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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Beschluss verkündet am 30.07.2007
Aktenzeichen: 2 M 189/07
Rechtsgebiete: VwGO


Vorschriften:

VwGO § 44a
Die behördliche Weigerung, Akten im laufenden Verwaltungsverfahren in die Kanzlei der Prozessbevollmächtigten des Antragstellers zu übersenden, ist eine nicht selbständig anfechtbare Verfahrenshandlung im Sinne des § 44a VwGO (so auch BVerwG, Urteil v. 27.05.1981 - 8 C 13/80 - Buchholz 310 § 44a VwGO Nr. 2).
Gründe:

I.

Mit Datum vom 14.12.2006 beantragten die Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin bei der Antragsgegnerin, ihnen im Rahmen eines laufenden ausländerrechtlichen Verwaltungsverfahrens Akteneinsicht durch Übersendung der Akten in ihre Kanzlei zu gewähren. Nachdem die Antragsgegnerin dies abgelehnt hatte, hat die Antragstellerin beim Verwaltungsgericht Halle um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht und zunächst beantragt, die Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die beantragte Akteneinsicht durch Übersendung der Verwaltungsvorgänge in die Kanzlei ihrer Prozessbevollmächtigten zu gewähren. Während des gerichtlichen Verfahrens hat das Verwaltungsgericht die Verwaltungsvorgänge der Antragsgegnerin beigezogen und sie den Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin zum Zwecke der Akteneinsicht in ihre Kanzlei übersandt. Nach erfolgter Einsichtnahme haben die Prozessbevollmächtigten die Akten zurückgesandt und den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt. Die Antragsgegnerin hat sich dieser Erledigungserklärung jedoch nicht angeschlossen, sondern hat ihr mit Schriftsatz vom 27.02.2007 ausdrücklich "widersprochen". Zur Begründung hat sie u. a. ausgeführt, der ursprüngliche Rechtsschutzantrag der Antragstellerin sei gemäß § 44a VwGO unzulässig gewesen. Die Antragstellerin hat daraufhin mit Schriftsatz vom 20.03.2007 in Abänderung ihres ursprünglichen Antrags die Feststellung beantragt, dass der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist, hilfsweise entsprechend dem ursprünglichen Antragsbegehren vom 19.01.2007 zu entscheiden.

Mit Beschluss vom 15.06.2007 hat das Verwaltungsgericht dem Hauptantrag stattgegeben. Am 22.06.2007 hat die Antragsgegnerin hiergegen Beschwerde erhoben und den Rechtsbehelf am 09.07.2007 begründet.

II.

Die gemäß § 146 Abs. 4 VwGO zulässige Beschwerde ist begründet.

Das Verwaltungsgericht hätte dem Feststellungsantrag der Antragstellerin nicht stattgeben dürfen, weil der Feststellung die mangelnde Zulässigkeit des ursprünglichen Antrags entgegensteht.

Dem Verwaltungsgericht ist zwar darin beizupflichten, dass der Feststellungsantrag anstelle des ursprünglichen Antrags rechtshängig geworden und auch als solcher zulässig ist. Die Antragstellerin hat, indem sie den Rechtsstreit in der Hauptsache einseitig für erledigt erklärt hat, von ihrem bisherigen Rechtsschutzbegehren Abstand genommen und begehrt statt dessen (mit dem Hauptantrag) die prozessuale Feststellung, dass sich der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt hat. Dieser Erledigungsfeststellungsantrag ist allein aufgrund der einseitigen Erledigungserklärung der dispositionsbefugten Antragstellerin anstelle des ursprünglichen Antrags rechtshängig geworden und auch im Übrigen zulässig (vgl. BVerwG, Urt. v. 25.04.1989 - 9 C 61/88 - BVerwGE 82, 41).

Entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts ist der Erledigungsfeststellungsantrag aber nicht begründet. Hinsichtlich der Begründetheit des Erledigungsfeststellungsantrags folgt der Senat - wie im Übrigen auch das Verwaltungsgericht - der vom Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 25.04.1989 (Az.: 9 C 61/88 - a.a.O.) vertretenen Auffassung, wonach die mangelnde Zulässigkeit der Klage (hier: des Eilantrags) das Gericht hindert, die Erledigung der Hauptsache auszusprechen (sog. vermittelnder Erledigungsbegriff, vgl. hierzu Kopp/Schenke, VwGO, 14. Aufl., § 161 RdNr. 23 mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen). Ein solcher (Hinderungs-)Fall liegt hier vor.

Der ursprüngliche Anordnungsantrag der Antragstellerin ist - worauf die Antragsgegnerin bereits im erstinstanzlichen Verfahren zu Recht hingewiesen hat - gemäß § 44a VwGO unzulässig gewesen. Nach dieser Vorschrift können Rechtsbehelfe gegen behördliche Verfahrenshandlungen - abgesehen von hier nicht vorliegenden Ausnahmefällen (vgl. § 44a Satz 2 VwGO) - nur gleichzeitig mit den gegen die Sachentscheidung zulässigen Rechtsbehelfen geltend gemacht werden. Durch diese Regelung, die eine eigenständige (negative) Zulässigkeitsvoraussetzung für verwaltungsgerichtliche Rechtsbehelfe darstellt, soll im Interesse der Verfahrensökonomie verhindert werden, dass der Abschluss von noch bei den Behörden anhängigen Verwaltungsverfahren durch Rechtsbehelfe verzögert und erschwert wird und die Gerichte mit Streitfällen befasst werden, obwohl das Verfahren noch gar nicht abgeschlossen ist und noch offen ist, ob die Betroffenen überhaupt durch das Ergebnis des Verfahrens in der Sache beschwert bzw. in ihren Rechten betroffen werden (vgl Kopp/Schenke, VwGO, 14. Aufl., § 44a RdNr. 1).

Zu den nach § 44a VwGO nicht selbständig anfechtbaren Verfahrenshandlungen zählt auch die behördliche Entscheidung über Einsicht in die Akten eines Verwaltungsverfahrens jedenfalls dann, wenn ein Beteiligter die Einsicht innerhalb des laufenden Verwaltungsverfahrens und für dieses begehrt (vgl. BVerwG, Urt. v. 12.04.1978 - VIII C 7.77 - Buchholz 310 § 44a VwGO Nr. 1). Gleiches gilt für Entscheidungen über die Art und Weise der Akteneinsichtsgewährung wie etwa die Fragen, ob im Rahmen der Akteneinsicht Abschriften (Fotokopien) erteilt werden (vgl. Bay VGH, Beschl. v. 18.05.1995 - 7 CE 95.1069 - BayVBl. 1995, 631) oder dem Kläger Akteneinsicht durch Übersendung der ihn betreffenden Behördenakten in die Kanzlei seiner Prozessbevollmächtigten zu gewähren ist (vgl. BVerwG, Urteil v. 27.05.1981 - 8 C 13/80 - Buchholz 310 § 44a VwGO Nr. 2).

Als Rechtsbehelf im Sinne des § 44a VwGO ist auch der Antrag nach § 123 Abs. 1 VwGO zu verstehen, weil dem Antragsteller im Wege der einstweiligen Anordnung nicht etwas gewährt werden könnte, was er im Klageweg nicht erreichen kann (vgl. Bay VGH, Beschl. v. 18.05.1995 - 7 CE 95.1069 - BayVBl. 1995, 631).

In Anwendung dieser Grundsätze ist der ursprüngliche Anordnungsantrag unzulässig gewesen, weil die Antragstellerin mit diesem im laufenden Verwaltungsverfahren gesondert gegen die Entscheidung der Antragsgegnerin vorgehen wollte, ihr die beantragte Akteneinsicht durch Übersendung der Verwaltungsvorgänge in die Kanzlei ihrer Prozessbevollmächtigten zu versagen. Aus der Unzulässigkeit des ursprünglichen Anordnungsantrags folgt - wie dargelegt - die Unbegründetheit des noch anhängigen Erledigungsfeststellungsantrags.

Der mit Schriftsatz vom 20.03.2007 gestellte Hilfsantrag, über den aufgrund der Erfolglosigkeit des Hauptantrags zu entscheiden ist, bleibt nach alledem ebenfalls ohne Erfolg. Mit diesem Antrag begehrt die Antragstellerin, hilfsweise entsprechend dem ursprünglichen Antragsbegehren vom 19.01.2007 zu entscheiden. Dieser ursprüngliche Antrag ist jedoch - wie dargelegt - nicht zulässig.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO und die Streitwertfestsetzung aus §§ 47, 52 Abs. 1 und 2, 53 Abs. 3 Nr. 1 GKG.

Ende der Entscheidung

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