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Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Urteil verkündet am 14.09.2006
Aktenzeichen: 2 L 68/06
Rechtsgebiete: VermKatG LSA


Vorschriften:

VermKatG LSA § 1 Abs. 1
VermKatG LSA § 12 Abs. 2
1. Die gesetzliche Aufgabenzuweisung in § 1 Abs. 1 des Vermessungs- und Katastergesetzes (nunmehr Vermessungs- und Geoinformationsgesetz) des Landes Sachsen-Anhalt stellt eine ausreichende Rechtsgrundlage für die Digitalisierung der Liegenschaftskarte in verändertem Maßstab dar.

2. Die fotogrammetrische Einmessung von Gebäuden, die in der alten Liegenschaftskarte nicht dargestellt waren, in die digitalisierte und im Maßstab veränderte Liegenschaftskarte findet in § 12 Abs. 2 dieses Gesetze eine gesetzliche Grundlage.


OBERVERWALTUNGSGERICHT DES LANDES SACHSEN-ANHALT URTEIL

Aktenz.: 2 L 68/06

Datum: 14.09.2006

Tatbestand:

Die Kläger sind Eigentümer des Grundstücks der Gemarkung B-Stadt, Flur 1, Flurstück 72 (B-Straße). Mit Bescheid vom 23.11.2001 teilte das Katasteramt Dessau den Klägern mit, dass im Rahmen der Offenlegung die Liegenschaftskarte nochmals überarbeitet worden sei. Nach Prüfung der Katasterunterlagen sei der Grenzverlauf zum benachbarten Flurstück 73 geändert worden. Dem Bescheid war ein Auszug aus der Liegenschaftskarte vom 22.11.2002 beigefügt; danach wird die Grenze zwischen den Flurstücken 72 und 73 durch die Gebäude des Anwesens B-Straße überbaut.

Hiergegen erhoben die Kläger Widerspruch und führten zur Begründung aus, die Grenze zwischen den Flurstücken 71 und 72 verlaufe unstreitig zwischen den noch vorhandenen Restmauern ehemaliger Gebäude. Zwischen den Flurstücken 72 und 73 sei der Grenzverlauf entlang des Wohngebäudes und der Mauerführung festzulegen. Im 19. Jahrhundert seien keine genauen Risse gefertigt worden. Die alten Dokumente hätten aber auf einen Überbau hingewiesen, wenn dieser schon damals schon bestanden hätte. Fragen, die sich aus der Interpretation von Toleranzen bzw. Darstellungsproblemen ergäben, dürften nicht auf die Weise gelöst werden, dass für Eigentümer ein neuer Rechtsstatus entstehe, für den es keine Anhaltspunkte gebe.

Unter Datum vom 14.03.2002 übersandte das Katasteramt Dessau den Klägern einen überarbeiteten aktuellen Auszug aus der Liegenschaftskarte, in dem die Grenze zwischen den Flurstücken 71 und 72 leicht verändert dargestellt wird.

Den Widerspruch wies das Katasteramt Dessau mit Widerspruchsbescheid vom 13.05.2002 mit der Begründung zurück, die im Oktober 2001 zur Offenlegung bereitgestellte Liegenschaftskarte habe in der Grenzdarstellung zwischen den Flurstücken 72 und 73 einen Fehler aufgewiesen. Diese Grenze sei im Kartenerneuerungsverfahren ohne Beachtung des Bezugs zu den Nachbargrenzen geändert und an die Bebauung angepasst worden. Aufgrund des Widerspruchs des Eigentümers des Flurstücks 73 sei dieser Fehler erkannt und berichtigt worden. Die Überprüfung des gesamten Vorgangs habe ergeben, dass die digitale Liegenschaftskarte mit Stand vom 14.03.2002 nunmehr mit der bis dahin analog geführten Inselflurkarte übereinstimme. Das Erneuerungsverfahren habe nur der maßstabsgerechten Umbildung der Flurkarten und der Gebäudeauswertung gedient, weil Gebäude früher nicht Bestandteil der Liegenschaftskarte gewesen seien. Anhand von Luftaufnahmen sei der Gebäudebestand in die Liegenschaftskarte übernommen worden. Der Grenzverlauf sei nicht verändert worden und könne auch nicht in diesem Erneuerungsverfahren dem Gebäudeverlauf angepasst werden. Die von den Klägern vorgelegten Unterlagen, die einen abweichenden Grenzverlauf belegen sollten, seien keine katasterrechtlichen Unterlagen und enthielten auch keine Maßangaben zu den Gebäudestandorten.

Am 11.06.2002 haben die Kläger hiergegen Klage erhoben, zu deren Begründung sie ausgeführt haben: Durch die Grenzveränderung seien sie schlechter gestellt, denn nunmehr stehe ihr Wohnhaus, das bereits im Jahr 1897 vorhanden gewesen sei, teilweise auf dem Nachbargrundstück. Das Katasteramt habe die Änderung der Liegenschaftskarte nicht ordnungsgemäß begründet und keine Unterlagen vorgelegt, aus denen sich die Verschiebung der Grenze ergeben habe. Ohne Grenztermin habe die Grundstücksgrenze nicht verschoben werden können. Vielmehr ergebe sich aus der Bebauung der zutreffende Verlauf der Grundstücksgrenze.

Die Kläger haben beantragt,

den Bescheid des Katasteramtes Dessau vom 23.11.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.05.2002 aufzuheben.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen

und geltend gemacht: Nach der durch den Nachbarn veranlassten Berichtigung entspreche der neue Grenzverlauf widerspruchsfrei und unverändert der alten Liegenschaftskarte. Alte Vermessungszahlen lägen in diesem Bereich nicht vor. Eine Grenze sei nicht verändert worden, ein Grenztermin deshalb nicht nötig und im Übrigen auch nicht beantragt gewesen. Die Erneuerung sei dem Kläger zu 2) auch persönlich erläutert worden. Die analog geführte amtliche Liegenschaftskarte sei lediglich ohne Änderung der Geometrie im neuen Maßstab digitalisiert und der Gebäudebestand nach Luftbildauswertungen eingefügt worden.

Mit Urteil vom 18.02.2004 hat das Verwaltungsgericht Dessau den angefochtenen Bescheid aufgehoben und zur Begründung ausgeführt: Die vom Katasteramt vorgenommene Überarbeitung der Liegenschaftskarte im Rahmen der Umstellung des Maßstabs und der Digitalisierung sei ein die Kläger belastender (feststellender) Verwaltungsakt. Beispielsweise werde ein Teil ihres Wohnhauses einem im fremden Eigentum stehenden Grundstück zugeordnet. Zwar würden die zivilrechtlichen Eigentumsverhältnisse durch diese Feststellung nicht unmittelbar berührt; wegen der Eigentumsvermutung des Grundbuchs, die sich über die Inbezugnahme der Flurstücksbezeichnungen und -abgrenzungen auch mittelbar auf das Liegenschaftskataster erstrecke, bestehe aber eine Vermutung für die Richtigkeit der Angaben des Liegenschaftskatasters, die der Betroffene erst widerlegen müsse. Belastend wirke sich die Feststellung auch insoweit aus, als den Betroffenen infolge des Handelns der Vermessungs- und Katasterverwaltung Kosten entstünden, wenn sie die - falsche - Flurstücksgrenze im Einvernehmen mit den Nachbarn auf zivilrechtlichem Wege im Sinne des Besitzstandes korrigieren wollten. Außerdem müssten die Kläger davon ausgehen, dass die überarbeitete Liegenschaftskarte Anknüpfungspunkt für weitere Maßnahmen sein werde; denn sie sei Grundlage für viele öffentlich-rechtliche (z.B. im Bau- oder Abgabenrecht) und privatrechtliche Entscheidungen (z.B. Grundbucheintragungen, Klärung von Eigentumsfragen, Nachbarstreitigkeiten). Dass die Überarbeitung nach dem Willen der Vermessungs- und Katasterverwaltung keine Veränderungen herbeiführen, sondern nur die vorangegangene analoge Darstellung der Flurstücksgrenzen bzw. die Grundflächen der tatsächlichen Bebauung wiedergeben solle, stehe einer solchen Belastung nicht entgegen. Es fehle indes an der erforderlichen gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage für die interpretatorische Anpassung der Liegenschaftskarte an einen veränderten Maßstab, deren Ergebnis nicht mit dem Willen der Betroffenen übereinstimme. Insbesondere sei Grundlage dieser Überarbeitung keine "Vermessung" im Sinne von § 12 Abs. 2 VermKatG LSA, sondern eine innerdienstliche Ermittlung der im Maßstab vergrößerten Liegenschaftskarten sowie deren Interpretation. Seien aber die Bezugspunkte der alten Vermessungsdaten fraglich und die alten Flurkarten wegen des gröberen Maßstabs undeutlich oder widersprüchlich, so treffe die Vermessungsverwaltung bei der Überarbeitung - auch bei grundsätzlicher Wahrung der Geometrie des Flurstücks - eine Entscheidung über die künftig im Detail verbindliche Grenze. Außerdem stehe der interpretierenden Anpassung der alten Liegenschaftskarte an den neuen Maßstab bei - bewussten oder ungewollten - Veränderungen die Bestandskraft der damaligen Übernahmen der alten Vermessungen entgegen.

Die vom Senat zugelassene Berufung hat der Beklagte wie folgt begründet: Er habe den gesetzlichen Auftrag, das Basisinformationssystem "Liegenschaftskataster" zur Verfügung zu stellen, der in § 1 VermKatG LSA als "Führung" bezeichnet werde. Dies umfasse das Einrichten, Berichtigen, Neueinrichten, Erneuern, Nachweisen und Bekanntmachen des Liegenschaftskatasters. Dies bedeute auch, dass ein einheitlicher Maßstab sowie die Einführung digitaler Verfahren im Sinne eines zusammenhängenden Werkes im amtlichen Koordinatensystem auf der Grundlage des Vermessungszahlenwerks zu schaffen seien. Der Zweck der Liegenschaftskarte beinhalte wesentlich die geometrisch genaue Darstellung der Flurstücke und Gebäude. Mängelbehebungen bei der Erneuerung der Liegenschaftskarte seien auch ohne Antrag der Beteiligten rechtmäßig. Die nach der Wiedervereinigung vorliegende Liegenschaftskarte der ehemaligen DDR habe sich in einem desolaten Zustand befunden, insbesondere seien auch die Gebäudedarstellungen unzureichend gewesen oder hätten gänzlich gefehlt. Das Verfahren zur Erneuerung habe die digitale Überführung der alten Karten mit der Darstellung der Flurstücke und die fotogrammetrische Vermessung aller Gebäude in einem Datenbestand beinhaltet. Inzwischen sei mit der fertiggestellten Erneuerung ein Kartenwerk geschaffen worden, das auf der Grundlage des amtlichen Bezugssystems und integriert mit dem Vermessungszahlenwerk im landesweiten Zusammenhang geführt werde. Eine Änderung der Grenzgeometrie oder eine "interpretatorische Anpassung" der Liegenschaftskarte sei auch im Bereich des klägerischen Grundstücks nicht erfolgt. Bezugspunkte, die nicht eindeutig bestimmt seien, seien nicht zugrunde gelegt worden. Die räumliche Begrenzung der Flurstücke, wie sie sich in der alten Liegenschaftskarte dargestellt habe, sei nicht manipuliert worden; lediglich der Darstellungsmaßstab sei verändert worden. Die Darstellung der Lage von Gebäuden in der Liegenschaftskarte ergebe keinen Handlungsspielraum; Gebäude würden in der Liegenschaftskarte exakt so dargestellt, wie sie auf der Erdoberfläche tatsächlich errichtet worden seien. Die bislang verdeckt gebliebenen Tatsachen wären in gleicher Weise auch durch eine neue Liegenschaftsvermessung offenkundig geworden.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 18.02.2004 - 1 A 389/02 DE - zu ändern und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigen das angefochtene Urteil und tragen ergänzend vor, es sei grundsätzlich davon auszugehen, dass die Bebauung im 19. Jahrhundert auf dem Flurstück 72 erfolgt sei und der Grenzverlauf zu diesem Zeitpunkt festgestanden habe. Es müsse davon ausgegangen werden, dass durch die Überarbeitung der Liegenschaftskarte nunmehr andere Grenzen entstehen würden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs Bezug genommen; er ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist begründet.

Das Verwaltungsgericht hat der Klage zu Unrecht stattgegeben. Der angefochtene Bescheid über die Erneuerung des Liegenschaftskatasters ist rechtmäßig und verletzt die Kläger daher nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Rechtsgrundlagen für die Erneuerung des Liegenschaftskatasters sind § 1 Abs. 1 i. V. m. § 11 Abs. 1, 12 Abs. 2 des - zum Zeitpunkt des Widerspruchsbescheids geltenden - Vermessungs- und Katastergesetzes des Landes Sachsen-Anhalt vom 22.05.1992 (LSA-GVBl. S. 362), zuletzt geändert durch Gesetz vom 19.03.2002 (LSA-GVBl. S. 130) - VermKatG LSA. Zu unterscheiden ist dabei zwischen der Digitalisierung und Veränderung des Maßstabs der Liegenschaftskarte einerseits und der Einmessung der vorhandenen Gebäude in die Liegenschaftskarte mittels fotogrammetrischer Verfahren andererseits.

Nach § 1 Abs. 1 VermKatG LSA obliegt den Vermessungs- und Katasterbehörden die Führung des Liegenschaftskatasters mit den dazu erforderlichen Vermessungen. Der Begriff "Führung" wird als umfassender Oberbegriff für alle Tätigkeiten und Maßnahmen zum Vorhalten eines aktuellen Liegenschaftskatasters eingeführt; er umfasst einrichten, fortführen und erneuern (vgl. Begründung zum Gesetzentwurf, LT-Drucks. 1/657, S. 5). Diese Vorschrift stellt allerdings nur eine Zuständigkeitsnorm dar, die den Vermessungs- und Katasterbehörden bestimmte Aufgaben zuweist. Aus einer Aufgabenzuweisung folgt grundsätzlich noch nicht die Befugnis der Behörde zu einem eingreifenden, (Grund-)Rechte beeinträchtigenden Tätigwerden (vgl. Schoch, DVBl. 1991, 667 [672 f.]). Gesetzliche Bestimmungen, die der Exekutive eine bestimmte Sachaufgabe zuweisen, sind nur dann zur Rechtfertigung von tatsächlichen Grundrechtseingriffen geeignet, wenn ihnen über ihren Aufgaben regelnden Gehalt hinaus zugleich mit hinreichender Deutlichkeit die Ermächtigung zur Einschränkung des Freiheitsraums der von der Aufgabenerledigung Betroffenen zu entnehmen ist (BVerwG, Urt. v. 27.03.1992 - 7 C 21.90 -, BVerwGE 90, 112) oder wenn Individualrechtsbeschränkungen mit der gesetzlich konkret beschriebenen Aufgabe zwangsläufig oder typischerweise verbunden und deshalb auch für den Bürger voraussehbar sind (vgl. BVerwG, Beschl. v. 07.12.1995 - 3 C 23.94 -, DVBl 1996, 807 [808]). Dagegen benötigt sog. schlichthoheitliches Verwaltungshandeln der Behörde keine Ermächtigungsgrundlage, sondern kann auf die Aufgabenzuweisung gestützt werden, wenn es nicht mit einem Rechtseingriff verbunden ist (vgl. Schoch, a. a. O.).

Die gesetzliche Aufgabenzuweisung in § 1 Abs. 1 VermKatG LSA genügt als gesetzliche Ermächtigungsnorm jedenfalls für die Maßnahmen der Vermessungs- und Katasterbehörden, die nicht in Rechte der Bürger, insbesondere nicht in das durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützte Eigentumsrecht der Grundstückseigentümer eingreifen. Dies gilt für solche Maßnahmen, die nicht mit der gesetzlich unterstellten fiktiven Richtigkeit des Liegenschaftskatasters zusammenhängen, beispielsweise die nur nachrichtlich aufgenommenen bzw. beschreibenden Angaben (vgl. NdsOVG, Urt. v. 19.01.1995 - 1 L 5943/92 -, OVGE MüLü 45, 378 [381]). Aber auch andere Maßnahmen, die grundsätzlich die Rechte der Grundstückseigentümer nicht berühren, bedürfen keiner speziellen gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage. Dazu gehören die Digitalisierung der Liegenschaftskarte und die Veränderung des Maßstabs. Insoweit geht es nur um die Art und Weise der Führung des Liegenschaftskatasters, die von der technischen Entwicklung, dem Verkehrsinteresse und dem Verkehrsschutz abhängt (vgl. Kummer/Möllering, Vermessungs- und Katasterrecht Sachsen-Anhalt, 2. Aufl., § 12 Anm. 4.1.4).

Das VermKatG LSA legt die Form und die katastertechnischen Grundlagen der Liegenschaftskarte nicht fest; sie ergibt sich aus dem Liegenschaftserlass (Kummer/Möllering, a. a. O., § 12 Anm. 4.3.4.1). Die einzelnen Blätter werden bei analoger Führung der Liegenschaftskarte einheitlich durch Koordinatenlinien (Rahmenblattformat) begrenzt. Die in der DDR vorhandenen Blätter waren nach kataster-administrativen Grenzen (Flure) begrenzt (Inselblattformat) und werden durch die Kartenerneuerung ersetzt. Bei digitaler Führung (nach Abschluss der Kartenerneuerung) ist die Liegenschaftskarte - auch automatisierte Liegenschaftskarte (ALK) genannt - blattschnittfrei für das gesamte Landesgebiet gespeichert (vgl. Kummer/Möllering, a. a. O.). Insoweit ist nicht erkennbar, dass mit der Digitalisierung Rechte der Grundstückseigentümer betroffen sein könnten.

Eine andere Beurteilung ergibt sich auch dann nicht, wenn der Maßstab verändert wird. Eine Veränderung der in der Liegenschaftskarte enthaltenen Angaben, insbesondere der Flurstücksgrenzen und Grenzpunkte ist damit grundsätzlich nicht verbunden. Die Bedenken des Verwaltungsgerichts, der Beklagte treffe, obwohl die Bezugspunkte der alten Vermessungsdaten fraglich und die alten Flurkarten wegen des gröberen Maßstabs undeutlich oder widersprüchlich seien, bei der Überarbeitung - auch bei grundsätzlicher Wahrung der Geometrie des Flurstücks - eine interpretatorische Entscheidung über die künftig im Detail verbindliche Grenze, teilt der Senat nicht. Soweit das Verwaltungsgericht meint, es sei der alten Inselflurkarte nicht sicher zu entnehmen, ob die Grenze zwischen den Flurstücken 72 und 73 geradlinig verlaufe oder mit einem leichten "Knick" nach Norden, wie in der Liegenschaftskarte mit Stand vom März bzw. Juli 2002 dargestellt, begründet dies keine Zweifel an der Richtigkeit der Vergrößerung. Der Beklagte hat nachvollziehbar dargelegt, dass in der Inselflurkarte dargestellte, eindeutig bestimmbare Bezugspunkte mittels Lasertechnik erfasst worden und als Grundlage für die Vergrößerung der Karte herangezogen worden seien.

Rechtliche Bedenken bestehen auch nicht insoweit, als das Katasteramt mit der erneuten Offenlegung eine zuvor erfolgte Offenlegung auf den Widerspruch des Nachbarn des Klägers "berichtigt" bzw. "überarbeitet" hat. Zwar ermächtigt die Zuständigkeitsnorm des § 1 Abs. 1 VermKatG LSA nicht dazu, im Liegenschaftskataster nachgewiesene Grenze ohne das Einverständnis der betroffenen Grundstückseigentümer zu verändern bzw. zu berichtigen (vgl. NdsOVG, Urt. v. 06.01.1995, 1 L 2131/93 -, OVGE MüLü 45, 362, m. w. Nachw.). Da die zunächst offen gelegte Erneuerung der Liegenschaftskarte wegen des Widerspruchs des Nachbarn noch nicht bestandkräftig geworden war, können für die "Berichtigung" bzw. "Überarbeitung" der erneuerten Liegenschaftskarte keine strengeren Maßstäbe gelten wie für die Erneuerung in der ersten Fassung.

Anders zu beurteilen ist die Rechtslage bei der Einmessung der bereits vorhandenen Gebäude, die in der alten Liegenschaftskarte nicht eingezeichnet waren, in die (vergrößerte) Liegenschaftskarte. Insoweit zutreffend hat das Verwaltungsgericht dargelegt, dass die erneuerte Liegenschaftskarte mit der Aufnahme der Gebäude erstmals eine verbindliche Zuordnung der Gebäude zu den einzelnen Flurstücken enthält. Die Rechtsstellung der Grundstückseigentümer wird berührt, wenn der Gebäudebestand, der nach § 11 Abs. 1 VermKatG LSA zum Inhalt des Liegenschaftskatasters und nicht nur zu den nur nachrichtlich aufgenommenen oder beschreibenden Daten gehört, verändert wird, auch wenn dies nur im Sinne einer Vervollständigung geschieht. Zwar bleibt die zivilrechtliche Eigentumslage durch Veränderungen oder erstmalige Eintragungen im Liegenschaftskataster unberührt. Der Gebäudebestand, nimmt aber - wie das Verwaltungsgericht zutreffend angemerkt hat - an der gesetzlich unterstellten fiktiven Richtigkeit des Liegenschaftskatasters teil (vgl. NdsOVG, Urt. v. 19.01.1995, a. a. O.).

Insoweit bildet jedoch § 12 Abs. 2 VermKatG LSA die erforderliche spezielle Rechtsgrundlage. Danach sind die Liegenschaften auf der Grundlage der Lagefestpunkte zu vermessen (Liegenschaftsvermessung) und im Liegenschaftsbuch und in der Liegenschaftskarte nachzuweisen. Nach § 11 Abs. 1 Satz 2 VermKatG LSA sind Liegenschaften im Sinne dieses Gesetzes Flurstücke und Gebäude. Die Liegenschaftsvermessung umfasst daher auch die Erfassung von Gebäuden (vgl. Kummer/Möllering, a. a. O., § 12 Anm. 3.2.1). Für die Liegenschaftsvermessung sind alle Vermessungsverfahren zugelassen, die die geforderten fachlichen Anforderungen (Genauigkeit, Zuverlässigkeit) erfüllen; dazu zählt insbesondere auch das fotogrammetrische Verfahren (vgl. Kummer/Möllering, a. a. O., § 12 Anm. 3.5.2).

An der fachlichen Richtigkeit der fotogrammetrischen Einmessung bestehen keine durchgreifenden Bedenken. Ein Anhalt für eine fehlerhafte Einmessung könnte beispielsweise sein, wenn auch bei den umliegenden Grundstücken vermehrt ähnliche Überbauungen zutage getreten wären. Dies ist aber nicht der Fall. Bei den benachbarten Grundstücken decken sich die Grundstücksgrenzen überwiegend mit den Außenwänden von Gebäuden. Der Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung ferner ausgeführt, dass in der Umgebung des klägerischen Grundstücks eine Sachlage wie im konkreten Fall nicht nochmals aufgetreten sei. Der Kläger kann der Einmessung der Gebäude auch nicht entgegen halten, die alten Unterlagen, insbesondere eine Grundrisszeichnung, enthielten keine Hinweise auf einen Überbau, obwohl das Wohnhaus zeitnah nach der Separation um die Jahre 1850/1852 erbaut worden sei. Zutreffend hat das Verwaltungsgericht darauf hingewiesen, dass sie katasterrechtlich ohne Bedeutung sind, weil sie keine katastermäßigen Angaben zum Grenzverlauf enthalten.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 709 Satz 1, 708 Nr. 11 ZPO.

Die Revision wird nicht zugelassen, da die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht gegeben sind.

Ende der Entscheidung

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