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Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Beschluss verkündet am 13.06.2003
Aktenzeichen: 2 O 369/01
Rechtsgebiete: VwGO, ZPO, AuslG, AsylVfG


Vorschriften:

VwGO § 166
ZPO § 114
AuslG § 82
AsylVfG § 10 II 1
AsylVfG § 10 II 2
AsylVfG § 10 II 4
AsylVfG § 10 VII
1. Hinreichende Erfolgsaussichten i. S. des § 114 ZPO setzen voraus, dass der Rechtsstandpunkt des Antragstellers ohne Überspannung der Anforderungen zutreffend oder bei schwieriger Rechtslage zumindest vertretbar erscheint (Bestätigung von OVG LSA, Beschl. v. 21.01.2003 - 2 O 421/02 -, m. w. Nachw.).

2. Gegen einen Leistungsbescheid wegen Abschiebekosten (§ 82 AuslG) können grundsätzlich auch rechtliche Mängel des Abschiebeverfahrens geltend gemacht werden. Das gilt nicht für den unanfechtbaren Verwaltungsakt, auf dessen rechtlicher Grundlage die Abschiebung vollzogen wurde, sofern er nicht nichtig ist oder sich vor Eintritt der Unanfechtbarkeit erledigt hatte.

3. War der Ausländer in der Gemeinschaftsunterkunft "unbekannt", so muss er eine Zustellung dort regelmäßig gegen sich gelten lassen (§ 10 AsylVfG).


OBERVERWALTUNGSGERICHT DES LANDES SACHSEN-ANHALT BESCHLUSS

Aktenz.: 2 O 369/01

Datum: 13.06.2003

Gründe:

Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.

Das Verwaltungsgericht hat den Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu Recht mit der Begründung abgelehnt, die beabsichtigte Rechtsverfolgung biete keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 166 VwGO i. V. m. § 114 Abs. 1 ZPO).

Hinreichende Erfolgsaussichten sind nämlich nur dann gegeben, wenn der Rechtsstandpunkt des Klägers ohne Überspannung der Anforderungen zutreffend oder bei schwieriger Rechtslage zumindest vertretbar erscheint (z. B.: OVG-LSA, Beschl. v. 21.01.2003 - 2 O 421/02 -, m. w. N.).

Im Rahmen eines Verfahrens gegen einen Leistungsbescheid nach § 82 AuslG können Ausländer zwar grundsätzlich jeden rechtlichen Mangel der Abschiebung geltend machen, sofern dieser geeignet ist, eigene Rechte zu verletzen, und unabhängig davon, ob das Vorliegen des Mangels offensichtlich ist oder nicht. Dies beruht darauf, dass der in § 82 AuslG enthaltene Begriff der Abschiebekosten nicht nur an einen tatsächlichen Abschiebungsvorgang anknüpft, sondern auch eine Abschiebung im Rechtssinne voraussetzt.

Haftet der Mangel aber einem Verwaltungsakt an, auf dessen rechtlicher Grundlage die Abschiebung erfolgt ist, so kann von den Fällen der Nichtigkeit abgesehen, dieser Mangel vom Ausländer nicht mehr geltend gemacht werden, sofern der Verwaltungsakt unanfechtbar geworden ist und sich auch nicht vor Eintritt der Unanfechtbarkeit erledigt hat (Funke-Kaiser, in: Gemeinschaftskommentar zum Ausländerrecht Bd. II, Stand: Juli 2001, § 82 RdNr. 5).

Zutreffend ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass der Bescheid vom 26.08.1993 bestandskräftig geworden ist.

Nach den Maßgaben in § 10 Abs. 2 S. 1 und 2 AsylVfG muss der Ausländer Zustellungen unter der letzten bekannt gewordenen Anschrift gegen sich gelten lassen. Kann die Sendung dem Ausländer nicht zugestellt werden, so gilt insofern nach § 10 Abs. 2 S. 4 AsylVfG die Zustellung mit der Aufgabe zur Post als bewirkt, selbst wenn die Sendung als unzustellbar zurückkommt. Diese Regelung setzt einen Zustellungsversuch entsprechend den allgemeinen Bestimmungen des (hier nach § 56 Abs. 2 VwGO anzuwendenden) Verwaltungszustellungsgesetzes voraus, wobei festgestellt werden muss, dass unter der maßgeblichen Anschrift nicht zugestellt werden kann. Die Fiktion der wirksamen Zustellung gilt nur dann (vgl. zum Ganzen: Schütze, in: Gemeinschaftskommentar zum Asylverfahrensgesetz, 1992 § 10 RdNrn. 139 ff.). Sie greift nach dem Sinn der Regelung hingegen nicht ein, wenn sich der Asylbewerber unter der maßgeblichen Anschrift aufhält, eine Zustellung entsprechend den Bestimmungen des Verwaltungszustellungsgesetzes jedoch infolge eines Umstands unterbleibt, der in der Sphäre der damit befassten Stelle, insbesondere der Post, liegt.

Solche Umstände liegen hier nicht vor. Dass der Kläger am 30.12.1993 in der Gemeinschaftsunterkunft ... "unbekannt" war, wird durch die Postzustellungsurkunde, eine öffentliche Urkunde i. S. des § 415 Abs. 1 ZPO, bewiesen.

Der Kläger hat den nach § 415 Abs. 2 ZPO zulässigen Gegenbeweis nicht angetreten.

Ebenso wenig hat der Kläger glaubhaft gemacht, dass ihm gegenüber die Voraussetzungen des § 10 Abs. 7 AsylVfG nicht erfüllt waren.

Voraussetzung für die Fiktion des § 10 Abs. 2 Satz 4 AsylVfG ist zwar, dass der Ausländer bei der Antragstellung schriftlich und gegen Empfangsbestätigung auf diese Zustellungsvorschriften hingewiesen wurde (§ 10 Abs. 7 AsylVfG). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (1. Kammer des Zweiten Senats, Beschlüsse vom 10. März 1994 - 2 BvR 2371/93 -, NVwZ aktuell 1994, 25 (26) und vom 8. Juli 1996 - 2 BvR 96/95 -, EZAR 210 Nr. 11 S. 5) muss der Hinweis nach § 10 Abs. 7 AsylVfG, der dem rechtsstaatlichen Gebot eines fairen Verfahrens dient, den Besonderheiten des Adressatenkreises Rechnung tragen. Es ist zu berücksichtigen, dass der Asylbewerber sich in einer ihm fremden Umgebung befindet, mit dem Ablauf des deutschen Asylverfahrens nicht vertraut und in aller Regel der deutschen Sprache nicht mächtig ist. Erforderlich ist daher eine erläuternde Belehrung, die dem Asylbewerber mit der gebotenen Deutlichkeit vor Augen führt, welche Obliegenheiten ihn im einzelnen treffen und welche Folgen bei deren Nichtbeachtung entstehen können. Daraus folgt unter anderem, dass sich der Hinweis nicht auf die gesetzlichen Vorschriften als solche beschränken kann, sondern sich auf die hieraus folgende Konsequenzen erstrecken muss (BVerfG, a.a.O.).

Ausweislich der Ausländerakten hat der Kläger am 09.03.1993 den Empfang entsprechender Hinweisblätter quittiert. Der Kläger war im Übrigen im Betreiben von Asylverfahren nicht unerfahren. Vor dem Verfahren, das zu seiner Abschiebung geführt hatte, hatte er bereits zwei weitere Asylverfahren unter "Alias-Namen" durchlaufen.

Unabhängig davon kann der Kläger nicht verlangen, dass er über eine Belehrung hinaus auch über den rechtlichen Hintergrund des deutschen Zustellungsrechts aufgeklärt und damit "rechtskundig gemacht" wird.

Soweit der Kläger im Beschwerdeverfahren erneut geltend macht, die Anzahl der Begleitpersonen bei seiner Abschiebung sei so nicht erforderlich gewesen, wird auf die zutreffenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts insoweit verwiesen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Ende der Entscheidung

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