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Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Beschluss verkündet am 23.08.2004
Aktenzeichen: 2 M 37/04
Rechtsgebiete: VwGO, LSA-BauO, BauGB


Vorschriften:

VwGO § 80 V
VwGO § 80a
LSA-BauO § 15 I 2
LSA-BauO § 77 I
BauGB § 1 VI
1. § 15 Abs. 1 Satz 2 BauO LSA (Standsicherheit) kann eine nachbarschützende Funktion zukommen.

2. Wer in einem Windpark eine Anlage errichtet, kann nicht darauf vertrauen, diese werde auf Dauer den bestehenden örtlichen Windverhältnissen unverändert ausgesetzt bleiben. Etwas Anderes gilt allerdings, wenn die Standorte in einem Bauleitplan verbindlich festgelegt sind. In diesen Fällen ist im Rahmen des § 15 Abs. 1 Satz 2 BauO LSA gerechtfertigt, das Überschreiten der vorausgesetzten Turbulenzintensität allein der Anlage zuzurechnen, die als letzte errichtet wird.


OBERVERWALTUNGSGERICHT DES LANDES SACHSEN-ANHALT BESCHLUSS

Aktenz.: 2 M 37/04

Datum: 23.08.2004

Gründe:

I.

Die Antragstellerin wendet sich im vorläufigen Rechtsschutzverfahren gegen die der Beigeladenen zu 1. erteilte Baugenehmigung zur Errichtung einer Windenergieanlage.

Die Beigeladene zu 1. beabsichtigt, ... eine Windenergieanlage GE 1.5 sl zu errichten. [Das] Grundstück liegt im räumlichen Geltungsbereich des am 25.11.1999 beschlossenen und am 09.12.1999 vom Regierungspräsidium Halle genehmigten Bebauungsplans ... "...", der u. a. Standortvorgaben für die Errichtung von neun Windkraftanlagen enthält. Entsprechend dem zwischen der Antragstellerin und der Beigeladenen zu 2. am 18.11.1999 geschlossenen städtebaulichen Vertrag zum Bebauungsplan, der in § 2 die Kosten der Bebauungsplanung der Antragstellerin auferlegt, und auf der Grundlage der durch den Antragsgegner am 09.02.2000 erteilten Baugenehmigung betreibt die Antragstellerin ... seit Ende des Jahres 2000 eine Windfarm mit neun Windkraftanlagen des Typs ENERCON-66.

Am 23.07.2002 beantragte die Beigeladene zu 1. bei dem Antragsgegner die Genehmigung für eine weitere Windenergieanlage. Um dieses Vorhaben sowie die Errichtung drei weiterer Windenergieanlagen realisieren zu können, fasste die Beigeladene zu 2. im Jahre 2002 einen Aufstellungsbeschluss zur 1. Änderung des Bebauungsplans ... "...". Daraufhin erteilte der Antragsgegner der Beigeladenen zu 1. am 29.04.2003 die beantragte Baugenehmigung, auf deren Grundlage in unmittelbarer Nähe der Windenergieanlagen der Antragstellerin eine Windenergieanlage errichtet werden soll. Gegen die der Beigeladenen zu 1. erteilte Baugenehmigung erhob die Antragstellerin unter dem 03.06.2003 Widerspruch, über den - soweit ersichtlich - noch nicht entschieden worden ist.

Am 05.11.2003 hat die Antragstellerin bei dem Verwaltungsgericht Halle um die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes (Az: 2 B 109/03 HAL) nachgesucht und zur Begründung ausgeführt, die Baugenehmigung sei formell rechtswidrig, weil die Genehmigung für die Errichtung einer weiteren Windenergieanlage in einem förmlichen immissionsschutzrechtlichen Verfahren (§ 10 BImSchG) hätte erteilt werden müssen. Sie sei auch materiell rechtswidrig, weil sie nicht mit dem gültigen Bebauungsplan ... vereinbar sei und zudem nachbarschützenden Festsetzungen des Plans widerspreche; insbesondere sei die geplante 1. Änderung des Bebauungsplans aufgrund einer fehlerhaften Abwägung gemäß § 1 Abs. 6 BauGB nichtig, so dass der ursprüngliche Bebauungsplan, der lediglich neun Windenergieanlagen vorsehe, fortgelte.

Mit Beschluss vom 19.01.2004 hat das Verwaltungsgericht Halle diesen Antrag der Antragstellerin abgelehnt und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, es sei weder offensichtlich noch überwiegend wahrscheinlich, dass die angefochtene Baugenehmigung gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften verstoße, welche der Antragstellerin Nachbarschutz vermittelten; insbesondere verstoße die geplante Änderung des Bebauungsplans nicht gegen das Gebot gerechter Abwägung im Sinne des § 1 Abs. 6 BauGB. Das in der Begründung zur 1. Änderung angegebene Planungsziel einer möglichst konfliktfreien Nutzung der Windenergie durch Verdichtung des vorhandenen Windparks und damit raumschonenden Nutzung des Außenbereichs sei rechtlich nicht zu beanstanden. Auch genieße die Antragstellerin aufgrund des städtebaulichen Vertrags keinen Konkurrentenschutz. Schließlich verstoße die Baugenehmigung nicht offensichtlich gegen die nachbarschützende Bestimmung des § 3 Abs. 1 BImSchG, da die möglichen Folgen einer erhöhten Turbulenzintensität durch die hinzukommenden Windenergieanlagen auf die Standsicherheit der bereits vorhandenen Windenergieanlagen nicht abschließend geklärt seien; dies müsse dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben. Die damit notwendige Interessenabwägung gehe zu Lasten der Antragstellerin aus; denn die Beigeladene zu 1. wolle nicht anders als die Antragstellerin ihre Anlage in einem Gebiet errichten, das einer unbestimmten Vielzahl solcher Anlagen zur Verfügung stehe. Mit dem hier gewählten Abstand, der das Maß des fünffachen Rotordurchmessers unterschreite, werde die Standsicherheit der Anlagen der Antragstellerin nach den vorgelegten gutachterlichen Stellungnahmen jedenfalls nicht konkret gefährdet. Soweit die Antragstellerin finanzielle Nachteile durch eine verminderte Leistung ihrer Anlage infolge der beklagten Windabschattung befürchte, wirke sich dies in der Abwägung nicht zu ihren Gunsten aus. Die Betreiber von Windkraftanlagen in einem Windpark müssten stets damit rechnen, dass ihnen der Wind in gewissem Umfang von anderen Anlagen genommen werde. Im Rahmen der Gesamtwürdigung erscheine daher die Verhinderung vollendeter Tatsachen nicht geboten, zumal die auf das Kostenrisiko der Beigeladenen zu 1. errichtete Anlage mit vertretbarem Aufwand auch wieder abgebaut werden könne.

Am 23.01.2004 hat die Antragstellerin gegen diesen Beschluss Beschwerde eingelegt und zur Begründung am 23.02.2004 ausgeführt, die erteilte Baugenehmigung sei nachbarrechtswidrig, da sie gegen die Schutznorm des § 15 Abs. 1 Satz 2 BauO LSA verstoße; denn die Beigeladene zu 1. habe nicht nachgewiesen, dass von ihrer Anlage keine Gefährdung der Standsicherheit der bereits vorhandenen Anlagen ausgehe. Dieser Nachweis liege in ihrem Verantwortungsbereich, da sie, die Antragstellerin, aufgrund der verbindlichen Festsetzungen des Bebauungsplans ... vom 25.11.1999 einen erhöhten Vertrauensschutz genieße, insbesondere mit einer späteren Veränderung des Bebauungsplans nicht habe rechnen müssen. In diesem Zusammenhang sei auch zu berücksichtigen, dass sie mit den Grundeigentümern Pacht- und Nutzungsverträge abgeschlossen habe, wonach diese nicht berechtigt seien, weitere Windenergieanlagen oder andere bauliche Anlagen auf dem bezeichneten Gebiet oder im Umkreis von 400 Metern zu errichten. Den Nachweis, dass die Standsicherheit der vorhandenen Windkraftanlagen nicht gefährdet sei, habe die Beigeladene zu 1. nicht erbracht. Vielmehr ergebe sich aus dem vorgelegten Gutachten des TÜV Nord deutlich, dass die Standsicherheit zumindest einer Windenergieanlage gefährdet sei. Schließlich sei auch die beabsichtigte Änderung des Bebauungsplans ... der Beigeladenen zu 2. abwägungsfehlerhaft und damit nichtig; denn der Plan verstoße gegen das Gebot der gerechten Abwägung, da eine Abwägung mir ihren privaten Belangen (Standsicherheit) nicht stattgefunden habe. Sie habe aufgrund des städtebaulichen Vertrags auch nicht damit rechnen müssen, dass weitere Anlagen zu den vorhandenen hinzuträten. Schließlich hätte mit Blick auf die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 30.06.2004 das Vorhaben der Beigeladenen zu 1. in einem förmlichen immissionsschutzrechtlichen Verfahren genehmigt werden müssen.

Die Antragstellerin beantragt,

den angefochtenen Beschluss des Verwaltungsgerichts Halle vom 19. Januar 2004 - 2 B 109/03 HAL - aufzuheben und die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs vom 3. Juni 2003 gegen die Baugenehmigung des Antragsgegners vom 29. April 2003 anzuordnen.

Die Beigeladene zu 1. beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie führt aus, der Antragstellerin sei bewusst gewesen, dass sie ihre Windenergieanlagen in einem Windvorranggebiet errichtet habe, so dass sie auch mit weiteren Anlagen habe rechnen müssen. Zur Standsicherheit habe sie eine gutachterliche Stellungnahme ... vorgelegt. Im Übrigen sei dem Verwaltungsgericht zuzustimmen, dass es keinerlei Anhaltspunkte für eine abwägungsfehlerhafte und damit nichtige Bauleitplanung der Beigeladenen zu 2. gebe. Auch der städtebauliche Vertrag beinhalte keine Vorabbindung der Beigeladenen zu 2., die ihr eine Änderung des Bebauungsplans verwehre.

Der Antragsgegner und die Beigeladene zu 2. haben keine Anträge gestellt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsvorgänge des Antragsgegners sowie die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen; diese sind Gegenstand der Beratung gewesen.

II.

Die Beschwerde ist gemäß § 146 Abs. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung i. d. F. d. Bek. v. 19.03.1991 (BGBl I 686) - VwGO -, zuletzt geändert durch Gesetz 24.06.2004 (BGBl I 1359 [1381]), zulässig und begründet.

Der Senat hält - anders als das Verwaltungsgericht - den zulässigen Antrag der Antragstellerin auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gemäß §§ 80 a Abs. 3 Satz 2; 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO für begründet, mit der Folge, dass die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin vom 03.06.2003 gegen die der Beigeladenen zu 1. erteilte Baugenehmigung vom 29.04.2003 anzuordnen ist.

Der Erfolg eines Aussetzungsantrags eines Nachbarn im Baunachbarstreit hängt im Regelfall wesentlich von den Erfolgsaussichten des von ihm eingelegten Rechtsbehelfs in der Hauptsache ab. Über die Erfolgsaussichten ist im Verfahren nach § 80a Abs. 3 i. V. m. § 80 Abs. 5 VwGO - auch in der Beschwerde - im Wege einer Interessensabwägung anhand einer summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage zu befinden (vgl. hierzu: Beschl. d. Senats v. 26.10.2001 - 2 M 289/01 -). Im Baurecht hat sich die Interessensabwägung im Rahmen eines dreiseitigen Verwaltungsrechtsverhältnisses zu halten. Der rechtsschutzsuchende Nachbar steht nicht nur der Behörde gegenüber, sondern die Angriffe auf die (vermeintlich) rechtswidrige Baugenehmigung haben mittelbare Auswirkungen auch auf den beigeladenen Bauherrn. Ist die Baugenehmigung offensichtlich rechtmäßig, muss sie der Bauherr regelmäßig sofort ausnutzen dürfen; ist sie offensichtlich rechtswidrig, darf das geplante Bauvorhaben in der Regel vorläufig nicht begonnen bzw. muss eingestellt werden. Ist der Ausgang der Hauptsache um den Widerspruch hingegen offen, stehen sich divergierende Interessen von der Ausgangsbasis her gleichberechtigt gegenüber. Gleichwohl fließen die Erfolgsaussichten unterhalb der Offensichtlichkeit in die Interessensabwägung mit ein (vgl. Schoch, in: Vorläufiger Rechtsschutz und Risikoverteilung im Verwaltungsrecht, S. 390).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze überwiegt vorliegend das Interesse der Antragstellerin, die sofortige Ausnutzung der Baugenehmigung vom 29.04.2003 zur Errichtung der Windenergieanlage ... zu verhindern, das Interesse der Beigeladenen zu 1., die Baugenehmigung sofort ausnutzen zu dürfen; denn ausgehend von dem Beschwerdevorbringen der Antragstellerin und dem Inhalt der Akten erweist sich die auf der Grundlage des § 77 Abs. 1 Satz 1 der Bauordnung des Landes Sachsen-Anhalt - BauO LSA - vom 09.02.2001 (LSA-GVBl., S. 50), geändert durch Gesetz vom 13.08.2002 (LSA-GVBl., S. 358), der Beigeladenen zu 1. erteilte Baugenehmigung des Antragsgegners vom 29.04.2003 als voraussichtlich rechtswidrig, weil sie gegen die bauordnungsrechtliche Vorschrift des § 15 Abs. 1 Satz 2 BauO LSA verstoßen dürfte.

Nach dieser Vorschrift, der grundsätzlich nachbarschützende Funktion zukommen kann (Radeisen, in: Jäde/Dirnberger, BauO LSA, Stand: 32. ErgLfrg. März 2004, § 15 RdNr. 28, m. w. N.), dürfen durch eine bauliche Anlage die Standsicherheit anderer baulicher Anlagen sowie anderer Anlagen und Einrichtungen und die Tragfähigkeit des Baugrundes des Nachbargrundstücks nicht gefährdet werden. Eine derartige Gefährdung ist hier ausweislich der von der Antragstellerin vorgelegten gutachterlichen Stellungnahme des Technischen Überwachungs-Vereins Nord e. V. zur Turbulenzbelastung im Windpark ... vom November 2003 für die Windenergieanlage (WEA 5) der Antragstellerin nachgewiesen; denn der Gutachter kommt in seiner Zusammenfassung und Bewertung zu dem Ergebnis, "dass nach einem Zubau der vier geplanten WEA an den jetzigen Standorten die Auslegungswerte für die Windlasten unter Berücksichtigung der Gesamtsituation im Windpark ... für WEA 5 und 10 überschritten werden. Die Standsicherheit der WEA 5 und 10 ist somit hinsichtlich der Auslegungsbedingungen der Turbulenzintensität nicht mehr gewährleistet." Diese Feststellungen des Gutachters greifen die Beteiligten nicht substantiiert an; insbesondere widerlegt das von der Beigeladenen zu 1. vorgelegte Gutachten ... vom 23.05.2003 nicht die Feststellungen des o. g. Gutachtens vom November 2003, weil in diesem Gutachten die Standsicherheit der geprüften Windenergieanlagen lediglich bestätigt wird, "sofern die entsprechenden Lastgutachten Grundlage der Typenprüfung sind". Insofern steht das Gutachten vom 23.05.2003 noch unter einer Bedingung, die sich im vorläufigen Rechtsschutzverfahren nicht abschließend prüfen lässt, während das Gutachten vom November 2003 zu einem endgültigen und eindeutigen Ergebnis kommt. Darüber hinaus hat der Senat keine Anhaltspunkte, dass letzteres Gutachten auf falschen Grundlagen oder fehlerhaften methodischen Ansätzen beruht, so dass jedenfalls im vorläufigen Rechtsschutzverfahren mit dem Gutachten vom November 2003 davon auszugehen ist, dass durch die hinzutretende Windenergieanlage der Beigeladenen zu 1. die Standsicherheit der bereits vorhandenen Windenergieanlage der Antragstellerin gemäß § 15 Abs. 1 Satz 2 BauO LSA gefährdet ist.

Fraglich ist allerdings, wer das Risiko zu tragen hat, dass der für den Normalfall unbedenkliche und hier eingehaltene Mindestabstand in Hauptwindrichtung auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls nicht ausreicht, um eine Gefährdung der Standsicherheit auszuschließen. Insoweit ergibt sich aus den normativen Vorgaben des § 15 Abs. 1 Satz 2 BauO LSA nicht zwangsläufig, dass es Sache des hinzutretenden Anlagenbetreibers ist, auch bei Einhaltung des in Hauptwindrichtung für den Normalfall ausreichenden Mindestabstands zu anderen Windenergieanlagen die Unschädlichkeit seiner Anlage nachzuweisen, sondern nur, sofern dem Nachbarn eine etwaige - hier vermeintlich durch Windturbulenzen der der Beigeladenen zu 1. genehmigten Windenergieanlage verursachte - Gefährdung der Standsicherheit seiner eigenen baulichen Anlage vor dem Hintergrund nicht mehr zuzurechnen ist, dass er (als Bauherr) gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 BauO LSA grundsätzlich selbst für die Standsicherheit seiner eigenen Anlage einzustehen hat. Die danach erforderliche Bewertung, wem die etwaige Gefährdung der Standsicherheit einer Windenergieanlage durch eine hinzutretende benachbarte Windenergieanlage zuzurechnen ist, ist also wesentlich davon abhängig, welche Veränderungen der Windverhältnisse der Nachbar schon beim Bau seiner Anlage in Rechnung stellen musste (so auch OVG NW, Beschl. v. 01.02.2000 - 10 B 1831/99 -, BRS 63 Nr. 50; OVG NW, Beschl. v. 09.07.2003 - 7 B 949/03 -, BauR 2003, 1712 [1714]).

Insoweit ist der Beigeladenen zu 1. vom Grundsatz her zuzustimmen, dass derjenige, der in einem Windpark eine Windkraftanlage errichtet, nicht darauf vertrauen kann, seine Anlage werde auf Dauer den bestehenden örtlichen Windverhältnissen unverändert ausgesetzt bleiben. Er muss vielmehr von vornherein damit rechnen, dass weitere Windenergieanlagen aufgestellt werden, die seiner Anlage nicht nur Wind nehmen, sondern diese auch in seiner Qualität verändern. Etwas Anderes muss allerdings dann gelten, wenn - wie hier - eine Windenergieanlage in einem Windpark errichtet werden soll, für den die Standorte der einzelnen Anlagen durch Standortvorgaben in einem Bebauungsplan verbindlich (hier durch die Festsetzung von Baugrenzen im Bebauungsplan ... "..." vom 25.11.1999) vorgegeben sind. In einem solchen Fall muss der "Erst-Betreiber" nicht stets damit rechnen, dass andere hinzutretende Betreiber dasselbe Recht für sich in Anspruch nehmen. Folglich ist es bei der nach § 15 Abs. 1 Satz 2 BauO LSA vorzunehmenden Risikozuordnung gerechtfertigt, das Überschreiten der vorausgesetzten Turbulenzintensität allein der Anlage zuzurechnen, die als Letzte errichtet wird, weil gerade diese einzelne Anlage für die Gefährdung der Standsicherheit kausal geworden ist (vgl. insoweit auch OVG NW, Beschl. v. 09.07.2003, a. a. O.).

Ist mithin die der Beigeladenen zu 1. erteilte Baugenehmigung vom 29.04.2003 schon mit Bauordnungsrecht nicht vereinbar, kann der Senat die Frage, ob das Bauvorhaben der Beigeladenen zu 1. auch bauplanungsrechtlich unzulässig ist, hier offen lassen. Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass die von der Antragstellerin geltend gemachten privaten Belange, insbesondere die Gefährdung der Standsicherheit ihrer eigenen Windenergieanlagen, durchaus Belange im Sinne des § 1 Abs. 6 des Baugesetzbuchs - BauGB - i. d. F. d. Bek. v. 27.08.1997 (BGBl I 2141, ber.: BGBl. 1998 I 137), zuletzt geändert durch Gesetz vom 24.06.2004 (BGBl I 1359), sein dürften, die im Rahmen der 1. Änderung des Bebauungsplans ... "..." vom 25.11.1999 in die gerechte Abwägung der öffentlichen und privaten Belange einzufließen haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus §§ 13 Abs. 1 Satz 1; 20 Abs. 3 des Gerichtskostengesetzes i. d. F. d. Bek. v. 15.12.1975 (BGBl I 3047) - GKG -, zuletzt geändert durch Gesetz vom 13.12.2001 (BGBl I 3638 [3639]); insoweit schließt sich der Senat dem vom Verwaltungsgericht festgesetzten Streitwert an.

Ende der Entscheidung

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