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Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Beschluss verkündet am 22.06.2004
Aktenzeichen: 2 L 517/02
Rechtsgebiete: FStrG, LSA-KAG


Vorschriften:

FStrG § 6 I 1
LSA-KAG § 6 I 1
LSA-KAG § 6 V 1
LSA-KAG § 6 V 4
1. Die Benutzung eines gemeindlichen Straßenzugs als Bundesstraße ("faktische Bundesstraße") führt zu keinem Eigentumswechsel und deshalb zu keinem Wechsel der Straßenbaulast.

2. Die stärkere "Abnutzung" durch den überörtlichen Verkehr kann einer Verbesserung der Anlage nicht entgegen gehalten werden. Ob eine solche Verbesserung vorliegt, bestimmt sich allein im Vergleich des ursprünglichen Zustands mit dem neuen.

3. Ein Anliegeranteil von 20% ist bei einer Hauptverkehrsstraße nicht zu beanstanden.

4. Hat die Gemeinde Zuschüsse Dritter erhalten, so können die Anlieger nicht geltend machen, da-durch habe sich der Gemeindeanteil faktisch verringert und nicht mehr 80% betragen.


OBERVERWALTUNGSGERICHT DES LANDES SACHSEN-ANHALT BESCHLUSS

Aktenz.: 2 L 517/02

Datum: 22.06.2004

Gründe:

Der Beschluss beruht auf § 124a Abs. 4-6 der Verwaltungsgerichtsordnung i. d. F. d. Bek. v. 19.03.1991 (BGBl I 686) - VwGO -, in der Fassung des Gesetzes vom 20.12.2001 (BGBl I 3987) - VwGO 02 -, sowie auf § 154 Abs. 2 VwGO <Kosten> und auf § 13 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes i. d. F. d. Bek. v. 15.12.1975 (BGBl I 3047) - GKG -, zuletzt geändert durch Gesetz vom 14.03.2003 (BGBl I 345 [349]), <Streitwert>.

1. Die geltend gemachten "ernstlichen Zweifel" i. S. v. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO an der Entscheidung des Verwaltungsgerichts liegen nicht vor.

Die Zulassungsschrift macht geltend, dass die ausgebaute Straße, für die von den Anliegern Beiträge erhoben worden sind, durch die "faktische" Nutzung als Bundesfernstraße zur Bundesfernstraße gewidmet worden sei mit der Folge, dass die Beklagte für die Fahrbahn dieser Straße keine Ausbaubeiträge erheben könne.

Mit Recht macht die Zulassungsschrift zwar geltend, die Erhebung von Straßenausbaubeiträgen setze voraus, dass die ausgebaute Verkehrsanlage in der Straßenbaulast der Gemeinde liegt.

Nach § 6 Abs. 1 Satz 1 FStrG gehen bei einem Wechsel der Straßenbaulast alle Rechte und Pflichten, die mit der Straße im Zusammenhang stehen, auf den neuen Träger der Straßenbaulast über (vgl. BVerwG, Urt. v. 28.08.2003 - BVerwG 4 C 9.02 -, NVwZ-RR 2004, 84). Im Straßenrecht ist jedoch allgemein anerkannt, dass der Wechsel der Straßenbaulast ausschließlich durch Eigentumsübergang erfolgt (Kodal/Krämer, Straßenrecht, 6. Aufl., Kap., 5 RdNr. 36) und nicht durch die tatsächliche Verwendung einer Straße oder durch ihre Beschilderung.

Zutreffend ist das Verwaltungsgericht, welches beim zuständigen Ministerium für Bau und Verkehr Sachsen-Anhalt Auskunft darüber eingeholt hat (Datum vom 13.08.2002), davon ausgegangen, dass die Bundesrepublik Deutschland nicht Trägerin der Straßenbaulast der W-Straße ist. Mit dem Schreiben des Straßenbauamts Magdeburg an die Stadt Schönebeck vom 26.04.2002, das die Klägerseite bereits im erstinstanzlichen Verfahren vorgelegt hat, vermag sie "ernstliche Zweifel" an der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts nicht zu begründen. Für den Hinweis des für diese Frage gar nicht zuständigen Straßenbauamts Magdeburg, "im Bereich des Abschnitts vom Abzweig "G-Straße" bis Einmündung "A-Straße" sei mit Wirkung vom 01.01.1999 ein öffentlich-rechtlicher Vertrag zur Übertragung der Aufgaben des Baulastträgers der Gemeindestraße an den Baulastträger der Bundesstraße abgeschlossen worden, fehlt es in den Unterlagen an jeglichem Anhaltspunkt. Weder ist ein solcher "öffentlich-rechtlicher Vertrag" dem Verkehrsministerium des Landes Sachsen-Anhalt bekannt, noch hat der Kläger einen solchen Vertrag vorgelegt, noch habt er einen dahingehenden Beweisantrag im erstinstanzlichen Verfahren gestellt.

Auch der Petitionsausschuss des Landtags von Sachsen-Anhalt, an den sich der Kläger offenbar ebenfalls mit seinem Anliegen gewandt hat, geht davon aus, dass es sich bei der W-Straße um eine Gemeindestraße handelt.

Soweit sich die Zulassungsschrift auf die Abnutzung der ausgebauten Straße durch den faktischen Bundesstraßenverkehr beruft, führt dies ebenfalls nicht zur Zulassung der Berufung.

Das Verwaltungsgericht ist hier von einem Verbesserungstatbestand ausgegangen. Insoweit macht die Zulassungsschrift keine "ernstlichen Zweifel" geltend.

Für einen Verbesserungstatbestand gilt folgendes: Eine über die bloße Unterhaltung oder Reparatur einer Straße hinaus gehende Verbesserung liegt vor, wenn sich der Zustand der Straße nach dem Ausbau in irgendeiner Hinsicht (z. B. räumliche Ausdehnung, funktionale Aufteilung der Gesamtfläche, Art der Befestigung) von ihrem ursprünglichen Zustand in einer Weise unterscheidet, die positiven Einfluss auf ihre Benutzbarkeit hat (vgl. schon OVG LSA, Urt. v. 16.12.1999 - A 2 S 335/98 -; Urt. v. 17.04.1999 - A 2 S 13/97 -). Bei dem somit für die Beurteilung, ob eine durchgeführte Ausbaumaßnahme als Verbesserung zu qualifizieren ist, notwendigerweise anzustellenden Vergleich zwischen dem "alten" und "neuen" Zustand der Anlage, ist von dem ursprünglichen und nicht von dem unmittelbar vor der Ausbaumaßnahme bestehenden Zustand auszugehen, weil anderenfalls jede Unterhaltungsmaßnahme eine beitragsfähige Verbesserung wäre (OVG LSA, Beschl. v. 12.08.2002 - 2 L 121/00 -). Dabei obliegt es der Entscheidungsfreiheit der Gemeinde, ob sie sich für eine bloße Instandsetzung einer beschädigten (abgenutzten) Anlage oder für eine Ausbaumaßnahme entschließt, die gegenüber dem ursprünglichen Zustand zu einer Verbesserung führt. Insoweit gegebenenfalls sich ergebende Fragen der Zweckmäßigkeit unterliegen nicht der gerichtlichen Nachprüfung. Ebenfalls steht es in der Entscheidungsfreiheit der Gemeinde, ob eine nicht mehr funktionstüchtige, abgenutzte Anlage erneuert oder verbessert werden soll. Weder der erhebliche Zeitablauf noch die Frage, ob ein sog. aufgestauter Reparaturbedarf vorliegt, der für eine beitragsfähige Erneuerung maßgeblich ist, spielt für eine beitragsfähige Verbesserung eine Rolle (vgl. Beschl. d. Sen. v. 15.11.2002 - 2 M 258/02 -; Driehaus, in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Loseblatt-Kommentar, Stand Januar 2001, § 8 RdNr. 309, mit zahlreichen Rechtsprechungsnachweisen für nahezu sämtliche Landeskommunalabgabengesetze).

Sofern die Zulassungsschrift eine Abschnittsbildung für willkürlich hält, ist dem zu entgegnen, dass bei dieser Veranlagung eine Abschnittsbildung gar nicht stattgefunden hat. Die Zulassungsschrift stützt ihre Behauptung wiederum nur auf das bereits gewürdigte Schreiben des Straßenbauamts Magdeburg, in dem es dort heißt: "Die W-Straße ist in ihrem Verlauf in zwei Abschnitte zu unterteilen. Abschnitt 1: vom Abzweig G-Straße bis Einmündung A-Straße. Abschnitt 2: von Einmündung "A-Straße" bis Einmündung K-Straße". Das Schreiben des Straßenbauamts Magdeburg hat indessen für ein Beitragsverfahren der Stadt Schönebeck keine bindende Bedeutung.

Auch die Einwände gegen den Anliegeranteil in Höhe von 20 % der Gesamtbaukosten vermögen der Klägerseite nicht zur Berufungszulassung zu verhelfen.

Der Senat geht auf der Grundlage seiner bisherigen Rechtsprechung zur Vorteilsbemessung (vgl. insoweit OVG LSA, Beschl. v. 19.02.1998 - B 2 S 141/97 -; Beschl. v. 28.03.2000 - A 2 S 478/98 -; Beschl. v. 29.06.2000 - 2 M 48/00 -) von folgenden Grundsätzen aus: Nach § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG-LSA erheben die Gemeinden unter den dort näher genannten Voraussetzungen von den Beitragspflichtigen Straßenbaubeiträge, denen durch die In-Anspruch-Nahme oder die Möglichkeit der In-Anspruch-Nahme dieser Leistungen - hier: der ausgebauten Straße - ein Vorteil entsteht.

Zur Bemessung dieses Vorteils bestimmt § 6 Abs. 5 Satz 1 KAG-LSA lediglich, dass "die Beiträge nach den Vorteilen zu bemessen sind", und Abs. 5 Satz 4 KAG-LSA, dass "bei Ermittlung des Beitrags ein dem besonderen Vorteil der Allgemeinheit oder der Gebietskörperschaft entsprechender Teil des Aufwands außer Ansatz bleibt, wenn die Einrichtungen erfahrungsgemäß auch von der Allgemeinheit oder von dem Landkreis oder der Gemeinde in Anspruch genommen werden". Das KAG-LSA schafft damit lediglich einen Rahmen für die Bestimmung des Gemeindeanteils. Nach § 6 Abs. 5 KAG-LSA haben die Gemeinden den Gemeindeanteil ausschließlich nach dem Grundsatz vorzunehmen, dass der Gemeindeanteil den Vorteil widerspiegeln muss, der der Allgemeinheit im Verhältnis zur Gruppe der Grundstückseigentümer durch die In-Anspruch-Nahme-Möglichkeit der ausgebauten Anlage geboten wird. Dazu ist eine Vorteilsabwägung erforderlich, wobei die Gemeinden das Maß der schätzungsweise zu erwartenden Nutzung der ausgebauten Anlage durch die Grundstückseigentümer einerseits und der Allgemeinheit andererseits gegenüberzustellen und auf dieser Grundlage die jeweiligen Anteilssätze festzulegen haben. Diese Festlegung ist dabei ein Akt gemeindlicher Rechtsetzung. Sie kann deshalb wie jeder andere Gesetzgebungsakt gerichtlich nur darauf überprüft werden, ob die Gemeinde den durch § 6 Abs. 5 KAG-LSA gesteckten Rahmen überschritten hat. Keinesfalls kann das Gericht in der Weise an die Stelle des Ortsgesetzgebers treten, dass es - wenn es einen Ermessensfehler feststellt - die Ermessensentscheidung der Gemeinde durch eine eigene ersetzt (ständige Rechtsprechung der Oberverwaltungsgerichte, z. B. OVG LSA, Beschl. v. 19.02.1998 - A 2 S 141/97 -; BayVGH, Urt. v. 29.10.1984 - 6 B 82 A.2893 -, BayVBl. 1985, 117; NdsOVG, Urt. v. 27.02.1980 - 9 C 2/79 -, KStZ 1981,89; OVG NW, Urt. v. 07.12.1976 - II A 1563/74 -; Urt. v. 24.10.1995 - 15 A 890/90 -).

Nach § 3 Abs. 2 und 3 Nr. 3 a der maßgeblichen Straßenausbaubeitragssatzung hat die Beklagte die ausgebaute Straße als Hauptverkehrsstraße eingestuft und in nicht zu beanstandender Weise 20 % der Gesamtkosten als Anliegeranteil bestimmt. Gemessen an den genannten Grundsätzen ist dies nicht zu beanstanden.

Die Rügen, die die Zulassungsschrift dagegen führt, dass der Gemeindeanteil aufgrund von Dritten gewährten Zuschüsse tatsächlich nicht 80 % der Gesamtkosten betragen habe, sondern nur 24,41 %, ist unbeachtlich. Rechtsbeeinträchtigungen vermögen Grundstückseigentümer allenfalls damit zu begründen, dass der Anliegeranteil unangemessen hoch festgesetzt worden sei, nicht hingegen mit einer ihrer Ansicht nach zu geringen tatsächlichen Belastung ihrer Gemeinde.

Weitere Rügen im Hinblick auf die Kosten der abgerechneten Maßnahme sind von der Zulassungsschrift nicht so substantiiert vorgetragen worden, dass eindeutige Mängel hervorgetreten wären, die "ernstliche Zweifel" begründen könnten.

2. Die Zulassung der Berufung ergibt sich auch nicht aus § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO.

Für die Darlegung des Zulassungsgrunds des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO ist zumindest erforderlich, dass der Antragsteller klarstellt, hinsichtlich der Beantwortung welcher Fragen und aus welchen Gründen die Rechtssache seiner Ansicht nach besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist. Eine solche Frage formuliert die Zulassungsschrift nicht.

3. Die Antragsschrift vermag die Zulassung auch nicht unter Berufung auf § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zu erreichen.

Die geltend gemachte "grundsätzliche Bedeutung" ist nicht hinreichend dargelegt.

Für eine "grundsätzliche Bedeutung" ist keine konkrete, aber generalisierbare und vor allen aus Anlass dieses Verfahrens zu beantwortende, aber in ihrer Bedeutung über den Einzelfall hinausreichende Rechtsfrage oder bedeutsame Frage tatsächlicher Art aufgeworfen, die um der Einheitlichkeit der Rechtsprechung willen der Klärung bedarf und die darüber hinaus noch nicht (hinreichend) geklärt worden ist. Auch eine solche Frage formuliert die Zulassungsschrift nicht.

Ende der Entscheidung

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