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Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Beschluss verkündet am 22.01.2007
Aktenzeichen: 2 M 318/06
Rechtsgebiete: AufenthG, VwGO


Vorschriften:

AufenthG § 81 Abs. 4
AufenthG § 84 Abs. 2 S. 1
VwGO § 80 Abs. 5
1. Das Rechtsschutzinteresse für einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs gegen die Versagung der Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis fällt weg, wenn der Ausländer freiwillig ausreist und damit nicht nur seine Abschiebung vermeiden will.

2. Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen die Versagung der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis hat nicht zur Folge, dass die mit der Versagung beendeten Fiktionswirkung des § 81 Abs. 4 AufenthG wieder auflebt.


OBERVERWALTUNGSGERICHT DES LANDES SACHSEN-ANHALT BESCHLUSS

Aktenz.: 2 M 318/06

Datum: 22.01.2007

Gründe:

Die Beschwerde des Antragstellers hat keinen Erfolg.

Der Antrag nach § 80 Abs. 5 ist unzulässig geworden, weil dem Antragsteller aufgrund seiner im Lauf des Beschwerdeverfahrens erfolgten freiwilligen Ausreise nach Marokko das erforderliche Rechtsschutzinteresse fehlt.

Die Sachentscheidungsvoraussetzung des allgemeinen Rechtsschutzinteresses fehlt, wenn ein Rechtsbehelf von vorn herein nutzlos ist, weil er nicht geeignet ist, die subjektive Rechtsstellung des Rechtsschutz Begehrenden zu verbessern (BVerwG, Urt. v. 09. Februar 1995 - 4 C 23.94 - NVwZ 1995, 894, m. w. N.). Mit der Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen die die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis ablehnende Entscheidung des Antragsgegners vom 29.08.2006 würde sich die Rechtsstellung des Antragstellers nicht verbessern.

Insbesondere könnte er sich im Fall einer gerichtlichen Aussetzungsentscheidung nicht (wieder) auf die Fiktionswirkung des § 81 Abs. 4 AufenthG berufen. Nach dieser Vorschrift gilt der bisherige Aufenthaltstitel vom Zeitpunkt seines Ablaufs bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde als fortbestehend, wenn der Ausländer die Verlängerung seines Aufenthaltstitels oder die Erteilung eines anderen Aufenthaltstitels beantragt. Zwar dürfte der Inhaber der Rechtsposition aus § 81 Abs. 4 AufenthG in entsprechender Anwendung des § 51 Abs. 1 Nr. 6 AufenthG einen Rechtsanspruch auf Wiedereinreise haben, wenn er das Bundesgebiet aus einem seiner Natur nach nur vorübergehenden Grund verlassen hat, da dann das gesetzliche Aufenthaltsrecht nicht erlischt (vgl. zur Erlaubnisfiktion des § 69 Abs. 3 Satz 1 AuslG: VGH BW, Beschl. v. 15.10.2003 - 13 S 1618/03 -, VBlBW 2003, 154). Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen die Versagung der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis hat jedoch nicht zur Folge, dass die mit der Versagung beendete Fiktionswirkung des § 81 Abs. 4 AufenthG wieder auflebt; denn die behördliche Ablehnung ist ein Verwaltungsakt im Sinne des § 84 Abs. 2 Satz 1 AufenthG, der nach der Konzeption des Gesetzgebers unbeschadet einer gerichtlich angeordneten aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und Klage die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts des Ausländers beendet (Funke-Kaiser in: GK-AufenthG, II-§ 81 RdNr. 62, m. w. Nachw.; Hailbronner, AuslR, A 1, § 81 RdNr. 33; vgl. zu § 69 Abs. 3 AuslG: BVerwG, Beschl. v. 01.02.2000 - 1 C 14.99 -, InfAuslR 2000, 274 [275]; VGH BW, Beschl. v. 15.10.2003, a. a. O.). Diese Konzeption wird bekräftigt durch § 84 Abs. 3 Satz 2 AufenthG; danach tritt eine Unterbrechung der Rechtsmäßigkeit des Aufenthalts (nur dann) nicht ein, wenn der Verwaltungsakt durch eine behördliche oder gerichtliche Entscheidung aufgehoben wird. Folge der vom Gericht angeordneten aufschiebenden Wirkung ist lediglich der Ausschluss der Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht des Ausländers (§§ 50, 58 Abs. 2 Satz 2, 84 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG), der dazu führt, dass er - solange er sich im Bundesgebiet befindet - einstweilen so zu behandeln ist, als gelte sein Aufenthaltstitel als fortbestehend (vgl. VGH BW, Beschl. v. 15.10.2003, a. a. O.).

Im Fall der freiwilligen Ausreise aus dem Bundesgebiet kommt indes eine Aussetzung der Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht nicht in Betracht; denn damit erlischt die für den Ausländer aufgrund der behördlichen Ablehnungsentscheidung bestehende Ausreisepflicht. Eine andere Beurteilung kommt lediglich dann in Betracht, wenn die Ausreise nur deshalb erfolgt ist, um eine drohende Abschiebung zu vermeiden, da in diesen Fällen die (vollziehbare) Ausreisepflicht fortbestehen dürfte (so Funke-Kaiser, a. a. O., § 81 RdNr. 73, § 59 RdNr. 152; VGH BW, Beschl. v. 15.10.2003, a. a. O.). Der Antragsteller ist aber nicht ausgereist, um seine Abschiebung abzuwenden, sondern um seinem in Marokko lebenden erkrankten Bruder Hilfe zu leisten.

Der Antragsteller könnte durch die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs seine Rechtsposition auch nicht hinsichtlich der im Versagungsbescheid enthaltenen Abschiebungsandrohung verbessern. Auch diese ist durch die freiwillige Ausreise obsolet geworden.

Auch für eine beabsichtigte Wiedereinreise in das Bundesgebiet brächte dem Antragsteller eine Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen den Versagungsbescheid keinen rechtlichen Vorteil. Seine Wiedereinreise in das Bundesgebiet und einen anschließenden Aufenthalt im Bundesgebiet kann der Antragsteller durch einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO nicht erreichen. Mit einem solchen Antrag könnte dieses Rechtsschutzziel allenfalls in Verbindung mit einer Rückgängigmachung der Vollziehung verfolgt werden, was voraussetzen würde, dass der Antragsteller abgeschoben worden oder unter dem Druck der drohenden Abschiebung ausgereist wäre (vgl. VGH BW, Beschl. v. 15.10.2003, a. a. O., m. w. Nachw.). So liegt es - wie bereits ausgeführt - hier aber nicht. Auch steht die (vollziehbare) Versagung der beantragten Aufenthaltserlaubnis - anders als eine Ausweisung oder Abschiebung (§ 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG) - einer erneuten Einreise des Antragstellers nicht entgegen. Eine vom Antragsteller offenbar beabsichtigte Einreise hat ferner unabhängig von dem bisher im Inland betriebenen Verfahren auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach den dafür geltenden aufenthaltsrechtlichen Bestimmungen zu erfolgen und unterliegt dementsprechend einer zukünftigen, aufenthaltsrechtlich selbständigen Beurteilung, für die in derartigen Fällen die Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs gegen die Versagung der Erteilung oder Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis keine Grundlage bietet (vgl. VGH BW, Beschl. v. 15.11.1994 - 11 S 2677/94 - AuAS 1995, 50, Beschl. v. 15.10.2003 -, a. a. O., m. w. Nachw.).

Die Beschwerde könnte auch dann keinen Erfolg haben, wenn im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 GG angenommen werden müsste, das Begehren des Antragstellers sei nunmehr sachdienlich auch darauf gerichtet, seine Wiedereinreise in das Bundesgebiet und den weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet durch den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO zu ermöglichen (so VGH BW, Beschl. v. 15.10.2003, a. a. O.) und wenn darin keine im Beschwerdeverfahren nach § 146 Abs. 4 VwGO unzulässige Antragsänderung (§ 91 VwGO) zu sehen sein sollte. Der Antragsteller hat weder einen Anordnungsgrund noch einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Was den Anordnungsanspruch anbetrifft, ist - ungeachtet der Frage, ob der vom Antragsgegner und vom Verwaltungsgericht angenommene Versagungsgrund des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG gegeben ist - insbesondere nicht ersichtlich, dass dem Antragsteller ein Anspruch auf Erteilung der begehrten Aufenthaltserlaubnis nach § 18 Abs. 2 Satz 1 AufenthG zusteht. Danach kann einem Ausländer ein Aufenthaltstitel zur Ausübung einer Beschäftigung erteilt werden, wenn die Bundesagentur für Arbeit nach § 39 zugestimmt hat oder durch Rechtsverordnung nach § 42 oder zwischenstaatliche Vereinbarung bestimmt ist, dass die Ausübung der Beschäftigung ohne Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit zulässig ist. Unabhängig davon, dass der Antragsteller die Erteilungsvoraussetzungen nicht glaubhaft gemacht hat, steht die Entscheidung im Ermessen der Ausländerbehörde.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 52 Abs. 2, 53 Abs. 3 GKG.

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