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Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Beschluss verkündet am 07.03.2008
Aktenzeichen: 2 M 8/08
Rechtsgebiete: BImSchG, VwGO


Vorschriften:

BImSchG § 20 Abs. 2 S. 1
VwGO § 123
1. Der Antragsteller will eine Vorwegnahme der Hauptsache erreichen, wenn und soweit die im Anordnungsverfahren begehrte Regelung in Inhalt und Wirkung der Entscheidung im Klageverfahren entspricht, der Antragsteller also bereits jetzt auf Dauer oder wenigstens bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens so gestellt werden will, als ob er in der Hauptsache obsiegt hat.

2. Eine Vorwegnahme der Hauptsache ist nur dann ausnahmsweise zulässig, wenn die Regelung zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes schlechterdings notwendig ist, das heißt, wenn die sonst zu erwartenden Nachteile für den Antragsteller unzumutbar und im Hauptsachverfahren nicht mehr zu beseitigen wären.

3. Ein überwiegendes Nachbarinteresse an der sofortigen Unterbindung von Beeinträchtigungen, die durch die Nutzung einer bereits vorhandenen baulichen Anlage verursacht werden, ist regelmäßig nur dann anzuerkennen, wenn die Einwirkungen auf den Nachbarn ganz wesentlich über das im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG Erhebliche hinausgehen, so dass ihm die Hinnahme nicht einmal vorübergehend bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache in zumutbarer Weise angesonnen werden kann, etwa wenn sich die Beeinträchtigungen zu einer Gesundheitsgefährdung verdichten können.


Gründe:

Die zulässige Beschwerde des Antragstellers ist nicht begründet. Die zulässige Beschwerde der Beigeladenen hat dagegen in der Sache Erfolg.

Das Verwaltungsgericht hat den Antragsgegner zu Unrecht im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache die Stilllegung der Schweinemastanlage der Beigeladenen anzuordnen, soweit darin 1.500 oder mehr Mastschweine gehalten werden. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zur (vorläufigen) Stilllegung der Schweinemastanlage der Beigeladenen gemäß § 123 VwGO muss - wie die Beigeladene zu Recht einwendet - schon deswegen insgesamt ohne Erfolg bleiben, weil damit die Entscheidung in der Hauptsache unzulässigerweise vorweggenommen würde.

Ein Antrag ist auf eine Vorwegnahme der Hauptsache gerichtet, wenn das Rechtsschutzziel des Anordnungsverfahrens mit dem des Klageverfahrens übereinstimmt. Der Antragsteller will eine Vorwegnahme der Hauptsache erreichen, wenn und soweit die im Anordnungsverfahren begehrte Regelung in Inhalt und Wirkung der Entscheidung im Klageverfahren entspricht, der Antragsteller also bereits jetzt auf Dauer oder wenigstens bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens so gestellt werden will, als ob er in der Hauptsache obsiegt hat. Auch die vorläufige Vorwegnahme der Hauptsache ist eine Vorwegnahme im Rechtssinn, wenn sie dem Antragsteller für die Dauer des Klageverfahrens die Rechtsposition vermittelt, die er in der Hauptsache anstrebt. (vgl. zum Ganzen: Finkelnburg/Jank, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 4. Aufl., RdNrn. 203, 208, m. w. Nachw.).

So liegt es hier. Der Antragsteller erhielte bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache gerade die Rechtsposition, die er mit der angekündigten Klage in der Hauptsache ebenfalls anstrebt. Mit einer solchen Klage begehrt er letztlich die endgültige Schließung der Schweinemastanlage auf der Grundlage des § 20 Abs. 2 BImSchG, weil diese nach seiner Auffassung ohne die erforderliche immissionsschutzrechtliche Genehmigung betrieben wird. Damit stimmen das Anordnungs- und das Klageziel überein. Der Antragsteller würde schon jetzt so gestellt, als habe er mit der - im Übrigen bislang noch nicht erhobenen - Klage obsiegt.

Eine Vorwegnahme der Hauptsache ist nur dann ausnahmsweise zulässig, wenn die Regelung zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes schlechterdings notwendig ist, das heißt, wenn die sonst zu erwartenden Nachteile für den Antragsteller unzumutbar und im Hauptsachverfahren nicht mehr zu beseitigen wären (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 14. Aufl., § 123 RdNr. 14, m. w. Nachw.; BVerwG, Beschl. v. 21.01.1999 - 11 VR 8.98 -, NVwZ 1999, 650). Der Antragsteller hat jedoch entgegen § 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO nicht glaubhaft gemacht, dass ihm bei einem Abwarten der Hauptsacheentscheidung solche unzumutbaren Nachteile drohen. Ein überwiegendes Nachbarinteresse an der sofortigen Unterbindung von Beeinträchtigungen, die durch die Nutzung einer bereits vorhandenen baulichen Anlage verursacht werden, ist regelmäßig nur dann anzuerkennen, wenn die Einwirkungen auf den Nachbarn ganz wesentlich über das im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG Erhebliche hinausgehen, so dass ihm die Hinnahme nicht einmal vorübergehend bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache in zumutbarer Weise angesonnen werden kann, etwa wenn sich die Beeinträchtigungen zu einer Gesundheitsgefährdung verdichten können (vgl. SaarlOVG, Beschl. v. 26.01.2007 - 2 W 27/06 - AS RP-SL 34, 159; vgl. auch OVG Berlin, Beschl. v. 16.07.1985 - 2 S 90/85 -, NVwZ 1985, 756). Allein mit dem Vortrag, er werde nicht nur kurzzeitig, sondern fortwährend Geruchsbelästigungen ausgesetzt, Schweinemastanlagen gehörten zu den Anlagen mit einem erhöhten Geruchspotenzial und die seit dem Jahr 2000 heranrückende Wohnbebauung werde massiv negativ beeinträchtigt, sind solche Beeinträchtigungen nicht dargetan.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 52 Abs. 1 GKG i. V. m. Nrn. 19.2 und 2.2.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung vom Juli 2004 (NVwZ 2004, 1327).

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