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Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Beschluss verkündet am 20.01.2003
Aktenzeichen: 2 M 42/02
Rechtsgebiete: VwGO


Vorschriften:

VwGO § 80 II Nr 1
VwGO § 80 VI
1. Eine Vollstreckung droht nicht bereits deshalb (§ 80 Abs. 6 Satz 2 Nr 2 VwGO), weil die sofortige Vollziehung angeordnet worden ist. Notwendig sind vielmehr aus der Sicht des objektiven Beobachters konkrete Vorbereitungshandlungen der Behörde zur alsbaldigen Durchsetzung des Abgabenbescheids.

2. Die Durchführung des behördlichen Antragsverfahrens ist Zugangsvoraussetzung für das gerichtliche vorläufige Rechtsschutzverfahren und kann nicht mehr heilend nachgeholt werden, wenn der gerichtliche Antrag anhängig gemacht worden ist.

3. Ist über den Aussetzungsantrag in angemessener Zeit entschieden und droht keine Vollstreckung, so fehlt einem Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO das Rechtsschutzinteresse.


OBERVERWALTUNGSGERICHT DES LANDES SACHSEN-ANHALT BESCHLUSS

Aktenz.: 2 M 42/02

Datum: 20.01.2003

Gründe:

Der Beschluss beruht auf § 146 Abs. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung i. d. F. d. Bek. v. 19.03.1991 (BGBl I 686) - VwGO 02 -, in der Fassung des Gesetzes vom 20.12.2001 (BGBl I 3987) sowie auf §§ 154 Abs. 2, 159 VwGO [Kosten] und auf §§ 13 Abs. 2; 20 Abs. 3 GKG i. V. m. Nr. I. 7. des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.

Die Beschwerde bleibt auch unter Berücksichtigung der im Rechtsmittelverfahren dargelegten Gründe (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO) ohne Erfolg.

Das Verwaltungsgericht hat im Ergebnis zu Recht den Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes bezüglich der Baugebührenbescheide der Antragsgegnerin vom 19.10.2001 und vom 07.11.2001 abgelehnt.

Hinsichtlich des Bescheides vom 19.10.2001 fehlt es den Antragstellerinnen bereits am Rechtsschutzinteresse.

In Anwendung des auch im öffentlichen Recht geltenden § 133 BGB kann die im Schreiben vom 29.10.2001 gewählte Formulierung: "Die Aufhebung des zugehörigen Abgabenbescheides ... vom 19.10.2001 wurde ebenfalls am 26.10.2001 veranlasst", auch aus der Sicht des Empfängerhorizontes keinen Zweifel entstehen lassen, dass die Antragsgegnerin damit ihren Willen zur Aufhebung des Bescheides ausdrücken wollte. Wäre dies nicht so, entbehrte der dann von der Antragsgegnerin am 07.11.2001 zu gleicher Leistung und in gleicher Gebührenhöhe erlassene Bescheid jeglichen Sinns.

Soweit sich die Antragstellerinnen gegen den Gebührenbescheid vom 07.11.2001 wenden, hat das Verwaltungsgericht diesen Antrag zu Recht auf der Grundlage von § 80 Abs. 6 VwGO für unzulässig gehalten.

Nach dieser Vorschrift ist der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten - wie den hier streitgegenständlichen Baugebühren - nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat.

Die Durchführung des behördlichen Antragsverfahrens ist Zugangsvoraussetzung für das gerichtliche Verfahren und kann, nachdem das gerichtliche Verfahren anhängig geworden ist, nicht mehr heilend nachgeholt werden oder durch eine Einlassung der Behörde zur Sache ersetzt werden (Funke-Kaiser, in: Bader/Funke-Kaiser/Kuntze/ von Albedyll, VwGO, 2. Aufl. 2002, § 80 RdNr. 125; Kopp/Schenke, VwGO, 13. Aufl. 2003, § 80 RdNr. 185).

Den am 12.11.2001 gestellten Aussetzungsantrag hat die Antragsgegnerin am 27.11.2001 - und damit nach Rechtshängigkeit des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens beim Verwaltungsgericht am 19.11.2001 - abgelehnt.

Der Antrag ist auch nicht aus Gründen des § 80 Abs. 6 Satz 2 Nrn. 1 oder 2 VwGO zulässig.

Die Durchführung des Verfahrens ist nicht entbehrlich; denn die Antragsgegnerin hat über den am 12.11.2001 gestellten Antrag am 27.11.2001 in angemessener Frist sachlich entschieden (Nr. 1).

Entgegen der Auffassung der Antragstellerinnen drohte auch keine Vollstreckung aus dem Bescheid vom 07.11.2001 (Nr. 2).

Für die Annahme einer drohenden Vollstreckung genügt nicht die Vollziehbarkeit des Bescheides (wegen fehlender aufschiebender Wirkung des Widerspruchs gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), die Fälligkeit der Forderung und die fehlende behördliche Bereitschaft zur Aussetzung der Vollziehung. Es müssen vielmehr Vollstreckungsmaßnahmen eingeleitet oder der Beginn der Vollstreckung behördlich angekündigt sein; wenigstens müssen aus der Sicht eines objektiven Betrachters konkrete Vorbereitungshandlungen der Behörde für eine alsbaldige Durchsetzung des Abgabenbescheids vorliegen (Schoch, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Stand: Januar 2001, § 80 RdNr. 349 mit Rechtsprechungshinweisen).

Dass die Antragsgegnerin Handlungen in diesem Sinne vorgenommen hat, ist weder aus den dem Senat vorliegenden Akten ersichtlich noch seitens der Antragstellerinnen hinreichend dargelegt. Das mit Schriftsatz vom 05.12.2001 dem Verwaltungsgericht vorgelegte Schreiben der Antragsgegnerin vom 27.11.2001, in dem diese mitteilt, "dass eine Aussetzung der Vollziehung des o.g. Abgabenbescheides nicht veranlasst wird", bedeutet keine drohende Vollstreckung im Sinne des § 80 Abs. 6 Satz 2 Nr. 2 VwGO.

Soweit die Antragstellerinnen meinen sollten, die Behandlungsweise des Verwaltungsgerichts sei "reiner Formalismus und würde dazu führen, dass die Untätigkeit der Antragsgegnerin verbunden mit den angedrohten Vollstreckungsmaßnahmen einen Bürger schutzlos machen, müssen sie sich die gesetzliche Regelung des § 80 Abs. 6 VwGO entgegenhalten lassen, mit der Gesetzgeber gerade das Ziel verfolgt, den Vorrang der verwaltungsinternen Kontrolle zu stärken und die Verwaltungsgerichte zu entlasten (vgl. BT-Drs. 11/7030 vom 27.04.1990, S. 24).



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