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Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Beschluss verkündet am 16.09.2009
Aktenzeichen: 2 M 89/09
Rechtsgebiete: DenkmSchG LSA


Vorschriften:

DenkmSchG LSA Art. 14
Enthält eine denkmalrechtliche Genehmigung für einen im überwiegenden Interesse liegenden Eingriff eine Nebenbestimmung, wonach der Veranlasser die Kosten einer ihm auferlegten Dokumentation tragen muss, kann er die Genehmigung auch dann ausnutzen, wenn er gegen die Kostenregelung Widerspruch erhoben hat.
Gründe:

I.

Mit Bescheid vom 05.04.2007 (vgl. GA Bl. 19) erteilte der Antragsgegner der Antragstellerin eine naturschutz- und denkmalrechtliche Genehmigung zur Errichtung einer Gashochdruckleitung zwischen den in seinem Kreisgebiet liegenden Gemeinden Ra. und Ro.. Der Bescheid enthält unter Nr. II. 3. u.a. folgende denkmalrechtliche Nebenbestimmungen:

"3.1. Vor Beginn der Erdarbeiten ist eine archäologische Dokumentation (Grabung) im Bereich I (H. bis L.) durchzuführen.

3.3. Die Modalitäten der Ausgrabungen sind mit dem LDA (Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie) abzustimmen und dem Landkreis S. vor Beginn der Ausgrabungen in Form der beiderseits unterzeichneten Vereinbarung vorzulegen.

3.5. Die Kosten der archäologischen Dokumentation in Höhe von ca. 235.900 Euro sind von der A. GmbH als Veranlasser zu tragen."

Unter dem 08.05.2007 erhob die Antragstellerin gegen die Nebenbestimmung Nr. 3.5 Widerspruch und führte zur Begründung aus: Nach § 14 Abs. 9 S. 3 DenkmSchG LSA könne sie nur im Rahmen des Zumutbaren zur Übernahme der Dokumentationskosten verpflichtet werden. Die ihr auferlegten Dokumentationskosten hielten sich aber nicht in diesem Rahmen. Nach der Rechtsprechung im Naturschutzrecht seien Ersatzmaßnahmen nur in Höhe von 10 % der Gesamtkosten zumutbar. Die festgesetzten 235.900 € machten demgegenüber 25 % der Gesamtinvestitionskosten für die Auswechslung der Gashochdruckleitung aus.

Mit Abgabenachricht vom 29.05.2007 teilte der Antragsgegner der Antragstellerin mit, dass der Widerspruch seiner Auffassung nach insgesamt, d.h. nicht nur hinsichtlich der Nebenbestimmung Nr. 3.5., sondern auch hinsichtlich der übrigen Regelungen des Genehmigungsbescheides aufschiebende Wirkung entfalte und somit auch die Grabungsvereinbarung mit dem Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie (Vereinbarung vom 09.02./08.05. 2007 im Sinne der zitierten Nr. II.3.3. des streitgegenständlichen Genehmigungsbescheides, vgl. GA, Bl. 25) nicht vollzogen werden könne.

Am 07.05.2009 hat die Antragstellerin beim Verwaltungsgericht Halle um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht und beantragt

1. festzustellen, dass ihrem Widerspruch gegen Ziff. 3.5. des Genehmigungsbescheides des Antragsgegners vom 05.04.2007 zur Rohrnetzauswechslung der Gashochdruckleitung TN 227 keine aufschiebende Wirkung zukomme, dass also der Genehmigungsbescheid des Antragsgegners vom 05.04.2007 vollziehbar sei,

2. dem Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie im Rahmen einer einstweiligen Anordnung aufzugeben, der Grabungsvereinbarung vom 09.02.2007/08.05.2007 mit der Antragstellerin nachzukommen.

Mit Beschluss vom 08.05.2009 hat das Verwaltungsgericht den Antrag zu 2 abgetrennt und insoweit das Verfahren unter dem Aktenzeichen 2 B 195/09 HAL (beim Senat anhängig unter dem Aktenzeichen 2 M 90/09) fortgeführt.

Mit Beschluss vom 03.06.2009 hat das Verwaltungsgericht die beantragte Feststellung (Antrag zu 1.) abgelehnt und zur Begründung ausgeführt: Der Widerspruch der Antragstellerin entfalte gemäß § 80 Abs. 1 VwGO aufschiebende Wirkung nicht nur hinsichtlich der angefochtenen Kostentragungspflicht, sondern auch hinsichtlich der begünstigenden Genehmigung selbst. Die angefochtene Kostenregelung stehe mit dem begünstigenden Teil des Bescheides - der Genehmigung als solcher - in einem untrennbaren Zusammenhang, weil ohne eine vollziehbare Regelung der Kosten die Denkmalverträglichkeit des Eingriffs nicht gewährleistet sei.

Am 10.06.2009 hat die Antragstellerin Beschwerde erhoben.

II.

Die nach § 146 Abs. 4 VwGO zulässige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.

Das Verwaltungsgericht hat zu Recht angenommen, dass das Feststellungsbegehren der Antragstellerin als Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes in entsprechender Anwendung des § 80 Abs. 5 VwGO zulässig ist. In den Fällen sogenannter faktischer Vollziehung, d.h. wenn Behörden oder Dritte bereits Vollzugsmaßnahmen getroffen haben oder treffen, ohne dass die Voraussetzungen der sofortigen Vollziehung gemäß § 80 Abs. 2 VwGO vorlagen bzw. vorliegen, verfügt das Gericht nicht die Aussetzung der Vollziehung, sondern stellt analog § 80 Abs. 5 VwGO fest, dass der eingelegte Rechtsbehelf aufschiebende Wirkung hat; eine solche Feststellung kommt aber auch dann in Betracht, wenn zwar unzweifelhaft die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs gegeben, jedoch - wie hier - der Umfang der aufschiebenden Wirkung umstritten ist (Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl., § 80 RdNR. 181 mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung).

Die Antragstellerin hat auch ein schutzwürdiges Interesse an der begehrten Feststellung. Auf der Grundlage des streitgegenständlichen Genehmigungsbescheides kann sie die geplante Hochdruckleitung nur errichten, wenn das Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie gleichzeitig seinen Verpflichtungen aus der Grabungsvereinbarung vom 09.02.2007/08.05.2007 nachkommt. An diese Verpflichtungen fühlt sich aber das Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie derzeit nicht gebunden, weil es - wie der Antragsgegner - von der umfassenden aufschiebenden Wirkung des von der Antragstellerin eingelegten Widerspruchs ausgeht.

Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts ist der Feststellungsantrag der Antragstellerin aber auch begründet. Der Senat teilt zwar den rechtlichen Ausgangspunkt des Verwaltungsgerichts, wonach bei Verwaltungsakten mit teils belastendem, teils begünstigendem Inhalt die aufschiebende Wirkung eines gegen den belastenden Teil eingelegten Widerspruchs auch den begünstigenden Teil - hier die Genehmigung als solche - umfasst, wenn beide Teile in einem untrennbaren Zusammenhang stehen, d.h. bei objektiver Betrachtung aus dem Bescheid oder den Umständen seines Erlasses für den Betroffenen erkennbar ist, dass der belastende Teil so wesentlich ist, dass die Begünstigung allein dem Zweck des Verwaltungsaktes offensichtlich widerspräche, wenn nicht auch die Belastung sofort wirksam würde (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl., § 80 RdNr. 47 m.w.N.). Entgegen der Auffassung der Vorinstanz ist aber ein solcher untrennbarer Zusammenhang zwischen der angefochtenen Nebenbestimmung und den übrigen Regelungen des streitgegenständlichen Genehmigungsbescheides im vorliegenden Fall nicht gegeben. Die mit der angefochtenen Nebenbestimmung getroffene Kostenregelung ist bei objektiver Betrachtung nicht so wesentlich, dass die erteilte denkmalrechtliche Genehmigung im Übrigen dem Zeck des Verwaltungsaktes offensichtlich widerspräche.

Nach § 10 Abs. 2 Nr. 2 DenkmSchG LSA ist ein Eingriff in ein Kulturdenkmal zu genehmigen (§ 14 Abs. 1 DenkmSchG LSA), wenn - was hier vom Antragsgegner in seiner denkmalrechtlichen Genehmigung bejaht wurde - ein überwiegendes öffentliches Interesse den Eingriff verlangt. Diesem allein an das Bestehen eines öffentlichen Interesses geknüpften Anspruch kann die untere Denkmalbehörde zwar nach § 14 Abs. 9 Satz 1 DenkmSchG LSA eine Dokumentationspflicht gegenüberstellen und dementsprechend verlangen, dass der Eigentümer oder der Veranlasser von Veränderungen und Maßnahmen an Kulturdenkmalen diese dokumentiert. Darüber hinaus kann die Denkmalbehörde die Veranlasser nach § 14 Abs. 9 Satz 3 DenkmSchG LSA im Rahmen des Zumutbaren zur Übernahme der Dokumentationskosten verpflichten. Da diese Kostenübernahme aber nur "im Rahmen des Zumutbaren" verlangt werden kann, besteht schon aus Rechtsgründen kein untrennbarer Zusammenhang dahingehend, dass die Genehmigung eines Eingriffs im Sinne des § 10 Abs. 2 Nr. 2 DenkmSchG LSA von der vollständigen Übernahme der anfallenden Dokumentationskosten durch den Veranlasser bzw. davon abhinge, dass sich die anfallenden und auferlegten Kosten im Rahmen des für den Veranlasser Zumutbaren bewegen. Das würde darauf hinauslaufen, dass der Genehmigungsanspruch nach § 10 Abs. 2 Nr. 2 DenkmSchG LSA nicht nur von dem dort geregelten Tatbestandsmerkmal des überwiegenden öffentlichen Interesses abhängig gemacht würde, sondern darüber hinaus auch davon, dass die Kosten einer dem Veranlasser nach § 14 Abs. 9 DenkmSchG auferlegten Dokumentation letztlich in voller Höhe von diesem zu tragen sind. Eine solche Verknüpfung lässt sich aber dem Normgefüge der § 10 Abs. 2 Nr. 2 und 14 Abs. 9 DenkmSchG LSA nicht entnehmen. Die untere Denkmalschutzbehörde hat nach § 10 Abs. 2 Nr. 2 DenkmSchG einen im überwiegenden öffentlichen Interesse liegenden Eingriff zu genehmigen. Demgegenüber ist ihr nach § 14 Abs. 9 DenkmSchG ein Ermessen sowohl dahingehend eingeräumt, ob sie den Veranlasser eines Eingriffs zu einer Dokumentation verpflichtet, als auch dahingehend, ob und in welcher Höhe sie ihm hierfür die Kosten auferlegt. Angesichts dessen obliegt ihr im Rahmen ihrer Ermessensausübung auch die Prüfung, ob die Kosten der von ihr für nötig erachteten Dokumentation sich im Rahmen des dem Veranlasser Zumutbaren bewegen und ob sie anderenfalls den Umfang der Dokumentation einschränkt.

Ob die der Antragstellerin vom Antragsgegner auferlegten Kosten in Höhe von "ca." 235.900 € einer Zumutbarkeitsprüfung im Sinne des § 14 Abs. 9 Satz 3 DenkmSchG LSA standhalten, ist im Rahmen des insoweit anhängigen Widerspruchsverfahrens zu prüfen. Mit Blick darauf ist zwar derzeit nicht abschließend geklärt, ob die Antragstellerin die ihr auferlegten Kosten im Ergebnis vollständig zu tragen hat. Diese Offenheit der Kostenfrage steht aber entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts der Denkmalverträglichkeit des Eingriffs nicht entgegen. Die Antragstellerin hat zu Recht darauf hingewiesen, dass die ihr nach Nr. II. 3.1. des streitgegenständlichen Genehmigungsbescheides auferlegte Dokumentation als solche durchgeführt werden kann und sie wegen der hierfür anfallenden Kosten in Vorleistung tritt. Bei dieser Sachlage kann der Veranlasser an der Ausnutzung der ihm erteilten Genehmigung nicht deshalb gehindert sein, weil er eine Überprüfung der ihm auferlegten Dokumentationskosten verlangt. Vielmehr liegt es im Risikobereich der Genehmigungsbehörde, die vorgeleisteten Dokumentationskosten im Ergebnis erstatten zu müssen, soweit sie einer Zumutbarkeitsprüfung nach § 14 Abs. 9 Satz 3 DenkmSchG LSA nicht standhalten.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2 VwGO und die Streitwertfestsetzung aus §§ 47 Abs. 1, 53 Abs. 3 Nr. 2 und 52 Abs. 2 GKG.

Ende der Entscheidung

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