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Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Beschluss verkündet am 16.09.2003
Aktenzeichen: 2 M 157/03
Rechtsgebiete: LSA-Verf, GG


Vorschriften:

LSA-Verf § 10 III 1
GG Art. 3
GG Art. 5 III
GG Art. 12 I
1. Professoren haben keinen Rechtsanspruch darauf, bestimmte Lehrveranstaltungen durch Aushang am Schwarzen Brett bekannt zu geben oder in das Vorlesungsverzeichnis aufgenommene Veranstaltungen mit von ihnen gewählten Kommentaren zu versehen.

2. Die Lehr- und Wissenschaftsfreiheit umfasst nicht die Festlegung von verfahrensmäßigen Vor-aussetzungen für den Erwerb von Leistungsnachweisen.


OBERVERWALTUNGSGERICHT DES LANDES SACHSEN-ANHALT BESCHLUSS

Aktenz.: 2 M 157/03

Datum: 16.09.2003

Gründe:

Der Beschluss beruht auf § 146 Abs. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung i. d. F. d. Bek. v. 19.03.1991 (BGBl I 686) - VwGO -, in der Fassung des Gesetzes vom 20.12.2001 (BGBl I 3987) - VwGO 02 -, sowie auf § 154 Abs. 2 VwGO <Kosten> und auf §§ 13 Abs. 1 Satz 1; 20 Abs. 3 des Gerichtskostengesetzes i. d. F. d. Bek. v. 15.12.1975 (BGBl I 3047) - GKG -, zuletzt geändert durch Gesetz vom 14.03.2003 (BGBl I 345 [349]) <Streitwert>.

Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

Zu Recht hat das Verwaltungsgericht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt.

Die Antragstellerin hat keinen Anspruch, den von ihr verfassten Text zur Ankündigung ihrer Vorlesungen bezüglich des von ihr vertretenen Fachgebiets für das Sommersemester 2003 durch Aushang an allen schwarzen Brettern des Fachbereichs Sprach- und Literaturwissenschaften sowie durch kostenlosen Nachdruck zum kommentierten Vorlesungsverzeichnis des Instituts für Anglistik und Amerikanistik für das Sommersemester 2003 oder in sonstiger geeigneter Form zu veröffentlichen.

Ein solcher Anspruch folgt nicht aus Art. 10 Abs. 3 S. 1 der Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt - LVerf-LSA - vom 16.07.1992 (LSA-GVBl., S. 600). Danach sind Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre frei. Dieses insoweit mit Art. 5 Abs. 3 GG wortgleiche Grundrecht steht als Abwehrrecht jedem zu, der wissenschaftlich tätig ist (BVerfG, Urt. v. 29.05.1973 - 1 BvR 424/71 und 325/72 -, BVerfGE 35, 79 [125, 127]). Gewährleistet wird dadurch ein von staatlicher Fremdbestimmung freier Bereich persönlicher und autonomer Verantwortlichkeit des einzelnen Wissenschaftlers und ein Schutz vor staatlichen Einwirkungen auf den Prozess der Vermittlung wissenschaftlicher Erkenntnisse (BVerfG, Urt. v. 29.05.1973, a. a. O., S. 112, 113). Voraussetzung ist nur, dass es sich dabei um Wissenschaft handelt; darunter fällt alles, was nach Inhalt und Form als ernsthafter Versuch zur Ermittlung von Wahrheit anzusehen ist (BVerfG, Urt. v. 29.05.1973, a. a. O., S. 113). Lehre wird als wissenschaftlich fundierte Übermittlung der durch Forschung gewonnenen Erkenntnisse definiert (BVerfG, Urt. v. 29.05.1973, a .a. O., S. 113).

Aber auch der Hochschullehrer ist in die Institution der Universität eingebunden und muss sich, bedingt durch das Zusammenwirken mit den anderen Grundrechtsträgern und mit Rücksicht auf den Ausbildungszweck der Universität Einschränkungen gefallen lassen (BVerfG, Beschl. v. 07.10.1977 - 1 BvR 1289/78 -, BVerfGE 55, 37 [68]). In diesem Verhältnis muss die akademische Lehre in das als staatliche Aufgabe vorzuhaltende Hochschulausbildungsangebot eingepasst sein. Das Bundesverfassungsgericht sieht als wesentlichen Inhalt der Lehrfreiheit die Abhaltung von Lehrveranstaltungen, deren inhaltliche und methodische Gestaltung, sowie das Recht auf Äußerung von wissenschaftlichen Lehrmeinungen an (BVerfG Urt. v. 29.05.1973, a. a. O., S. 113). Dies beinhaltet die freie Wahl von Gegenstand, Form (z. B. Vorlesung oder Übung), Methode (Stoffauswahl und Aufbau) Inhalt, Zeit und Ort der Lehre. Dieser eigentliche Bereich der Lehre ist durch Fremdbestimmung frei zu halten (Denninger, in: Alternativ-Kommentar zum Grundgesetz, Art. 5 RdNr. 33).

Die Festlegung von verfahrensmäßigen Voraussetzungen für den Erwerb von Leistungsnachweisen hingegen ist der Regelung von staatlichen Studienordnungen vorbehalten, um den Studienerfolg der Studierenden und deren Grundrechte u. a. auch aus Art. 12 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG angemessen zur Geltung zu bringen. Ein Eingriff in die Lehrfreiheit liegt dabei nicht vor; denn über Inhalt und Methode seiner Lehrveranstaltungen kann der Hochschullehrer weiterhin selbst entscheiden (Denninger, a. a. O.). Die Bezeichnung einer Vorlesung und ihre Kennzeichnung im Vorlesungsverzeichnis betrifft daher nicht den internen Wissenschaftsbetrieb an der Hochschule, sondern steht in näherem Zusammenhang mit dem staatlichen Prüfungswesen. Aufgabe des Staates ist es hingegen, mittels der Prüfungsvorschriften die Voraussetzungen festzulegen, die an eine Qualifikation für bestimmte Berufe gestellt werden (BVerwG, Urt. v. 29.01.1965 - BVerwG VII C 147.63 -, BVerwGE 20, 235 [237]). Kommentierte Vorlesungsverzeichnisse sind daher Verlautbarungen der Universität und nicht dazu bestimmt, Lehrmeinungen der an der Universität tätigen Lehrpersonen zu publizieren. Die Hochschullehrer haben daher einen Anspruch auf Aufnahme von ihnen entworfener Erläuterungen oder Kommentare zu den Lehrveranstaltungen nur nach Maßgabe des für eine Beteiligung der Hochschullehrer von der Universität entwickelten Verfahrens (so auch OVG Berlin, Urt. v. 25 10.1979 - III B 6.78 -, nach juris). Nur ein solcher Beteiligungsanspruch im Verfahren lässt sich aus Art. 10 Abs. 3 LVerf-LSA für den Hochschullehrer (ebenso wie aus Art. 5 Abs. 3 GG) herleiten.

Soweit die Antragstellerin geltend macht, bei dem von der Antragsgegnerin gewählten Verfahren nicht ordnungsgemäß beteiligt worden zu sein, führt dies nicht zum Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung. Sie hat nämlich nicht darzulegen vermocht, dass sie bei einer ihrer Auffassung nach ordnungsgemäßen Beteiligung einen Anspruch gerade auf die Aufnahme der von ihr gewünschten Zusätze in das kommentierte Vorlesungsverzeichnis des Instituts für Anglistik und Amerikanistik erlangt hätte.

Im Übrigen hätte die Antragstellerin ihre ordnungsgemäße Beteiligung im Rahmen des Beteiligungsverfahrens ggfs. durch Beschreiten des Rechtswegs rechtzeitig vor der Drucklegung des Vorlesungsverzeichnisses durchsetzen können und müssen; schließlich fühlte sie sich bereits seit Januar des Jahres 2003 nicht ordnungsgemäß an der Erstellung des Vorlesungsverzeichnisses beteiligt.

Ende der Entscheidung

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