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Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Beschluss verkündet am 25.11.2004
Aktenzeichen: 2 M 561/04
Rechtsgebiete: LSA-KAG


Vorschriften:

LSA-KAG § 6 I 1
LSA-KAG § 6 V 1
LSA-KAG § 6 V 4
LSA-KAG § 6c II 2
1. Die Beitragserhebungspflicht sowie der Billigkeits-Charakter des § 6c LSA-KAG verlangen wohl eine Auslegung des § 6c Abs. 2 Satz 2 LSA-KAG dahin, dass unter "übergroß" ein Wert von 30 % oder mehr zu verstehen sein wird.

2. § 6c Abs. 2 Satz 2 LSA-KAG verbietet es jedenfalls, Grundstücke als "übergroß" zu behandeln, die unterhalb des 30-%-Werts liegen.

3. Einziges Kriterium für die Aufteilung der Vorteile auf die Allgemeinheit und die Anlieger im § 6 Abs. 5 LSA-KAG ist die Möglichkeit der In-Anspruch-Nahme.


OBERVERWALTUNGSGERICHT DES LANDES SACHSEN-ANHALT BESCHLUSS

Aktenz.: 2 M 561/04

Datum: 25.11.2004

Gründe:

Der Beschluss beruht auf § 146 Abs. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung i. d. F. der Novellierung v. 20.12.2001 (BGBl I 3987) - VwGO -, diese in der jeweils gültigen Fassung, sowie auf § 154 Abs. 2 VwGO <Kosten> und auf §§ 47 Abs. 1; 52 Abs. 2; 53 Abs. 3 Nr. 2 des Gerichtskostengesetzes i. d. F. des Art. 1 des Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes v. 05.05.2004 (BGBl I 718) - GKG - <Streitwert> i. V. m . dem Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung der am 07./08.07 2004 beschlossenen Fassung - Streitwertkatalog 2004 -.

1. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 03.06.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Landesverwaltungsamts vom 29.07. 2004 hinsichtlich der Beanstandung des § 16 Abs. 1 S. 1 der am 21.08.2003 beschlossenen und am 05.09.2003 in Kraft getretenen Straßenausbaubeitragssatzung - SABS - anzuordnen, abgelehnt. Das Verwaltungsgericht hat seine Entscheidung maßgeblich damit begründet, dass die die Antragstellerin treffende Beitragserhebungspflicht in Verbindung mit Sinn und Zweck des § 6 c Abs. 2 des Kommunalabgabengesetzes - KAG-LSA - i. d. F. d. Bek. v. 13.12.1996 (LSA-GVBl., S. 405), zuletzt geändert durch Gesetz vom 18.12.2003 (LSA-GVBl., S. 370), den Gemeinden verbiete, bei übergroßen Grundstücken, die Flächen, die mehr als 130% über der durchschnittlichen Grundstücksgröße aufweisen, bei der Heranziehung zu Straßenausbaubeiträgen gänzlich unberücksichtigt zu lassen.

Die lediglich auf die in der Beschwerdebegründung dargelegten Gründe beschränkte Überprüfung der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung führt zu keiner Änderung (§ 146 VwGO).

Die Antragstellerin begründet ihre Beschwerde im Wesentlichen wie folgt: Das Gericht verkenne, dass nach dem Wortlaut des § 6c Abs. 2 S. 2 KAG LSA mindestens Wohngrundstücke, die 30 % oder mehr über der Durchschnittgröße lägen, als übergroß zu gelten hätten. Die Wortwahl "mindestens" müsse einen Sinn haben. Dieser könne nur darin gesehen werden, dass es der Kommune unbenommen bleibe, auch andere Wohngrundstücke als übergroß im Sinne der Vorschrift zu definieren, die zum Beispiel nur 20% über der Durchschnittsgröße lägen. Hierzu sei die Gemeinde durch den Begriff "mindestens" legitimiert. Damit sei es den Gemeinden grundsätzlich freigestellt, wie sie die überschießenden Grundstücksgrößen behandelten. Es läge demnach auch in ihrem Gestaltungsermessen, die Flächen, die über 130 % der durchschnittlichen Grundstücksgröße im Satzungsgebiet aufwiesen, bei der Heranziehung zu Straßenausbaubeiträgen gänzlich auf ihre Kosten unberücksichtigt zu lassen.

Der Senat teilt schon nicht die Auffassung der Beschwerdeschrift, die Gemeinden könnten als übergroße Grundstücke auch Grundstücke im Bereich zwischen der durchschnittlichen Grundstücksgröße und einer Fläche von 130 % über der durchschnittlichen Grundstücksgröße in der Satzung festlegen. Bei der in einem vorläufigen Rechtsschutzverfahren nur möglichen summarischen Prüfung hält er es vielmehr eher für zutreffend, § 6c Abs. 2 S. 2 KAG LSA so zu verstehen, dass als übergroß solche Grundstücke gelten, die mindestens 30 % oder mehr (40, 50, 60 % u.s.w.) über der durchschnittlichen Grundstücksgröße liegen. Dafür spricht zum einen die Beitragserhebungspflicht (hierzu: Beschl. des Sen. v. 03.09.1998 - B 2 S 33//98 -, VwRR-MO 1998, 295) und zum anderen Sinn und Zweck der gesetzlichen Billigkeitsregelung des § 6c KAG LSA. Diese Frage bedarf aber letztlich keiner abschließenden Klärung, weil die von dem Antragsgegner beanstandete Satzung eine Beitragsbegrenzung nicht schon für Grundstücke vorsieht, die weniger als 30 % über der durchschnittlichen Grundstücksgröße liegen und dieser Begründungsansatz der Beschwerdeschrift jede Auseinandersetzung mit der Beitragserhebungspflicht und Sinn und Zweck des Begriffes "begrenzen" in § 6c KAG LSA vermissen lässt, auf die das Verwaltungsgericht aber unter Hinweis auf die Literatur (Driehaus, Kommunalabgabenrecht Band II, § 8, RdNr. 50 o) seine Entscheidung maßgeblich gestützt hat.

2. Soweit das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen den kommunalaufsichtlichen Bescheid vom 03.06.2004 hinsichtlich § 5 Abs. 2 Nr. 1 SABS wiederhergestellt und hinsichtlich der Androhung der Ersatzvornahme angeordnet hat, führt die Beschwerde des Antragsgegners ebenfalls nicht zu einer Änderung der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung.

Auch insoweit ist die Überprüfung der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung lediglich auf die in der Beschwerdebegründung dargelegten Gründe beschränkt (§ 146 VwGO).

Nach § 6 Abs. 5 Satz 1 KAG-LSA sind die Beiträge nach den Vorteilen zu bemessen. Nach § 6 Abs. 5 Satz 4 KAG-LSA bleibt bei der Ermittlung des Beitrags ein dem besonderen Vorteil der Allgemeinheit entsprechender Teil des Aufwands außer Ansatz, wenn die Einrichtung erfahrungsgemäß auch von der Allgemeinheit in Anspruch genommen wird. Der beitragsfähige Aufwand ist daher ausschließlich auf die Gemeinde und die betroffenen Grundstückseigentümer aufzuteilen. Einziges Kriterium für die Aufteilung des beitragsfähigen Aufwands auf die Gemeinde und die Eigentümer ist der durch die In-Anspruch-Nahme-Möglichkeit der ausgebauten Anlage der Allgemeinheit wie den Eigentümern gebotene wirtschaftliche Vorteil. Das Verhältnis der durch die In-Anspruch-Nahme-Möglichkeit für die Allgemeinheit und die Grundstückseigentümer gebotenen wirtschaftlichen Vorteile hängt sowohl von der Verkehrsbedeutung der ausgebauten Straße als auch davon ab, welche Teileinrichtung ausgebaut worden ist (Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 6. Aufl., § 34 RdNr. 4, zum Straßenausbaubeitragsrecht allgemein). Die Festsetzung des Gemeindeanteils ist ein Akt gemeindlicher Rechtssetzung. Sie kann deshalb wie jeder andere Gesetzgebungsakt gerichtlich nur darauf überprüft werden, ob die Gemeinde den durch das Kommunalabgabengesetz und das dadurch begründete Vorteilsprinzip der Ausübung ihres ortsgesetzgeberischen Ermessens gesteckten Rahmen überschritten hat (st. Rspr. d. Sen, z. B. Beschl. v. 10.12.2003 - 2 L 308/02 -, m. w. N.).

Angesichts des skizzierten Gestaltungsspielraums der Antragstellerin ist das Verwaltungsgericht zutreffend davon ausgegangen, dass die offensichtliche Rechtmäßigkeit der Beanstandungsverfügung und ein besonderes Vollzuginteresse nicht bejaht werden konnten.

Soweit die Beschwerdeschrift nunmehr auf eine "dramatische" Haushaltssituation der Antragstellerin hinweist, die es gebiete, jede Einnahmequelle auszuschöpfen, macht sie neue Tatsachen geltend, auf denen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts nicht beruht. Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Senats, dass die Beschwerde mit "neuem Vorbringen" insoweit nicht geführt werden kann, als damit eine Änderung der Sach-, Rechts- oder Verfahrenslage dargetan wird (OVG LSA, Beschl. v. 31.07.2003 - 2 M 337/03 -; Beschl. v. 01.08.2003 - 2 M 339/03 -; so auch Bader, in: Bader/Funke-Kaiser/ Kuntze/ von Albedyll, Kommentar zur VwGO, 2. Aufl., § 146 RdNr. 36; a. A. wohl VGH BW, Beschl. v. 12.04.2002 - 7 S 653/02 -, NVwZ 2002, 883 [884]); denn mit "neuem Vortrag" kann nicht belegt werden, dass die angegriffene Entscheidung unrichtig ergangen ist; das ist deshalb vorauszusetzen, weil nur solcher Vortrag zulässigerweise geleistet werden kann, welcher sich mit der Entscheidung auseinander setzt (§ 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO), die auf einer früheren Sach-, Rechts- oder Prozesslage ergangen ist. "Neue" Umstände sind beim vorläufigen Rechtsschutz in Verfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO oder in Änderungsverfahren zu Beschlüssen nach § 123 Abs. 1 VwGO einzubringen.

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