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Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Beschluss verkündet am 17.05.2005
Aktenzeichen: 2 L 785/03
Rechtsgebiete: LSA-SOG


Vorschriften:

LSA-SOG § 55 I 1
1. Bei der Ersatzvornahme hat der Ordnungspflichtige grundsätzlich den Betrag zu erstatten, den die zur Durchführung der Ersatzvornahme beauftragte, ordnungsgemäß ausgewählte Firma der Vollstreckungsbehörde in Rechnung gestellt hat.

2. Der Vollstreckungsbehörde gegenüber kann der Ordnungspflichtige regelmäßig nicht einwenden, die Arbeiten seien mangelhaft ausgeführt worden, es sei denn die Ersatzvornahme sei ungeeignet gewesen oder habe Schäden am Eigentum verursacht.


OBERVERWALTUNGSGERICHT DES LANDES SACHSEN-ANHALT BESCHLUSS

Aktenz.: 2 L 785/03

Datum: 17.05.2005

Gründe:

Der Beschluss beruht auf § 124a Abs. 4-6 der Verwaltungsgerichtsordnung i. d. F. d. Bek. v. 19.03.1991 (BGBl I 686) - VwGO -, in der Fassung des Gesetzes vom 20.12.2001 (BGBl I 3987) - VwGO 02 -, sowie auf § 154 Abs. 2 VwGO <Kosten> und auf § 13 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes i. d. F. d. Bek. v. 15.12.1975 (BGBl I 3047) - GKG -, zuletzt geändert durch Gesetz vom 14.03.2003 (BGBl I 345 [349]), <Streitwert>.

Die Klägerin wendet sich gegen einen Bescheid, mit dem die Beklagte Kosten für Gebäudesicherungsmaßnahmen fordert.

Sie ist Eigentümern des Grundstücks ... in Zeitz. Am 13.10.1999 stellte die Beklagte im Rahmen einer Ortsbesichtigung fest, dass sich das Gebäude, insbesondere im Dachbereich nach einem Dachstuhlbrand im Jahre 1993 in einem schlechten baulichen Zustand befand. Auf ein entsprechendes Schreiben der Beklagten vom 04.11.1999, wonach die Klägerin verpflichtet sei, das Gebäude so instand zu halten, dass die öffentliche Sicherheit nicht gefährdet werde und eine Sicherungsanordnung gegen sie erlassen werden könne, erwiderte die Klägerin, sie sei aufgrund ihrer finanziellen Lage außer Stande, die geforderten Maßnahmen durchzuführen. In einem von der Beklagten in Auftrag gegebenen baufachlichen Gutachten vom 26.06.2000 kam ...[dieses]... zu dem Ergebnis, dass das Gebäude aus unterschiedlichen Gründen erhebliche bautechnische Mängel aufweise; insbesondere seien der obere freistehende Giebelwandbereich, die Wandausfachungen der Gauben und die nicht ausgesteiften Dachsparren in ihrer Standsicherheit gefährdet und würden im Falle des Versagens die unmittelbare Nachbarbebauung oder die öffentliche Verkehrsfläche in Gefahr bringen. Aus diesem Grund seien ohne Verzug Absperrmaßnahmen und ein Abtragen zumindest der genannten Bereiche erforderlich. Die verbleibenden Gebäudeteile seien entsprechend zu sichern, wozu insbesondere die Notabdeckung des Gebäudes gehöre. Die Kosten beliefen sich nach dem erstatteten Kostengutachten vom 06.07.2000 auf 40.000,- DM (einschließlich einer Notabdeckung in Höhe von 9.900,- DM). Mit Bescheid vom 11.07.2000 gab die Beklagte der Klägerin auf, den gesamten Dachstuhl einschließlich der Giebelwände, Dachgauben und der Decke über dem 3. Obergeschoss abzubrechen, die fehlende Aussteifung des verbliebenen Mauerwerks durch geeignete Maßnahmen so wieder herzustellen, dass eine Einsturzgefahr des Gesamtgebäudes nicht mehr bestehe, alle einsturzgefährdeten Bauteile und losen Putzteile am Gebäude zu entfernen sowie die Zugänge zum Gebäude durch einen Bauzaun oder andere Absperrungen gegen den Zugang von Unbefugten so zu verschließen, dass keine Gefahr für Passanten und Fahrzeuge mehr bestehe. Für den Fall, dass die Klägerin den angeordneten Maßnahmen nicht in der gesetzten Frist nachkomme, wurde ihr die Ersatzvornahme angedroht und deren Kosten mit 25.000,- DM vorläufig veranschlagt. Dieser Bescheid wurde bestandskräftig. Mit Schreiben vom 16.07.2000 teilte die Klägerin der Beklagten lediglich erneut mit, dass sie aus wirtschaftlichen Gründen nicht in der Lage sei, die angeordneten Maßnahmen durchzuführen Am 28.11.2000 ersuchte die Klägerin die Feuerwehr der Beklagten um die Erstellung eines Kostenvoranschlags für durchzuführende Sicherungsmaßnahmen an Dachgauben "unter Beibehaltung der Holzbalkenkonstruktion". Darauf unterbreitete die Feuerwehr ihr für den Einsatz einer Drehleiter, eines Einsatzleiters, eines Maschinisten sowie zweier Einsatzkräfte für die Arbeitszeit von zwei Stunden ein Kostenangebot 980,- DM. Im Dezember 2000 ließ die Klägerin einige Maßnahmen auf dem in Rede stehenden Grundstück durchführen, insbesondere ließ sie den rückwärtigen Eingang durch Bretter verschalen. Mit Schreiben vom 06.12.2000 teilte die Feuerwehr der Klägerin mit, dass nach nochmaliger Besichtigung des Gebäudes die von ihr in Auftrag gegebenen Bauarbeiten nicht die Gefahr abwenden könnten, die vom gesamten Dachstuhl ausgingen. Am 23.11.2000 beauftragte die Beklagte die ...-GmbH, die nach entsprechender Ausschreibung ein Kostenangebot in Höhe von 28.953,60 DM abgegeben hatte, mit dem Abbruch des Dachgeschosses. Die Arbeiten führte die Abbruchfirma in der Zeit von Dezember 2000 bis Januar 2001 aus. Mit Kostenbescheid vom 23.01.2001 forderte die Beklagte von der Klägerin für die im Wege der Ersatzvornahme durchgeführten Sicherungsmaßnahmen einen Betrag von 27.787,43 DM. Für noch durchzuführende Restarbeiten in Höhe von etwa 1.000,- DM sollte noch ein gesonderter Kostenbescheid ergehen. Dagegen betrieb die Klägerin erfolglos das Widerspruchsverfahren und erhob beim Verwaltungsgericht Halle rechtzeitig Klage mit folgender Begründung: Das Gutachten sei ihr zu spät bekannt gegeben worden, und die Beklagte habe den mit dem Gutachter durchgeführten Ortstermin nicht mit ihr abgesprochen. Zudem seien die Baumaßnahmen nicht so erfolgt, wie in dem Gutachten vom 26.06.2000 ausgeführt, insbesondere sei die erforderliche Notabdeckung nicht angebracht worden.

Mit Urteil vom 07.11.2003 wies das Verwaltungsgericht Halle die Klage im wesentlichen mit folgender Begründung ab: Die fehlende Anhörung sei gemäß § 45 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG LSA geheilt. Der angefochtene Bescheid sei gestützt auf § 55 Abs. 1 S. 1 SOG LSA auch materiell rechtmäßig. Der geltend gemachte Erstattungsanspruch sei der Höhe nach nicht zu beanstanden. Der Ordnungspflichtige müsse grundsätzlich denjenigen Betrag erstatten, den das zur Durchführung der Ersatzvornahme beauftragte und ordnungsgemäß ausgewählte, qualifizierte Unternehmen der Behörde in Rechnung stelle. Die dem beauftragten Unternehmen entstandenen Kosten seien verhältnismäßig und auch sachlich angemessen. Die im Wege der Ersatzvornahme durchgeführten Arbeiten seien auch notwendig gewesen, um die vom Gebäude der Klägerin ausgehenden Gefahren zu beseitigen. Die von der Beklagten erstellte Gefahrenprognose habe sich auf die gutachtliche Feststellung ... gestützt, wonach die Standsicherheit jedenfalls des Dachgeschosses nicht mehr gegeben sei. Unschädlich sei es auch, dass die Beklagte nicht sämtliche in der Sicherungsverfügung vom 11.07.2000 aufgegebenen Baumaßnahmen im Wege der Ersatzvornahme habe durchführen lassen; dies habe sie nach pflichtgemäßen Ermessen entscheiden können. Die durchgeführten Maßnahmen seien auch nicht deshalb unverhältnismäßig, weil die Beklagte - wie es für die verbleibende Substanz sinnvoll gewesen wäre - eine Grundabdeckung ihrerseits nicht veranlasst habe. Durch den Abbruch des Dachstuhls sei das Gebäude nicht weiter den Witterungseinflüssen preisgegeben worden, als es ohnehin schon nach dem Brand Anfang der 90-er Jahre der Fall gewesen sei. Die Klägerin könne sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass die Beklagte weder den Ortstermin mit dem Sachverständigen ... noch die Durchführung der Ausschreibung mit ihr abgesprochen habe. Die Bauaufsichtsbehörden seien nicht verpflichtet, die Art und Weise der Durchführung der Ersatzvornahme mit dem Pflichtigen abzustimmen.

Dagegen hat die Klägerin rechtzeitig den Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt.

Der Antrag ist zulässig, aber unbegründet.

Der allein auf § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.

Aus den im Zulassungsantrag dargelegten und somit allein maßgeblichen Gründen ergeben sich bei Beachtung der verfassungsrechtlichen Anforderungen an das Darlegungsgebot (vgl. BVerfG, Beschl. v. 23.06.2000 - 1 BvR 830/00 -, VBlBW 2000, 392) keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Urteils, mit dem das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen hat.

Gegenstand des Verfahrens ist allein der strittige Kostenerstattungsbescheid vom 23.01.2001, nicht hingegen die Grundverfügung vom 11.07.2000 oder die Durchführung der Ersatzvornahme. Unabhängig von der Frage, ob vor dem Erlass des Kostenerstattungsbescheids überhaupt eine Anhörung notwendig war oder nicht, ist ein etwaiger Anhörungsmangel jedenfalls gemäß § 45 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG durch Nachholung der Anhörung im Widerspruchsverfahren geheilt.

Soweit die Klägerin mit ihrer Zulassungsschrift materielle Einwendungen gegen den Kostenerstattungsbescheid erhebt, führt dies ebenfalls nicht zur Zulassung der Berufung.

Zu Recht ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass die Beklagte die Klägerin durch den Leistungsbescheid zur Erstattung des gesamten Betrags herangezogen hat, den sie im Rahmen der Durchführung der Ersatzvornahme an den beauftragten Unternehmer zu entrichten hatte.

Der Ordnungspflichtige muss grundsätzlich denjenigen Betrag erstatten, den die zur Durchführung der Ersatzvornahme beauftragte, ordnungsgemäß ausgewählte Firma der Vollstreckungsbehörde in Rechnung gestellt hat, sofern dabei keine groben Fehlgriffe in der Preiskalkulation erkennbar oder überflüssige Maßnahmen durchgeführt worden sind. Der bloße Hinweis darauf, dass die Arbeiten insgesamt oder zum Teil mit geringerem Kostenaufwand hätten durchgeführt werden können, ist dem Pflichtigen verwehrt (so auch OVG Berlin, Urt. v. 25.08.1989 - 2 B 4.88 -, BRS 49, Nr. 235). Der Behörde steht bei der Beurteilung dessen, was erforderlich ist, ein weiter Ermessensspielraum zu. All dies hat das Verwaltungsgericht beanstandungsfrei in seinem Urteil berücksichtigt.

Die Klägerin kann nicht mit der Behauptung gehört werden, die Arbeiten seien unsachgemäß durchgeführt worden. Dem Pflichtigen ist es verwehrt, Rechte geltend zu machen, die der Behörde als Vertragspartner eines privaten Unternehmers zustehen mögen. Der Pflichtige hat gegenüber der Behörde keinen Anspruch darauf, dass diese die Ersatzvornahme mangelfrei vornehme. Einen Einwand der Schlechterfüllung oder der Mängelrüge gibt es im Recht der Verwaltungsvollstreckung nicht. Dieser Grundsatz erleidet nur dann Durchbrechungen, wenn die Ersatzvornahme mangels Ungeeignetheit der angewandten Mittel nicht zum Erfolg der Gefahrenbeseitigung führt oder Schäden am Eigentum des Pflichtigen verursacht (so auch OVG Berlin, Urt. v. 30.01.1981 - 2 B 75.78 -, BRS 38, Nr. 210). Es spricht nichts dafür, dass im vorliegenden Fall eine derartige Ausnahme gegeben ist.

Mit den durchgeführten Maßnahmen ist den Anforderungen der Gefahrenabwehr Genüge getan. Eine Notabdeckung des Gebäudes - wie im Gutachten ... vorgeschlagen - mag wirtschaftlich sinnvoll sein, sie ist indes zur Gefahrenabwehr nicht zwingend erforderlich und obliegt dem Pflichtigen als Grundstückseigentümer; die Ersatzvornahme ist eine Zwangsmaßnahme gegen den Betroffenen im alleinigen öffentlichen Interesse.

Die Klägerin verkennt bei ihrer Argumentation hinsichtlich ihrer "notwendigen Beteiligung" an der Durchführung der Ersatzvornahme im Übrigen auch, dass sie in erster Linie selbst verpflichtet war, der Sicherungsverfügung vom 11.07.2000 nachzukommen. Die Ersatzvornahme durch die Beklagte ist insoweit als Maßnahme der Verwaltungsvollstreckung lediglich die "ultima ratio" der Gefahrenabwehr. Der Klägerin hätte es jederzeit freigestanden, die Verfügung vom 11.07.2000 selbst mit eigenen Mitteln zu erfüllen, um ein für sie wirtschaftlich günstigeres Ergebnis zu erreichen.

Ende der Entscheidung

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