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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Beschluss verkündet am 05.04.2004
Aktenzeichen: 2 M 255/04
Rechtsgebiete: VwGO, LSA-GO


Vorschriften:

VwGO § 80 III 1
LSA-GO § 51 IV 3
LSA-GO § 51 V 1
LSA-GO § 51 V 4
LSA-GO § 136 I 1
LSA-GO § 137
LSA-GO § 141
1. Das allgemeine Interesse am Erlass des Verwaltungsakts und das besondere am Erlass der Voll-ziehungsanordnung können zusammenfallen. Das ist der Fall; wenn die Dringlichkeit, dass eine Ratssitzung stattfindet, zugleich beinhaltet, dass deren Anordnung nicht durch die generell ein-tretende aufschiebende Wirkung eines Widerspruchs außer Kraft gesetzt wird.

2. Aus der Anordnung, dass Rechtsmittel der Gemeinde zulässig sind, kann nicht der Umkehrschluss gezogen werden, der Kommunalaufsicht sei wegen § 141 GO LSA ein Eingreifen verwehrt.

3. Für das Quorum für die Abwahl kommt es auf die Mitglieder des Gemeinderats an. Unschädlich ist aber, dass die Vorsitzenden von Fraktionen ihre Fraktionsmitglieder gleichsam "vertreten".

4. § 51 Abs. 5 Satz 1 GO LSA enthält keine "Begründungspflicht"; mit Rücksicht auf die allgemeine Bestimmung des § 51 Abs. 4 Satz 3 GO LSA und auf § 51 Abs. 5 Satz 4 GO LSA kann allenfalls verlangt werden, dass dem Antrag auf Einladung eine Auflistung der "Verhandlungs-gegenstände" beigefügt wird.


OBERVERWALTUNGSGERICHT DES LANDES SACHSEN-ANHALT BESCHLUSS

Aktenz.: 2 M 255/04

Datum: 05.04.2004

Gründe:

Der Beschluss beruht auf § 146 Abs. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung i. d. F. d. Bek. v. 19.03.1991 (BGBl I 686) - VwGO -, in der Fassung des Gesetzes vom 20.12.2001 (BGBl I 3987) - VwGO 02 -, sowie auf § 154 Abs. 2 VwGO <Kosten> und auf §§ 13 Abs. 1 Satz 1; 20 Abs. 3 des Gerichtskostengesetzes i. d. F. d. Bek. v. 15.12.1975 (BGBl I 3047) - GKG -, zuletzt geändert durch Gesetz vom 14.03.2003 (BGBl I 345 [349]) <Streitwert>.

Die Beschwerde ist unbegründet; denn die vorgebrachten Rügen (§ 146 Abs. 4 Satz 4 VwGO) vermögen das Ergebnis des angefochtenen Beschlusses nicht in Frage zu stellen.

1. Zu Unrecht hält die Antragstellerin den Sofortvollzug in der Verfügung des Antragsgegners (§ 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO) für nicht ausreichend begründet (§ 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO). Zwar entspricht es auch der Rechtsprechung des Senats, dass die besondere Anordnung nach § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO Umstände voraussetzt, die in der Regel über das Interesse am Erlass des Verwaltungsakts selbst hinausgehen; er geht aber mit der allgemein herrschenden Auffassung auch davon aus, dass beide Interessen zusammenfallen können. Das ist hier ersichtlich der Fall; denn die Dringlichkeit, dass eine Ratssitzung stattfindet, beinhaltet zugleich, dass deren Anordnung nicht durch die generell eintretende aufschiebende Wirkung eines Widerspruchs (§ 80 Abs. 1 VwGO) außer Kraft gesetzt wird. Darauf sowie auf das bevorstehende Ende der Amtsperiode des Rats hat deshalb der Antragsgegner zutreffend und für § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO in diesem Sonderfall ausreichend Bezug genommen.

2. Die Antragstellerin bestreitet ferner zu Unrecht ihre Passivlegitimation für die kommunalaufsichtliche Anordnung. Wie sich aus der von ihr auch zitierten Bestimmung des § 141 der Gemeindeordnung für das Land Sachsen-Anhalt - GO LSA - vom 05.10.1993 (LSA-GVBl., S. 568), zuletzt geändert durch Gesetz vom 13.11.2003 (LSA-GVBl., S. 318 [318 <Art. 1>]), eindeutig ergibt, kann nur die Gemeinde als Adressatin kommunalaufsichtlicher Maßnahmen sich gegen die ihr gegenüber erlassenen Verwaltungsakte wenden. Daraus kann aber keinesfalls der Schluss gezogen werden, soweit Organe innerhalb der Gemeinde um Rechtspositionen stritten, sei der Kommunalaufsicht wegen § 141 GO LSA ein Eingreifen verwehrt. Dies müsste offenkundig den Rechten der Kommunalaufsicht nach § 136 Abs. 1 Satz 1 GO LSA (Beanstandung) und § 137 GO LSA (Anordnung) widersprechen, welche umfassend Sorge dafür tragen wollen, dass "die Gemeinde" sich an Recht und Gesetz hält. Soweit deshalb in diesen Bestimmungen von Anordnungen und Beschlüssen oder von gesetzlich obliegenden Pflichten die Rede ist, handelt es sich um alle Maßnahmen von Gemeindeorganen, nicht nur um solche "mit Außenwirkung". Die Kommunalaufsicht handelt nicht im Interesse Dritter, die in Rechtsverhältnissen mit der Gemeinde stehen, sondern soll die Einhaltung der Rechtsordnung durch die Gemeinde sichern; die Kommunalaufsicht ist gleichsam das Gegengewicht zur Selbstverwaltung. Die Eingriffsbefugnis der Kommunalaufsicht bei Verstößen gegen § 51 Abs. 5 GO LSA ist denn auch in der Kommentarliteratur ausdrücklich anerkannt (vgl. etwa: Klang/Gundlach, Gemeindeordnung und Landkreisordnung für das Land Sachen-Anhalt, 2. Aufl., GO LSA, § 51 RdNr. 20, a. E.).

3. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin ist auch das für das Einladungsverlangen erforderliche Quorum von einem Viertel der Mitglieder des Gemeinderats eingehalten. Dabei ist von § 51 Abs. 5 Satz 1 GO LSA auszugehen; denn es handelt sich nicht bloß um den Antrag einer oder mehrerer Fraktion(en), sondern um den Antrag der durch sie repräsentierten Ratsmitglieder. Das kommt in dem Antrag vom 05.02.2004 deutlich dadurch zum Ausdruck, dass formuliert wurde: "die Mitglieder der Fraktion der Unabhängigen Bürgergemeinschaft Petersberg und der Petersbergfraktion beantragen ... auf der Grundlage des § 51 Abs. 5 Satz 1 GO" die Einberufung. Unschädlich hierfür ist, dass der Briefkopf als Absenderangabe nur die Fraktion der Unabhängigen Bürgergemeinschaft Petersberg aufführt; denn beide Fraktionsvorsitzenden haben den Brief unterzeichnet. Dass die Vorsitzenden ihre Fraktionsmitglieder gleichsam "vertreten", ist unschädlich, auch wenn nicht die Fraktion, sondern nur die Ratsmitglieder den Antrag stellen können (Klang/Gundlach, a. a. O., GO LSA, § 51 RdNr. 20).

§ 51 Abs. 5 Satz 1 GO LSA enthält keine "Begründungspflicht"; mit Rücksicht auf die allgemeine Bestimmung des § 51 Abs. 4 Satz 3 GO LSA und auf § 51 Abs. 5 Satz 4 GO LSA kann allenfalls verlangt werden, dass dem Antrag auf Einladung eine Auflistung der "Verhandlungsgegenstände" beigefügt wird. Dem trägt der Antrag vom 05.02.2004 indessen ausreichend Rechnung.

4. Für das Verwaltungsgericht bestand - ebenso übrigens wie für die Kommunalaufsicht - keinerlei Anlass im Rahmen einer Abwägung "das eigentlich streitige Verhältnis zwischen Bürgermeister und Gemeinderat" zu gewichten. Auch ein angegriffener Bürgermeister muss sich an die Regeln der Gemeindeordnung halten und kann die Gewährung von Rechten, die anderen zustehen, nicht von deren Wohlverhalten abhängig machen.

Ende der Entscheidung

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