze sowie die im rückwärtigen Bereich vorhandenen großen, individuell genutzten Mietergärten geprägt wurde: Die sich gegenüberliegenden Häuserfronten waren aufeinander bezogen und bildeten wohnhofartige grüne Räume. An der Kreuzung der S-Straße und E-Straße im Zusammenhang mit dem P-Platz war eine baumbestandene Platzanlage als zentraler Grünraum vorgesehen. Im Schwerpunkt dieser Hauptachse befand sich am P-Platz eine kleine Grundschule für die Siedlungskinder. Die Straßen innerhalb des Siedlungsgeländes waren als Wohnstraßen schmal gehalten und die gesamte Siedlung nach innen, auf die grünen Wohnhöfe orientiert. Der äußere Rand wurde durch 300 bis 400 m² große Hausgärten gebildet. Die Verbindung zwischen den einzelnen Mehrfamilienhäusern wurde in der Regel durch Nebengebäude und Mauern, teilweise mit kleinen Durchgängen, hergestellt. Diese nach außen relativ abgeschirmte und innen differenzierte Struktur entsprach Ideen der Gartenstadtbewegung von einer betont privaten und nachbarschaftlichen Wohnatmosphäre inmitten der rauen industriellen Arbeitswelt.

Dieser beschriebene Prozess dokumentiert einen wichtigen Abschnitt in der Ortsgeschichte ... im Zuge der Industrialisierung und nicht nur einen alltäglichen Vorgang der städtebaulichen Erweiterung; denn die Werkssiedlungen aus dem ersten Viertel des vorigen Jahrhunderts und im Besonderen auch die E-Siedlung zeichnen sich als früher Typus einer geplanten Erweiterung der Städte und Dörfer durch spezifische bauliche und gestalterische Merkmale sowie einer zweckmäßigen Verbindung von Wohnen und Arbeiten aus, so dass sie als gegenständliche Zeugnisse des Siedlungsbaus in der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen Auskunft geben können.

Die vorstehend dargestellte stadthistorische Bedeutung der E-Siedlung ist auch nicht unter Berücksichtigung der später vorgenommenen Eingriffe in die Bausubstanz und die äußere Gestaltung sowie des allgemeinen Erhaltungszustandes der Bausubstanz untergegangen. Grundsätzlich entfällt die besondere Bedeutung nur dann, wenn die Sache entweder rettungslos abgängig ist oder nach ihrer Wiederherstellung insgesamt nur noch eine Kopie des Originals wäre (OVG NW, Urt. v. 10.06.1985 - 11 A 960/84 -, BRS 44 Nr. 123). Ein Auswechseln oder Ergänzen von einzelnen Materialteilen, das den Gesamteindruck der Sache und ihre Identität unberührt lässt, ist hingegen für die Bewertung der Denkmaleigenschaft unerheblich. Es kommt darauf an, ob das Bauwerk nach Durchführung erhaltungsnotwendiger Instandsetzungsmaßnahmen mit seinem historischen Aussagewert, also mit den die Denkmaleigenschaft begründenden Merkmalen, im Wesentlichen noch im Urzustand vorhanden ist und damit die ihm zugedachte Funktion, Aussagen über bestimmte Zustände oder Vorgänge historischer Art zu dokumentieren, noch erfüllen kann.

So ist es auch im vorliegenden Fall. Überzeugende Anhaltspunkte dafür, dass die E-Siedlung in ihren wesentlichen, die besondere Bedeutung im Sinne des § 2 Abs. 2 DenkmSchG LSA verkörpernden Teilen erneuert werden muss, sind nicht gegeben. Dabei verkennt der Senat nicht, dass sich die äußere Gestalt der Häuser im Laufe der Jahre verändert hat; denn teilweise fehlen die typischen Haustüren und Fenster, die großen Mietergärten sind nur noch ansatzweise erkennbar und die Außenwände wurden größtenteils mit neuem Putz versehen. Die besondere ortsgeschichtliche Bedeutung der Werkssiedlung beruht aber - wie oben dargelegt - auf ihrem Aussagewert über den Wandel der Wohnkultur in einem industriell geprägten Siedlungsraum Anfang des letzten Jahrhunderts. Ausweislich der vorliegenden Lichtbilder ist ein Großteil der in den Jahren von 1920 bis 1924 errichteten Häuser noch vorhanden und veranschaulicht auch weiterhin die räumliche Erweiterung ... über den eigentlichen Stadtkern hinaus sowie die Idee des Architekten, Wohnen und Arbeiten zweckmäßig miteinander zu verbinden. Im Verhältnis zu dem Gesamtensemble spielen die baulichen Veränderungen oder Verfallserscheinungen an einzelnen Häusern eine nur untergeordnete Rolle, stellen insbesondere den erhaltungswürdigen Siedlungscharakter, auf den es maßgeblich ankommt, nicht in Frage. Letztlich schließt dieser Siedlungscharakter es entgegen der Auffassung der Kläger auch aus, ausgehend vom Grundsatz der Verhältnismäßigkeit die Denkmaleigenschaft lediglich eines Straßenteils oder -blocks festzustellen; denn ein Ausschnitt der E-Siedlung würde die für diese Werkssiedlung (im Gegensatz zu anderen in Sachsen-Anhalt vorhandenen Siedlungen) charakteristische Symmetrie und den axialen Grundriss nicht hinreichend verdeutlichen und damit die Denkmaleigenschaft des Gesamtensembles insgesamt in Frage stellen.

2. Eine städtebauliche Bedeutung des gesamten Denkmalbereichs kann hingegen nach den Erkenntnissen des Senats entgegen der Auffassung des Beklagten und des Beigeladenen nicht bestätigt werden.

Zwar gehört der Denkmalbereich mit seiner ortsgeschichtlichen Unverwechselbarkeit zum überlieferten historischen Bestand und spiegelt in städtebaulicher Hinsicht eine Lebensform vergangener Zeitabschnitte wider. Allerdings ist es nach Auffassung des Senats nicht ausreichend, wenn ein Denkmalbereich das Erscheinungsbild einer Stadt lediglich mitprägt. Städtebauliche Gründe lassen die Erhaltung und Nutzung eines Objektes vielmehr erst dann geboten erscheinen, wenn ihm als historischem Bestandteil einer konkreten städtebaulichen Situation eine wünschenswerte stadtbildprägende Bedeutung zukommt, so dass es aus Gründen der Stadtgestaltung und wegen des Stadtbildes als Verlust empfunden würde, wenn es seine Prägung in seiner Eigenart als überlieferter baulicher Bestand nicht mehr wie bisher entfalten würde (OVG NW, Urt. v. 14.08.1991 - 7 A 1048/89 -, NVwZ-RR 1992, 531). Diese Voraussetzung erfüllt ein Denkmalbereich, der - wie hier - aufgrund seiner vom eigentlichen Stadtkern ... abgeschnittenen Randlage keine auffallende repräsentative Wirkung entfaltet und auch nicht als das Stadtbild ... prägende historische Bausubstanz wahrgenommen wird, nicht.

Auch eine kulturell-künstlerische Bedeutung des Denkmalbereichs "E-Siedlung" kann der Senat nach den vorliegenden Lichtbildern nicht feststellen.

Der Schutzgrund der künstlerischen Bedeutung erfordert ein gesteigertes Maß an ästhetischer oder gestalterischer Qualität (so auch VGH BW, Urt. v. 10.05.1988, a. a. O.). Insoweit kann eine Mehrheit von baulichen Anlagen künstlerisch bedeutsam sein, wenn sie über einen Aspekt der Kunst hinaus einen kulturell wichtigen Entwicklungsstand etwa als charakteristische Vertreter einer Stilepoche wiedergeben (Reich, DenkmSchG LSA, Kommentar, § 2 RdNr. 2, m. w. N.) oder wenn sie das ästhetische Empfinden in besonderem Maße ansprechen oder mindestens den Eindruck vermitteln, dass etwas nicht Alltägliches oder eine Anlage mit Symbolgehalt geschaffen worden ist (BVerwG, Urt. v. 24.06.1960, a. a. O.). Entscheidend ist letztlich, dass sich eine individuelle schöpferische Leistung auf der Basis künstlerischer Inspiration am Bauwerk ablesen lässt (NdsOVG, Urt. v. 25.07.1997 - 1 L 6544/95 -, BRS 59 Nr. 233 m. w. N.).

Der Senat kann eine künstlerische Bedeutung der E-Siedlung in diesem Sinne nicht feststellen; denn die Errichtung der Werkssiedlung stellte eine bloße Umsetzung des damals beschlossenen Wohnungsbauprogramms dar, das in erster Linie von Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten geprägt war, nicht aber Stilelemente einer spezifischen Bauepoche schaffen wollte. Dass dabei die Ideen des Architekten S. für eine gefällige und wohnliche Gestaltung der Umgebung eingeflossen sind, die die E-Siedlung möglicherweise in ihren Glanzzeiten auch ästhetisch ansprechend aussehen ließ, macht den Denkmalbereich allerdings noch nicht kulturell-künstlerisch bedeutsam. Hintergrund der Baumaßnahmen war nämlich ausschließlich die Beschaffung von Wohnraum für die Beschäftigten des Chemiewerks ... E. in unmittelbarer Nähe ihrer Arbeitsstätte.

3. Der Denkmalbereich ist auch denkmalwürdig, d. h. es besteht ein öffentliches Interesse an seiner Erhaltung.

Das Tatbestandsmerkmal der Denkmalwürdigkeit ist ein Korrektiv zum Merkmal Denkmalfähigkeit, um aus dem Denkmalschutz rein individuelle Vorlieben und private Liebhaberinteressen auszugrenzen. Voraussetzung ist deshalb entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass die besondere Bedeutung einer Sache, die ihre Denkmaleigenschaft begründen kann, und die Notwendigkeit ihrer Erhaltung durch bestimmte Fakten erwiesen, in das Bewusstsein der Bevölkerung eingegangen oder mindestens nach dem Wissens- und Erkenntnisstand sachverständiger Betrachter anerkannt ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 24.06.1960 - BVerwG VII C 205.59 -, BVerwGE 11, 32 [35]; OVG LSA, Urt. v. 06.07.1995, a. a. O.; VGH BW, Urt. v. 29.06.1992 - 1 S 2245/90 -, VBlBW 1993, 109 [110]; OVG Berlin, Urt. v. 11.07.1997 - 2 B 15.93 -, BRS 59 Nr. 234; NdsOVG, Urt. v. 04.06.1982 - 6 A 57/80 -, NVwZ 1983, 231; OVG RP, Urt. v. 26.04.1984 - 1 A 76/83 -, DVBl. 1985, 406 [408]; SächsOVG, Urt. v. 12.06.1997, a. a. O.; BayVGH, Urt. v. 21.02.1985 - Nr. 26 B 80 A.720 -, BayVBl. 1986, 399 [400]). Insoweit bedarf es einer Abwägung der ausschließlich denkmalpflegerischen Interessen untereinander und gegeneinander, vor allem der dokumentarische und exemplarische Wert des Schutzobjekts ("Seltenheitswert"), sein Alter, das Maß an Originalität und Integrität sowie ganz allgemein das konkrete Gewicht der einschlägigen Schutzgründe (VGH BW, Urt. v. 29.06.1992, a. a. O.).

Unter Berücksichtigung dieser Erwägungen ist ein öffentliches Erhaltungsinteresse der E-Siedlung zu bejahen; denn diese Werkssiedlung ist exemplarisch zum einen für das Werk des Architekten S., dessen Bekanntheitsgrad weit über die Stadtgrenzen ... hinaus reicht, und zum anderen für die im Zuge der Industrialisierung entstandene Wohnkultur, die nicht nur für die lokale Geschichte ... von Bedeutung ist, sondern Teil der Gesamtheit der Werkssiedlungen jener Zeit darstellt. Dabei ist der Seltenheitswert trotz weiterer vorhandener Werkssiedlungen hoch zu veranschlagen; denn es gibt nur noch wenige erhaltene Beispiele dieser bauhistorischen Epoche in Sachsen-Anhalt. Die Originalität und Gestaltung der E-Siedlung und die mit ihr verbundenen gesellschaftspolitischen Ziele Anfang des 20. Jahrhunderts sprechen in hohem Maße für ihre Erhaltung. Dass das Bewusstsein von der Erhaltungswürdigkeit in der Bevölkerung und Sachverständigenkreisen vorhanden ist, belegen zum einen die von dem Beklagten und dem Beigeladenen vorgelegten wissenschaftlichen Aufsätze und Stellungnahmen und zum anderen die im Kreismuseum B. durchgeführte öffentliche Fotoausstellung im Jahre 1996, die jedermann die Möglichkeit eröffnete, sich über die Werkssiedlungen im Allgemeinen und die E-Siedlung im Besonderen zu informieren.

Wenn die Kläger einwenden, dass es nur wenige Veröffentlichungen gebe, aus der sich die Denkmalwürdigkeit der E-Siedlung ergebe, und damit kein positiver Nachweis geführt worden sei, dass die E-Siedlung in das Bewusstsein der Bevölkerung oder mindestens eines breiten Kreises von Sachverständigen eingegangen sei, so ist dies angesichts der (lediglich) ortsgeschichtlichen Bedeutung der E-Siedlung ohne Belang. Es ist gerade bei stadtgeschichtlich bedeutsamen Denkmälern nicht zu verlangen, dass diese weit über die Stadtgrenzen hinaus bekannt werden. Vorliegend gibt es aus der Region, insbesondere von Wissenschaftlern des Bauhaus' Dessau (Blume und Pietzsch), aber auch anderer Sachverständiger (Schmidt und Dr. Kegler) fachkundige Stellungnahmen, die die stadthistorische Bedeutung - wie oben ausführlich dargelegt (vgl. 1.) - eindrucksvoll belegen. Dabei ist entgegen der Auffassung der Kläger nicht zu verlangen, dass sich die wissenschaftlichen Aufsätze mit dem Denkmalcharakter auseinander setzen müssen; diesen zu begründen, ist vielmehr Aufgabe der zuständigen Denkmalbehörde. Es genügt, dass die besondere, z. B. historische Bedeutung einer oder mehrerer baulicher Anlagen von Sachverständigen erkannt und Eingang in entsprechende Stellungnahmen, Aufsätze oder Vorträge gefunden hat. In diesem Sinne wird zweifelsohne die geschichtliche Bedeutung der E-Siedlung in dem Aufsatz der Bauhaus-Wissenschaftler Blume und Pietsch dargestellt. Anhaltspunkte dafür, dass diese Sachverständigen aufgrund ihrer Tätigkeit am Bauhaus Dessau im Auftrag oder zumindest im Sinne des Landes Sachsen-Anhalt tätig geworden sind, liegen nicht vor; die von den Klägern diesbezüglich geäußerten Bedenken dürften auch unbegründet sein, da im Jahre 1996 die Frage der Denkmaleigenschaft des Denkmalbereichs "E-Siedlung" noch nicht diskutiert wurde. Schließlich wird die Denkmaleigenschaft der E-Siedlung nicht dadurch ausgeschlossen, dass einige Stellungnahmen sachverständiger Betrachter erst nach Eintragung des Denkmalbereichs in das Denkmalverzeichnis abgegeben worden sind. Da die Eintragung keine konstitutive Bedeutung hat, kann die Denkmaleigenschaft einer Sache jederzeit begründet werden, d. h. selbst wenn im Zeitpunkt der Eintragung ein entsprechender Erkenntnisstand von Sachverständigen nicht vorhanden gewesen wäre, müsste der Senat jedenfalls im Rahmen seiner Entscheidung über die Denkmaleigenschaft einer Sache die neuen Stellungnahmen berücksichtigen, wenn diese (nunmehr) geeignet sind, das öffentliche Erhaltungsinteresse zu begründen.

Die von den Klägern aufgeworfene Frage der Zumutbarkeit des Erhaltungsaufwands ist für die Beurteilung der Denkmalwürdigkeit des Denkmalbereichs "E-Siedlung" ohne Bedeutung; denn nach dem Wortlaut des § 18 Abs. 1 Satz 4 DenkmSchG LSA ist der Schutz des Denkmalschutzgesetzes nicht davon abhängig, dass Kulturdenkmale in das Denkmalverzeichnis eingetragen sind, d. h. die Behörde hat weder die möglicherweise betroffenen privaten oder öffentlichen Belange abzuwägen noch steht ihr bei der Aufnahme in das Denkmalverzeichnis ein Ermessen zu. Entfaltet die Aufnahme mithin keine rechtsbegründende Wirkung, kann es für die Denkmaleigenschaft nicht darauf ankommen, ob die Erhaltung eines Kulturdenkmals durch den Betroffenen zumutbar finanziert werden kann; denn der Erhaltungsaufwand und seine Finanzierbarkeit sind in der Regel gar nicht zu übersehen. Auch § 18 Abs. 1 Satz 3 DenkmSchG LSA verlangt für die Aufnahme in das Denkmalsverzeichnis allein die Denkmaleigenschaft der Sache gemäß § 2 DenkmSchG LSA, ohne dass es auf die Zumutbarkeit des Erhaltungsaufwandes für den Eigentümer oder sonstigen Nutzungsberechtigten ankommt. Diese Auslegung ergibt sich weiter aus dem Aufbau und dem damit verbundenen Zweck des Gesetzes, die gesetzlichen Möglichkeiten für eine umfassende Erhaltung aller Kulturdenkmäler zu schaffen (§ 1 Abs. 1 DenkmSchG LSA). Der Gesetzgeber wollte mit dem weit gefassten Begriff der Denkmalfähigkeit möglichst umfassend alle Eigentumsobjekte in den Regelungsbereich des Gesetzes einbezogen wissen, bei denen ein öffentliches Interesses an der Erhaltung des gegenwärtigen Zustandes erwartet werden kann. Würde man die Eintragung eines Kulturdenkmals in das Denkmalverzeichnis von der Finanzierbarkeit der Erhaltung durch den Eigentümer abhängig machen, würden die Möglichkeiten der Denkmalschutzbehörden, für die Erhaltung der Kulturdenkmale zu sorgen, erheblich verkürzt (in diesem Sinne auch NdsOVG, Beschl v. 12.04.1979 - I OVG B 74/78 -, NJW, 307 [308]; Urt. v. 16.01.1984 - 1 A 68/82 -, NVwZ 1984, 741 [743]; OVG RP, Urt. v. 26.05.1983 - 12 A 54/81 -, DÖV 1984, 75; Eberl/Martin/Petzet, Bayerisches Denkmalschutzgesetz, 5. Aufl., Art. 1 DSchG RdNr. 14, m. w. N.). Die weite Fassung des Denkmalbegriffs würde nur dann im Hinblick auf das von den Klägern angesprochene Übermaßverbot rechtlichen Bedenken begegnen, wenn die damit verbundenen Rechtsfolgewirkungen zu einer übermäßigen Belastung der normierten Eigentumsbindungen (vgl. Art. 14 Abs. 2 Satz 1 GG) führen und den jeweiligen Eigentümer in seinem vermögensrechtlichen Bereich unzumutbar treffen würden (vgl. Reich, a. a. O., § 10 RdNr. 9). Das ist jedoch nicht der Fall, weil das Denkmalschutzgesetz insgesamt auf einen Ausgleich der öffentlichen und privaten Interessen angelegt ist. Die §§ 9; 10 Abs. 4, 5; 19 Abs. 4; 20. DenkmSchG LSA stellen ein geeignetes Instrumentarium bereit, um unzumutbare Belastungen von dem Grundstückseigentümer abzuwenden; insbesondere begründet zum einen § 19 Abs. 4 DenkmSchG LSA einen Entschädigungsanspruch in Geld, soweit der Vollzug des Denkmalschutzgesetzes im Einzelfall eine über den Rahmen der Sozialbindung des Eigentums (Art. 14 Abs. 2 GG) hinausgehende enteignende Wirkung hat, und zum anderen normiert § 20 DenkmSchG LSA eine Beteiligung des Landes an den Kosten der Erhaltung und Instandsetzung von Kulturdenkmalen nach Maßgabe der im Haushalt bereitgestellten Mittel bzw. die Verteilung von Zuschüssen durch die Denkmalbehörden.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2; 159; 162 Abs. 3 VwGO. Die Entscheidungen über die vorläufige Vollstreckbarkeit und über die Abwendungsbefugnis folgen aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11; 711 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil aus Anlass dieses Falls keine weitere Klärung grundsätzlicher Fragen des Bundesrechts oder des Verwaltungsverfahrensrechts zu erwarten ist (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Auch weicht der Senat von keiner Entscheidung im Instanzenzug, insbesondere von den grundlegenden Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts und Bundesverwaltungsgerichts ab (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO). Verfahrensfehler sind nicht ersichtlich (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).

Beschluss

Das Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt - 2. Senat - hat am 14. Oktober 2004 beschlossen:

Der Streitwert wird auf 4.090,34 € (viertausendneunzig 34/100 EURO) festgesetzt.

Gründe

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 13 Abs. 1 Satz 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 25 Abs. 3 Satz 2 GKG).

Ende der Entscheidung

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