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Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Beschluss verkündet am 11.11.2004
Aktenzeichen: 2 M 528/04
Rechtsgebiete: LSA-GO


Vorschriften:

LSA-GO § 6 II 2
1. Die Bestimmung einer Hauptsatzung, wonach Satzungen der Gemeinde entweder im Amtsblatt des Landkreises oder im Amtsblatt der Verwaltungsgemeinschaft bekannt gemacht werden sollen, entspricht nicht rechtsstaatlichen Anforderungen und ist nichtig.

2. Es reicht auch nicht aus, wenn in dem einen Verkündungsblatt auf die konkrete Veröffentlichung im anderen Verkündungsblatt hingewiesen wird.


OBERVERWALTUNGSGERICHT DES LANDES SACHSEN-ANHALT BESCHLUSS

Aktenz.: 2 M 528/04

Datum: 11.11.2004

Gründe:

Der Beschluss beruht auf § 146 Abs. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung i. d. F. der Novellierung v. 20.12.2001 (BGBl I 3987) - VwGO -, diese in der jeweils gültigen Fassung, sowie auf § 154 Abs. 2 VwGO <Kosten> und auf §§ 47 Abs. 1; 52 Abs. 1; 53 Abs. 3 Nr. 1 des Gerichtskostengesetzes i. d. F. des Art. 1 des Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes v. 05.05.2004 (BGBl I 718) - GKG - i. V. m. Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung der am 07./08.07.2004 in Leipzig beschlossenen Änderungen <Streitwert>.

Die zulässige Beschwerde ist begründet.

Das Verwaltungsgericht hat den Antrag der Antragsteller auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gemäß §§ 80 Abs. 5 Satz 1, Abs. 4 Satz 3 VwGO zu Unrecht abgelehnt; denn bei der hier allein in Betracht kommenden summarischen Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Heranziehungsbescheides der Antragsgegnerin vom 06.10.2003.

Zutreffend wenden die Antragsteller in ihrer Beschwerdeschrift vom 15.09.2004 ein, dass die Erschließungsbeitragssatzung der Antragsgegnerin vom 30.11.1994 nicht wirksam veröffentlicht worden ist.

Als Rechtsetzungsakt bedürfen Satzungen zu ihrer Wirksamkeit einer ordnungsgemäßen Bekanntmachung. Da das Erfordernis einer ordnungsgemäßen Bekanntmachung von Satzungen aus dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG resultiert und die Bekanntmachung elementares Gebot dieses Rechtsstaatsprinzips ist, ist die Veröffentlichung zwingender Bestandteil des Rechtsetzungsaktes. Nicht verkündete bzw. bekannt gemachte Satzungen entfalten keine Wirkung als Ortsrecht (Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, Kommentar zum Grundgesetz, Stand: Juli 2001, Art. 19 Abs. 4 GG RdNr. 250). Die Gemeindeordnung für das Land Sachsen-Anhalt - GO LSA - vom 05.10.1993 (LSA-GVBl., S. 568), zuletzt geändert durch Gesetz vom 28.04.2004 (LSA-GVBl., S. 246), schreibt für kommunales Satzungsrecht keine bestimmte Veröffentlichungsform vor. In Ausfüllung der damit verbleibenden Gestaltungsfreiheit oblag es der Antragsgegnerin, durch ihre Hauptsatzung gemäß §§ 6 - 8 GO LSA Art und Weise der Bekanntmachung von Satzungen im Einzelnen zu bestimmen.

Die zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der Erschließungsbeitragssatzung geltende Hauptsatzung der Antragsgegnerin vom 11.07.1994 regelte zwar in § 11 Abs. 1 Satz 1, dass, soweit nicht Rechtsvorschriften besondere Regelungen treffen, die gesetzlich erforderlichen Bekanntmachungen im Amtsblatt des Landkreises Saalkreis oder im Amtsblatt der Verwaltungsgemeinschaft bzw. der Gemeinde erfolgen. Diese Bekanntmachungsregelung genügt indes schon deswegen nicht den Bestimmtheitsanforderungen, die das Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG; Art. 2 Abs. 1, 3 der Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt - LVerf-LSA - vom 16.07.1992 [LSA-GVBl., S. 600]) an eine wirksame Veröffentlichung von Normen stellt, weil sie alternativ die Möglichkeit einer Veröffentlichung in verschiedenen Amtsblättern zulässt (ebenso OVG MV, Beschl. v. 10.05.1995 - 6 M 72/93 -, NVwZ-RR 1996, 227, m. w. N.).

Das Rechtsstaatsprinzip verlangt, dass sich der Bürger vom Inhalt des zu verkündenden Rechtssatzes und der Tatsache seines In-Kraft-Tretens verlässlich und ohne unzumutbare Schwierigkeiten zuverlässig Kenntnis verschaffen kann (ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts; vgl. etwa: BVerfG, Beschl v 22.11.1983 - 2 BvL 25/81 -, BVerfGE 65, 283 [291]); BVerwG, Urt. v. 11.02.1972 - BVerwG VII C 37.69 -, DÖV 1972, 349 [349/350], Urt. v. 18.04.1975 - BVerwG VII C 41.73 -, Buchholz 401.84 [Benutzungsgebühren] Nr. 25 [S. 4]). Dem zuständigen Normgesetzgeber obliegt es, das Veröffentlichungsverfahren so auszugestalten, dass es diese rechtsstaatliche Funktion erfüllt, d. h. die Bestimmungen in der Hauptsatzung über die Veröffentlichung von Satzungen müssen dem Bürger die Möglichkeit geben, sich ohne besondere Schwierigkeiten darüber zu informieren, wie Satzungen in der Gemeinde bekannt gemacht werden. Inhaltlich müssen die Bestimmungen der Bekanntmachungsregelung so gefasst sein, dass sie geeignet sind zu gewährleisten, dem Kreis der von der Satzung unmittelbar Betroffenen schnell, zuverlässig und ohne größeren Zeitaufwand Kenntnis vom Ortsrecht zu vermitteln (OVG MV, Beschl. v. 10.05.1995, a. a. O.; OVG NW, Urt. v. 25.08.1965 - III A 530/65 -, NJW 1966, 1575 [1577]).

Eine Bekanntmachungsregelung, die der Gemeinde - wie hier - ein Wahlrecht zwischen verschiedenen Veröffentlichungsformen eröffnet, wird diesen Anforderungen nicht gerecht; denn der Bürger kann sich hierdurch gerade nicht darauf verlassen, dass jede Veröffentlichung des rechtsetzenden Organs grundsätzlich in ein und derselben Weise erfolgt und er jederzeit und zuverlässig Kenntnis von dem für ihn geltenden Ortsrecht erlangt.

Soweit die Antragsgegnerin einwendet, durch § 11 Abs. 2 der Hauptsatzung sei gewährleistet, dass in einer der beiden zur Veröffentlichung vorgesehenen Medien ein Hinweis auf die anderorts erfolgte Veröffentlichung vorgesehen sei, führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Zwar wird die Auffassung vertreten, dass eine alternative Bekanntmachung vorgesehen werden könne, wenn entweder anhand konkreter, für den rechtsunterworfenen Bürger nachvollziehbarer Kriterien bestimmbar sei, in welchen Fällen Ortsrecht in der einen oder in der anderen Form veröffentlicht werde (Stober, in: DVBl. 1979, 490 [493]), oder in einer der beiden zur Veröffentlichung vorgesehenen Medien ein Hinweis auf die anderorts erfolgte Veröffentlichung vorgesehen sei (OVG MV, Beschl. v. 10.05.1995, a. a. O., m. w. N.). Indes erfüllt § 11 Abs. 2 der Hauptsatzung der Antragsgegnerin letztere Voraussetzung schon deswegen nicht, weil auch diese Vorschrift lediglich eine alternative Hinweismöglichkeit in Amtsblättern der Verwaltungsgemeinschaft, der Gemeinde oder des Kreises vorsieht, so dass eine zuverlässige Kenntnisnahme der Bürger mithin auch durch dieses vorgesehene Wahlrecht nicht gewährleistet ist. Auch ist für den Senat nicht erkennbar, dass die Antragsgegnerin die Veröffentlichung von Satzungen in einem bestimmten Amtsblatt aufgrund konkreter und nachvollziehbarer Kriterien vornimmt.

Schließlich kann sich die Antragsgegnerin nicht mit Erfolg darauf berufen, die Antragsteller setzten sich mit ihrem Vortrag, die Erschließungsbeitragssatzung sei nicht wirksam veröffentlicht worden, nicht im Sinne des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO mit der angefochtenen Entscheidung auseinander; denn das Verwaltungsgericht hat auch "offensichtliche Fehler der Erschließungsbeitragssatzung" geprüft, diese aber nicht für ersichtlich gehalten (vgl. S. 3 des angefochtenen Beschlusses). Soweit die Antragsteller mit ihrem Vortrag zur nicht ordnungsgemäßen Veröffentlichung der Erschließungsbeitragssatzung dieses Ergebnis in Frage stellen, setzen sie sich unzweifelhaft mit der angefochtenen Entscheidung auseinander.

Ende der Entscheidung

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