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Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Beschluss verkündet am 08.02.2006
Aktenzeichen: 2 M 211/05
Rechtsgebiete: LSA-SOG


Vorschriften:

LSA-SOG § 56
LSA-SOG § 53
1. Die für vertragliche Beziehungen (zwischen Kaufleuten) entwickelten Grundsätze des kaufmännischen Bestätigungsschreibens finden im öffentlich-rechtlichen Subordinationsverhältnis keine Anwendung. Das bloße Schweigen der Behörde stellt grundsätzlich keine Willenserklärung der Behörde und damit keinen Verwaltungsakt dar.

2. Zwar steht die Entscheidung über die Festsetzung eines Zwangsgelds grundsätzlich im Ermessen der Behörde. Wie die Baueinstellungsverfügung selbst stellt aber die sich bei einem Verstoß hiergegen anschließende Zwangsgeldfestsetzung eine intendierte Ermessensentscheidung dar. Es müssen daher besondere Gründe vorliegen, um eine gegenteilige Entscheidung zu rechtfertigen. Liegt ein vom Regelfall abweichender Sachverhalt nicht vor, bedarf es insoweit auch keiner Begründung.

3. Ob den Pflichtigen ein Verschulden am Verstoß gegen die Baueinstellungsverfügung trifft, ist für die Rechtmäßigkeit der Zwangsgeldfestsetzung ohne Bedeutung. Eine Zwangsgeldfestsetzung hat keinen Strafcharakter; sie stellt ausschließlich ein Beugemittel dar, mit dem der Pflichtige zu der auferlegten Handlung, Duldung oder Unterlassung veranlasst werden soll.

4. Bei der Festsetzung des in bestimmter Höhe angedrohten Zwangesgelds ist hinsichtlich der Höhe des Zwangsgelds im Regelfall keine (erneute) Ermessensausübung geboten (vgl. ThürOVG, Beschl. v. 22.04.2002 - 1 EO 184/02 -, NVwZ-RR 2002, 808).


OBERVERWALTUNGSGERICHT DES LANDES SACHSEN-ANHALT BESCHLUSS

Aktenz.: 2 M 211/05

Datum: 08.02.2006

Gründe:

Der Beschluss beruht auf § 146 Abs. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung i. d. F. der Novellierung v. 20.12.2001 (BGBl I 3987) - VwGO -, diese in der jeweils gültigen Fassung, sowie auf § 154 Abs. 2 VwGO <Kosten> und auf § 47; 52 Abs. 1; 53 Abs. 3 Nr. 2 des Gerichtskostengesetzes i. d. F. des Art. 1 des Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes v. 05.05.2004 (BGBl I 718) - GKG - i. V. m. Abschnitt Nr. 1.6.1 und Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung vom Juli 2004 (NVwZ 2004, 1327) <Streitwert>.

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die vorgebrachten Gründe, auf deren Prüfung der Senat beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigen nicht die Abänderung der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung. Auch der Senat kommt nach der im vorläufigen Rechtsschutz nur möglichen summarischen Prüfung zu dem Ergebnis, dass der Widerspruch der Antragstellerin gegen die angefochtene Zwangsgeldfestsetzung vom 14.07.2005 voraussichtlich keinen Erfolg haben wird.

Ohne Erfolg rügt die Antragstellerin zunächst, das Verwaltungsgericht habe in seiner ablehnenden Entscheidung hinsichtlich der Vollstreckbarkeit des Zwangsgelds nicht auf seinen Beschluss vom selben Tage im "Parallelverfahren" - gemeint ist das die Baueinstellungsverfügung mit Zwangsgeldandrohung betreffende Verfahren (2 B 39/05 HAL) - stützen dürfen, weil dieser Beschluss zum Entscheidungszeitpunkt mangels Zustellung noch nicht "in der Welt gewesen sei". Gemäß § 71 VwVG LSA i. V. m. § 53 Abs. 1 SOG LSA kann der sicherheitsbehördliche Verwaltungsakt, der auf die Vornahme einer Unterlassung gerichtet ist, mit Zwangsmitteln durchgesetzt werden, wenn ein Rechtsbehelf keine aufschiebende Wirkung hat. Zum Zeitpunkt des Erlasses des Bescheids über die Zwangsgeldfestsetzung vom 14.07.2005 war diese Voraussetzung erfüllt, da die Antragsgegnerin die sofortige Vollziehung der Baueinstellungsverfügung angeordnet hatte. Die Stellung eines Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO bei Gericht hat noch nicht den Eintritt der aufschiebenden Wirkung zur Folge. Dem entsprechend bewirkt die Ablehnung eines solchen Antrags auch keine Änderung dieser Situation; vielmehr ist die Vollziehbarkeit der Grundverfügung wie schon zuvor gegeben.

Auch der Einwand der Antragstellerin, das Verwaltungsgericht habe bei seiner Entscheidung wesentlichen Tatsachenvortrag außer Acht gelassen und so ihren Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt, greift nicht. Das Vorliegen eines Verfahrensfehlers allein würde der Beschwerde selbst dann nicht zum Erfolg verhelfen, wenn die angegriffene Entscheidung tatsächlich darauf beruhte. Hierauf wäre es nur nach dem bis zum 31.12.2001 geltenden Prozessrecht angekommen. Danach hatte das Rechtsmittelgericht zunächst über die Zulassung der Beschwerde zu befinden. Die Beschwerde war unter anderem zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wurde und vorlag, auf dem die erstinstanzliche Entscheidung beruhen konnte (vgl. § 146 Abs. 4 VwGO i. d. F. d. Bek. v. 19.03.1991 [BGBl I 686] - VwGO 97 -, geändert durch Gesetz vom 01.11.1996 [BGBl I 1626] und zuletzt geändert durch Gesetz vom 13.07.2001 [BGBl I 1543]). Im Fall der Zulassung war die Beschwerde jedoch schon nach altem Prozessrecht nur dann erfolgreich, wenn die Rechtsverfolgung oder -verteidigung des Beschwerdeführers inhaltlich begründet war. Nachdem das Zulassungserfordernis weggefallen und das Beschwerdeverfahren unbeschränkt eröffnet ist, kommt es nur noch auf den Erfolg in der Sache selbst an (vgl. Beschl. des Senats v. 18.05.2005 - 2 M 56/05; ThürOVG, Beschl. v. 29.11.2004 - 4 EO 645/02 -, Juris).

Indessen geht auch der Senat derzeit davon aus, dass die Antragsgegnerin die Baueinstellungsverfügung vom 02.06.2005 nicht im Rahmen eines Telefongesprächs mit dem Geschäftsführer der Antragstellerin und dem Bauleiter einerseits und Mitarbeitern der Antragsgegnerin andererseits (insgesamt) zurückgenommen hat. Gegenteiliges ergibt sich insbesondere nicht aus den beiden eidesstattlichen Versicherungen des Geschäftsführers und des Bauleiters. Sie treffen keine Aussage über den Wortlaut der Äußerungen von Mitarbeitern der Antragsgegnerin, so dass nicht feststellbar ist, wie diese nach dem objektiven Empfängerhorizont zu verstehen waren. Es wird lediglich angegeben, dass "der Inhalt der Besprechung", die mit Mitarbeitern der Antragsgegnerin geführt worden sei, "zutreffend sei" und das Schreiben vom 12.07.2005 von ihrem bevollmächtigten Rechtsanwalt in ihrer Gegenwart diktiert worden sei, und zwar nach dem, was sie ihrem Rechtsanwalt über den Inhalt ihres Telefongesprächs mitgeteilt hätten. Für sie sei "die Sache klar gewesen" und damit der Baustopp "im Hinblick auf die dortigen Punkte" aufgehoben worden. Diesen Aussagen lässt sich nur entnehmen, wie die Unterzeichner Erklärungen von Mitarbeitern der Antragsgegnerin verstanden haben wollen, und zwar auch nur bezüglich der in diesem Schreiben genannten Bauarbeiten. Es kann auch keine Rede davon sein, dass die Antragsgegnerin die Antragstellerin mit der Zwangsgeldfestsetzung "ins offene Messer laufen ließ", nachdem sie im genannten Schreiben vom 12.07.2005 ihr Verständnis der geführten Unterredung mitgeteilt habe. Zutreffend hat das Verwaltungsgericht darauf hingewiesen, dass die von der Antragstellerin herangezogenen, für vertragliche Beziehungen (zwischen Kaufleuten) entwickelten Grundsätze des kaufmännischen Bestätigungsschreibens im öffentlich-rechtlichen Subordinationsverhältnis keine Anwendung finden. Das bloße Schweigen der Behörde stellt grundsätzlich keine Willenserklärung der Behörde und damit keinen Verwaltungsakt dar; allenfalls ein Verwaltungsakt durch konkludente Erklärung ist möglich, was allerdings - anders als hier - ein eindeutiges, unmissverständliches Verhalten der Behörde voraussetzt (vgl. Stelkens/Stelkens in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Aufl., § 35 RdNrn. 51, 49; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 9. Aufl., § 35 RdNr. 22a). Im Übrigen hat die Antragsgegnerin - worauf bereits das Verwaltungsgericht hingewiesen hat - bereits mit Schreiben vom 14.07.2005 klargestellt, dass der Baustopp insgesamt (noch) nicht aufgehoben ist.

Die Zwangsgeldfestsetzung lässt entgegen der Ansicht der Antragstellerin auch keine Ermessensfehler erkennen. Zwar steht die Entscheidung über die Festsetzung eines Zwangsgelds grundsätzlich im Ermessen der Behörde. Bei der Festsetzung eines Zwangsgelds bedarf es allerdings im Hinblick auf die vorangegangene Androhung in der Regel keiner besonderen Ausführungen zur Begründung der Festsetzung (vgl. BFH, Urt. v. 02.11.1994 - VII R 94/93 -, BFH/NV 1995, 754). Aus der Aufgabenzuweisung an die Bauaufsichtsbehörden, auf die Einhaltung der öffentlich-rechtlichen Vorschriften hinzuwirken, ergibt sich zudem, dass ein Regelermessen besteht, die erlassene Verfügung auch zu vollstrecken (vgl. Meininger in: Jäde/Dirnberger, BauO LSA, § 64 RdNr. 38). Wie die Baueinstellungsverfügung selbst stellt auch die sich bei einem Verstoß hiergegen anschließende Zwangsgeldfestsetzung eine intendierte Ermessensentscheidung dar. Anders als mit der Festsetzung des angedrohten Zwangsmittels bei einem Verstoß gegen die Baueinstellung lässt sich die Einhaltung eines Baustopps im Regelfall nicht effektiv durchsetzen. Ist aber eine Ermessen einräumende Vorschrift in diesem Sinne auszulegen, so müssen besondere Gründe vorliegen, um eine gegenteilige Entscheidung zu rechtfertigen; liegt ein vom Regelfall abweichender Sachverhalt nicht vor, bedarf es insoweit nach § 39 Abs. 1 Satz 3 VwVfG auch keiner Begründung (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.06.1997 - 3 C 22.96 -, BVerwGE 105, 55). Da bei intendierten Entscheidungen - sofern kein Ausnahmefall vorliegt - ein Ermessensnichtgebrauch unschädlich ist (vgl. Kopp/Ramsauer, a. a. O. § 40 RdNr. 59), begegnet es keinen Bedenken, dass die Antragsgegnerin im Festsetzungsbescheid ausgeführt hat, sie sehe sich "gezwungen", das angedrohte Zwangsgeld festzusetzen.

Eine andere Beurteilung dürfte auch nicht in Ansehung des Schreibens des Bevollmächtigten der Antragstellerin vom 12.07.2005 an die Antragsgegnerin geboten sein. Insbesondere wird sich die Antragstellerin voraussichtlich nicht darauf berufen können, die Antragsgegnerin hätte ihr vor Festsetzung eines Zwangsgelds mitteilen müssen, dass sie eine andere Auffassung über den Inhalt des darin erwähnten Telefongesprächs habe. Der Geschäftsführer und der Bauleiter haben eidesstattlich versichert, sie seien der Auffassung gewesen seien, der Baustopp sei "im Hinblick auf die dortigen Punkte" aufgehoben worden. In diesem Sinne lässt sich auch das Schreiben vom 12.07.2005 verstehen. Auch wenn anzunehmen sein sollte, die Antragsgegnerin habe davon ausgehen müssen, dass sich die maßgeblichen Personen in einem Irrtum über die Weitergeltung des Baustopps für die im Schreiben vom 12.07.2005 genannten Bauarbeiten befanden, war sie nicht gehindert das Zwangsgeld festzusetzen; ebenso wenig musste sie sich mit diesem "Missverständnis" im Zwangsgeldfestsetzungsbescheid auseinandersetzen. Nach den von der Antragsgegnerin am 14.07.2005 getroffenen Feststellungen fanden an diesem Tag unter anderem Putzarbeiten statt; ferner war im südlichen Kellerraum ein Durchbruch durch die ursprüngliche westliche Außenwand aus dem 16. Jahrhundert geschlagen worden. Arbeiten dieser Art sind im Schreiben vom 12.07.2005 nicht erwähnt. Entsprechendes gilt für die Montage von Beleuchtungskörpern in größerem Umfang im unteren Wendelstein und im ersten Kellergeschoss; im Schreiben vom 12.07.2005 war lediglich von einer Beleuchtung "in Form von einfachen schwarzen Strahlern als Außenbeleuchtungsprovisorium" die Rede.

Ob die Antragstellerin ein Verschulden am Verstoß gegen die Baueinstellungsverfügung trifft, ist rechtlich ohne Bedeutung. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin hat eine Zwangsgeldfestsetzung gerade keinen Strafcharakter; sie stellt ausschließlich ein Beugemittel dar, mit dem der Pflichtige zu der auferlegten Handlung, Duldung oder Unterlassung veranlasst werden soll (vgl. Beschl. d. Senats v. 08.03.2002 - 2 M 4/01 - Juris, m. w. Nachw; BVerwG, Urt. v. 16.12.2004 - 1 C 30.03 -, BVErwGE 122, 293; BFH, Urt. v. 29.04.1980 - VII R 4/79 -, BFHE 131, 425).

Es begegnet schließlich auch keinen Bedenken, dass die Antragsgegnerin das Zwangsgeld nicht in einer geringeren als der angedrohten Höhe festgesetzt hat. Bei der Festsetzung des in bestimmter Höhe angedrohten Zwangesgelds ist insoweit im Regelfall keine (erneute) Ermessensausübung geboten (vgl. ThürOVG, Beschl. v. 22.04.2002 - 1 EO 184/02 -, NVwZ-RR 2002, 808). Wie der Senat in dem die Zwangsgeldandrohung betreffenden Verfahren 2 M 210/05 dargelegt hat, begegnet die Ermessensentscheidung der Antragsgegnerin über die Höhe des angedrohten Zwangsgelds keinen durchgreifenden Bedenken.

Ende der Entscheidung

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