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Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Beschluss verkündet am 21.02.2006
Aktenzeichen: 2 L 69/06
Rechtsgebiete: VermGeoG


Vorschriften:

VermGeoG § 16
Die im Rahmen der Grenzfeststellung erforderliche Wertung und Interpretation obliegt den Vermessungs- und Geoinformationsbehörden. Die Wertung und Interpretation sind vom Gericht lediglich daraufhin zu untersuchen, ob sie nicht nachvollziehbar, offensichtlich unrichtig, willkürlich oder sonst grob fehlerhaft erscheinen. Dies gilt umso mehr, als die Grenzfeststellung nicht eine objektiv bestehende Identität zwischen dem amtlichen Flurstücksabbild und dem reproduzierten Flurstücksurbild zum Gegenstand hat, sondern lediglich die (subjektive) behördliche Gewissheit hierüber.
OBERVERWALTUNGSGERICHT DES LANDES SACHSEN-ANHALT BESCHLUSS

Aktenz.: 2 L 69/06

Datum: 21.02.2006

Gründe:

Der Beschluss beruht auf § 124a Abs. 4-6 der Verwaltungsgerichtsordnung i. d. F. der Novellierung v. 20.12.2001 (BGBl I 3987) - VwGO -, diese in der jeweils gültigen Fassung, sowie auf § 154 Abs. 2 VwGO <Kosten> und auf §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes i. d. F. des Art. 1 des Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes v. 05.05.2004 (BGBl I 718) - GKG - <Streitwert>.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist nicht begründet.

Die allein geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) bestehen nicht. Das Verwaltungsgericht hat die Klage des Klägers zu Recht abgewiesen. Die in dem angefochtenen Bescheid vom 24.06.2003 getroffene Grenzfeststellung nebst Abmarkung ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Nach § 16 Abs. 1 VermKatG LSA (nunmehr § 16 Abs. 1 VermGeoG LSA) wird der örtliche Verlauf der im Liegenschaftskataster nachgewiesenen Flurstücksgrenzen auf Antrag oder von Amts wegen festgestellt (Grenzfeststellung). Sachlicher Inhalt der Feststellung ist allgemein die verbindliche Aussage einer befugten Vermessungsstelle über die Lage der nachgewiesenen Flurstücksgrenzen in der Örtlichkeit. Für den Normalfall der sog. Positiventscheidung ist es die verbindliche Erklärung der Übereinstimmung zwischen der örtlich ermittelten Grenze und ihrem Nachweis im Liegenschaftskataster. Durch die behördliche, förmliche Feststellung wird das Ergebnis der Grenzermittlung amtlich bestätigt und damit verbindlich. Sie drückt die behördliche Gewissheit der erklärten Identität zwischen dem amtlichen Flurstücksabbild (Liegenschaftskatasternachweis) und dem reproduzierten Flurstücksurbild (Örtlichkeit) aus (vgl. Kummer/Möllering, VermKatG LSA, 2. Aufl., § 16 RdNr. 5.1.5.1). Die als Grundlage der Feststellung erforderliche Grenzermittlung zerfällt systematisch in die drei Tätigkeiten der vermessungstechnischen Übertragung, des Vergleichs mit der Örtlichkeit und einer sachverständigen Wertung (vgl. Kummer/Möllering, VermKatG LSA, 2. Aufl., § 16 RdNr. 4.1.1). Die Tätigkeit der vergleichenden örtlichen Erhebung ist eine Plausibilitätsprüfung zwischen Soll- und Istlage der Flurstücksgrenze, wobei auftretende Abweichungen sachgemäß zu interpretieren sind (vgl. Kummer/Möllering, VermKatG LSA, 2. Aufl., § 16 RdNr. 4.1.4). Hierbei ist anerkannt, dass eine Positiventscheidung, d.h die Erklärung einer Übereinstimmung zwischen dem übertragenen und dem örtlichen Grenzverlauf, auch dann noch gerechtfertigt ist, wenn die erwähnten Abweichungen geringfügig sind, wobei sich die Vermessungsbehörden hinsichtlich der Frage der Geringfügigkeit an bestimmten, im Liegenschaftsvermessungserlass festgelegten Werten richten (vgl. Kummer/Möllering, VermKatG LSA, 2. Aufl., § 16 RdNr. 4.1.5).

Durch die Begriffe "sachverständige Wertung", sachgemäße Interpretation" und behördliche Einschätzung der "Geringfügigkeit" von Abweichungen kommt zum Ausdruck, dass die Feststellung der Übereinstimmung zwischen der örtlich ermittelten Grenze und ihrem Nachweis im Liegenschaftskataster sachgerecht nur von fachkundigen, entsprechend ausgebildeten Personen getroffen werden kann. Da die Vermessungs- und Geoinformationsbehörden über den entsprechenden Sachverstand verfügen und ihnen die Aufgabe der amtlichen Vermessung zugewiesen ist, obliegt ihnen auch die Wertung und Interpretation im Rahmen der Grenzfeststellung. Diese unterliegt zwar im Ergebnis der vollen gerichtlichen Kontrolle, die Wertung und Interpretation selbst sind aber vom Gericht lediglich daraufhin zu untersuchen, ob sie nicht nachvollziehbar, offensichtlich unrichtig, willkürlich oder sonst grob fehlerhaft erscheinen. Dies gilt umso mehr, als die Grenzfeststellung nicht eine objektiv bestehende Identität zwischen dem amtlichen Flurstücksabbild und dem reproduzierten Flurstücksurbild zum Gegenstand hat, sondern lediglich die (subjektive) behördliche Gewissheit hierüber (vgl. Kummer/Möllering, VermKatG LSA, 2. Aufl., § 16 RdNr. 5.1.5.1).

In Anwendung dieser Grundsätze lässt die von dem Beklagten getroffene Positiventscheidung hinsichtlich des streitgegenständlichen Grenzverlaufs keine Rechtsfehler erkennen. Aus der Grenzfeststellung selbst, der Begründung des angefochtenen Widerspruchsbescheides und dem erst- und zweitinstanzlichen Vortrag des Beklagten sowie den von ihm vorgelegten Unterlagen ist für den Senat hinreichend nachvollziehbar, dass die Übereinstimmungsfeststellung des Beklagten auf Zahlenwerten beruht, wie sie sich aus einer um 1900 erfolgten Liegenschaftsvermessung und den dazu erstellten Fortführungsrissen (Blatt 54.1 und 54.2) ergeben. Der Beklagte hat insoweit insbesondere nachvollziehbar erläutert, dass die Vermessungslinie, die die Grundlage für die Übertragung der streitgegenständlichen Grenzpunkte in die Örtlichkeit bildete, zutreffend festgelegt wurde, weil sie zentimetergenau mit den um 1900 ermittelten Maßen übereinstimmt. Ausgehend hiervon hat der Beklagte Vermessungszahlen von 6,33 m und 15,67 m ermittelt. Diese weichen zwar gegenüber den ursprünglichen Werten (6,40 m und 15,60 m) ab, den Grad dieser Abweichung hat der Beklagte aber als noch geringfügig eingestuft. Diese Einschätzung ist rechtlich nicht zu beanstanden. Sie ist nachvollziehbar und erscheint weder offensichtlich unrichtig, willkürlich noch sonst grob fehlerhaft. Insbesondere gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass die durch die Feststellung zum Ausdruck gebrachte behördliche Identitätsgewissheit - der eigentliche Gegenstand der Feststellung - in Wirklichkeit überhaupt nicht besteht, sondern dem Beklagten die Identität stattdessen selbst zweifelhaft erscheint.

Aus dem Antragsvorbringen des Klägers vermag der Senat keine Fehler in dem genannten Sinne zu erkennen. Insbesondere wird daraus in keiner Weise ersichtlich, dass der Beklagte die von ihm getroffene Feststellung selbst für zweifelhaft hält. Aber auch objektive Fehler der Grenzermittlung gehen aus der Antragsbegründung nicht hervor. Der insoweit in erster Linie berücksichtigungsfähige, innerhalb der Begründungsfrist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO eingegangene Schriftsatz vom 26. April 2004 begründet keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der behördlichen und damit der entsprechenden gerichtlichen Entscheidung. Er vermittelt eher den Eindruck, als nehme der Kläger selbst eine Wertung und Interpretation des vorliegenden Zahlenmaterials vor, eine Aufgabe, die jedoch - wie dargelegt - ausschließlich der entsprechenden Fachbehörde zukommt. So stellt etwa der Einwand, ein in der Fluchtlinie einer Hauswand dargestellter Grenzstein sei tatsächlich "10 cm weit hinter der Fluchtlinie der Hauswand eingerückt", eine eigene Interpretation der Örtlichkeit und des vorhandenen Kartenmaterials dar, die die Richtigkeit der in sich schlüssig dargestellten Behördenentscheidung nicht in Frage zu stellen vermag, zumal es sich insoweit um eine Abweichung handelt, die zwar in ihrer Auswirkung möglicherweise erheblich, für sich betrachtet aber geringfügig erscheint. Gleiches gilt für den Einwand, der Beklagte habe die Grenzlänge mit 9,2 m statt mit 15,06 m ausgelesen. Maßgeblich sind insoweit stattdessen entsprechende Grenzpunkte, denen nach der überzeugenden und nachvollziehbaren Darstellung des Beklagten (insbesondere in seinem Schriftsatz vom 02.03.2005) Zahlenwerte von (nunmehr) 6,33 und 15,67 bzw. (vormals) 6,40 und 15,60 zugeordnet wurden. Zweifel an der Richtigkeit dieser Darstellung werden auch nicht aufgrund des von dem Kläger nochmals in seinem Schriftsatz vom 03.02.2006 vorgebrachten Hinweises auf eine Abweichung von 0,36 m begründet. Insgesamt lassen die ins Detail gehenden, selbst wertenden und interpretierenden Ausführungen des Klägers zur Berechnung bestimmter Maße schon deshalb keinen Zweifel an der Richtigkeit der getroffenen Entscheidung aufkommen, weil sie inhaltlich nicht überzeugen und überwiegend eher den Eindruck eines engagierten Laienvortrags als einer fachkundigen Stellungnahme vermitteln.

Ende der Entscheidung

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