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Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Beschluss verkündet am 26.09.2003
Aktenzeichen: 2 M 487/02
Rechtsgebiete: BauGB


Vorschriften:

BauGB § 127 II Nr. 1
BauGB § 130 II 2
1. Ob ein Straßenzug als einheitliche Erschließungsanlage zu gelten hat, bestimmt nicht die Stra-ßenbezeichnung, sondern das tatsächliche Erscheinungsbild, wobei von einer natürlichen Be-trachtungsweise auszugehen ist.

2. Es steht im Ermessen der Gemeinde, ob sie Abschnitte einer einheitlichen Erschließungsanlage veranlagt oder mehrere Anlagen zu einer Erschließungseinheit zusammenfasst. Die Abschnittsbildung muss sich aber an örtlich erkennbaren Merkmalen oder an rechtlichen Gesichtspunkten orientieren.

3. In dem Beschluss über ein gesondertes Ausbauprogramm für einen Teil des Straßenzugs kann eine Abschnittsbildung liegen.


OBERVERWALTUNGSGERICHT DES LANDES SACHSEN-ANHALT BESCHLUSS

Aktenz.: 2 M 487/02

Datum: 26.09.2003

Gründe:

Der Beschluss beruht auf § 146 Abs. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung i. d. F. d. Bek. v. 19.03.1991 (BGBl I 686) - VwGO -, in der Fassung des Gesetzes vom 20.12.2001 (BGBl I 3987) - VwGO 02 -, sowie auf § 154 Abs. 1 VwGO <Kosten> und auf §§ 13 Abs. 2; 20 Abs. 3 des Gerichtskostengesetzes i. d. F. d. Bek. v. 15.12.1975 (BGBl I 3047) - GKG -, zuletzt geändert durch Gesetz vom 14.03.2003 (BGBl I 345 [349]) <Streitwert>.

Die Beschwerde ist zulässig und begründet.

Das Verwaltungsgericht hat den Antrag der Antragstellerin auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung gemäß §§ 80 Abs. 5 Satz 1, Abs. 4 Satz 3 VwGO zu Unrecht abgelehnt. Bei der hier allein möglichen summarischen Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Heranziehungsbescheids der Antragsgegnerin vom 05.09.2001.

Die als eine beitragsfähige Erschließungsanlage behandelten Achsen 7 (...) und 8 (...) sind wahrscheinlich schon keine einheitliche Erschließungsanlage i. S. v. § 127 Abs. 2 Nr. 1 BauGB.

Der Begriff "Straße" (einschließlich Wege und Plätze) ist in § 127 Abs. 2 Nr. 1 BauGB ein eigenständiger (bundesrechtlicher) Begriff des Erschließungsbeitragsrechts, er ist dem erschließungsbeitragsrechtlichen Begriff der beitragsfähigen Erschließungsanlage untergeordnet (BVerwG, Urt. v. 13.12.1985 - BVerwG 8 C 66.84 -, DVBl. 1986, 173). Deshalb bestimmt allein das Bundesrecht, ob eine Verkehranlage eine selbständige Straße (ein Weg oder ein Platz) im Sinne des § 127 Abs. 2 Nr. 1 BauGB ist. Das Erschließungsbeitragsrecht hebt in § 127 Abs. 2 Nr. 1 BauGB ab auf eine selbständige Verkehrsanlage als einzelne Erschließungsanlage. Für die Beantwortung der Frage, ob eine Straße bzw. ein Straßenzug eine einzelne Erschließungsanlage ist oder aus mehreren Anlagen besteht, kommt es regelmäßig nicht auf eine einheitliche Straßenbezeichnung an. Vielmehr ist - ausgehend von einer natürlichen Betrachtungsweise - maßgebend auf das Erscheinungsbild abzustellen (BVerwG, Urt. v. 21.09.1979 - BVerwG 4 C 55.76 -, Buchholz 406.11 [BBauG] § 130 Nr. 24 S. 23 [25]), und zwar auf das durch die tatsächlichen Verhältnisse im Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Erschließungsbeitragspflichten (§ 133 Abs. 2 Satz 1 BauGB) geprägte Erscheinungsbild (BVerwG, Urt. v. 07.06.1996 - BVerwG 8 C 30.94 -, BVerwGE 101, 225 [229]). Es kommt auf den Gesamteindruck an, den die tatsächlichen Verhältnisse einem unbefangenen Beobachter vermitteln. Maßgebend ist das durch die tatsächlichen Gegebenheiten wie Straßenführung, Straßenlänge und Straßenausstattung geprägte Erscheinungsbild (vgl. Beschl. des Senats v. 10.09.2003 - 2 L 195/03 -).

Das Verwaltungsgericht hat hier die Anlage weder in Augenschein genommen noch sich durch Lichtbilder einen Eindruck verschafft. Es hat vielmehr nur im Rahmen summarischer Prüfung das Vorliegen einer Erschließungsanlage bejaht und eine abschließende Beurteilung dem Hauptsachverfahren überlassen.

Ob die Achsen 7 (...) und 8 (...) von ihrem Gesamteindruck her als eine solche einzelne Erschließungsanlage anzusehen sind, kann indes offen bleiben. Bei der hier gegebenen Sach- und Rechtslage muss der Erschließungsaufwand in jedem Fall getrennt für die beiden Achsen ermittelt und der Veranlagung zugrunde gelegt werden. Selbst wenn eine oder mehrere Straßen bei natürlicher Betrachtungsweise den Eindruck einer einzelnen oder von mehreren Erschließungsanlage(n) vermitteln, liegt es im Ermessen der Gemeinde, darüber zu entscheiden, ob sie Abschnitte einer Erschließungsanlage oder mehrere Anlagen als eine sog. Erschließungseinheit veranlagt. Es müssen lediglich die Vorrausetzungen für das eine oder das andere Beitragsinstitut gegeben sein. Selbst wenn die Achsen 7 (...) und 8 (...) bei natürlicher Betrachtungsweise als eine Erschließungsanlage anzusehen wären, hätte doch hier der Rat der Antragsgegnerin durch die sich bei den Verwaltungsvorgängen befindlichen Beschlüsse vom 27.06.1996: "der Stadtrat der Stadt Weißenfels beschließt für das Gewerbegebiet K-Straße Achse 7 (...)" und "die Achse 8 (...) folgendes Ausbauprogramm", eine Abschnittsbildung vorgenommen.

Gemäß § 130 Abs. 2 S. 2 BauGB können Abschnitte einer Erschließungsanlage nach örtlich erkennbaren Merkmalen oder nach rechtlichen Gesichtspunkten (z. B. Grenzen von Bebauungsplangebieten, Umlegungsgebieten, förmlich festgelegten Sanierungsgebieten) gebildet werden. § 130 Abs. 2 S. 2 BauGB gestattet eine Abschnittsbildung "nach örtlich erkennbaren Merkmalen", als solche kommen Querstraßen, Straßeneinmündungen, Plätze, Brücken, Wasserläufe sowie das Ende des bebauten Geländes oder Baugebietsgrenzen in Betracht (vgl. Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 6. Aufl., § 13 RdNr. 21). Das rechtwinklige Einmünden der Achse 7 in die Achse 8 wäre ein solches örtlich erkennbares Merkmal, welches die Antragsgegnerin im Rahmen einer Ermessensentscheidung zu einer Abschnittsbildung veranlasst haben könnte, falls es sich bei natürlichen Betrachtungsweise bei den Achsen 7 (...) und 8 (...) nicht ohnehin schon um zwei Erschließungsanlagen handeln würde.

Die erforderliche Neuberechnung der Erschließungsbeiträge ggfs. auch unter Einbeziehung des Grundstücks Flurstück ... der Flur ... der Gemarkung Weißenfels muss dem Hauptsacheverfahren überlassen bleiben.

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