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Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Urteil verkündet am 20.10.2004
Aktenzeichen: 2 M 483/04
Rechtsgebiete: LSA-BauO, LSA-SOG


Vorschriften:

LSA-BauO § 3
LSA-BauO § 64 II 1 2
LSA-SOG § 7
LSA-SOG § 8
Die Beseitigung des Abbruchguts ist eine mit der Abrissverfügung unmittelbar zusammenhängende Maßnahme.

"Störer" ist bei Gefahren, die von dem Abbruchgut ausgehen, deshalb der Grundstückseigentümer und nicht die Baubehörde.


OBERVERWALTUNGSGERICHT DES LANDES SACHSEN-ANHALT URTEIL

Aktenz.: 2 M 483/04

Datum: 20.10.2004

Gründe:

Der Beschluss beruht auf § 146 Abs. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung i. d. F. der Novellierung v. 20.12.2001 (BGBl I 3987) - VwGO -, diese in der jeweils gültigen Fassung, sowie auf § 154 Abs. 2 VwGO <Kosten> und auf §§ 47 Abs. 1; 52 Abs. 2; 53 Abs. 3 Nr. 1 des Gerichtskostengesetzes i. d. F. des Art. 1 des Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes v. 05.05.2004 (BGBl I 718) - GKG - <Streitwert>.

Die zulässige Beschwerde ist unbegründet; denn das Verwaltungsgericht hat den Antrag der Antragstellerin auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zu Recht abgelehnt. Die von der Beschwerde dargelegten Gründe führen zu keiner Änderung der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung (§ 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO).

1. Ohne Erfolg wendet die Antragstellerin ein, der Auffassung des Verwaltungsgerichts, die Anordnung des Sofortvollzugs im Bescheid vom 23.03.2004 sei hinreichend im Sinne des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO begründet, weil "eine Gefährdung von Gesundheit oder Leben" drohe, könne unter keinem denkbaren Gesichtspunkt gefolgt werden; denn diese Begründung legt hinreichend ein besonderes öffentliches Interesse am sofortigen Vollzug der angeordneten bauordnungsrechtlichen Sicherungsverfügung vom 23.03.2004 dar, ohne dass es im Rahmen des formellen Begründungserfordernisses des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO auf die (materielle) Frage ankommt, ob von dem Grundstück tatsächlich eine Gefährdung für Gesundheit oder Leben ausgeht. 2. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin gelangt der Senat zu dem Ergebnis, dass bei Abwägung der Interessen der Beteiligten das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der Verfügung vom 23.03.2004 überwiegt und deshalb die Aufrechterhaltung des Sofortvollzuges geboten ist.

Zu Recht ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass die angefochtene bauordnungsrechtliche Verfügung auf § 64 Abs. 2 S. 1, 2 der Bauordnung des Landes Sachsen-Anhalt - BauO LSA - vom 09.02.2001 (LSA-GVBl., S. 50), zuletzt geändert durch Gesetz vom 16.07.2003 (LSA-GVBl., S. 158, 161 <Art. 5>), gestützt werden kann. Nach dieser Vorschrift haben die Bauordnungsbehörden u. a. bei dem Abbruch baulicher Anlagen darüber zu wachen, dass die öffentlich-rechtlichen Vorschriften und die aufgrund dieser Vorschriften erlassenen Anordnungen eingehalten werden; in Wahrnehmung dieser Aufgabe haben sie nach pflichtgemäßem Ermessen die erforderlichen Maßnahmen zu treffen. Die Anordnungen der Antragsgegnerin, das Grundstück mit geeigneten Mitteln, z. B. Bauzaun, abzusperren und den Bauschutt ordnungsgemäß zu entsorgen, sind - wie das Verwaltungsgericht zutreffend feststellt - erforderliche Maßnahmen im Sinne dieser Vorschrift, weil der Zustand des Grundstücks der Antragstellerin gegen die Anforderungen des für den Abbruch baulicher Anlagen sinngemäß geltenden § 3 Abs. 1 Satz 1 BauO LSA (vgl. § 3 Abs. 5 BauO LSA) verstößt. Nach dieser Vorschrift sind u. a. bauliche Anlagen so anzuordnen, zu errichten, zu ändern und instand zu halten, dass die öffentliche Sicherheit und Ordnung, insbesondere Leben und Gesundheit, nicht gefährdet werden.

Die in den Akten befindlichen photographischen Aufnahmen bestätigen die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass sich das Abbruchgut ungeordnet und ungesichert auf dem Grundstück der Antragstellerin befunden hat. Dies barg die Gefahr in sich, dass durch Witterungseinflüsse die bis zu 3 m hohe Aufschüttung, die unmittelbar an den öffentlichen Gehweg angrenzte, ins Rutschen gerät und Passanten verletzt oder Kraftfahrzeuge beschädigt. Diesen Umstand kann die Antragstellerin nicht - wie in der Beschwerdeschrift geschehen - mit dem Hinweis, es sei in den letzten 13 Monaten nicht einmal ansatzweise zu einer Veränderung des Bauzustands gekommen, in Abrede stellen; denn § 3 Abs. 1 BauO LSA verlangt nicht bereits den Eintritt eines Schadens, sondern eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, die hier bei Belassen des ungesicherten Zustands gegeben war und einen Schadenseintritt jederzeit hinreichend wahrscheinlich gemacht hat. Auch der Hinweis, aufgrund des Böschungswinkels sei ein Abrutschen schon physikalisch ausgeschlossen, vermag nicht zu überzeugen; insbesondere die Lichtbildaufnahmen (...) belegen, dass durchaus Erde, Steine und Holzteile auf die vor dem Grundstück liegenden, aufgrund ihrer Widmung für die Allgemeinheit öffentlichen Gehwege gerutscht waren.

Die Antragstellerin hat ihre Pflicht aus § 3 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 BauO LSA verletzt, indem sie das Abbruchgut nicht ordnungsgemäß abtransportiert, sondern es auf ihrem Grundstück belassen hat; denn die Beseitigung des Abbruchgutes ist - wie das Verwaltungsgericht zutreffend feststellt - eine mit der bestandskräftigen Abrissverfügung unmittelbar zusammenhängende Maßnahme, die verhindern soll, dass im Rahmen der Befolgung des Abbruchgebots ein neuer ordnungswidriger Zustand entsteht. Im Belassen des ungeordneten Abbruchguts auf dem Grundstück liegt eine erneute Gefahr für Leben und Gesundheit, deren Beseitigung die Behörde ebenfalls anordnen durfte.

Die Antragstellerin ist wegen dieser Pflichtverletzung auch verantwortlich und kann sich zur Abwehr der angeordneten Maßnahme nicht darauf berufen, allein die Antragsgegnerin habe den Bauzustand zu verantworten, da sie ohne Rücksicht auf ein bestehendes, zwischen der Antragstellerin und der Abbruchfirma Messerschmidt am 24.04.2003 begründetes Auftragsverhältnis eingegriffen und unter Missachtung jeglicher Regeln der Baukunst die Leitung der Abbrucharbeiten übernommen habe.

Gegenüber welchen Verantwortlichen die erforderlichen Maßnahmen im Sinne des § 64 Abs. 2 BauO LSA zu treffen sind, regelt die Bauordnung Sachsen-Anhalt nicht, so dass insoweit die allgemeinen Grundsätze des Sicherheitsrechts über die Polizeipflichtigkeit des Verhaltens- (bzw. Handlungs-) und des Zustandsstörers heranzuziehen sind (OVG LSA, Beschl. v. 25.02.2002 - 2 M 363/01 -), d. h. es ist derjenige in Anspruch zu nehmen, den gemäß §§ 7, 8 ff. des Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung - SOG LSA - i. d. F. d. Bek. v. 23.09.2003 (LSA-GVBl., S. 214), für die vermutete Gefahr die Verantwortung trifft. Das ist neben dem Verantwortlichen für den Zustand von Tieren und Sachen (§ 8 SOG LSA) derjenige, der durch sein Verhalten die vermutete Gefahr verursacht hat (§ 7 SOG LSA).

Vorliegend ist die Antragstellerin als Eigentümerin des Grundstücks, auf dem das Abbruchgut lagert, nicht nur Zustandsstörerin im Sinne des § 8 SOG LSA, sondern wegen eines Verstoßes gegen ihre Rechtspflicht aus § 3 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 BauO LSA durch Unterlassen auch Verhaltensstörerin gemäß § 7 Abs. 1 SOG LSA. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die Antragsgegnerin den Abbruch des Gebäudes im Wege der Ersatzvornahme selbst durchführte; denn durch eine Ersatzvornahme gemäß §§ 53 Abs. 1; 54 Abs. 1 Nr. 1; 55 Abs. 1 und 59 Abs. 1 Satz 1 SOG LSA wird weder die Behörde noch der beauftragte Dritte selbst Störer im Sinne der §§ 7, 8 ff. SOG LSA. Schließlich ist auch nach dem Vortrag der Antragstellerin im Beschwerdeverfahren festzustellen, dass die Firma M., die den Abbruch des Gebäudes im Auftrag der Antragsgegnerin auf der Grundlage der bauordnungsrechtlichen Verfügung vom 25.04.2003 durchgeführt hatte, nicht verpflichtet war, nach Abbruch des Gebäudes auch unmittelbar das Abbruchgut zu beseitigen; diese Verpflichtung oblag vielmehr weiterhin der Antragstellerin, da die Beseitigung nicht schon Gegenstand der Abbruchverfügung vom 25.04.2003, sondern erst der hier streitgegenständlichen Verfügung vom 23.03.2004 war.

Ende der Entscheidung

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