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Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Beschluss verkündet am 25.08.2004
Aktenzeichen: 2 M 262/04
Rechtsgebiete: VwGO, VwVfG, LSA-BauO


Vorschriften:

VwGO § 80 III
VwGO § 80 V
VwVfG § 28 I
VwVfG § 37 I
VwVfG § 45 I 3
LSA-BauO § 84 III 2
1. Dem besonderen öffentlichen Interesse am Sofort-Vollzug genügt, wenn die Baurechtswidrigkeit Vorbildwirkung entfaltet und eine Nachahmung verhindert werden soll.

2. Der Verwaltungsakt ist auch dann bestimmt genug, wenn der Betroffene seinen Inhalt unter Berücksichtung der Vorgeschichte hinreichend bestimmen kann.

3. Die Nutzung kann regelmäßig schon dann untersagt werden, wenn sie der Genehmigung bedarf, diese aber nicht erteilt ist. Hierbei handelt es sich um eine sog. "intendierte Ermessensentscheidung"


OBERVERWALTUNGSGERICHT DES LANDES SACHSEN-ANHALT BESCHLUSS

Aktenz.: 2 M 262/04

Datum: 25.08.2004

Gründe:

Der Beschluss beruht auf § 146 Abs. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung i. d. F. d. Bek. v. 19.03.1991 (BGBl I 686) - VwGO -, in der Fassung des Gesetzes vom 20.12.2001 (BGBl I 3987) - VwGO 02 -, sowie auf § 154 Abs. 2 VwGO <Kosten> und auf §§ 13 Abs. 1 Satz 1; 20 Abs. 3 des Gerichtskostengesetzes i. d. F. d. Bek. v. 15.12.1975 (BGBl I 3047) - GKG -, zuletzt geändert durch Gesetz vom 14.03.2003 (BGBl I 345 [349]) <Streitwert>.

Der Antrag bleibt ohne Erfolg.

Zutreffend ist die Vorinstanz davon ausgegangen, dass die Antragsgegnerin das besondere öffentliche Interesse am Sofortvollzug der angegriffenen Nutzungsuntersagung hinreichend dargelegt hat, indem sie die von der ungenehmigten Nutzung ausgehende erhebliche Nachahmungsgefahr angeführt hat. Wird eine bauliche Anlage ohne die erforderliche Baugenehmigung genutzt, genügt in der Regel der Hinweis auf eine Nachahmungsgefahr, um den Sofortvollzug einer Nutzungsuntersagung zu begründen (vgl. OVG LSA, Beschl. v. 16.08.2001 - 2 M 462/00 -; Beschl. v. 26.05.1997 - B 2 S 369/96 -; vgl. auch OVG NW, Beschl. v. 26.08.2003 - 7 B 1306/03 -, JURIS; HessVGH, Beschl. v. 02.04.2002 - 4 TG 575/02 -, BRS 65 Nr. 201). Der Senat teilt die Auffassung der Antragsgegnerin, dass die ungenehmigte Wohnnutzung durch den Antragsteller andere Grundstückseigentümer innerhalb des überwiegend kleingärtnerisch genutzten Bereichs (Bodenreform) dazu verleiten könnte, ihre Gebäude ohne die erforderliche Baugenehmigung ebenfalls zum dauernden Wohnen zu nutzen. Selbst wenn - wie der Antragsteller geltend macht - in letzter Zeit kein "Zuzug" in das Gebiet "Bodenreform" erfolgt sein sollte, vermag dies die Nachahmungsgefahr nicht auszuschließen. Soweit der Antragsteller geltend macht, das sofortige Nutzungsverbot sei unverhältnismäßig, weil ihm der Wohnsitz entzogen werde und er kostenintensive Innenausbauarbeiten bereits Ende des Jahres 2002 abgeschlossen habe, vermag er hiermit schon deshalb nicht durchzudringen, weil die Antragsgegnerin ihn bereits im Lauf des Jahres 2002 darauf hingewiesen hatte, dass auf dem im Januar 2002 erworbenen Grundstück eine (Dauer-)Wohnnutzung nicht zulässig sei. Spätestens als der Antragsteller mit Schreiben vom 16.09.2002 darauf hingewiesen worden war, dass ein Bußgeldverfahren eingeleitet werde und eine Untersagung der Wohnnutzung beabsichtigt sei, durfte er nicht mehr darauf vertrauen, dass er die ungenehmigte Wohnnutzung würde fortsetzen können.

Der angegriffene Bescheid ist auch nicht wegen eines Anhörungsmangels formell rechtswidrig. Es spricht schon Überwiegendes dafür, dass die Antragsgegnerin den Antragsteller vor Erlass der Verfügung nach § 28 Abs. 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes i. d. F. d. Bek. v. 23.01.2003 (BGBl I 102) - VwVfG - ordnungsgemäß angehört hat. In dem bereits genannten Schreiben vom 16.09.2002 wurde ihm nicht nur mitgeteilt, dass wegen der ungenehmigten Wohnnutzung ein Bußgeldverfahren eingeleitet werde; die Antragsgegnerin hat ihm darüber hinaus Gelegenheit gegeben, sich vor Erlass einer Verfügung zur Nutzungsuntersagung bis zum 30.09.2002 zu äußern. Es ist rechtlich nicht zu beanstanden, dass die Antragsgegnerin den Antragsteller in ein und demselben Schreiben gemäß § 55 OWiG zum Ordnungswidrigkeitenverfahren und gemäß § 28 VwVfG LSA zur beabsichtigten Nutzungsuntersagung angehört hat. Für den Antragsteller war hinreichend erkennbar, dass damit - auch - eine Anhörung nach § 28 VwVfG LSA erfolgen sollte. Ob die Antragsgegnerin die Anhörung wiederholen musste, weil die mit Schreiben vom 16.09.2002 durchgeführte Anhörung zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses bereits 17 Monate zurücklag, erscheint fraglich, kann aber letztlich offen bleiben. Eine möglicherweise erforderliche nochmalige Anhörung ist jedenfalls gemäß § 45 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG LSA mit heilender Wirkung nachgeholt worden. Ein Verstoß gegen § 28 Abs. 1 VwVfG LSA lässt sich dadurch heilen, dass die Behörde im gerichtlichen Eilverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO auf die Einwendungen des Betroffenen eingeht (OVG LSA, Beschl. v. 15.02.1996 - 4 M 12/96 -; NdsOVG, Beschl. v. 31.01.2002 - 1 MA 4216/01 -, NVwZ-RR 2002, 822). So liegt es hier. Die Antragsgegnerin hat sich in ihrer Antragserwiderung vom 11.03.2004 mit den Einwänden des Antragstellers im Einzelnen auseinandergesetzt.

Der angegriffene Bescheid entspricht auch den Anforderungen an die Bestimmtheit von Verwaltungsakten nach § 37 Abs. 1 VwVfG LSA. Der Bestimmtheitsgrundsatz verlangt, dass der Entscheidungsinhalt für den Adressaten nach Art und Umfang aus sich heraus verständlich ist und den Adressaten in die Lage versetzt zu erkennen, was genau von ihm gefordert wird (BVerwG, Urt. v. 15.02.1990 - BVerwG 4 C 41.87 -, BVerwGE 84, 338). Der Wille der Behörde muss vollständig zum Ausdruck kommen und unzweideutig für die Beteiligten des Verfahrens erkennbar sein; der Verwaltungsakt darf keiner unterschiedlichen subjektiven Bewertung zugänglich sein; die Bestimmbarkeit des Regelungsinhalts genügt (Stelkens, a. a. O., RdNr. 11). Es reicht aus, wenn aus dem gesamten Inhalt des Verwaltungsakts und aus dem Zusammenhang, vor allem aus der von der Behörde gegebenen Begründung und aus den den Beteiligten bekannten Umständen im Weg einer an den Grundsätzen von Treu und Glauben orientierten Auslegung hinreichende Klarheit gewonnen werden kann (Kopp/Ramsauer, a. a. O., § 37 RdNr. 12, m. w. N.).

Dem angefochtenen Bescheid lässt sich nach seinem Gesamtinhalt und unter Berücksichtigung der Vorgeschichte mit hinreichender Klarheit entnehmen, dass dem Antragsteller die Nutzung des in Rede stehenden Gebäudes zu Wohnzwecken untersagt wird. Zwar wird dem Antragsteller im ersten Satz des verfügenden Teils aufgegeben, "die Nutzung" des Gebäudes zu beenden; aus den weiteren Sätzen im ersten Absatz des verfügenden Teil, aus der Begründung sowie aus den dem Antragsteller bekannten Umständen wird aber deutlich, dass nur die - dauernde oder zeitweise - Wohnnutzung untersagt wird. Die Begründung des Bescheids befasst sich ausführlich damit, dass der Antragsteller ohne die erforderliche Genehmigung eine Nutzungsänderung in eine dauerhafte Wohnnutzung vorgenommen habe, im fraglichen Gebiet "Bodenreform" - abgesehen von den bestandsgeschützten Nutzungen - nur eine kleingärtnerische Nutzung von Gebäuden zulässig und damit jegliche Wohnnutzung unzulässig sei. Auch aus dem Anhörungsschreiben vom 16.09.2002, den verschiedenen Gesprächen mit Behördenmitarbeitern sowie aus dem zuvor eingeleiteten Ordnungswidrigkeitenverfahren war dem Antragsteller bekannt, dass allein die Wohnnutzung in Rede stand. Der Begriff der "Wohnnutzung" ist seinerseits hinreichend bestimmt. Hiervon umfasst ist sowohl das ständige (dauernde) Wohnen als auch das zeitweise Bewohnen des Gebäudes als Wochenend- oder Ferienhaus (vgl. BVerwG, Urt. v. 12.03.1982 - BVerwG 4 C 59.78 -, NJW 1982, 2512 [2513]). Gestattet ist lediglich die kleingärtnerische Nutzung des Gebäudes. Diese besteht vor allem in der Aufbewahrung von Geräten für die Gartenbearbeitung und von Gartenerzeugnissen sowie in kurzfristigen Aufenthalten des Kleingärtners und seiner Familie aus Anlass von Arbeiten oder der Freizeiterholung im Garten, gegebenenfalls in Ausnahmefällen auch eine behelfsmäßige Übernachtung des Kleingärtners und Familienangehöriger (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.02.1984 - BVerwG 4 C 55.81 -, NJW 1984, 1576). Mit dem Verwaltungsgericht ist ferner davon auszugehen, dass die angefochtene Verfügung auch materiell-rechtlich nicht zu beanstanden ist.

Nach § 84 Abs. 3 Satz 2 der Bauordnung des Landes Sachsen-Anhalt - BauO LSA - (= Art. 1 des Gesetzes über die Bauordnung des Landes Sachsen-Anhalt und zur Änderung des Ingenieurgesetzes und des Vermessungs- und Katastergesetzes vom 23.06.1994 [LSA-GVBl., S. 723], geändert durch Gesetz vom 24.11.1995 [LSA-GVBl., S. 339], i. d. F. des Gesetzes zur Vereinfachung des Baurechts in Sachsen-Anhalt vom 09.02.2001 [LSA-GVBl., S. 50], zuletzt geändert durch Gesetz vom 16.07.2003 [LSA-GVBl., S. 158, 161 <Art. 5>]), kann die Nutzung einer baulichen Anlage untersagt werden, wenn die Anlage im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften genutzt wird. Diese Voraussetzungen hat der Senat immer schon dann als erfüllt angesehen, wenn eine bauliche Anlage formell illegal - also ohne die erforderliche Genehmigung - genutzt wird; nur wenn sich die Genehmigungsfähigkeit geradezu aufdrängt, kann sich die Behörde wegen des auch im öffentlichen Recht geltenden Grundsatzes von Treu und Glauben auf die fehlende Genehmigung nicht berufen (ständige Rechtsprechung des Senats, z. B.: OVG LSA; Beschl. v. 27.08.2002 - B 2 S 84/97 -; Beschl. v. 24.06.2002 - 2 M 309/01 -).

Das Gebäude des Antragstellers wird ohne die erforderliche Baugenehmigung zu Wohnzwecken genutzt und ist damit formell illegal. Diese Nutzung ist auch nicht offensichtlich genehmigungsfähig. An die Offensichtlichkeit sind hohe Anforderungen zu stellen; es müsste ohne eine ins Einzelne gehende Prüfung erkennbar sein, dass der Erteilung der erstrebten Baugenehmigung unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt Hinderungsgründe entgegenstehen (NdsOVG, Beschl. v. 31.01.2002, a. a. O.). So liegt es im konkreten Fall indessen nicht. Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens erscheint eher zweifelhaft. Das Verwaltungsgericht hat ein vergleichbares Vorhaben auf dem Nachbargrundstück (...) in einem Urteil vom 26.03.1997 als planungsrechtlich unzulässig angesehen, weil sich jenes Grundstück im Außenbereich befinde, das Vorhaben die Entstehung einer Splittersiedlung befürchten lasse und im Übrigen die Erschließung nicht gesichert sei. Ob diese Fragen beim Vorhaben des Antragstellers (nunmehr) anders zu bewerten sind, kann nicht in einem die Nutzungsuntersagung betreffenden Eilverfahren geklärt werden. Dieses Verfahren ist wegen seines Charakters als vorläufiges Rechtsschutzverfahren nicht geeignet, das Baugenehmigungsverfahren gleichsam vorwegzunehmen und die Einzelprüfungen in dieses Verfahren zu verlagern (OVG LSA, Beschl. v. 29.11.1996 - B 2 S 268/96 -).

Zu Recht hat das Verwaltungsgericht auch angenommen, die Nutzungsuntersagung sei ermessensfehlerfrei, weil es regelmäßig pflichtgemäßem Ermessen entspreche, wenn die Bauaufsichtsbehörde eine formell illegale Nutzung durch eine entsprechende Anordnung unterbinde. In ständiger Rechtsprechung vertritt der Senat die Auffassung, dass bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 84 Abs. 3 Satz 2 BauO LSA die daran anknüpfende Rechtsfolge indiziert ist und es sich insoweit um einen Fall des sogenannten intendierten Ermessens handelt (Beschl. v. 24.06.2002, a. a. O.). Die Behörde macht deshalb im Regelfall von ihrem Ermessen in einer dem Zweck des Gesetzes entsprechenden Weise Gebrauch, wenn sie die formell rechtswidrige Nutzung einer Anlage unterbindet.

Auch unter Berücksichtigung der vom Antragsteller vorgetragenen Gesichtspunkte lässt die Entscheidung der Antragsgegnerin keine Ermessensfehler erkennen.

Insbesondere hat die Antragsgegnerin nicht dadurch gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen, dass sie gegen verschiedene andere Wohnnutzungen in der Umgebung des Baugrundstücks nicht eingeschritten ist. Dem bauordnungsrechtlichen Einschreiten der Behörde können Fälle, in denen noch nicht eingeschritten worden ist, ausnahmsweise nur dann entgegen gehalten werden, wenn es an der Art des Einschreitens an jedem System fehlt, für diese Art des (auch zeitlichen) Vorgehens keine einleuchtenden Gründe sprechen und die Handhabung deshalb als willkürlich angesehen werden muss (BVerwG, Urt. v. 02.03.1973 - BVerwG IV C 40.71 -, BVerwGE 42, 30; Beschl. v. 18.04.1996 - BVerwG 4 B 38.96 -, Buchholz 406.17 [Bauordnungsrecht] Nr. 132; Beschl. v. 22.04.1995 - BVerwG 4 B 55.95 -, BRS 57 Nr. 248). Da letztlich das "Willkürverbot" die Grenze bildet, genügt es, wenn die Behörde einen besonderen Grund hat, weshalb sie gerade gegen ein konkretes Vorhaben einschreitet (OVG LSA, Urt. v. 15.07.1998 - A 2 S 460/96 -). Auf gleichheitswidriges Einschreiten kann sich der Betroffene selbst dann nicht berufen, wenn es Verwaltungspraxis der Behörde ist, Schwarzbauten bis zu einem bestimmten Zeitpunkt zu dulden (BVerwG, Beschl. v. 13.02.1989 - BVerwG 4 B 16.89 -, JURIS; OVG LSA, Beschl. v. 07.11.2003 - 2 L 10/03 -).

Ein willkürliches Verhalten der Antragsgegnerin lässt sich im konkreten Fall nicht feststellen. Sie hat im gerichtlichen Eilverfahren auf die Einwände des Antragstellers ihre Ermessenserwägungen dahin gehend ergänzt (§ 114 Satz 2 VwGO), dass sie gegen diejenigen Wohnnutzungen im Gebiet "Bodenreform" nicht vorgegangen sei, die bereits vor dem Jahr 1990 aufgenommen worden seien. Zutreffend hat das Verwaltungsgericht angenommen, es sei nicht zu beanstanden, dass die Antragsgegnerin zunächst nur gegen die neu aufgenommenen Nutzungen einschreite. Dem Vorgehen der Antragsgegnerin liegt damit ein System zugrunde, das auch einleuchtet. Denn gerade solche neuen Nutzungsänderungen sind in besonderem Maße geeignet, andere Grundstückseigentümer dazu zu verleiten, in gleicher oder ähnlicher Weise eine Dauerwohnnutzung zu beginnen. Dem gegenüber erscheint ein Vorgehen gegen Dauerwohnnutzungen, die bereits vor dem Jahr 1990 aufgenommen wurden, schwieriger, weil insoweit Bestandsschutzfragen zu klären sind. Der Einwand des Antragstellers, bereits der Voreigentümer habe das Gebäude zu Wohnzwecken genutzt, so dass auch seine derzeitige Wohnnutzung bestandsgeschützt sei, trägt nicht. Der Antragsteller hat nicht glaubhaft gemacht, dass die vom Voreigentümer ausgeübte Wohnnutzung eine Dauerwohnnutzung war, wie sie von ihm selbst nunmehr ausgeübt wird. Vielmehr ist - jedenfalls nach Aktenlage - davon auszugehen, dass der Voreigentümer das Gebäude nur zum zeitweiligen Aufenthalt genutzt hat. Nach der Begründung des Bußgeldbescheids vom 16.10.2002 soll er gegenüber der Antragsgegnerin eine Erklärung diesen Inhalts abgegeben haben. Für eine nur zeitweilige Wohnnutzung spricht auch, dass der Voreigentümer nach dem Inhalt des Kaufvertrags vom 10.01.2002 seinen Hauptwohnsitz an anderer Stelle hatte und das Grundstück als "Gartenland, bebaut mit einer Gartenlaube und Garage" bezeichnet wurde. Bei dieser Sachlage erscheint es aber nicht als willkürlich, wenn die Antragsgegnerin dann einschreitet, wenn eine nur zeitweilige Wohnnutzung eines Gebäudes in eine Dauerwohnnutzung "umschlägt". Die von der Antragsgegnerin in drei Fällen erteilten Baugenehmigungen, mit denen sie nach eigenem Bekunden jeweils eine Dauerwohnnutzung genehmigt hat (...) betrafen Grundstücke, die - auch nach dem vom Antragsteller eingereichten Lageplan der Neusiedlergemeinschaft "Bodenreform" vom März 1952 - außerhalb dieses Gebiets liegen dürften und deshalb (möglicherweise) einer anderen bauplanungsrechtlichen Beurteilung unterliegen.

Ermessensfehlerhaft ist es auch nicht, dass die Antragsgegnerin erst etwa zwei Jahre nach Aufnahme der Wohnnutzung durch den Antragsteller eingeschritten ist. Die Bauordnungsbehörde ist grundsätzlich befugt, auch dann noch gegen bauordnungswidrige Zustände einzuschreiten, wenn sie diese längere Zeit geduldet hat (vgl. OVG NW, Urt. v. 23.05.1990 - 10 A 2278/86 - JURIS). Das schlichte Unterlassen bauaufsichtlichen Einschreitens hindert den Erlass einer Ordnungsverfügung ohne Hinzutreten besonderer einzelfallbedingter Umstände grundsätzlich nicht (vgl. BayVGH, Urt. v. 17.06.1998 - 2 B 97.171 -, BayVBl. 1999, 590). Die Antragsgegnerin hat auch kein Verhalten an den Tag gelegt, das ein schutzwürdiges Vertrauen des Antragstellers dergestalt hätte entstehen lassen können, die Antragsgegnerin werde gegen die ungenehmigte Nutzung nicht (mehr) einschreiten. Spätestens nach der Anhörung im September 2002 musste der Antragsteller damit rechnen, dass die Nutzung des Gebäudes zur (dauernden) Wohnnutzung untersagt werden würde. Auch der Umstand, dass das Einwohnermeldeamt der Antragsgegnerin das in Rede stehende Grundstück als Hauptwohnsitz des Antragstellers in das Melderegister eingetragen hat, konnte keinen solchen Vertrauenstatbestand schaffen. Zutreffend hat die Antragsgegnerin darauf hingewiesen, dass die Meldepflichten an rein tatsächliche Vorgänge anknüpfen und die Berechtigung zum Beziehen der Wohnung in diesem Zusammenhang unerheblich ist (OVG NW, Beschl. v. 24.04.1981 - 18 B 549/81 -, NJW 1981, 2211). Die Meldebehörde war allein aufgrund des Umstands, dass der Antragsteller das streitige Gebäude als seinen Hauptwohnsitz angemeldet hat, verpflichtet, diesen in das Melderegister einzutragen. Damit wurde ersichtlich keine Aussage über die Zulässigkeit der Wohnnutzung nach baurechtlichen Vorschriften getroffen. Dem Antragsteller war es - wie jedem anderen Bauwilligen auch - zuzumuten, die baurechtliche Zulässigkeit der Nutzungsänderung zuvor in einem Baugenehmigungsverfahren klären zu lassen.

Ende der Entscheidung

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